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Veröffentlicht am 15.09.2016

Das Geheimnis der "Roaring Sixties"

O sole mio!
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Der umtriebige Papst Petrus II. steht kurz vor seinem Sommerurlaub im Castel Gandolfo, als er mit seinem Freund Guiseppe, einem Dorfpfarrer eines Fischerdorfes an der herrlichen Amalfi-Küste, beschließt, ...

Der umtriebige Papst Petrus II. steht kurz vor seinem Sommerurlaub im Castel Gandolfo, als er mit seinem Freund Guiseppe, einem Dorfpfarrer eines Fischerdorfes an der herrlichen Amalfi-Küste, beschließt, die Plätze zu tauschen. So reist Petrus inkognito als Vertretung nach Meravilla, um Urlaub am Meer zu verbringen und in den Tag hineinzuleben. Kaum hat er die ersten Tage genossen, da wird der Raffaele, der Eigentümer des berühmtesten Hotels am Platz, am hauseigenen Steg tot im Wasser gefunden, ein Buch umklammernd, das plötzlich spurlos verschwindet. Der Tote galt als sehr liebenswürdige Person, der sehr um seine Frau trauerte und gerade dabei war, die vielen geheimen Geschichten aus den 60er Jahren auszuschreiben, als z.B. Jacky Kennedy, Liz Taylor und Richard Burton in seinem Hotel zu Gast waren. Petrus kann es natürlich nicht lassen und fängt in bester Sherlock-Manier damit an, in dem Todesfall zu ermitteln. Dabei sind auch die derzeitigen illustren Gäste nicht unverdächtig. Der amerikanische Möchte-gern-Fernsehstarkoch hat ebenso wenig eine weiße Weste wie die Bestsellerautorin, die sich in Jacky Kennedy verwandelt, deren Biografie zu gerade schreibt. Aber auch die Dorfbewohner sind vor Petrus‘ Nachforschungen nicht sicher, denn einige von ihnen haben einiges zu verbergen. Da kommt Petrus die Anreise seiner Pressesprecherin Giulia gerade recht, wobei er auch seinen Privatsekretär anreisen lässt, um ihn zu unterstützen. Wird Petrus mit seinem Team die Rätsel lösen können, die durch Raffaeles Tod an die Oberfläche gekommen sind?

Johanna Alba und Jan Chorin haben mit ihrem Buch „O sole mio!“ den vierten Band um Papst Petrus und sein Gefolge vorgelegt. Der Schreibstil ist ebenso flüssig wie mit jeder Menge Humor gespickt und lässt dem Leser die Seiten nur so durch die Finger gleiten. Die Landschaftsbeschreibungen sind so malerisch und wunderschön, dass man sich geradezu mit an der pittoresken Amalfi-Küste wähnt, begleitet von dem wunderbaren Duft der italienischen Gewürze und der salzigen Meeresluft. Der Spannungsbogen wird langsam aufgebaut und steigert sich durch die eingestreuten Verwirrspiele der Autoren immer mehr. Oftmals denkt man als Leser, man wäre der Lösung so nah, doch dann nimmt die Handlung einen ganz anderen Verlauf, und man steht wieder vor einem neuen Rätsel, das es zu lösen gilt.

Die Charaktere sind sehr lebendig ausgestaltet, sie haben alle Ecken und Kanten, selbst Petrus ist sehr menschlich dargestellt, so dass man das Gefühl hat, alle schon ewig zu kennen, ja, sie erscheinen einem regelrecht vor dem inneren Auge – ein tolles Kopfkino! Petrus ist des Vatikans und der Öffentlichkeit müde und möchte einfach nur mal die Seele baumeln lassen, Zeit am Meer verbringen, wo er keine großen Verpflichtungen hat und unerkannt einen unbeschwerten Urlaub nach eigenem Gusto mit gutem Essen und einfachen Leuten verbringen kann. Doch seine Spürnase steht ihm im Weg, denn der Todesfall bringt wieder seine detektivischen Sensoren zum Vibrieren, er kann gar nicht anders als sich ins Abenteuer zu stürzen. Giulia macht mit ihrer wohlhabenden Tante gemeinsam Urlaub und landet ausgerechnet in Meravilla, wo ihr Chef Petrus inkognito den Dorfpfarrer mimt. Sie wollte einfach mal eine Auszeit, fort von der Pflicht und den Gedanken an ihre heimliche Liebe Francesco, doch das gelingt ihr nicht. Eugenia ist der weibliche Sherlock, sie und Petrus sind sich im Wesen sehr ähnlich und konkurrieren regelrecht um die Auflösung des Falles, dabei ergänzen sie sich aber auch. Auch die anderen Protagonisten sind so hervorragend ausgewählt, dass ihre kleinen Geschichten die Handlung noch mehr beleben und den Roman regelrecht zu einem wahren Lesevergnügen werden lassen.

