Profilbild von Durga108

Durga108

Lesejury Star
offline

Durga108 ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit Durga108 über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 17.10.2017

Szenen einer Ehe

Aux Champs-Élysées
0

Mara Ferrs Thriller spielt im winterlichen Paris und wie der Titel schon verrät, in der Nähe der Champs-Elysées.

Claire lebt mit ihrem Mann Philippe in einer alten Pariser Wohngegend bei der Champs-Elysées. ...

Mara Ferrs Thriller spielt im winterlichen Paris und wie der Titel schon verrät, in der Nähe der Champs-Elysées.

Claire lebt mit ihrem Mann Philippe in einer alten Pariser Wohngegend bei der Champs-Elysées. Sie haben zwei Töchter groß gezogen, die mittlerweile an der Sorbonne studieren. Zur älteren Nachbarsdame Emilie pflegen sie ein familiäres Verhältnis, sie ersetzt den Kindern die Großmutter. Claire hat 25 Jahre die Affären ihres Mannes hingenommen, da nun aber aus einer Liebelei eine ernsthafte Beziehung zu entstehen scheint, Philippe sogar nochmal Vater wird und sein Auszug droht, schmiedet Claire einen perfiden Plan. Claires Rache scheint von langer Zeit geplant und durchdacht, im Laufe des Buches erkennt man allerdings die vielen Lücken und Eventualitäten, an die sie nicht gedacht hat. Zu viel möchte ich jedoch nicht verraten.


Ich habe den Thriller innerhalb kürzester Zeit gelesen und jede Seite hat mir große Freude gemacht. Sicherlich sollte der Leser nicht das komplette Geschehen auf die Goldwaage legen. Ferr hat den Thriller natürlich so konzipiert, dass er einen Sinn macht und dass es zu ihrem Konzept passt. Für mich geht das Konzept auf, der Spannungsbogen bleibt bis zum Schluss und auf den letzten Seiten wartet noch eine Überraschung auf den Leser.


Mir war das Ende etwas zu abrupt, dennoch, wer unblutige, flüssig geschrieben Thriller mag, der sollte Mara Ferrs Aux Champs Elysées lesen.

Veröffentlicht am 07.10.2017

"Jedes Brot ist ein Geschichtsbuch aus Teig"

Brot
0

Walter Mayer ist ein kleines, feines Buch über Brot gelungen, keineswegs banal, sondern gut recherchiert, tiefgründig und berührend.

Das im Insel Verlag erschienene Büchlein besticht durch einen Leineneinband ...

Walter Mayer ist ein kleines, feines Buch über Brot gelungen, keineswegs banal, sondern gut recherchiert, tiefgründig und berührend.

Das im Insel Verlag erschienene Büchlein besticht durch einen Leineneinband mit einer schönen Zeichnung eines duftenden Brotlaibs als Titelbild und Lesebändchen.

Ich wurde auf das Buch aufmerksam nachdem ich den Trailer https://youtu.be/phzWHzy4qis dazu gesehen habe. Der sympathische Salzburger, selbst Bäckersohn, erklärt warum er dieses Buch schrieb. Er fand nach jahrelangem Geruchsverlust seinen Geruchssinn wieder und ihm stieg der Geruch vom frisch gebackenem Roggenbrot in die Nase, der in ihm so viel mehr bewegte als Parfum oder sonstige angenehme Gerüche. Auch ich begann nachzudenken, welche Assoziationen und Emotionen der Duft des Brotes bei mir auslöst. Es erinnert mich zum Beispiel an meine Großmutter Luise, die große Laibe im Dorf eigenen Backhaus buk und der ich als Kind dabei warmes Wasser zum Teig goss. Walter Mayer hat nicht nur sauber die Kulturgeschichte des Brotes recherchiert, die sich wie ein spannender Krimi liest, er hat auch Berühmtheiten wie Sarah Wiener oder den ehemaligen Bäckerkönig Heiner Kamps interviewt. Vervollständigt wird die Lektüre durch ausländische Brotgeschichten; Reisen, die der Autor unter anderem nach Albanien, Schottland oder nach Marokko unternimmt.

Mayer haut Sätze raus wie: "Brot ist ein Spiegel der Welt." "Brot ist ein Spiegel der Zeit." "Riechen ist das Tasten des Herzens." Oder "Jedes Brot ist ein Geschichtsbuch aus Teig." Ich gebe ihm vollkommen recht!

