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Veröffentlicht am 26.09.2019

Von der Stärke, dem Leben die Stirn zu bieten

Weil du mich hältst
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1859 New York. Sophie Neumann lebt zwar selbst auf der Straße, kümmert sich aber liebevoll um die beiden Waisenkinder Nicholas und Olivia. Als ein Bandenkrieg ausbricht und Sophie einen Mord miterleben ...

1859 New York. Sophie Neumann lebt zwar selbst auf der Straße, kümmert sich aber liebevoll um die beiden Waisenkinder Nicholas und Olivia. Als ein Bandenkrieg ausbricht und Sophie einen Mord miterleben muss, schnappt sie sich Oliva und Nicholas und macht sich mit ihnen auf einen Waisenzug Richtung Westen nach Mayfield in der Hoffnung, dort für sie alle ein neues Zuhause in einer Pflegefamilie zu finden. Doch dann werden sie voneinander getrennt in verschiedenen Familien untergebracht. Sophie setzt alles daran, dass Olivia und Nicholas wieder bei ihr sein dürfen, obwohl das für sie weiterhin eine große Verantwortung bedeutet. Ob ihr das gelingen wird?
Jody Hedlund hat mit „Weil du mich hältst“ einen wunderbar gefühlvollen Roman vor historischer Kulisse vorgelegt, der das Ende einer Trilogie beschließt. Auch wenn man die Vorgängerbände nicht kennt, kann man der Geschichte ohne weiters folgen, denn die wichtigsten Begebenheiten und Zusammenhänge sind sehr gut mit dieser Handlung verwoben. Der Schreibstil ist flüssig, bildhaft und fesselnd, der Leser darf sich unsichtbar an der Seite von Sophie niederlassen und eine abenteuerliche und emotionale Zeit mit ihr erleben. Die Autorin versteht es ausgezeichnet, die innere Zerrissenheit, die Zweifel sowie die Unsicherheit ihrer Hauptprotagonistin dem Leser so deutlich zu machen, dass sich das gesamte Gefühlsbarometer während der Lektüre auch auf den Leser überträgt. Die damaligen Waisenzüge und auch die Erwartungen der Familien, die eines dieser Kinder bei sich aufnehmen, werden sehr anschaulich beschrieben. So mancher erhält dadurch eine billige Arbeitskraft, für manche ist es aber auch die Erfüllung des Traums vom eigenen Kind, um ihm all ihre Liebe zu schenken. Der christliche Aspekt ist ebenfalls wunderbar in der Geschichte verankert. Es geht um das Vertrauen in Gott, sich von ihm lenken zu lassen und dass alles mit seiner Hilfe gut wird.
Die Charaktere sind liebevoll und detailliert erschaffen und in Szene gesetzt worden. Aufgrund ihrer ganz persönlichen Ecken und Kanten wirken sie sehr realistisch und wie aus dem Leben gegriffen. Der Leser kann an ihrem Schicksal Anteil nehmen und mit ihnen leiden, fühlen, hoffen und bangen. Sophie ist eine junge Frau, die aufgrund ihres harten Lebens auf der Straße weiß, wie man sich durchkämpft. Sie ist eine liebevolle junge Frau, die allerdings bei der kleinsten Schwierigkeit auch den Kopf in den Sand steckt oder Reißaus nimmt. Sie muss erst lernen, sich selbst mehr zu vertrauen, um ihrem Leben eine neue Richtung zu geben. Für Olivia und Nicholas besitzt sie Stärke und Mut, aber wenn es um sich selbst geht, resigniert sie oft und muss erst lernen, sich selbst wertzuschätzen. Euphemia ist eine wunderbare Frau, die ebenfalls schon einiges in ihrem Leben erlebt hat, doch sie verbreitet so viel Liebe und Optimismus, dass man gar nicht anders kann, als ihre Güte und ihr großes Herz zu bewundern. Reinhold ist ein sympathischer Mann, der hart arbeitet, aber selbst auch eine unsichere Seite besitzt, die er überwinden muss. Weitere Protagonisten wie Olivia, Anna, Nicholas oder der Pastor geben der Handlung zusätzliche Spannungselemente.
„Weil du mich hältst“ ist ein berührender Roman mit historischem Hintergrund, der nicht nur eine romantische Liebesgeschichte enthält, sondern auch das Schicksal von Waisenkindern. Auch die Nächstenliebe spielt hier eine größere Rolle, so dass der Leser fesselnde und unterhaltsame Lesestunden genießen darf. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 24.09.2019

