Profilbild von Dreamworx

Dreamworx

Lesejury Star
offline

Dreamworx ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Dreamworx über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 27.10.2020

"Wenn alte Gäule in Gang kommen, sind sie nicht mehr zu bremsen." (Christoph Lehmann)

Mission: Weisse Weihnachten
0

Luky, Hans, Frida, Inge und Maria haben sich im Schweizer Seniorenheim „Abendrot“ miteinander angefreundet und teilen sich zu den Mahlzeiten im Speisesaal Tisch 5. Als Maria von ihrem Arzt erfährt, dass ...

Luky, Hans, Frida, Inge und Maria haben sich im Schweizer Seniorenheim „Abendrot“ miteinander angefreundet und teilen sich zu den Mahlzeiten im Speisesaal Tisch 5. Als Maria von ihrem Arzt erfährt, dass sie nicht mehr lange leben wird, wünscht sie sich, noch einmal verschneite Weihnachten in den Bergen zu erleben. Die Freunde wollen ihr diesen Wunsch unbedingt erfüllen und formieren sich für dieses Vorhaben noch einmal zur „Sonnenuntergäng“. Der Mangel an finanziellen Mitteln treibt die Senioren nicht nur zu einem Raubüberfall in einem Juweliergeschäft, sondern die Ware muss auch vertickt werden. Dabei soll ihnen ein Drogenboss helfen. Das ganze Vorhaben artet zu einem Desaster aus, das immer größere Blüten treibt und die fünf Senioren inklusive totkranker Maria zu Kriminellen auf der Flucht macht. Doch dabei verlernen sie nicht zu genießen und ganz neue Seiten an sich zu entdecken…
Andreas Benz hat mit „Mission: Weisse Weihnacht“ einen unterhaltsamen Roman vorgelegt, der nicht nur wunderbar zur kommenden Jahreszeit passt, sondern mit Empathie und Witz auch zum Nachdenken anregt. Der flüssig-leichte, gefühlvolle und bildhafte Schreibstil nimmt den Leser sofort mit ins Zürcher Oberland und lässt ihn als unsichtbarer Gast zunächst ins Seniorenheim „Abendrot“ einziehen, um nicht nur die Protagonisten mit ihren Zipperlein kennenzulernen, sondern auch die Atmosphäre dort aufzusaugen. Kein Wunder, dass die sympathische Truppe sich dort nicht wohlfühlt, wenn man ständig gegängelt wird und Heimleiterin Kunz einem die Freuden des Lebens madig macht. Da möchte jeder ausbrechen, der noch einigermaßen bei