„O sole mio!“ ist rundherum ein Wohlfühlkrimi der besonderen Art. Der Mix aus Humor, Spritzigkeit und einer tollen Auswahl an Verdächtigen und Ermittlern ist besonders und macht einfach Spaß. Absolute Leseempfehlung für einen echten Lesegenuß!

Veröffentlicht am 15.09.2016

9/11 oder das Leben danach

Über uns der Himmel
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Am 11. September 2001 verlässt Patrick Waithmann morgens das Haus auf den Weg in sein Büro im New Yorker World Trade Center, doch vorher hat er sich noch mit seiner Frau Kate zum Abendessen verabredet, ...

Am 11. September 2001 verlässt Patrick Waithmann morgens das Haus auf den Weg in sein Büro im New Yorker World Trade Center, doch vorher hat er sich noch mit seiner Frau Kate zum Abendessen verabredet, weil er ihr etwas sehr wichtiges sagen möchte. Patrick wird die Verabredung nicht einhalten können…

2014 ist die Musiktherapeutin Kate Waithman wieder in einer festen Beziehung mit Dan, doch die Vergangenheit lässt sie nicht los. Immer öfter hat sie sehr reale Träume über ein mögliches Leben ohne den damaligen Anschlag und ihren Verlust. Doch diese Träume bringen sie und ihr Leben immer mehr durcheinander, schlagen sich in ihrem Denken und Tun nieder und gefährden immer mehr ihr normales alltägliches Leben, in dem sie nach langer Zeit wieder einigermaßen glücklich war. Die Frage, was Patrick ihr damals mitteilen wollte, treibt Kate schier in den Wahnsinn. Was wollte er ihr sagen?

Nach ihrem erfolgreichen Roman „Solange am Himmel Sterne stehen“ hat Kristin Harmel mit ihrem neuen Buch „Über uns der Himmel“ wieder eine herzergreifende, teilweise aber auch mystische Geschichte vorgelegt. Der Schreibstil ist wunderschön, gefühlvoll und flüssig, der Leser tritt schnell an die Seite von Kate und erlebt mit ihr sämtliche emotionale Szenarien, Schicksalsschläge, die nur sehr schwer zu verdauen sind und der Protagonistin sämtliche Kraft abverlangen, derer ein Mensch fähig ist, um wieder ein halbwegs vernünftiges Leben zu führen. Der 11. September 2001 ist jedem von uns ins Gehirn gebrannt, und wenn man wie ich diesen Tag hautnah miterlebt und die Gräuel mit eigenen Augen gesehen hat, wird man diese Bilder nie wieder los. Die Autorin baut in ihrer Handlung so geschickt eine Achterbahn der Gefühle auf, die einem direkt ans Herz geht, seelisch und körperlich mit der Protagonistin mitleidet und sich oft fragt, wie ein betroffener Mensch diese Dinge verkraften kann. Durch die Erzählweise der Autorin baut sich durch die vielen ungeklärten Dinge mehr und mehr eine Spannung auf, dass man sich als Leser wünscht, alle Antworten zu bekommen.

Die Charaktere sind sehr liebevoll skizziert und wirken lebendig und authentisch, da man sich mit ihren Gedanken und Gefühlen identifizieren kann. Kate ist eine sympathische Frau, die einstmals sehr glücklich war mit dem Mann ihrer Träume. Doch das Glück wird jäh durch einen Terroranschlag zerbrochen und Kate in Verzweiflung zurücklässt. Sie braucht Jahre, um ins normale Leben zurückzufinden und sich für eine neue Beziehung zu entscheiden. Doch unerledigte Dinge und unbeantwortete Fragen lassen ihr keine Ruhe und stören mehr und mehr ihre zurückgewonnene Fassung und ihren normalen Alltag. Einmal mehr zeigt sich, wie sehr unerledigte Dinge und Fragen unser Leben beherrschen können und man sich mit der Beantwortung und dem Aufarbeiten und Abschließen von Lebensabschnitten auseinandersetzen sollte.