Rose Mandevilles Schicksal

Hill House - Sturm über Mandeville Park
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1915 England. Das familieneigene Anwesen Mandeville Park geht langsam den Bach runter, deshalb soll Rose als Tochter des Hauses es richten und den Wünschen ihrer Eltern entsprechend einen wohlhabenden ...

1915 England. Das familieneigene Anwesen Mandeville Park geht langsam den Bach runter, deshalb soll Rose als Tochter des Hauses es richten und den Wünschen ihrer Eltern entsprechend einen wohlhabenden und vor allem standesgemäßen Mann heiraten, damit die Familie ihr Leben behaglich so weiterführen kann, wie sie es kennen. Dabei hat ausgerechnet Rose Vater die Familie mit seinem Hang zum Spielen ins Unglück gestürzt. Rose allerdings hat ihren eigenen Kopf und denkt gar nicht daran, sich ihren Eltern zu fügen. Lieber kämpft sie selbstsicher als Mitglied der Suffragetten dafür, dass Frauen endlich selbst über ihr Leben bestimmen können und geht dafür nach London, wo sie eine Stelle im Kriegsministerium annimmt und die Bekanntschaft des Rechtsanwalts Michael Wodehouse macht. Dumm nur, dass Michael verheiratet ist, wenn auch die Ehe am Ende scheint. Während Rose und Michael sich langsam immer näher kommen, ruft das seine Ehefrau auf den Plan, die alle Hebel in Bewegung setzt, um Rose öffentlich zu verunglimpfen. Aber auch der Krieg hinterlässt seine Spuren: Roses Bruder Spencer wird vermisst und auch ihre Freundinnen Vera und Alice haben ihre Päckchen zu tragen…
Annis Bell hat mit „Hill House-Sturm über Mandeville Park“ den zweiten Teil ihrer Hill House-Trilogie vorgelegt, der dem Vorgänger an Spannung und Unterhaltungswert in Nichts nachsteht. Die Geschichte geht da weiter, wo der erste Band endete. Der Leser sieht sich sofort wieder im historischen England an die Seite der drei Freundinnen Rose, Vera und Alice gestellt, wobei sich hier diesmal das Hauptaugenmerk auf Rose richtet. Hill House ist auch in diesem Buch wieder der Dreh- und Angelpunkt, an dem die Freundinnen zusammentreffen. Der Erzählstil ist flüssig, packend und bildhaft, so dass der Leser während der Lektüre die Szenen gleich einem Kinofilm vor dem inneren Auge vorbeiziehen sieht. Die Autorin hat mit den Suffragetten ein interessantes historisches Thema gewählt, denn diese Frauenbewegung zählt zum Ursprung für die Freiheiten, die Frauen heutzutage genießen können. Aber auch die Einblicke in die gesellschaftlichen Strukturen, der historische Hintergrund sowie die harten Kriegszeiten mit seinem Mangel an allem Lebensnotwendigen, unter denen die Bevölkerung zu leiden hatte, sind sehr schön mit der Handlung verwoben und schaffen ein intensives Bild.
Die Charaktere sind wunderbar ausgestaltet und inszeniert worden. Sie bestechen mit ihren individuellen Eigenschaften, Authentizität und Lebendigkeit. Der Leser wird zu einem unsichtbaren Schatten der Freundinnen und kann ihre Gedanken- und Gefühlswelt gut nachvollziehen. Rose hat ihren eigenen Kopf und steht für eine Frau, die selbst entscheiden will, was sie mit ihrem Leben anfangen will. Sie ist selbstbewusst und pfeift auf gesellschaftliche Konventionen. Dabei kann sie auch sich auch wie ein Backfisch verhalten, wenn er verliebt ist. Vera ist ihr eigener Herr und arbeitet als Krankenschwester an der Front. Alice ist inzwischen Mutter geworden und mit der neuen Situation noch etwas überfordert, zumal sie sich zusätzlich um ihren Liebsten sorgt. Aber auch die weiteren Protagonisten wie Lord Mandeville oder Michael sind wunderbar gezeichnet und bringen mit ihrem Auftritt einiges an Spannung in die Handlung.
Mit „Hill House-Sturm über Mandeville Park“ ist Annis Bell eine sehr gelungene Fortsetzung gelungen. Das Buch bietet alles, was das Leserherz begehrt: Liebe, Leid, Intrigen und einen tollen historischen Hintergrund. Absolute Leseempfehlung für alle, die Downton Abbey lieben!