Verstand ist und mit dem Leben noch nicht abgeschlossen hat, so auch die „Sonnenuntergäng“. Mit viel Charme, Humor und jeder Menge Schutzengel an ihrer Seite, aber auch durch ihre gegenseitige liebevolle Fürsorge wird die Geschichte zu einem weihnachtlichen Roadtrip der besonderen Art. Der Autor legt viel Warmherzigkeit und Empathie an den Tag, hebt zwar nicht den Finger, aber macht deutlich, dass die ältere Generation noch einiges zu sagen und auch noch Träume hat. Gerade diese bunt zusammengewürfelte Truppe zeigt ein wunderschönes Miteinander, in der es an Lebensfreude und gegenseitiger Anteilnahme nicht mangelt, auch wenn die Knochen müde sind oder die Lunge pfeift: der weihnachtliche Gedanke wird hier gelebt. Die farbenfrohen Beschreibungen führen den Leser mit einem alten aufgepeppten Kleinbus durch die verschneite Schweiz, von Zürich bis nach Gstaad, vom Luxushotel hin zu einem Chalet in den Bergen.
Die liebevoll ausgestalteten Charaktere wachsen dem Leser mit ihren glaubwürdigen Eigenschaften sofort ans Herz, so dass er sich insgeheim wünscht, selbst Teil dieser Chaostruppe zu sein. Luky ist ein freundlicher abgehalfterter Playboy, der sich nach den alten Zeiten sehnt. Frida hängt an der Sauerstoffflasche, aber ohne Zigarette geht es nicht. Sie ist resolut und etwas vorlaut, kümmert sich aber rührend um Freundin Maria und setzt alle Hebel in Bewegung, damit die letzten Tage für sie zum Fest werden. Hans ist ein erfolgloser Krimiautor mit Gelenkproblemen, seine Pläne sind eine Sache für sich, aber auch für ihn soll es noch ein Liebesglück geben. Inge macht zwar auf Diva, überrascht aber durch ihre praktischen Einfälle. Maria ist liebe und bescheidene alte Dame, die unbedingt die Berge und ihre Enkelin noch einmal sehen möchte. Ebenso wichtig für die Story sind Isabelle, Steffi, Sicherheitsmann Rolf und Polizist Studer.
„Mission: Weisse Weihnacht“ ist eine warmherzige und anrührende Geschichte, die mit ihrer Botschaft nicht nur zum Weihnachtsfest passt: Auch wenn Menschen alt werden, haben sie noch Wünsche und Träume, hängen am Leben und sind noch nicht tot. Absolute Leseempfehlung für eine wunderschöne Geschichte!