„Über uns der Himmel“ ist ein sehr emotionales Buch, das den Leser direkt packt und bis zur letzten Seite nicht mehr loslässt. Auch danach kann man die Geschichte nicht so schnell vergessen und hängt ihr in Gedanken noch nach. Alle, die gefühlvolle Bücher lieben und einen ausreichenden Vorrat an Taschentüchern daheim haben, sei dieser Roman wärmstens ans Herz gelegt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Entscheidung für die Liebe

Die Ehre der Sophie Dupont
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1815 Devonshire/England. Captain Stephen Overtree ist auf der Suche nach seinem Bruder Wesley in Lynmouth angekommen, wo Wesley sich in einem Atelier eingemietet haben soll, um zu malen. Doch sein Bruder ...

1815 Devonshire/England. Captain Stephen Overtree ist auf der Suche nach seinem Bruder Wesley in Lynmouth angekommen, wo Wesley sich in einem Atelier eingemietet haben soll, um zu malen. Doch sein Bruder hat sich Hals über Kopf auf den Weg nach Italien gemacht und sein Model und Geliebte Sophie Dupont, die Tochter eines Malers, allein und schwanger zurück gelassen. Stephen verflucht seinen egoistischen Bruder und macht Sophie kurzerhand einen Heiratsantrag, um für die familiäre Verfehlung einzutreten. Sophie, deren Herz immer noch an Wesley hängt, obwohl er sie so schmählich im Stich gelassen hat, weiß sich keinen anderen Rat, als den Antrag anzunehmen, wenn sie nicht als unverheiratete und schwangere Frau als gebrandmarkt gelten will. Gleich nach der Eheschließung reist sie mit Stephen auf dessen Familiensitz Overtree Hall, wo sie die restlichen Familienmitglieder sowie deren Freunde kennenlernt und sich langsam einlebt und sich an ihren neuen Ehemann gewöhnt. Doch dann wird Stephen in sein Regiment zurückgerufen, um in den Krieg gegen Napoleon zu ziehen und kaum ist er aufgebrochen, kommt Wesley nach Overtree Hall, wo er auf Sophie trifft. Sophie ist hin und hergerissen, was soll sie nur tun?

Julie Klassen hat mit ihrem Buch „Die Ehre der Sophie Dupont“ einen spannenden historischen Roman vorgelegt. Der Schreibstil ist wunderbar flüssig, nimmt den Leser von Beginn an mit an die Seite der Protagonistin Sophie, lässt ihn an ihren Gedanken und ihrer Gefühlswelt teilhaben und mit ihr hoffen und bangen. Der Spannungsbogen wird schon zu Beginn der Handlung recht hoch angesetzt, steigert sich im späteren Verlauf der Handlung sogar noch. Der Leser ist aufgefordert, die vielen kleinen Geheimnisse und Verwicklungen nach für nach aufzuklären und wird oftmals mit überraschenden Entwicklungen konfrontiert.

Die Autorin zeigt in ihrem Buch zudem die damaligen Gesellschaftsstrukturen auf, in denen unverheiratete „gefallene“ Frauen von ihrem Umfeld geächtet wurden und ihnen oftmals gar keine andere Möglichkeit blieb, ihr Kind fernab von ihrer gewohnten Umgebung im Geheimen zu bekommen, um es anschließend in einem Kloster oder in einem Findelheim unterzubringen und danach wieder ein Leben zu führen, als hätte es diesen Teil ihres Lebens gar nicht gegeben, nur um dem Ruf der Familie zu entsprechen.