Veröffentlicht am 24.09.2019

"Wer aufhört zu hoffen, zu träumen und große Pläne zu schmieden, hat aufgehört zu leben. (Unbekannt)

Das Winterweihnachtswunder
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im Bristoler Stadtteil Stokes Croft lebt Kate mit ihrem 7-jährigen Sohn Jack in einer winzigen Wohnung, die sie sich gerade so leisten kann, denn seit ihr Ehemann Tom im Krieg gestorben ist, fehlt es an ...

im Bristoler Stadtteil Stokes Croft lebt Kate mit ihrem 7-jährigen Sohn Jack in einer winzigen Wohnung, die sie sich gerade so leisten kann, denn seit ihr Ehemann Tom im Krieg gestorben ist, fehlt es an allen Ecken und Enden, dabei würde sie Jack so gern etwas mehr bieten. Mit dem Job im Kaufhaus Portman Brothers könnte sie sich nicht über Wasser halten, wenn sie nicht nebenbei noch in Eigenregie Schmuck herstellen würde. Nun steht wieder Weihnachten vor der Tür, und Kate möchte es für Jack zu etwas Besonderem machen. Deshalb stellt sie mit Hilfe ihrer indischen Freundin Seema einen Weihnachtskalender her und versteckt hinter jedem Türchen einen besonderen Weihnachtswunsch, den sie mit ihrem Sohn zusammen erleben möchte. Dafür lässt sie sich sogar von ihrem Chef in ein Elfenkostüm stecken und Weihnachtsbäume verkaufen. Schon letztes Jahr ist ihr beim Verkauf ein junger Mann mit seiner Schwester aufgefallen. Ob er auch diesmal einen Baum kaufen wird?
Poppy Alexander hat mit „Das Winterweihnachtswunder“ einen wunderschönen und unterhaltsamen Roman vorgelegt, der nicht nur mitten aus dem Leben gegriffen ist, sondern auch die richtige Stimmung zum Weihnachtsfest versprüht. Der Schreibstil ist flüssig-leicht und gefühlvoll, der Leser darf sich mal an der Seite von Kate, mal an der von Daniel niederlassen, deren Gefühle, Gedanken und Sorgen allzeit offen vor ihm liegen und er ihnen dabei sehr nahe kommt. Die einzelnen Kapitel zählen die Tage eines Weihnachtskalenders rückwärts bis zum Weihnachtsfest und lassen den Leser hoffen, dass sich wirklich der eine oder andere Wunsch erfüllt. Die Autorin beschreibt intensiv die Schwierigkeiten einer jungen Witwe, sich und ihren Sohn durchzubringen und ihm trotz widriger Umstände eine schöne Kindheit zu bereiten. Ebenso erlebt der Leser, wie der Tod des einzig verbliebenen Familienmitgliedes das Leben eines Mannes so sehr verändert hat, dass er sich von allen abkapselt und bei einer Krisenhotline fast seinen einzigen Lebenssinn sieht. Aber auch die Einbindung des „Apple Cafés“ mit seinen gehandicapten Angestellten stellt eine Besonderheit dar, die wunderbar in die Geschichte passt. Obwohl immer wieder neue Baustellen im Leben von Kate und Daniel auftauchen, bleiben am Ende keine offenen Enden übrig und als Leser seufzt man einfach laut auf und ist glücklich und zufrieden. Der Weihnachtsgedanke ist hier wirklich Programm und wird in der Handlung sehr schön umgesetzt.
Die Charaktere sind detailliert und sehr glaubwürdig ausgearbeitet, sie wirken wie aus dem Leben gegriffen, so dass der Leser sich von Anfang unter ihnen wohlfühlt und sie gern begleitet. Kate ist eine Frau, die nur noch für ihren Sohn lebt und sich selbst dabei fast vergessen hat. Sie ist eine liebevolle Mutter, aber auch eine nette und fleißige Frau, die einige hilfsbereite Freunde und Nachbarn um sich geschart hat. Jack ist ein normaler kleiner Junge, der seinen Vater vermisst und Schwierigkeiten in der Schule hat. Er hat in Krishna einen echten Freund und wie alle Kinder Wünsche, die erfüllt werden wollen. Seema ist eine tolle Freundin, die Kate den Rücken stärkt und ihr auch mal einen Schubs gibt. Daniel ist ein zurückhaltender Mann, der sich endlich wieder zutrauen muss, ins Leben hinauszugehen und die Dinge in Angriff zu nehmen, die ihm wichtig sind. Aber auch Pat und Helen sowie die weiteren bunt gewürfelten Protagonisten machen diese Geschichte zu einem echten Erlebnis.
„Das Winterweihnachtswunder“ ist ein wirklich wunderschön erzählter Weihnachtsroman, den man eigentlich wie einen Weihnachtskalender Kapitel für Kapitel lesen sollte. Doch die Geschichte ist so einnehmend, dass man die Geduld dafür kaum aufbringen kann. Eine sehr gefühlvolle Handlung, die den Weihnachtsgedanken wunderbar zum Leben erweckt. Absolute Leseempfehlung!