Veröffentlicht am 25.10.2020

"Am Ende gilt doch nur, was wir getan und gelebt - und nicht, was wir ersehnt haben." (A. Schnitzler)

Als die Sehnsucht uns Flügel verlieh
0

1945. Endlich ist der Krieg beendet, doch der schlesischen Familie Sadler steht noch einiges bevor. Die beiden Töchter Kathi und Franzi beginnt eine schwere Zeit, denn sie werden als Kriegsbeute der Russen ...

1945. Endlich ist der Krieg beendet, doch der schlesischen Familie Sadler steht noch einiges bevor. Die beiden Töchter Kathi und Franzi beginnt eine schwere Zeit, denn sie werden als Kriegsbeute der Russen nach Moskau verbracht, wo sie nicht gerade mit offenen Armen empfangen werden. Die jüngere Franzi wird von Kathi getrennt und in einem Heim untergebracht. Kathi hat immer noch die Hoffnung , dass der von ihr geliebte Nikolaj ihnen helfen wird. Aber dieser enttäuscht sie auf ganzer Linie. Die Russen spannen Mathematikgenie Kathi für ihre Zwecke ein, doch das dortige politische System ist hart, schon bald wird sie für eine Spionin gehalten…
Hanni Münzer legt mit „Als die Sehnsucht uns Flügel verlieh“ die Fortsetzungsgeschichte um die Familie Sadler vor, die dem ersten Band an Emotionalität, Dramatik und Spannung in nichts nachsteht und sich diesmal mit dem Schicksal der beiden Töchter Kathi und Franzi beschäftigt. Mit flüssigem, bildgewaltigem, empathischem und atmosphärisch dichtem Erzählstil führt die Autorin den Leser in die Vergangenheit, wo dieser sich über den Zeitraum von 1945 bis 1963 an Kathis Fersen heftet und mit ihr eine wahre Achterbahn der Gefühle erlebt. Mit akribischer Recherche und aus unterschiedlichen Perspektiven gibt Münzer dem Leser einen guten Einblick in die damalige Sowjetunion, wo der Geheimdienst eine große Rolle spielte, Intrigen und Machtspielchen an der Tagesordnung waren und die Diktatur Stalins den Bürgern arg zu schaffen machte. Ebenso erfährt man vom Aufrüsten und von dem heimlichen Wettkampf der Russen mit den westlichen Mächten um den ersten Flug ins All, an den sich so mancher vielleicht noch erinnern kann. Münzer macht neben ihrem Familienepos Geschichte wieder lebendig und miterlebbar, was ihr auch in diesem Roman wieder hervorragend gelingt, während sie damalige Schicksale wieder ans Tageslicht holt. Dafür liefert sie als Unterstützung im Anhang auch ein ausführliches Nachwort, sowie eine Zeittafel und Glossare mit.
Die Charaktere wurden liebevoll und glaubhaft weiterentwickelt, versprühen Authentizität und Lebendigkeit. Sie erobern mit ihren realistischen Ecken und Kanten das Leserherz im Sturm, so dass dieser nur zu gern an ihnen klebt und alles mit ihnen teilt, was oftmals sehr emotionale Regungen verursacht. Kathi ist besitzt nicht nur ein Talent für Mathematik und hat hochfliegende Träume, sie ist auch eine fürsorgliche Schwester, offen, ehrlich und vor allem mit einer Stärke ausgestattet, die manchmal übermenschlich erscheint. Ihr Mut und ihr energischer Kampf flößen einem Respekt ein. Franzi ist gesundheitlich angeschlagen, aber ihr liebevolles und warmherziges Wesen beflügelt ihr Umfeld, macht sie weicher und offener. Annemarie kämpft um ihre Liebe Laurenz, dafür geht sie große Risiken ein. Aber auch Nikolaj und viele andere Nebendarsteller wie Antoli sind wichtig für diese außerordentliche Geschichte.
Mit „Als die Sehnsucht uns Flügel verlieh“ hat Hanni Münzer eine faszinierende Fortsetzung geschaffen, die den Leser erneut in den Bann zieht und ihn in die Vergangenheit versetzt, um Geschichte leibhaftig mitzuerleben. Intrigen, Liebe, großes Leid, Verlust sowie politische Machtkämpfe stehen Träumen und der Suche nach Glück und der Familie gegenüber. Wunderbar fesselnd und spannend in Seiten verpackt, dass man sich gar nicht trennen mag. Absolute Leseempfehlung – einfach toll!!!

