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Veröffentlicht am 13.11.2020

„Wer nicht genießt, wird ungenießbar.“ (Konstantin Wecker)

Zeit für Nachtisch von unseren Landfrauen
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Schon in unserer Kindheit war der Nachtisch unsere Lieblingsmahlzeit, dafür haben wir auch Dinge gegessen, die wir nicht mochten, nur um am Ende in den Genuss eines der köstlichen Desserts zu kommen. Auch ...

Schon in unserer Kindheit war der Nachtisch unsere Lieblingsmahlzeit, dafür haben wir auch Dinge gegessen, die wir nicht mochten, nur um am Ende in den Genuss eines der köstlichen Desserts zu kommen. Auch in unserer Familie geht keine Mahlzeit ohne einen süßen Abschluss durch, der möglichst selbstgemacht und nicht mit Tüten und Pülverchen zusammengemixt wurde.
So wurde das Buch „Zeit für Nachtisch von unseren Landfrauen“ von den Uplengener Landfrauen begeistert bei uns begrüßt und schnell in Augenschein genommen, wobei man sich schon den einen oder anderen Kandidaten auf den Wunschzettel schrieb. Anhand von 50 verständlich beschriebenen Rezepten darf man sich durch die wunderbare Welt der Desserts futtern, die auch in der Umsetzung nicht schwierig sind und somit ebenso dem Anfänger gelingen dürften. Besonders herauszustellen ist dabei die Tatsache, dass hier hauptsächlich mit frischen Produkten gearbeitet und weniger auf Fertigprodukte zurückgegriffen wird. Dabei sei zu erwähnen, dass auch in den 60er/70er Jahren schon vereinzelt auf Puddingpulver zurückgegriffen wurde und dies hier auch bei einigen wenigen Rezepten zur Anwendung kommt. Vieles jedoch hat den Frischfaktor durch die Verwendung von Quark, Sahne, Joghurt und frischem Obst.
Bei Rotweincreme, Grießbrei, Mandarinen- und Zitronencreme, Apfelschnee oder Rhabarbergrütze wird die eigene Kindheit wieder lebendig, andere dagegen sind für uns neu wie z.B. die Walnusscreme oder die Schmandcreme. An der Götterspeise scheiden sich bei uns die Geister, denn einige von uns haben die schon als Kind verschmäht. Dennoch findet auch diese in dem Kochbuch Erwähnung, denn Liebhaber mögen diese ja gern auch mit selbstgemachter Vanillesauce. Auch anschauliche Rezepte zu Crumble und Tiramisu finden sich in dem Buch wieder, wobei wir diese Spezialitäten in unserer Kindheit noch nicht auf dem Teller hatten.
Auch die Gestaltung des Buches lässt keine Wünsche offen, denn nicht nur der textile Einband ist sehr gut gewählt, vor allem die Rezepte mit den eingestreuten Tipps und den dazugehörigen Fotos überzeugen auf der ganzen Linie. Ein wunderbares Dessertbuch, dass immer wieder gern Verwendung findet, um die Familie mit einem selbstgemachten frischen Nachtisch zu verwöhnen. Sehr empfehlenswert!

Veröffentlicht am 12.11.2020

"Weihnachten ist keine Jahreszeit. Es ist ein Gefühl." (Edna Ferber)

Weihnachten am Ku'damm
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Dezember 1946 Berlin. Der Krieg ist zwar seit fast zwei Jahren beendet, doch die Stadt ist immer noch ein Trümmerhaufen, die Lage für die Berliner wird immer prekärer, denn die extreme Kälte setzt den ...