Die Lektüre wird durch wunderschöne Illustrationen von Alexandra Klobouk aufgewertet und sie bereitete mir 277 Seiten lang einen wunderbaren Lesegenuss. Deshalb bekommt Brot von Walter Mayer 5 Sternchen von mir.

Veröffentlicht am 19.09.2017

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Die andere Hälfte der Hoffnung
0

Der Roman spielt zwischen Tschernobyl und Düsseldorf, wird ganz leise aus verschiedenen Aspekten erzählt, handelt von harten Schicksalen und erst mit der Zeit erkennt der Leser die gesamte Katastrophe.

Walentyna, ...

Der Roman spielt zwischen Tschernobyl und Düsseldorf, wird ganz leise aus verschiedenen Aspekten erzählt, handelt von harten Schicksalen und erst mit der Zeit erkennt der Leser die gesamte Katastrophe.

Walentyna, die Mann und Sohn in Folge des Tschernobyl Unfalls verloren hat, schreibt Tagebuch und erzählt die Familiengeschichte von der Zwangsarbeit der Mutter im Dritten Reich, dem Mann, der viel zu früh verstarb, über den zweiten Mann, der zuviel trank und sie schlug. Sie schreibt dies alles für ihre Tochter Kateryna auf, die spurlos verschwunden zu sein scheint. Kateryna wurde mit ihrer Freundin Olena als Austauschstudentin nach Deutschland gelockt. Die Mädchen fielen allerdings auf Menschenhändler herein und wurden zur Prostitution gezwungen. Kateryna flüchtet, Olena bleibt, wird drogenabhängig und irgendwann von den Zuhältern grausam entsorgt. Kateryna landet nach ihrer Flucht, bei Lessmann, der seit dem Tod seiner Frau alleine auf seinem Hof lebt. Die junge Russin stellt seinen Alltagstrott auf den Kopf und ihn vor neue Aufgaben, u.a. soll er nach Katharinas Freundin suchen, die in einem Bordell in den Niederlanden anschaffen soll. Lessmann findet sie auch, informiert Katharina aber nicht darüber. Nicht nur er sucht nach den Mädchen, sondern auch Leonid, ein suspendierter Kriminalbeamter, versucht die Mädchen zu finden und geht davon aus, dass ein Mädchenhändlerring dahintersteckt, der bis in hohe Kreise Unterstützung findet.

Diese Handlungsstränge (Walentyna, Kateryna und Lessmann sowie Leonid) verdichten sich zu einem Gesamtbild, das div. aktuelle Themen anspricht. Nicht nur das, Borrmann verknüpft sehr geschickt die Vergangenheit mit der Gegenwart. Alle Handlungen der Protagonisten kann ich nicht nachvollziehen, muss ich aber auch nicht. Die Geschicht ist komplex, nicht immer einfach, auch nicht schön, dafür aber berührend, ganz ehrlich und sie wirkt nach dem Lesen nach.

Veröffentlicht am 10.09.2017

Die grüne Goldgrube

Green Bonanza
0

Es ist ein schönes Buch. Das Titelbild mit Gemüsepfanne aus goldbraunem Rosenkohl macht bereits Lust auf mehr, auch wenn m.E. es die Granatapfelkerne für den Geschmack nicht gebraucht hätte.
Der Titel ...