Veröffentlicht am 25.10.2020

Evas Kampf für ihr Glück

Wunderjahre
0

1950er Jahre. Constanzes Rosanowskis 16-jährige Tochter Eva kann es gar nicht erwarten, endlich mit ihrer Mutter nach England zu Gordon Wade überzusiedeln und dem verhassten System in Ost-Berlin zu entkommen, ...

1950er Jahre. Constanzes Rosanowskis 16-jährige Tochter Eva kann es gar nicht erwarten, endlich mit ihrer Mutter nach England zu Gordon Wade überzusiedeln und dem verhassten System in Ost-Berlin zu entkommen, um auch am Nachkriegsaufschwung teilzuhaben. Doch dann zerplatzt ihr Traum wie eine Seifenblase, als plötzlich ihr tot geglaubter Vater Clemens auf der Türschwelle steht. Aber Eva kann auch dieses Ereignis nicht aufhalten, sie will unbedingt studieren und flüchtet dafür waghalsig in den Westen. Als sie dort dem wesentlich älteren Fluglehrer Wilhelm Bressler begegnet, ist es schnell um sie geschehen. Sie verliebt sich Hals über Kopf in ihn, aber schon bald holt sie Wilhelms Vergangenheit ein. Eva muss erneut kämpfen…
Izabelle Jardin hat mit „Wunderjahre“ den zweiten Band ihrer Warthenberg-Saga vorgelegt, der fast nahtlos an den ersten Teil anschließt und diesmal Eva in den Vordergrund der Ereignisse rückt. Der flüssige, bildreiche und gefühlvolle Erzählstil führt den Leser in die Vergangenheit von 1949 bis 1961, wo ihn nicht nur ein gut recherchierter und interessanter historischer Hintergrund erwartet, sondern auch Evas Schicksal ihn in den Bann zieht. Allein schon die Rückkehr von Clemens gleicht einem Wunder, das zwar erfreulich ist, aber auch die Hoffnung einiger weniger sowie die bereits gefassten Pläne mit einem Schlag zerstört. Die bedrohliche politische Atmosphäre in der damaligen DDR wird von der Autorin sehr gut an den Leser gebracht und zeigt auf, welch eingeschränkten Handlungsspielraum die Menschen hatten und viele von ihnen zur Flucht in den Westen trieben. Auch Eva wagt den mutigen Sprung ins Ungewisse, denn ein Studium bleibt in Ostberlin für sie nur ein Traum. Bildgewaltig und mit viel Empathie in Anlehnung an ihre eigene Familiengeschichte lässt die Autorin durch ihre Schilderungen vor dem inneren Auge des Lesers einen Film ablaufen, um alles hautnah mitzuerleben, während er Eva auf ihrem unsicheren Weg folgt. Geschickt eingestreute Wendungen halten den Spannungslevel durchgehend auf hohem Niveau und lassen den Leser regelrecht an den Seiten kleben.
Authentisch inszenierte und lebendig wirkende Charaktere machen es dem Leser mit ihren glaubwürdigen menschlichen Eigenschaften leicht, sich ihnen nahe zu fühlen und mit ihnen zu hoffen, zu bangen und zu fiebern. Eva ist intelligent, wissbegierig und mit einem großen Sinn für Gerechtigkeit ausgestattet, der es ihr schwer macht, sich dem politischen Regime unterzuordnen. Sie hat Träume und kämpft für deren Realisierung, was ihr viel Mut und Kraft abverlangt. Wilhelm ist ein charismatischer und lebenslustiger Mann, der mit seiner Warmherzigkeit und seinem Optimismus Eva den Kopf verdreht. Gordon ist ein ganz lieber Kerl mit viel Anstand und vor allem Feingefühl. Aber auch Constanze, Clemens, Agnes und Uroma Charlotte dürfen in dieser Geschichte keinesfalls fehlen.
„Wunderjahre“ ist eine gelungene, spannende und sehr emotionale Fortsetzung, in der es vor einem gut recherchierten historischen Hintergrund um Hoffnungen, Träume, Verluste, Ängste und die Liebe geht. Zauberhaft erzählt und daher mit einer absoluten Leseempfehlung ausgestattet!

Veröffentlicht am 25.10.2020

"Allzu tiefes Schweigen macht mich so bedenklich wie zu lauter Schrei ." (Sophokles)

Ada
0

Die 1945 in Leipzig geborene Ada wächst ihre ersten 9 Lebensjahre allein mit ihrer jüdischen Mutter Sala in Argentinien auf, bevor beide in die alte Heimat zurückkehren und sich in Berlin niederlassen. ...