Veröffentlicht am 22.09.2019

"Manchmal glaube ich, wir sind keine Familie, sondern ein biologisches Experiment." (Al Bundy)

Der Ausflug
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Früher waren Matt Cutler und Claire Petersen mal ein Ehepaar, doch nun leben sie jeweils mit neuen Partnern in einer Beziehung. Allerdings verstehen sich Matt und Claire gut und kümmern sich liebevoll ...

Früher waren Matt Cutler und Claire Petersen mal ein Ehepaar, doch nun leben sie jeweils mit neuen Partnern in einer Beziehung. Allerdings verstehen sich Matt und Claire gut und kümmern sich liebevoll um die siebenjährige Tochter Scarlett. Als Matt seiner neuen Lebensgefährtin Alex den Vorschlag unterbreitet, zusammen mit Claire, deren Partner Patrick und Scarlett die Weihnachtsfeiertage gemeinsam in dem Ferienressort „Happy Forest“ zu verbringen, bricht Alex nicht gerade in Begeisterung aus, zu schräg scheint ihr die Idee zu sein, mit der Ex und dem neuen Partner in den Urlaub zu fahren. Aber nicht nur Alex hat Vorbehalte, auch Patrick ist nicht gerade im Jubeltaumel, zumal er seine eigenen halbwüchsigen Kindern über die Feiertage nun nicht zu sehen bekommt, dabei ist das Verhältnis zu seiner Exfrau schon schwierig genug. Trotzdem machen sich alle auf die Reise und treffen in „Happy Forest“ in dem gemieteten Bungalow aufeinander. Der Ferienaufenthalt ist minutiös geplant mit Wellness, Billard, Bogenschießen und dem Besuch des Weihnachtsmannes. Doch dann kommt alles ganz anders, wobei Scarlett und ihr imaginäres lila Kaninchen Posey nicht unerheblichen Anteil daran haben…
Caroline Hulse hat mit „Der Ausflug“ einen wunderbar unterhaltsamen Roman vorgelegt, der dem Leser den Spiegel vorhält und zum Nachdenken anregt. Der Erzählstil ist flüssig und lädt den Leser ein, sich schnell mit allen Protagonisten, ihren Gedanken und Gefühlen vertraut zu machen und sie bei ihrem ungewöhnlichen Ausflug zu begleiten. Durch die unterschiedlichen Perspektivwechsel werden zum einen die Stimmungen der einzelnen Ausflugsteilnehmer sehr gut eingefangen, zum anderen erfährt der Leser so einiges über die Vergangenheit und die Sichtweise der Protagonisten auf ihre Mitreisenden. Dabei treten so einige Dinge zutage, die bereits Konfliktpotential in sich bergen, die im Verlauf der Geschichte ans Tageslicht kommen. Sehr interessant sind auch die Szenen zwischen Scarlett und ihrem imaginären Freund Posey, einem lilafarbenen Kaninchen „Made in China“, die immer wieder Zwiesprache miteinander halten und für einige