Die Charaktere sind sehr unterschiedlich, aber detailliert angelegt. Sie wirken durchweg lebendig und authentisch. Sophie ist eine sympathische junge Frau, die noch unerfahren an den falschen Mann gerät. Sie liebt die Malerei, hat selbst genügend Talent geerbt und unterstützt so ihren Vater bei seinen Bildern. Sophie hat keine Vorstellung von ihrer Wirkung in Bezug auf Männer und vertraut weil verliebt dem falschen Mann. Sehr schön zu beobachten ist die Entwicklung von Sophies Wesen innerhalb der Handlung, denn aus ihrer Unsicherheit erwächst eine recht gestärkte junge Frau, die sich nimmt, was sie sich erträumt. Stephen ist ein integrer Mann, gläubig und mit Ehrgefühl ausgestattet. Seine militärische Laufbahn hat ihn geprägt, innerlich und äußerlich, so wirkt er oft hart und erbarmungslos. Doch im Kern ist auch er nur auf der Suche nach der einzigen Liebe. Wesley ist ein arroganter, selbstverliebter und egoistischer Mann, der sich immer im Recht sieht und die Schuld auf andere schiebt. Auch die anderen Protagonisten sind so vielfältig und interessant skizziert und beleben die Handlung mit ihren kleinen Nebengeschichten und Episoden.

Besonders erwähnenswert sei hier noch, dass es sich um einen Roman mit christlichem Bezug handelt. Die eingefügten Gebete und Gedanken der Protagonisten an Gott sind wunderbar ausgewählt zur jeweiligen Situation und wirken daher besonders glaubhaft.

„Die Ehre der Sophie Dupont“ ist ein sehr schöner historischer Roman, der im alten England spielt und der sowohl eine Liebesgeschichte wie auch einige Geheimnisse in sich birgt. Alle Liebhaber dieses Genres bei ihrer Wahl nicht enttäuscht werden. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Über Irrwege zum Glück

Glück ist, wenn man trotzdem liebt
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Floristin Isabelle ist ein Gewohnheitstier, plant und strukturiert ihr Leben bis ins kleinste Detail aus, denn sie kann Veränderungen nicht leiden, bringen sie doch ihren normalen Tagesrhythmus durcheinander. ...

Floristin Isabelle ist ein Gewohnheitstier, plant und strukturiert ihr Leben bis ins kleinste Detail aus, denn sie kann Veränderungen nicht leiden, bringen sie doch ihren normalen Tagesrhythmus durcheinander. Doch es geht nicht immer so, wie Isabelle es gern hätte. So wird eines Tages das Asia-Restaurant geschlossen, wo Isabelle die letzten 11 Jahre ihr tägliches Essen einnimmt, und schon plagt sie die Frage, wo sie nun ihre Nudelsuppe essen soll. Sie macht den Versuch in dem neu eröffneten kulinarischen Tempel, der von Jens geführt wird. Doch das geht gründlich schief, denn schon von Beginn an stimmt die Chemie zwischen Jens und Isabelle nicht. Auch Jens jüngere Schwester Merle sorgt für Chaos, stiftet aber einigermaßen Frieden zwischen Jens und Isabelle. Als Isabelle dann auf den Anwalt Alex trifft, gerät ihr Leben komplett aus den Fugen, denn bei ihr fliegen die Schmetterlinge im Bauch. So viel Aufregung ist Isabelle gar nicht gewohnt und verunsichert sie zutiefst. Welchen Verlauf wird ihr Leben nehmen, weiterhin ordentlich und strukturiert oder doch endlich mal Neues mit Nervenkitzel?

Petra Hülsmann hat mit ihrem Buch „Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ einen wunderschönen, unterhaltsamen Roman vorgelegt, der das Zeug hat, das Sommerbuch des Jahres 2016 zu werden. Der Schreibstil ist wirklich wunderbar flüssig, gefühl- und humorvoll, entwickelt eine regelrechte Sogwirkung. Der Leser sitzt in der ersten Reihe, um hautnah Isabelle und ihr Leben dabei zu beobachten, wie es sich von regelmäßig aber langweilig in chaotisch und aufregend verwandelt. Die Autorin weiß mit Sprache zu spielen und beweist das mit frechen und unterhaltsamen Dialogen. Auch unerwartete Wendungen geben der Geschichte eine gewisse Spannung und halten den Leser sehr gut bei der Stange.