Die 1945 in Leipzig geborene Ada wächst ihre ersten 9 Lebensjahre allein mit ihrer jüdischen Mutter Sala in Argentinien auf, bevor beide in die alte Heimat zurückkehren und sich in Berlin niederlassen. Für Ada bedeutet das erst einmal Lernen, denn sie beherrscht weder die Sprache noch kennt sie die Kultur und Verhaltensregeln ihrer Mitmenschen. Auch ihrem Vater Otto begegnet sie zum ersten Mal und erlebt ein Familienleben, das versucht, Normalität zu vermitteln, während es unter der Oberfläche schwelt. Ada erlebt nicht nur das deutsche Wirtschaftswunder mit, sondern erlebt auch den Mauerbau hautnah mit. Doch irgendwie bleibt ihr alles fremd, denn Ada fühlt sich in ihrer eigentlichen deutschen Heimat nicht verwurzelt und Fragen zur Vergangenheit werden ignoriert oder nicht beantwortet. Mit Mitte 40 entscheidet sich Ada am Tag des Mauerfalls, einen Psychotherapeuten in Anspruch zu nehmen, um ihre eigene Geschichte aufzuarbeiten und vielleicht endlich einiges verstehen zu lernen….
Christian Berkel, der mit „Der Apfelbaum“ ein fulminantes Debüt hingelegt hat, lässt mit „Ada“ nun seinen neuesten Roman folgen, das wie eine Vertiefung seines Erstlingswerkes wirkt. Berkels flüssiger, gefühlvoller und mitreißender Schreibstil schafft mit der gewählten Ich-Erzählform eine enge Anbindung des Lesers, denn er erfährt Adas Geschichte praktisch aus erster Hand, indem er ihren Worten „lauscht“ und ihr Werdegang sowie ihre Gedanken- und Gefühlswelt direkt von ihr persönlich herangetragen werden. Dabei überzeugt der Autor mit einer Sensibilität und Empathie, wie man sie selten bei männlichen Schriftstellern erlebt, um ihren weiblichen Protagonisten Lebendigkeit zu verleihen. Neben Adas persönlicher Geschichte, die von Selbstzweifeln und Entwurzelung zeugen, bekommt der Leser begleitend auch viele Informationen über das Leben in der Nachkriegszeit. So geht es über das Wirtschaftswunder, den Mauerbau, die 60er Jahre bis hin zum Mauerfall. Berkel zeichnet ein buntes und realistisches Gesellschaftsbild der damaligen Zeit. Vorrangig aber geht es um Adas Erkenntnis, dass sie jüdischer Abstammung ist, dies erst sehr spät erfährt und nun die Aufarbeitung beginnt, der sich die meisten Deutschen leider versagt haben, um nur nicht an den Massenmord im Zweiten Weltkrieg erinnert zu werden. Man mag sich gar nicht vorstellen, was in einem Menschen vorgeht, der erst im Nachhinein erfährt, was damals passiert ist und der doch eigentlich durch den Zeitpunkt seiner Geburt und die Familienumstände direkt davon betroffen war. Die Sprachlosigkeit innerhalb ihrer Eltern muss für sie eine Art Damoklesschwert gewesen sein, das sie einerseits durchbrechen wollte, aber sich andererseits auch davor fürchtete.
Lebendige und realistisch gezeichnete Charaktere wachsen dem Leser mit ihren persönlichen Ecken und Kanten schnell ans Herz, die Nähe zu ihnen ermöglicht ihm einen Einblick in ihr Seelenleben und lässt ein Mitbangen und Hinterfragen zu. Ada ist eine Frau, die zwischen zwei Welten hin- und hergezogen wird, weshalb es ihr auch nicht gelingt, sich standfest und sicher zu fühlen. Voller Zweifel und dem Schweigen ausgeliefert, gehört sie zu einer Generation, die Gründe sucht und Antworten haben will. Dabei stürzt sie sich wie viele andere auch eine Art Rebellion, probiert Drogen und Liebe aus, besucht Woodstock und vieles mehr. Mutter Sala ist zwar eine liebenswerte und fürsorgliche Frau, hüllt sich Adas Fragen gegenüber aber immer in Schweigen und lässt ihre Tochter auf ihre Art damit im Stich. Vater Otto ist ein strenger Mann, der wenig Wärme ausstrahlt. Aber auch Mopp und Hannes spielen eine Rolle in dieser Handlung.
„Ada“ ist eine gefühlvolle und aufwühlende Lebensgeschichte, die nachdenklich stimmt und selbst so einige Fragen beim Leser aufkommen lässt. Absolut empfehlenswert für alle, die sich nicht nur für deutsche Geschichte, sondern auch für die Schicksale dahinter interessieren!

Veröffentlicht am 24.10.2020

Wunderbarer Mix aus Exotik, Liebe und Krimi

Begegnung in der Nacht
0

30er Jahre. Shanghai entpuppt sich für Geschäftsmann Frank Bender nicht als glückliches Pflaster, denn er hat nicht nur seine Frau und sein Heim verloren, auch sein Job ist passé. Das Angebot als Verwalter ...