Missverständnisse und extremes Verhalten sorgen, was den Erwachsenen Kopfzerbrechen bereitet. Die Autorin hat in ihrer Geschichte ebenfalls aufgezeigt, wie schwierig es heutzutage ist, wo das normale Familienbild verschwindet und sich als Ersatz dafür die einzelnen Mitglieder wie bei einem Puzzle zusammensetzen, die sogenannte Patchworkfamilie. Spannend sind auch die eingeschobenen Verhörprotokolle der Polizei, die erst nach und nach Sinn ergeben. Auch die Ausschnitte aus der Werbebroschüre des Ferienressorts sind immer sehr exakt und passend zum nachfolgenden Kapitel gesetzt.
Die Charaktere sind wunderbar ausgearbeitet und in Szene gesetzt. Sie wirken sehr lebendig, glaubwürdig und authentisch, so dass der Leser sich gut mit ihnen identifizieren und ihre Sorgen und Vorbehalte nachvollziehen kann. Scarlett ist eine etwas altkluge Siebenjährige, die ihre Gedanken hauptsächlich mit Posey teilt, laut mit ihm spricht und so den Erwachsenen oftmals ein Augenrollen entlockt, wobei sie den imaginären Freund aber keinesfalls ignorieren können und dürfen. Scarlett weiß genau, auf welche Knöpfe sie drücken muss, um ihren Willen zu bekommen. Matt ist ein lockerer Typ, der irgendwie in den Tag hinein lebt und das Leben nicht zu ernst nimmt. Alex ist eine Wissenschaftlerin, die keinerlei Erfahrung mit Kindern hat. Sie ist eher pragmatisch und trinkt seit Monaten keinen Alkohol mehr. Claire ist eine Powerfrau und lässt sich nichts vormachen. Sie steht zu ihren Entscheidungen und zieht sie auch durch. Patrick ist ein unsicherer Mann, der sich nach Anerkennung sehnt und sich nach seiner gescheiterten Ehe mit Claire endlich das große Glück erhofft. Walshey ist der nichtsnutzige Freund von Matt, der ohne seine Anwesenheit eine Krise auslöst. Aber auch Nicola und Ruby haben bemerkenswerte Auftritte in dieser Geschichte.
„Der Ausflug“ ist ein wunderbarer Roman über zwischenmenschliche Beziehungen, manchmal ironisch, manchmal ans Herz gehend, manchmal gescheitert, manchmal noch enger zusammengewachsen. Ein ereignisreiches Weihnachtsfest, das zu überraschen weiß und auch nachdenklich stimmt. Toll gemacht – absolut lesenswert!

Veröffentlicht am 22.09.2019

Eine Arztfamilie in Hamburg

Große Elbstraße 7 - Das Schicksal einer Familie
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1892 Hamburg. Viktoria zur Heiden stammt aus wohlhabendem Elternhaus, denn ihr Vater Carl Heinrich ist ein angesehener Professor an einer Hamburger Klinik. Ohne dass es ihre Eltern ahnen, verlässt Viktoria ...