Dezember 1946 Berlin. Der Krieg ist zwar seit fast zwei Jahren beendet, doch die Stadt ist immer noch ein Trümmerhaufen, die Lage für die Berliner wird immer prekärer, denn die extreme Kälte setzt den Menschen gehörig zu, weil sowohl Kohlen als auch Lebensmittel mehr als knapp sind. Auch von dem einst prächtigen, glanzvollen Modehaus „Thalheim“ ist kaum mehr als eine Ruine übrig, so behilft sich Rike mit einem beengten kleinen Ladenlokal am Savignyplatz, um dort weiterhin Kleidung zu verkaufen. Währenddessen zieht Silvie mit ihren Gesangsauftritten bei den britischen Besatzungskräften so manch gute Tauschware an Land, so dass das Leben der Thalheims halbwegs erträglich ist. Als Rike eines Abends kurz vor Weihnachten den 8-jährigen mageren und verfrorenen Emil auf der Straße antrifft, bringt sie es nicht übers Herz, den Jungen sich selbst zu überlassen und nimmt ihn mit in die alte Wohnung von Oma Frieda, wo die Thalheims nun Quartier bezogen haben. Dort kümmern sich sofort alle ganz liebevoll um den kleinen heimatlosen Kerl, dessen Geschichte sie so nach und nach erfahren…
Brigitte Riebe hat mit „Weihnachten am Ku’damm“ eine wunderschöne Weihnachtsgeschichte vorgelegt, die als kleiner Nachschlag zu ihrer grandiosen „Ku’damm“-Trilogie das Leserherz höherschlagen lässt. Der flüssige, bildgewaltige und gefühlvolle Erzählstil der Autorin lässt den Leser schon mit wenigen Worten ins vergangene Jahrhundert abtauchen, ein zertrümmertes Berlin vor Augen, während er in die beengte Wohnung der Thalheims einzieht und für die Zeit der Lektüre das Schicksal mit der Familie teilt. Schon die Trilogie überzeugte mit warmherzigem Familienzusammenhalt und lebendigen Erlebnissen, aber auch hier lässt die Autorin den Leser eine unvergessliche Weihnachtszeit erleben. Der Jahrhundertwinter in der Geschichte macht nicht nur durch die extreme Kälte auf sich aufmerksam, sondern lässt den Leser miterleben, wie die Thalheims ihre wenige Habe und Lebensmittel teilen, um einen kleinen Jungen zu retten und ihm das Gefühl von Wärme und Geborgenheit zu vermitteln. Dazu gehört auch ein anständiges Weihnachtsfest mit Baum und allem Drum und Dran. Was sich für uns heute so selbstverständlich anhört, war damals nahezu ein Ding der Unmöglichkeit, zumal es in Berlin kaum noch Bäume gab mangels Heizmaterial. Die Autorin hat nicht nur wunderbare Hintergrundrecherche betrieben, sondern lässt mit schönen Bildern das Familienleben und die Anstrengungen aller Beteiligten für ein schönes Weihnachtsfest vor dem inneren Auge entstehen, während sie alte Sehnsüchte, geheime Träume und Wünsche ihrer Protagonisten mit einflicht und sie so nahbar wie möglich macht.
Die Charaktere sind liebevoll und lebendig in Szene gesetzt, überzeugen mit glaubhaften Ecken und Kanten. Der Leser fühlt sich unter ihnen nicht nur wie bei guten Freunden, sondern ist durch die empathische Art der Erzählung schnell selbst Teil der Familie. Die fleißige und kämpferische Rike muss man einfach gernhaben, hat sie doch ein großes Herz und verliert nicht den Mut. Silvie ist eine Rebellin, die mit ihrem Gesang recht erfolgreich ist. Flori ist das Nesthäkchen, das unbedingt einen Weihnachtsbaum zum Fest möchte. Emil ist ein lieber kleiner Kerl, der alles verloren hat. Auch Miri, Claire, Carl, Friedrich und Brahms haben ihre Auftritte und versprühen ihren Charme an den Leser, der sich nur zu gern von ihnen allen becircen lässt und sie nicht verlassen will.
„Weihnachten am Ku’damm“ ist ein Geschichte von Entbehrungen, Hoffnung, Zuversicht und vor allem Nächstenliebe, die wunderbar in die Weihnachtszeit passt und einmal mehr deutlich macht, dass wir uns nicht nur um uns kümmern, sondern auch auf unsere Mitmenschen achtgeben sollten. Anrührend und mit viel Wärme erzählt, gilt hier das Prädikat „Besonders wertvoll“! Absolute Leseempfehlung – wunderschön!!!

Veröffentlicht am 08.11.2020

"Meistens belehrt erst der Verlust uns über den Wert der Dinge." (A. Schopenhauer)

Das Kind der Wellen
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Während eines Urlaubsaufenthaltes ertrinkt die dreijährige Millie bei einem Badeunfall in der Nordsee, was ihre Mutter Lisa völlig verzweifeln und deren Ehe zu einer Belastungsprobe werden lässt. Schließlich ...