Die Charaktere sind sehr liebevoll und detailliert ausgestaltet, haben ihre Ecken und Kanten und wirken gerade deshalb vollkommen authentisch und sehr lebendig. Isabelle ist eine Frau, die ihren Tagesablauf, ja regelrecht ihr Leben völlig durchplant. So fühlt sie sich in ihrer Haut sicher, während man denken könnte, sie wäre etwas verrückt. Dabei ist sie ein recht unsicherer Mensch, was sich spätestens dann offenbart, als sich einige Dinge gleichzeitig in ihrem Leben verändern und ihre gesamte Planung auf den Kopf stellen. Zeitweilig wirkt Isabelle geradezu kopflos, dies aber eher in liebevoller Weise. Und genau jetzt wird der Leser von Isabelles Handeln und Reaktionen überrascht, und man verfällt ihr rettungslos. Jens ist ein ambitionierter, ehrgeiziger junger Mann, der Verantwortung übernommen hat und sich sehr um seine jüngere Halbschwester kümmert. Merle bringt viel Aufregung und Chaos in das Leben ihrer Mitmenschen, bringt sie aber auch zusammen. Auch die übrigen Protagonisten wissen durch ihre Eigenheiten und ihre Nebengeschichten die Handlung ebenfalls zu bereichern, so dass der Leser diesen ganzen verrückten Haufen schnell wie liebe alte Freunde sieht.

„Glück ist, wenn man trotzdem liebt“ ist ein wunderbarer Roman über die Liebe, das Leben und über Träume, die man vielleicht noch gar nicht kennt, die aber plötzlich auftauchen. Ein rundum gelungener Sommerroman, der mit seiner herrlich erzählten Geschichte auch dunkle Tage erhellen kann und es einem warm ums Herz wird. Absolute Leseempfehlung mit Genussfaktor!

Veröffentlicht am 15.09.2016

Geheimnisvolle Familienbande

Die Holunderschwestern
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2015. Katharina betreibt mit ihrer Freundin Isi in München eine Restaurationswerkstatt und liebt ihre Arbeit mit Holz sehr. Eines Tages steht ein attraktiver Engländer namens Alex Bluebird vor ihr, der ...

2015. Katharina betreibt mit ihrer Freundin Isi in München eine Restaurationswerkstatt und liebt ihre Arbeit mit Holz sehr. Eines Tages steht ein attraktiver Engländer namens Alex Bluebird vor ihr, der extra aus London angereist ist, um ihr die alten Tagebücher ihrer Urgroßmutter Fanny überreichen zu können, die sich seit Jahrzehnten im Besitz seiner Familie befinden. Kaum hat Katharina sich in die Tagebücher eingelesen, ist sie von der dort enthaltenen Geschichte seltsam berührt und fasziniert. Sie versucht, innerhalb ihrer eigenen Familie Antworten auf ihre Fragen zu erhalten, doch wird sie von ihrer Mutter ebenso wie von ihrer Tante immer wieder abgefertigt. So bleibt ihr nur ihre eigene Recherche. Wird ihr der junge Engländer Alex behilflich sein können?

1918. Die junge Fanny flüchtet vom ländlichen Weiden in einer Nacht-und-Nebel-Aktion in die Großstadt München, wo ihr älterer Bruder Georg ihr eine Anstellung in einer Weißnäherwerkstatt besorgt hat. Sie will sich endlich von ihrer Familie und vor allem von ihrer sehr anhänglichen Zwillingsschwester Fritzi abnabeln, um auf eigenen Füßen zu stehen, aber anstatt zu nähen, möchte Fanny lieber kochen. Da kommt ihr der Zufall zu Hilfe und sie erhält die Möglichkeit, in einem Haushalt die Küche zu übernehmen und gleichzeitig auch in einer Künstlerwohnung für das leibliche Wohl der Gäste zu sorgen. Durch ihre Arbeit trifft sie viele interessante Menschen, von denen viele enge Freunde werden. Aber sie hat die Rechnung ohne ihre Zwillingsschwester gemacht, die eines Tages einfach vor ihrer Tür steht, um zu bleiben. Was werden die beiden Schwestern alles erleben?