30er Jahre. Shanghai entpuppt sich für Geschäftsmann Frank Bender nicht als glückliches Pflaster, denn er hat nicht nur seine Frau und sein Heim verloren, auch sein Job ist passé. Das Angebot als Verwalter einer Zuckerrohrplantage auf einer Insel kommt für ihn daher gerade zur rechten Zeit. Er kehrt der Großstadt den Rücken und macht sich auf den Weg zu seiner neuen Wirkungsstätte, wobei ihn eine Autopanne dazu zwingt, unterwegs in einem abgelegenen Hotel einen Stopp einzulegen. Dort macht er eine hinreißende Zufallsbekanntschaft, mit der er die Nacht verbringt. Als er morgens erwacht, ist die geheimnisvolle Fremde namens Miriam bereits verschwunden. Kaum hat er endlich das Ziel seiner Reise erreicht, herrscht dort absolutes Chaos, denn der Plantagenbesitzer wurde in der vorherigen Nacht ermordet. Hauptverdächtige ist die Ehefrau, doch die ist nicht auffindbar…
Fünf Jahre nach dem Tod der kommerziell erfolgreichsten deutschen Schriftstellerin des 20. Jahrhunderts wird mit „Begegnung in der Nacht“ posthum ein bisher unveröffentlichtes Manuskript von Utta Danella als Roman veröffentlicht, dem sie nicht nur eine exotisch anmutende Hintergrundkulisse gegeben hat, sondern sich zudem noch mit einer Kriminalgeschichte an ein Genre wagte, dass man nicht sofort mit ihr verbindet. Der flüssige, bildhafte und gefühlvolle Erzählstil schickt den Leser gedanklich auf die Reise ins China des vergangenen Jahrhunderts, wo er Frank Bender kennenlernt, der vor den Scherben seines Lebens steht. Sprachlich farbenfroh und detailliert skizziert die Autorin nicht nur die fremdländisch anmutenden Örtlichkeiten so genau, dass der Leser das Gefühl hat, einen Kinofilm vor Augen zu haben, sondern gibt auch ihren Protagonisten so viel an Persönlichkeit mit, dass diese schnell wie Altbekannte wirken. Wechselnde Perspektiven erhöhen nach und nach die Spannung dieses Kriminalfalls und animieren den Leser, sich an der Tätersuche zu beteiligen. Überraschende Wendungen halten den Spannungsbogen auf hohem Niveau und machen die Geschichte zu keinem Zeitpunkt vorhersehbar, was den Rätselspaß während der Lektüre noch erhöht.
Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet und mit ihren glaubwürdigen menschlichen Attitüden lebendig in Szene gesetzt, so dass sie dem Leser nicht wie Fremde erscheinen und er sich unsichtbar in ihrer Mitte tummeln kann, um alles genauestens unter die Lupe zu nehmen. Frank ist ein selbstbewusster und fleißiger Mann, der gerade eine absolute Pechsträhne hat, denn neben seinem Lebenswerk ist ihm auch die Frau abhandengekommen, in die er sich Hals über Kopf verliebt hat. Doch er ist auch ein Kämpfer und wagt sich an neue Abenteuer. Miriam ist eine attraktive, freundliche und warmherzige Frau, die gute Gründe hat, sich in Luft aufzulösen. Der tote Plantagenbesitzer war ein wahrer Kotzbrocken, der alle Menschen um sich herum nur tyrannisierte, so dass die Suche nach dem Mörder gar nicht so einfach wird. Aber auch die Nebenprotagonisten überzeugen auf ganzer Linie innerhalb dieser Geschichte.
„Begegnung in der Nacht“ ist ein wunderbarer Mix aus historisch angehauchter Kriminal- und Liebesgeschichte vor einer exotischen Kulisse, die Fernweh weckt und beim Lesen automatisch das Kopfkino anstellt. Schade, dass dies das letzte Buch der Autorin ist, dafür ist es aber ein wahrer Bücherschatz fürs Leserherz! Absolute Leseempfehlung!!!