Während eines Urlaubsaufenthaltes ertrinkt die dreijährige Millie bei einem Badeunfall in der Nordsee, was ihre Mutter Lisa völlig verzweifeln und deren Ehe zu einer Belastungsprobe werden lässt. Schließlich verlässt sie ihren Mann und ihre beiden Söhne. Um ihr Leben wieder in den Griff zu bekommen und alles zu verdauen, zieht Lisa drei Jahre nach Millies Tod zurück in das Ferienhaus an der Nordsee. Dieses ist durch einen Wasserschaden renovierungsbedürftig, so dass Lisa den Schreiner Lars und dessen Sohn Jonas engagiert, Reparaturarbeiten durchzuführen. Dabei finden sie alte Zeichnungen vom Strand und Notizen zu einer Geschichte über ein verlorenes Kind. Der Fund geht Lisa ziemlich nahe, sie möchte unbedingt mehr darüber herausfinden, vor allem über den Verfasser. Mit Hilfe von Jonas stößt sie auf das Schicksal von Victoria Schwayer, die selbst nach dem Ersten Weltkrieg 1919 in dem Haus gewohnt hat…
Rebecca Martin hat mit „Das Kind der Wellen“ einen wunderbaren Roman vorgelegt, der nicht nur durch seine sehr gut miteinander verknüpften zwei Zeitebenen besticht, sondern mit auch einer spannenden und atmosphärischen Geschichte überzeugt. Der flüssige, bildreiche und anrührende Erzählstil katapultiert den Leser sofort in die Handlung hinein. Durch geschickt angelegte Handlungsstränge lernt der Leser zum einen in der Gegenwart Lisas trauriges Schicksal kennen und schließt sich ihr beim Aufspüren der Vergangenheit an. Auf der anderen Seite taucht er ab ins vergangene Jahrhundert, um Victoria kennenzulernen, deren Lebenslauf ebenso ergreifend und berührend ist wie das von Lisa. Victoria ist ein Opfer von Standesdünkel, denn sie lässt sich nicht nur mit dem Feind ein, sondern bekommt auch noch ein uneheliches Kind von ihm, was ihr schlussendlich die Verbannung vom elterlichen Haus in Mainz an die Nordsee einbringt und das Schicksal seinen Lauf nimmt. Die Parallelen zwischen den beiden Hauptprotagonistinnen werden nach und nach gleich einem Puzzle mit einiger Spannung entblättert. Der Wermutstropfen in der Gegenwartsgeschichte ist Lisas Verhalten gegenüber ihrer restlichen Familie. Ihre große Trauer um die verlorene Tochter ist absolut verständlich. Dass sie jedoch ihren Ehemann und ihre beiden Söhne dann einfach allein lässt, zeigt auch einen Egoismus, der wenig nachvollziehbar ist, schließlich trauern auch sie und im Familienverbund kann man sich viel mehr unterstützen nach solch einer Tragödie. Mit farbenprächtigen Beschreibungen zaubert Martin dem Leser während der Lektüre ein schönes Kopfkino, dass ihn an die windumtoste Nordsee führt mit seinen Sandstränden und dem weiten Meerblick.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert mit glaubhaften menschlichen Eigenschaften ausgestaltet. Lebendig und authentisch nehmen sie den Leser schnell für sich ein, so dass dieser ihnen bei ihren Unternehmungen immer sehr nahe kommt. Lisa ist eine gebrochene Frau, die mit sich selbst nicht mehr zurechtkommt, zu sehr nagen Schuldgefühle und Trauer an ihr. Sie hat alle Gefühle in sich verschlossen, weshalb sie auch ihrer Familie nichts mehr geben kann. Lars und Jonas sind zwei hilfsbereite und freundliche Kerle, die Lisa unterstützen und sich dabei im Hintergrund halten. Victoria ist eine sympathische und liebevolle junge Frau, die zum Opfer der damaligen Gesellschaft wird. Sie hat Träume und ist verliebt, doch bezahlt sie einen hohen Preis. Aber auch Jamal, Victorias Tante und das Stubenmädchen Ilse bringen viel Farbe ins Geschehen.
„Das Kind der Wellen“ fesselt ab der ersten Seite mit einer berührenden Geschichte, einem gelungenen Mix aus Gegenwart und Vergangenheit sowie mit historischem Hintergrundwissen, das gut in der Handlung verankert ist. Emotional und spannend erzählt, geht dieser Roman sehr zu Herzen. Verdiente Leseempfehlung für gefühlvolle und unterhaltsame Lesestunden!

