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Veröffentlicht am 01.01.2018

Matilda, die Postdetektivin

Liebe M. Du bringst mein Herz zum Überlaufen
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Für unzustellbare Post gibt es eine Nachforschungsstelle. Genau dort ist Matildas Arbeitsplatz als Sachbearbeiterin, wo sie für die Buchstaben K bis M verantwortlich ist. Matilda hat kaum Freunde, lebt ...

Für unzustellbare Post gibt es eine Nachforschungsstelle. Genau dort ist Matildas Arbeitsplatz als Sachbearbeiterin, wo sie für die Buchstaben K bis M verantwortlich ist. Matilda hat kaum Freunde, lebt für sich allein sehr zurückgezogen und kann mit der modernen Technik so gar nichts anfangen. Doch sie liebt ihre spannende Aufgabe, die immer Neues zutage fördert. Eines Tages entdeckt sie einen 50 Jahre alten Liebesbrief, der eine Seite in ihr zum Klingen bringt. Sie überwindet ihre Zurückhaltung und bittet ihren Nachbarn Knut, sie bei der Suche sowohl nach der Empfängerin als auch nach dem Absender zu unterstützen. Während der Nachforschungen wird Matilda immer mehr an ihre Grenzen gebracht, ihre altbewährten Pfade und ihre Zurückhaltung aufzugeben und auf die Menschen zuzugehen. Dabei lernt sie auch sich selbst immer besser kennen. Ob es für Matilda noch eine Chance gibt, das Leben neu zu erleben und zu genießen und vielleicht sogar die Liebe zu finden?
Anna Paulsen hat mit ihrem Buch „Liebe M: Du bringst mein Herz zum Überlaufen“ einen wunderschönen, warmherzigen und emotionsgeladenen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist gefühlvoll mit der gewissen Prise Humor, der den Leser in die Geschichte eintauchen und bis zum Ende nicht loslässt; die Seiten fliegen nur so dahin. Die liebevoll ausgesuchten Kapitelüberschriften lassen einen ebenso schmunzeln wie die Handlung einem ans Herz geht. Die Handlung wird aus der Sicht von Matilda erzählt, so steht der Leser unsichtbar an ihrer Seite und erlebt hautnah ihre Gedanken und Gefühle mit. Die Autorin beschreibt die Aufgaben sehr schön, die bei nichtzustellbarer Post auf die Mitarbeiter zukommt und welch spannenden Dienst sie hier vollbringen, ob er nun von Erfolg gekrönt ist oder nicht. In Deutschland gehen pro Tag ca. 16.000 Sendungen verloren, da kann man nur dankbar sein für die Recherche der „Postdetektive“, die es teilweise ermöglichen, diese doch noch zuzustellen. Auch die eingefügten Briefe innerhalb des Buches sind sehr gefühlvoll und lassen das Herz des Lesers nicht kalt.
Die Charaktere wurden mit viel Liebe zum Detail ausgearbeitet und individuell in Szene gesetzt. Sie wirken aufgrund ihrer Eigenheiten sehr lebendig und authentisch. Der Leser kann sich in einen jeden von ihnen wunderbar hineinversetzten und auch Parallelen zu Menschen finden, die man persönlich kennt. Matilda ist eine Frau mit einigen besonderen Eigenheiten. Sie hält nichts von Technik, lebt sehr zurückgezogen und liebt vor allem ihre Arbeit und ihre Bücher. Obwohl sie recht kontaktscheu ist und ihr auch das gewisse Selbstvertrauen fehlt, kümmert sie sich um ihre hilfsbedürftigen Nachbarn und hat auch sonst das Herz am rechten Fleck. Während der Handlung wächst Matilda immer mehr aus sich heraus und tut Dinge, die sie vorher wohl selbst nie für möglich gehalten hätte. Rentner Knut ist Matildas Nachbar, der sie liebevoll unterstützt, nachdem er erst einmal ihr Vertrauen gewonnen hat. Er stubst sie immer wieder vorwärts und setzt so Kräfte in ihr frei, die es ihr ermöglichen, den nächsten Schritt zu tun und sogar auf Reisen zu gehen, was vorher für sie undenkbar war. Auch die anderen Protagonisten bezaubern mit ihren eigenen Episoden und geben der Handlung noch mehr Würze und Herz.
„Liebe M: Du bringst mein Herz zum Überlaufen“ ist ein wunderbarer und gefühlvoller (Liebes-)Roman, der nicht nur Romantiker begeistern dürfte. Nah am Puls des Lebens erzählt die Autorin eine Geschichte, die heutzutage überall passieren könnte oder vielleicht sogar gerade in diesem Moment passiert. Absolute Leseempfehlung für eine echte Entdeckung!

