Verstreut in alle Winde
Zeit der DornenAls ihr Vater ihr mitteilt, dass ihre Großmutter in Österreich im Sterben liegt, packt Leonie in Berlin sofort ihre Sachen und lässt Berlin sowie Freund Marian nebst ihrem gemeinsamen Café hinter sich, ...
Als ihr Vater ihr mitteilt, dass ihre Großmutter in Österreich im Sterben liegt, packt Leonie in Berlin sofort ihre Sachen und lässt Berlin sowie Freund Marian nebst ihrem gemeinsamen Café hinter sich, um Abschied von ihrer Oma zu nehmen, aber leider kommt sie zu spät. Ein Gespräch mit dem Pfarrer macht Leonie deutlich, dass sie so gut wie gar nichts über ihre Vorfahren weiß. Der Fund eines Briefes sowie alter Bilder im Nachlass ihrer Großmutter macht Leonie neugierig und lassen sie mit Unterstützung ihres Vaters Vincent und dem Pfleger Jan Nachforschungen über ihre eigene Verwandtschaft anstellen. So trägt Leonie nach und nach die Geschichte ihrer Familie zusammen und erfährt dabei ein dunkles Geheimnis…
Eva Grübl-Widmann hat mit „Zeit der Dornen“ einen unterhaltsamen und kurzweiligen Roman vorgelegt, der den Leser zu einer abenteuerlichen Reise einlädt, um unbekannte und verschollene Menschen aufzuspüren und mit der Hauptprotagonistin Leonie einiges über ihre eigene Familiengeschichte zu erfahren. Der Schreibstil ist flüssig-leicht und gefühlvoll, der Leser schaut Leonie bei ihren Aktivitäten über die Schulter und lernt dabei ihre Gedanken- und Gefühlswelt kennen. Wechselnde Zeitperspektiven lassen den Leser mal die Gegenwart im Jahr 2000 mit Leonie und deren Suche verbringen, mal bringen Rückblenden in die Vergangenheit zu Beginn des 20. Jahrhunderts komplizierte und dramatische Familienverhältnisse sowie allerlei Schwierigkeiten zum Vorschein, die nach und nach ein vollständiges Bild ergeben. Die von Grausamkeit geprägte Kindheit der beiden Brüder Hans und Valentin geht dabei sehr zu Herzen. Die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse der damaligen Zeit wurden von der Autorin gut mit ihrer Handlung verwoben.
Die Charaktere sind differenziert ausgestaltet, wirken aber leider distanziert und unnahbar, so dass es dem Leser schwer fällt, eine Beziehung zu ihnen aufzubauen und ihr Schicksal eher aus der Ferne beobachtet. Leonie ist eine energische und zielgerichtete Frau, die jede Herausforderung annimmt, die sich ihr bietet und nicht aufgibt, bis sie am Ziel ist. Aber sie wirkt auch etwas spröde, so dass sie dem Leser immer ein wenig fremd bleibt. Die beiden Brüder Valentin und Hans mussten eine tragische Kindheit durchleben, welches sie ihr ganzes Leben begleitet. Ebenso spielen Jan, Anna-Maria, Erwin und Stanislas eine gewichtige Rolle in der Geschichte, die einige Dramatik aufweist.
„Zeit der Dornen“ ist ein durchaus kurzweiliger und unterhaltsamer Roman über ein altes Familiengeheimnis, jedoch fehlt es den Protagonisten an Wärme und Ausstrahlung, die das Lesevergnügen eintrübt und somit die Geschichte nur halb so spannend und lesenswert macht. Schade!