Veröffentlicht am 08.11.2020

Geht nur als Lückenfüller durch

Aller guten Dinge sind zwei
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Die 36-jährige Anwältin Laurie Watkinson weiß gar nicht, wie ihr geschieht, denn anstatt eines Heiratsantrages ist sie plötzlich wieder Single. Ihr langjähriger Freund und Berufskollege Dan gibt ihr nach ...

Die 36-jährige Anwältin Laurie Watkinson weiß gar nicht, wie ihr geschieht, denn anstatt eines Heiratsantrages ist sie plötzlich wieder Single. Ihr langjähriger Freund und Berufskollege Dan gibt ihr nach 18 Jahren Beziehung en Laufpass, hat er doch schon für adäquaten Ersatz gesorgt, die auch noch ein Kind von ihm bekommt. All ihre Träume von einer eigenen Familie sind geplatzt. Eine letzte Chance, Dan zurückzugewinnen, bietet ihr Jamie, Mit dem Laurie ungewollte im Fahrstuhl festsitzt. Der als Playboy verschriene Jamie hat eine Beförderung im Blick, für die er ein seriöseres Auftreten und eine feste Beziehung bieten muss. Laurie soll seine neue Freundin spielen, um Dan eifersüchtig zu machen. Ob das so funktioniert, wie die beiden sich das vorstellen?
Mhairi McFarlane hat mit „Aller guten Dinge sind zwei“ einen recht kurzweiligen Liebesroman vorgelegt, der mit unterschwellig eingestreutem britischem Humor und allerhand überspitzten Klischees aufwartet. Der locker-flockige Schreibstil gewährt dem Leser sofort unkompliziert Zugang zur Handlung, wo man sich einer tief verletzten Laurie gegenübersieht, die erst einmal realisieren muss, was ihr soeben widerfahren ist, während sie im Angesicht ihrer Kollegen die Contenance wahren muss. Schon der Gedanke, seinem Ex im Büro jeden Tag über den Weg zu laufen, ist ein Alptraum! Und ausgerechnet ein als Frauenvernascher verrufener Kollege soll dann ihre Rettung sein? Da ist das Chaos ja vorprogrammiert. Durch interessante Dialoge und eine Prise Witz gelingt es der Autorin, der recht vorhersehbaren Geschichte eine gewisse Dynamik zu geben, die den Leser veranlasst, immer weiter zu lesen, während er Laurie und Jamie bei ihrer gegenseitigen Annäherung beobachtet. Anfängliche Gegensätze und Vorurteile entpuppen sich nach und nach als Missverständnisse, um sich immer besser kennenzulernen, wobei mit Romantik doch etwas gespart wurde. Der Spannungslevel liegt in dieser Geschichte auf der niedrigen Schiene und steigert sich auch nicht wesentlich. Das Ende kommt im Stolpergalopp recht plötzlich, was auch nicht gerade zu einer zufriedenstellenden Lektüre beiträgt.
Die Charaktere sind durchweg recht glaubwürdig gestaltet, ihnen fehlt es ein wenig an Ausstrahlung, weshalb sich der Leser darauf beschränkt, ihren Weg distanziert zu beobachten. Laurie ist eine gestandene Frau, die völlig aus dem Ruder geworfen wird, sich jedoch unter Aufbietung all ihrer Kräfte um ein gefastes Auftreten bemüht. Nachdem sie sich wieder einigermaßen im Griff hat, ist sie mit einem recht trockenen Humor und Schlagfertigkeit sowie Selbstbewusstsein gesegnet. Jamie ist ein selbstsicherer netter Typ, der seine Wirkung auf Frauen kennt. Die meiste Zeit bleibt er allerdings etwas blass. Dafür stechen die Nebenprotagonisten Hattie, Emily, Bharat und Nadia hervor, die ihren Freunden hilfreich zur Seite stehen.
„Aller guten Dinge sind zwei“ ist ein leichter Liebesroman, der sich kurzweilig zwischendurch lesen lässt. Als Lückenfüller gerade noch ok!

Veröffentlicht am 07.11.2020

Die jüdische Spionin der Gestapo

Stella
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1942 Berlin. Der 20-jährige naive Schweizer Friedrich, Sohn wohlhabender Eltern, reist nach Berlin, um sich dort nicht nur für ein Zeichenseminar einzuschreiben, sondern auch den sich um den Krieg rankenden ...