1892 Hamburg. Viktoria zur Heiden stammt aus wohlhabendem Elternhaus, denn ihr Vater Carl Heinrich ist ein angesehener Professor an einer Hamburger Klinik. Ohne dass es ihre Eltern ahnen, verlässt Viktoria klammheimlich das Lehrerinnenseminar in Lübeck, um nach Hamburg zurückzukehren, denn eigentlich möchte sie lieber Medizin studieren, was ihr die Eltern aber vehement verbieten. Bereits wenige Stunden nach ihrer Rückkehr in die Heimatstadt trifft Viktoria auf den jungen Arzt Hannes, der seine Stelle im Klinikum ihres Vaters verloren hat und sich nun meist unentgeltlich um diejenigen im Hamburger Gängeviertel kümmert, die an der sich ausbreitenden Cholera erkrankt sind und sich keinen Arzt leisten können. Hannes und Viktoria mögen sich von Beginn an, so dass Viktoria ihn bei seinen Rundgängen begleitet, bis sie leider auf ihren Vater trifft, der sie sofort nach Hause schickt und den Kontakt zu Hannes unterbindet. Es soll Jahre dauern, bis Viktoria wieder auf Hannes trifft, aber inzwischen nutzt sie ihre Zeit sinnvoll, ihre eigenen Lebenspläne zu verwirklichen…
Wolf Serno legt mit „Große Elbstraße 7“ nicht nur einen Roman über das historische Hamburg zur Zeit der Cholera-Epidemie vor, sondern lässt seine Leser auch am Leben eine Arztfamilie sowie an den damaligen Arbeiterstreiks teilhaben. Dabei verknüpft der Autor sehr geschickt wahre Begebenheiten mit fiktiven und lässt den Leser zum Ende des 19. Jahrhundert eintauchen in eine alte Zeit, wo Frauen noch die Rolle der Hausfrau und Mutter ausfüllten, während Männer in ihrem Beruf aufgingen und der Familie vorstanden. Der Schreibstil ist flüssig-leicht und bildhaft, schnell versinkt man in der damaligen Epoche und darf die einzelnen Protagonisten bei ihrem täglichen Leben begleiten. Die Einblicke in die politische und gesellschaftliche Lage in Hamburg stellt der Autor sehr gut heraus, lässt den Leser den Unterschied zwischen arm und reich sehr deutlich erkennen und ihn die verschiedenen Behandlungsmethoden erfahren, mit denen damals die Kranken kuriert wurden. Die Erfindung der Röntgenstrahlen sowie auch die Verbindung der Erika-Schwestern ist sehr gut in die Handlung integriert, aber auch das Leben auf dem Kiez ist bildhaft geschildert, wo die Arbeiter nicht nur ihre Zerstreuung finden, sondern sich auch zur Planung von Arbeitskämpfen treffen.
Die Protagonisten sind alle sehr unterschiedlich ausgestaltet und mit Leben versehen. Sie besitzen individuelle Charaktereigenschaften, die glaubhaft und authentisch wirken, so dass der Leser sich gut mit ihnen identifizieren kann. Viktoria ist für ihr Alter schon eine recht selbstbewusste und offene Frau, die genau weiß, was sie will. Sie ist stark und mutig, fleißig und mitfühlend, was ihr die Herzen der Menschen zufliegen lässt. Ihr Bruder Benno ist ein Filou, der nichts weiter will als malen. Ein Studium interessiert ihn nicht, er lebt in den Tag hinein und verdient sich sein Geld im Kiez mit Aktmalerei und den Entwürfen von Streikplakaten. Aber Bennos Herz sitzt am rechten Fleck, auch wenn er immer einen frechen Spruch auf den Lippen hat. Viktorias Vater ist ein Mann von Stand und Ansehen, der keine Widerworte gelten lässt. Als Arzt allerdings befolgt er nicht mal sein eigenes Wissen, was ihn am Ende das Leben kostet. Erika-Oberin Schlichting ist eine starke Persönlichkeit, die sich durchsetzen kann und sich auch von den Ärzten nichts vormachen lässt. Gleichzeitig lebt sie streng nach dem Motto der Schwesternvereinigung. Hannes ist ein junger Arzt, der sich den ärmsten der Armen annimmt und versucht ihre Leiden zu lindern, nachdem er seine Stellung im Klinikum verloren hat. Auch die weiteren Protagonisten wie Finn oder auch Schäbeda machen die Handlung mit ihren Auftritten spannend und kurzweilig.
„Große Elbstraße 7“ ist ein Roman, der sowohl mit seiner Familiengeschichte als auch mit dem historischen Hintergrund Hamburgs überzeugen kann. Bildgewaltig erzählt und mit Tiefgang kann es hier nur eine Leseempfehlung geben. Auf die Fortsetzung darf man gespannt sein!