Veröffentlicht am 31.12.2017

Das deutsche Mädchen / Das Tal der Rosen

Das Erbe der Rosenthals
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1939. Die 12-jährige Hannah lebt mit ihren wohlhabenden Eltern in Berlin. Die Judenverfolgung der Nationalsozialisten wird immer schlimmer, auch Hannahs Familie ist davon betroffen. So versucht der Vater ...

1939. Die 12-jährige Hannah lebt mit ihren wohlhabenden Eltern in Berlin. Die Judenverfolgung der Nationalsozialisten wird immer schlimmer, auch Hannahs Familie ist davon betroffen. So versucht der Vater Max, die Familie außer Landes zu schaffen und kümmert sich sogar darum, dass Hannahs Freund Leo und dessen Vater mit von der Partie sind. Endlich gelingt es ihm, für alle eine Passage auf dem Schiff St. Louis Richtung Kuba zu ergattern, von dort wollen sie dann nach New York weiterreisen. Die dreiwöchige Schiffsreise endet damit, dass die St. Louis zwar vor Kuba anlegt, doch die Passagiere das Schiff erst einmal nicht verlassen dürfen aufgrund von geänderten Visabedingungen. Hannah und ihre schwangere Mutter Alma dürfen in Kuba an Land gehen, müssen aber den Vater sowie Leo zurück an Bord lassen. Während das Schiff gezwungen ist, zurück nach Europa zu fahren, müssen Hannah und ihre Mutter in Kuba zurechtkommen…
2014. Die 12-jährige Anna lebt mit ihrer Mutter in New York. Der Vater starb bei den Anschlägen am 11. September 2001, Anna hat ihn nie kennengelernt, besitzt nur ein Foto von ihm, und dies ist ihr kostbarster Schatz. Eines Tages erhält sie mit der Post einen Briefumschlag aus Kuba von Hannah, der Tante ihres Vaters. Anna reist mit ihrer Mutter nach Kuba, um Hannah kennenzulernen und mehr über ihren Vater und dessen Familie kennenzulernen…
Armando Lucas Correra hat mit seinem Buch „Das Erbe der Rosenthals“ seinen Debütroman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft und eingängig, dabei mit Melancholie unterlegt und sehr bildhaft. Schnell kann der Leser in die Geschichte eintauchen. Die Handlung teilt sich auf in zwei Erzählperspektiven, die eine beschreibt das Leben von Hannah ab 1939 bis hin zur Gegenwart, der andere befasst sich mit Anna im Jahr 2014, am Ende vereinen sich die beiden. Durch die akribische Recherche des Autors bekommt der Leser nicht nur sehr viele Informationen über die Schiffsreise der St. Louis und das tragische Einreiseverbot der Passagiere, sondern auch über die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse in Kuba über den gesamten Zeitraum. Sowohl die kubanische Revolution als auch die vielen Enteignungen und die Verarmung der Bevölkerung werden thematisiert, ebenso geht es um Religionsverbot und Verfolgung. Dem Autor ist es hervorragend gelungen, die ganzen historischen belegten Fakten mit seiner Erzählung zu verbinden, so dass der Leser das Gefühl hat, hautnah dabei zu sein. Die beigefügten Passagierlisten und Fotos im Anhang des Buches geben den Menschen ein Gesicht und der Geschichte noch mehr an Realität.
Die Charaktere sind sehr individuell ausgearbeitet und mit Leben versehen worden. Sie wirken durchweg realistisch und authentisch. Hannah ist ein lebenslustiges Mädel, dass mit ihrem Freund Leo die Straßen Berlins unsicher macht und der insgeheim ihre große Liebe ist, wenn man in dem Alter schon davon sprechen kann. Gleichzeitig fängt sie die immer düster werdende Stimmung der Stadt und ihrer Eltern auf, lässt sie gar Mordgedanken ihnen gegenüber denken. Gleichzeitig ist Hannah eher zurückhaltend und sehr auf ihren Vater fixiert, der sie liebevoll umsorgt. Über die Jahre ist Hannah eine Frau geworden, die in dem einst aufgezwungenen Gefängnis lebt und sich damit arrangiert hat, doch frei fühlt sie sich nie. Sie wartet immer noch darauf, dass sie eines Tages wieder mit Leo vereint ist. Das Verhältnis zur Mutter ist eher als ambivalent zu beschreiben. Alma ist eine sehr exzentrische Frau, die immer exquisit gekleidet ist und eher arrogant-snobistisch wirkt. Doch sie ist Frau, die einen Großteil ihres Lebens verloren hat und dadurch keine Kraft mehr in sich trägt, sich um den verbleibenden Rest zu kümmern. Anna ist ein großartiges Mädchen, das die Erinnerung an den nie gekannten Vater hochhält und alles über ihn wissen will. Sie inhaliert jede neue Information und freut sich darüber, endlich einen Teil seiner Familie kennenzulernen. Auch die übrigen Protagonisten ergänzen die Handlung mit ihren eigenen kleinen Geschichten und tragen zu mancher Spannung bei.
„Das Erbe der Rosenthals“ ist ein sehr berührender und fesselnder historischer Roman, der den Leser mitten ins Herz trifft und dort noch lange verweilen wird. Einziger Minuspunkt der Geschichte ist die Erzählweise der beiden Mädchen, die, obwohl erst 12 Jahre alt, wie Erwachsene denken und reden und dem Ganzen damit ein wenig an Authentizität rauben. Ansonsten kann man hier nur eine absolute Leseempfehlung aussprechen für ein wirklich gelungenes Debüt!