1942 Berlin. Der 20-jährige naive Schweizer Friedrich, Sohn wohlhabender Eltern, reist nach Berlin, um sich dort nicht nur für ein Zeichenseminar einzuschreiben, sondern auch den sich um den Krieg rankenden Gerüchten nachzuspüren. Bei seinem Zeichenkurs an der Kunstschule trifft Friedrich auf das Aktmodell Kristin, in die er sich sofort verliebt und mit ihr um die Häuser zieht, während er das Kriegsgeschehen auszublenden versucht. Als Kristin nach mehreren Tagen Abwesenheit, die Friedrich schon die Sorgenfalten auf die Stirn trieben, misshandelt vor seiner Tür steht, erfährt er nach und nach, wer Kristin wirklich ist. Sie ist Jüdin, heißt eigentlich Stella Goldschlag und ist dabei, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen, um ihre Familie zu retten…
Takis Würger hat mit „Stella“ einen sehr kontroversen Roman vorgelegt, der sich zwar der historisch belegten Person Stella Goldschlags bedient, durch die fiktive Liebesgeschichte mit dem jungen Schweizer Friedrich aber einen ganz anderen Weg einschlägt, als man ihn als Leser erwartet hätte. Mit flüssigem, jedoch recht nüchternem Erzählstil beschränkt sich der Autor nur auf das Jahr 1942, handelt sämtliche stattgefundenen Ereignisse des jeweiligen Monats schon in der Überschrift ab, bevor er den Leser in die eigentliche Handlung entlässt. Obwohl es sich um eine fiktive Geschichte handelt, liegt dem Autor viel daran, mit Ausschnitten aus historischen russischen Militärgerichtsakten die Realität mit einzublenden. Während der Leser also dem Liebesreigen von Friedrich und Kristin/Stella folgt, wird er gleichzeitig mit den harten Fakten konfrontiert, die innerhalb der eigentlichen Romangeschichte kaum Erwähnung finden. Das erklärt auch die naive und oberflächliche Sichtweise von Friedrich, der seinem eigentlichen Beweggrund für den Berlinbesuch nicht einmal ansatzweise nahe kommt, weil er anscheinend entweder nicht nur farbenblind ist, sondern seine Augen vor den Tatsachen verschließt oder einfach nur zu sehr auf sich fokussiert ist, um sein Umfeld richtig wahrzunehmen. Den tatsächlichen Aktivitäten der Stella Goldschlag trägt dieser Roman auf keinen Fall Rechnung. Vielleicht ist aber gerade dieser Gegensatz vom Autor gewollt, dem Leser zu zeigen, dass Kristin/Stella auch nur ein mit Fehlern behafteter Mensch war wie jeder andere auch. Ihre Taten mögen uns anekeln, wir mögen sie verteufeln, doch sind wir mal ehrlich, wie hätten wir gehandelt, wenn es um unsere Liebsten geht.
Charakterlich ist Würger nicht sehr in die Tiefe gegangen, seinen Protagonisten fehlt es an Wärme, Ausstrahlung und Emotionen, was den Leser dazu verdammt, aus einer Ecke heraus dem Treiben zu folgen, wobei er gern oftmals mit Zwischenrufen gestört hätte. Stella wird zwar als abenteuerlustig, feierlaunig und charismatisch beschrieben, doch der Funke will nicht überspringen. Friedrich ist unbedarft und naiv, rettet sich mit seinem Schweizer Pass und dem Geld der Familie, sucht sich ein Kriegsgebiet als Urlaubsziel, absurder geht es gar nicht. Bei ihm kann man nur mit dem Kopf schütteln über seine angeborene Ignoranz. SS-Mann Tristan dagegen genießt seinen Status, gönnt sich alles, während andere nichts haben, spielt den großen Zampano, doch am Ende ist er auch nur ein widerliches Nazischwein, das seine Macht gehörig in die Waagschale wirft.
„Stella“ ist ein Buch voller Widersprüche, Fiktion gepaart mit Realität, eine recht banale Liebesgeschichte steht harten Fakten gegenüber. Der Spagat war bestimmt nicht leicht und hat interessante Ansätze, doch aufgrund der fehlenden Emotionalität und der eher unterkühlten Schreibweise bleibt es leider nur Mittelmaß, aber trotzdem lesenswert!