Teresa Simon hat mit ihrem Buch „Die Holunderschwestern“ einen sehr unterhaltsamen, fesselnden und gleichzeitig spannenden Familienroman vorgelegt, der den historischen Handelsstrang mit dem gegenwärtigen auf wunderbare Weise miteinander verstrickt. Der Schreibstil ist herrlich flüssig, macht regelrecht süchtig, denn man wird schon beim Prolog in die Geschichte hineingesaugt und kann sich von den Seiten nicht lösen. Der Leser bekommt bei der Autorin den Platz des unsichtbaren Statisten, der sowohl an der Seite von Katharina als auch von Fanny jeden Gedanken und jede Gefühlsregung der Frauen miterlebt und oftmals laut eingreifen möchte, um zu warnen oder zu unterstützen, um zu trösten oder einen Schubs zu geben. Der historische Hintergrund wurde von der Autorin sehr gut recherchiert und mit der Handlung verflochten, wobei erwähnt werden muss, dass viele Details autobiografische Züge haben, die die Autorin aus ihrem engen Umfeld in den Roman hineingetragen hat. Sehr gut werden auch die Lebensumstände sowie die politischen Ereignisse und die Künstlerszene der damaligen Zeit dargestellt, so dass der Leser ebenfalls animiert wird, weiter zu recherchieren und sich mehr Informationen anzulesen. Der Spannungsbogen wird schon im Prolog aufgebaut, animiert er doch den Leser zum ständigen Rätseln, was es mit diesen Briefzeilen wohl auf sich hat, und wird bis zum Ende immer mehr gesteigert. Die Handlung selbst wird in zwei Ebenen erzählt, der eine behandelt Katharina in der Gegenwart und der andere, der sich durch die kursive Schrift unterscheidet, schildert die Erlebnisse von Fanny in der Vergangenheit.

Die Charaktere sind liebevoll ausgestaltet worden, sie haben Ecken und Kanten, wirken wie Menschen von nebenan und wirken gerade deshalb so lebendig und authentisch, als würde man sie seit Ewigkeiten kennen. Deshalb fühlt man sich beim Lesen des Buches auch so wohl, denn sowohl Katharina als auch Fanny sind so sympathisch und liebenswert, dass sie wie Familienmitglieder wirken. Katharina ist eine bodenständige junge Frau, die ihre künstlerische Arbeit sehr liebt. Sie leidet unter der strengen und kühlen Mutter, der sie es nie recht machen kann, doch ihr Vater kompensiert einen Teil, denn er ist ein liebvoller Mann, der ihr jedes Verständnis entgegen bringt. In Isi hat Katharina einen Gegenpol zur Freundin. Während Katharina oftmals Selbstzweifel hegt und sich nach der großen Liebe und einer eigenen Familie sehnt, ist Isi quirlig und ein Hans-Dampf in allen Gassen. Aber gerade dieser Gegensatz ist gut für ihre Freundschaft, sie ergänzen sich im positiven Sinne. Fanny ist Katharina sehr ähnlich, sie steht ebenso mit beiden Beinen auf dem Boden, ihre Wünsche sind die einer normalen Frau. Dabei ist Fanny eine sehr hilfsbereite und sympathische Frau, die ihren Platz im Leben sucht. Sie hat keine Vorurteile und durch ihre freundliche Art gewinnt sie schnell die Herzen der Menschen, die ihr begegnen. Ihre Zwillingsschwester Fritzi ist das komplette Gegenteil, sie wirkt künstlich, aufgesetzt und immer auf ihren Vorteil bedacht. Neid und Missgunst machen sie in den Augen der Leser schnell unsympathisch, auch ihre fordernde und vereinnahmende Art lässt das Gefühl von Platzangst aufkommen sowie unter ständiger Beobachtung zu stehen. Fritzi will alles für sich und das sofort, dabei ist ihr völlig gleich, wem sie dadurch Schaden zufügt. Auch die Nebenrollen, die in diesem Buch hauptsächlich von den Männern besetzt sind, geben der Haupthandlung durch ihre Geschichten und Episoden einen wunderbaren Rahmen.

Ebenfalls erwähnt werden muss die liebevolle Ausgestaltung des Buches, das schon durch ein wunderschönes Cover besticht, aber auch das Nachwort der Autorin mit begleitenden Erklärungen und die vielen leckeren Rezepte, die es sich auszuprobieren lohnt. Mehr als einmal hat man während der Lektüre Heißhungerattacken und würde sich am liebsten mit den Protagonisten an einen Tisch setzen.

Mit „Die Holunderschwestern“ hat Teresa Simon einen sehr fesselnden Familienroman vorgelegt, der sowohl Geheimnisse, Liebe, Verrat, geschichtlichen Hintergrund und besondere Küchenhighlights in sich vereint. Alle, die sich gern von Büchern verzaubern lassen wollen oder sich ein Kopfkino der besonderen Art wünschen, sollten an diesem Buch nicht vorbeigehen. Absolutes Leseerlebnis und Highlight des Sommers 2016! Unbedingt lesen!!!