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Veröffentlicht am 30.12.2017

Vom Rassenkonflikt und der Unterwerfung der Ureinwohner Amerikas

Der Duft des Weißen Salbei
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1859 Louisiana. Nachdem sie mehrere Jahre in einem Kloster zu einer jungen Dame herangezogen wurde, kehrt Anabell Arceneaux auf die heimische Plantage und zu ihrem Vater zurück, mit dem sie nicht gerade ...

1859 Louisiana. Nachdem sie mehrere Jahre in einem Kloster zu einer jungen Dame herangezogen wurde, kehrt Anabell Arceneaux auf die heimische Plantage und zu ihrem Vater zurück, mit dem sie nicht gerade ein herzliches Verhältnis verbindet. Anabell kann sich weder mit der Sklavenhaltung anfreunden noch mag sie das Leben auf der Plantage. Als sie ihren alten Jugendfreund Lewis wiedertrifft und lieben lernt, verloben sich die beiden recht bald. Einige Monate wird die Familie von einigen Schicksalsschlägen heimgesucht, denn die Plantage wird sowohl von einem Feuer als auch durch den Ausbruch der Pocken unbewohnbar. Schweren Herzens lassen sie alles hinter sich und versuchen, in Kalifornien ein neues Leben aufzubauen. Die Trennung von ihrem Verlobten Lewis fällt Anabell schwer, doch sie wollen sich so bald wie möglich wiedersehen. Auf der recht beschwerlichen Reise geraten sie in den Konflikt zwischen Lakota-Indianern und weißen Siedlern, denn die Indianer wollen nicht, dass die Siedler sich immer weiter ausbreiten und ihnen ihr Land wegnehmen. Anabell wird mit einigen Dingen konfrontiert, die ihre eigene Welt und ihre Ansichten immer mehr ins Wanken bringen, sie beginnt, Widerstand zu leisten und zu kämpfen…
Rebecca Maly hat mit ihrem Buch „Der Duft des weißen Salbei“ einen sehr spannenden historischen Roman vorgelegt, der den schwelenden Rassenkonflikt in Amerika im 18. Jahrhundert sehr eindringlich thematisiert und deutlich macht, wie sehr die weißen Siedler den Indianern zugesetzt haben. Der Schreibstil ist fesselnd, ebenso gefühlvoll wie flüssig, der Leser findet sich rasch mitten in der Handlung und in eine Zeit zurückversetzt, in der eine Klassengesellschaft an der Tagesordnung war. Die Autorin hat gut recherchiert und lässt den Leser an den Ritualen und den Lebensgewohnheiten der Lakota-Indianer teilhaben. Gleichzeitig zeigt sie die erbarmungslose Besiedlung durch die Weißen auf und deren Methoden, die eigentlichen Ureinwohner bzw. die afrikanischen Menschen sich ihnen zu unterwerfen. Ebenso detailliert werden die Landschaften und die beschwerliche Reise skizziert, so dass sie dem Leser regelrecht vor dem inneren Auge entsteht.
Die Charaktere sind liebevoll und individuell ausgearbeitet und dabei gemäß ihren Eigenheiten sehr schön in Szene gesetzt worden. Sie besitzen Seele und wirken sehr realistisch. Durch diese Authentizität kann sich der Leser sehr gut in sie hineinversetzen und seine Sympathien verteilen. Das gesamte Gefühlsbarometer ist hier vertreten: von der Wut bis hin zur Verzweiflung, von der Hoffnung bis zum Mitfiebern. Anabell ist eine junge und gebildete Frau, die wohlbehütet aufwuchs. Sie hat ihren eigenen Kopf und pflegt zu den Sklaven ihres Vaters ein eher familiäres Verhältnis. Sie ist offen, dabei ebenso rebellisch, denn sie hasst die Sklaverei und die Unterdrückung der Menschen. Während der Handlung nimmt der Leser regelrecht teil an der Entwicklung dieser starken Frau, die sich nach und nach gegen alle Konventionen wehrt und ihre eigene Haltung durchdrückt. Lewis ist ein sympathischer junger Mann, der Anabell sehr zugetan ist und sie in allen Belangen unterstützt. Er ist mutig und entschlossen, gibt nicht auf, wenn ihm etwas am Herzen liegt. Ohitika ist ein Lakota-Indianer, der sein Land gegen die weißen Siedler verteidigt. Er besitzt ein gesundes Misstrauen, dem sein Volk sehr am Herzen liegt. Er ist hilfsbereit, liebenswert und hartnäckig. Auch die übrigen Protagonisten steigern mit ihrem Erscheinen die Spannung und bereichern die Handlung immens.
„Der Duft des weißen Salbei“ hat alles, was man sich von einem guten historischen Roman erhofft, nämlich gut recherchierten Hintergrund, realwirkende Charaktere, Aufzeigung von Konflikten und vor allem keine Schönfärberei, sondern so nah wie möglich an der Wirklichkeit. Beate Maly hat dies alles in ihrem Roman vereint und sogar noch mit einer schönen Liebesgeschichte gewürzt. Alles in allem ein wirklich tolles Buch, das man nicht so schnell vergisst. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 29.12.2017

Ellas Kampf

Die Malerin
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Die junge Gabriele „Ella“ Münter liebt die Malerei des Expressionismus und lernt mit Mitte zwanzig auf der Münchner Malschule „Phalanx“ im Jahr 1902 den russischen Maler Wassily Kandinsky kennen, der bereits ...

Die junge Gabriele „Ella“ Münter liebt die Malerei des Expressionismus und lernt mit Mitte zwanzig auf der Münchner Malschule „Phalanx“ im Jahr 1902 den russischen Maler Wassily Kandinsky kennen, der bereits ein berühmter Künstler ist und auch als Lehrer fungiert. Ella selbst bleibt der Zugang zu staatlichen Kunstinstitutionen verschlossen, denn Frauen waren als Künstlerinnen damals nicht anerkannt. Zwischen Ella und ihrem wesentlich älteren Lehrer entspinnt sich schon bald eine sehr enge Beziehung, die weit über die des Lehrers und seiner Schülerin hinausgeht. Da Kandinsky noch verheiratet ist, leben die beiden in wilder Ehe zusammen, was zur damaligen Zeit einem Skandal glich. Ella ist von Kandinsky fasziniert, der zugleich Genie und unberechenbar ist, seine Stimmungsschwankungen machen das Zusammenleben in Murnau nicht leicht. Als der Krieg ausbricht, werden die beiden getrennt. Lange Zeit glaubt Ella, dass ihre große Liebe Kandinsky bereits tot ist und gibt sich ihrer Trauer hin. Aber dann treffen die beiden doch noch einmal aufeinander und Kandinsky bricht endgültig mit Ella, hat er doch inzwischen eine andere Frau geheiratet. Ellas Welt stürzt zusammen wie ein Kartenhaus und nur mit Hilfe ihrer Schwester gelingt es ihr, sich langsam davon zu erholen und ihren eigenen Weg als Künstlerin zu gehen, die auch noch Kandinskys Werke aus der Periode des „Blauen Reiters“ vor den Nazis versteckt und so für die Nachwelt rettet.
Mary Basson hat mit ihren Buch „Die Malerin“ einen sehr fesselnden und eindringlichen autobiografischen Roman über die Künstlerin Gabriele Münter vorgelegt, deren Leben und Wirken sie äußerst spannend, bildhaft und realitätsnah unter die Lupe nimmt. Der Schreibstil fesselt von der ersten Seite an, das Buch lässt sich kaum aus der Hand legen. Die Autorin, die selbst in einem Museum arbeitet, die die größte Münter-Sammlung in Amerika beheimatet, hat sich ausgiebig mit der Künstlerin befasst und gewährt dem Leser detailreich sowie mit fachlichem Wissen ausführlich Einblicke in deren Leben und die verschiedenen Werke, die ebenso beschrieben werden. Ebenfalls eindrucksvoll berichtet die Autorin über die Zeit des Nationalsozialismus, wo gerade die Gemälde von Kandinsky und seiner Malerkollegen aus der Künstlergruppe §Der Blaue Reiter“ als entartete Kunst verurteilt, verboten und zum Teil sogar zerstört wurden. Nur durch das beherzte Engagement von Gabriele Münter ist ein Großteil der Werke erhalten geblieben und steht heute im Münchner Lenbachhaus einem kunstliebenden Publikum zur Verfügung.
Bei den Charakteren hat sich die Autorin sehr mit den Eigenheiten der einzelnen Protagonisten beschäftigt und ihnen Individualität und damit auch Authentizität verliehen. Ella ist eine sympathische, aber auch zerbrechliche Frau, die mit Leidenschaft für die Kunst lebt und der Welt ein wenig entrückt ist. Sie ist außergewöhnlich talentiert, kann in der damaligen Gesellschaft aber leider nicht den Erfolg ernten, der ihr eigentlich zustünde. Sie ist geduldig und kritisch, ebenso hilfsbereit und zu einer geradezu zerstörerischen Liebe fähig, die sie fast in den Abgrund reist. Kandinsky ist ein Egomane, dessen Leben sich nur um seine Malerei und deren Entwicklung dreht sowie um deren Erfolg. Er duldet keine erfolgreicheren neben sich und hält auch Ella immer klein. Er leidet unter Stimmungsschwankungen, ist äußerst labil und seine Depressionen machen das Leben mit ihm zu einem Spießrutenlauf. Der Kunstkritiker Johannes Eichner ist ein sehr netter Mann, hilfsbereit und zuvorkommend, mit genügend Geduld und Empathie ausgestattet, um Ella Halt zu geben und sie bei ihrem gefährlichen Vorhaben zu unterstützen.
„Die Malerin“ ist ein sehr fesselndes und spannendes autobiografisches Buch über eine außergewöhnliche Frau in einer gefährlichen Zeit. Die Autorin hat ein wunderbares Portrait der Künstlerin Gabriele Münter abgebildet, das dem Leser noch lange im Gedächtnis bleiben wird. Sowohl Historienfans als auch Kunstliebhaber werden an diesem Buch ihre Freude haben. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 25.12.2017

Eine Liebe in Portugal

Nelkenliebe
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Katharina ist Mitte Dreißig und arbeitet, nachdem sie ihr Jurastudium abgebrochen hat, als Rechtsanwaltsgehilfin. Ihre Eltern betreiben eine Bäckerei, in der die schönsten Köstlichkeiten von Vater Gerd ...

Katharina ist Mitte Dreißig und arbeitet, nachdem sie ihr Jurastudium abgebrochen hat, als Rechtsanwaltsgehilfin. Ihre Eltern betreiben eine Bäckerei, in der die schönsten Köstlichkeiten von Vater Gerd gefertigt und verkauft werden. Als ihr Vater Katharina bei einem gemeinsamen Kaffee erzählt, dass er todkrank ist und nicht mehr lange zu Leben hat, bittet er sie, ihm einen Wunsch zu erfüllen. Er möchte so gerne wissen, was aus seiner ersten großen Liebe Marisa geworden ist, die er als 20-Jähriger bei einer Reise nach Portugal kennen- und liebengelernt hat. Die beiden waren lange Zeit ein Paar und Gerd blieb wegen ihr in Lissabon. Doch dann verschwand Marisa spurlos und nach einiger Zeit ging Gerd zurück nach Deutschland. Katharina möchte ihrem Vater diesen besonderen Wunsch erfüllen und reist mit ihrem Verlobten, den Banker Arne, nach Lissabon, wo sie einen alten Campingbus von dem Surfer Nuno gemietet hat. Wird Katharina Marisa finden und ihr Vater sich mit ihr noch aussprechen können?

Anja Saskia Beyer hat mit ihrem Buch “Nelkenliebe” einen besonders gefühlvollen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der den Leser ab der ersten Seite regelrecht in die Handlung hineinzieht. Der Schreibstil ist flüssig und warmherzig, der Leser bekommt als unsichtbarer Beobachter die Möglichkeit, eine abenteuerliche Reise innerhalb Portugals mitzuerleben und auf den geschichtlichen Spuren der portugiesischen Diktatur und des Freiheitskampfes zu wandeln. Die Handlung wird in zwei Zeitebenen erzählt, die eine handelt in Katharinas Gegenwart und beschreibt die Nachforschungen, die andere beschäftigt sich mit Gerds Vergangenheit und seinen Abenteuern in Portugal, der Begegnung mit Marisa und seinem Leben dort. Die Autorin hat die historischen und politischen Hintergründe sehr schön recherchiert und mit ihrer Handlung verflochten. Sie zeigt sowohl das gesellschaftliche Leben auf, berichtet von den damaligen Foltermethoden innerhalb der Diktatur und wie sehr das portugiesische Volk unter der Politik zu leiden hatte. Auch die Landschaftsbeschreibungen sowie die Stadt Lissabon werden so bildhaft beschrieben, dass der Leser die wunderschöne Gegend direkt vor Augen hat.

Die Charaktere sind sehr liebevoll und in ihren Eigenheiten individuell ausgearbeitet. Der Leser hat viel Raum, seine Sympathien zu verteilen und kann mit den Protagonisten leiden, mitfühlen, hoffen und bangen. Katharina ist eine sehr sympathische Frau, die sich irgendwann selbst verloren hat und mit ihrem jetzigen Leben unzufrieden ist. Sie ist hilfsbereit, mitfühlend und besitzt genug Empathie, um die Gefühlslage ihres Gegenübers gut einzuschätzen. Gerd ist ein sehr netter Mann, der seinen Beruf als Bäcker regelrecht lebt. Er liebt leckere Kuchen und Gebäck und legt sein ganzes Herzblut in die Fertigung eben dieser. Gleichzeitig erinnern ihn ganz bestimmte Törtchen an seine alte Zeit in Portugal. Gerd ist eine treue Seele, die kurz vor seinem Ende noch alle offenen Fragen und Wünsche klären möchte. Katharina ist sein Ein und Alles, gerade deshalb hat er ihr seinen größten Wunsch offenbart. Nuno ist ein liebenswerter Surfer, der Campingmobile vermietet. Er trägt selbst eine Last mit sich herum und wirkt dadurch sehr geheimnisvoll, aber auch sehr empfindsam, offen und ehrlich. Marisa ist eine Waise, die sich allein durchs Leben schlagen musste. Die Arbeit in der Bäckerei eröffnet ihr neue Möglichkeiten und dabei trifft sie auch auf Gerd. Sie ist interessiert, obwohl sie nicht lesen und schreiben kann und setzt ihre ganze Hoffnung in eine Zukunft mit Gerd. Auch die anderen Protagonisten bereichern mit ihrem Auftreten die Handlung und geben ihr zusätzliche Spannung.

“Nelkenliebe” ist ein sehr emotionaler und spannender Roman um ein lang gehütetes Geheimnis, um Träume und Wünsche, um verlorene Chancen und Neuanfänge. Alle, die Romane über mehrere Zeitebenen lieben und auch geschichtlich interessiert sind, werden dieses Buch nicht aus der Hand legen können. Absolute Leseempfehlung für eine wirklich schöne Geschichte.