Es ist ein schönes Buch. Das Titelbild mit Gemüsepfanne aus goldbraunem Rosenkohl macht bereits Lust auf mehr, auch wenn m.E. es die Granatapfelkerne für den Geschmack nicht gebraucht hätte.
Der Titel "Green Bonanza" hätte sich mir allerdings nicht erschlossen, wenn da nicht direkt auf dem Titelbild eine große Fußnote stünde, die erklärt, dass Bonanza auf Spanisch Goldgrube heißt. Dann macht das ganze Sinn, denn Mia Frogners Rezepte sind zwar nicht durch die spanische, jedoch durch die mexikanische Küche stark geprägt. Die Rezepte wiederholen sich, es gibt viel Tacos und Tortillas, Pizzas, Suppen, Salate und div. Falaffel, Bällchen und Burger. Ganz im Stil der modernen Köche vermischt sie Alt-Bewährtes mit Weltküche.
Unsere Kindheitserfahrungen sind ähnlich, wir hatten beide Großmütter, die mit 100%iger Gewissheit etwas Leckeres auf den Tisch brachten, egal was gerade da war und wieviel. Die jedoch nicht nur kochen konnten, sondern die Gemüse anbauten, wussten wann sie reif waren, wie sie besonders gut schmeckten und v.a. wie man nichts vergeudete oder wegwarf. Auch mich haben diese Kindheitserfahrung mit meiner Großmutter stark geprägt und beeinflussen heute meinen Kochstil und den respektvollen Umgang mit Lebensmittel. Mir gefällt gut, wie Frogner den Lesern diese Einstellung vermittelt.
Die Autorin verlässt sich oft auf ihren Backofen, was ich aber nicht schlimm finde, zumal es sich dabei um eine Zubereitungsart handelt, die praktisch und sehr schmackhaft ist. So brät sie Süßkartoffel, Rosenkohl und div. anderes Gemüse auf dem Blech, wagt sich aber auch, Falaffel im Backofen zu machen. Was ich gut finde, da sie doch so nicht so fettig sind. Nicht zu vergessen die div. Arten einer Pizza, die sie ohne Käse zubereitet, für das ich ihr besonders dankbar bin. Manche Zubereitungen erscheinen mir etwas umständlich. Wie z.B. die weltbesten Ofenkartoffeln, die sie zuerst in der Pfanne gar brät, um sie dann wieder für 15 Minuten in den Backofen zu schieben. Oder der Kartoffelsalat, bei dem die Karotten in Stücke geschnitten gekocht werden, wohlgemerkt mit Schale, damit die Vitamine nicht verloren gehen. Da wäre es vermutlich besser, die Kartoffeln ganz zu kochen und danach zu schneiden. Bei den Blumenkohl-Wings ist die Zubereitung zurecht aufwändig, da sie nur so richtig schön kross werden.

So wirklich neue Dinge hat mir Mia Frogner nicht gezeigt, ich finde ihre Küche aber lecker, kann für mich einige Rezepte gut abwandeln und in meinen Alltag einfließen lassen und sie bekommt ein dickes Lob, dass mal wieder jemand gezeigt hat, wie man ohne Fleisch und Fisch sowie mit nur wenigem tierischem Eiweiß ganz tolle Gerichte zaubern kann.

Veröffentlicht am 09.09.2017

Hervorragendes Debüt

Der Frauenchor von Chilbury
0

Jennifer Ryan greift in ihrem ersten Werk die Geschichte ihrer Großmutter in einem kleinen englischen Dorf während des 2. Weltkrieges auf. Auf 480 Seiten schafft sie es, über die Zeit von März bis August ...

Jennifer Ryan greift in ihrem ersten Werk die Geschichte ihrer Großmutter in einem kleinen englischen Dorf während des 2. Weltkrieges auf. Auf 480 Seiten schafft sie es, über die Zeit von März bis August 1940 flüssig und kurzweilig zu berichten.

Die Männer des Dorfes wurden entweder eingezogen oder sind in London und nun soll auch noch aufgrund von mangelnden Männerstimmen der Chor aufgelöst werden. Doch die Frauen lehnen sich gegen die Entscheidung auf und stellen mit Hilfe von Primrose, einer Musikprofessorin, einen Frauenchor auf die Beine. Sie benötigen nicht nur beim Chor keine Bässe und Tenöre, sondern bewerkstelligen auch ihren oft schwierigen Alltag alleine.

Das Buch beinhaltet Briefe und Tagebucheintragungen von fünf ganz unterschiedlichen Frauen. Diese lassen uns, jede aus ihrem Blickwinkel, in die damaligen Geschehnisse blicken. Der Leser kann auf die Charaktere der Schreiberinnen schließen, die Intrigen planen und heimliche Liebschaften haben. Es werden aber auch Themen angesprochen, die weit über das Dorfleben hinausgehen wie der Luftkrieg zwischen Deutschen und Briten, die fürchterlichen Schlachten in der Normandie, geflüchtete Juden, die in England aufgenommen wurden uvm. Ryan vermittelt dem Leser aus der Sichtweise dieser Frauen ein ganzheitliches, wie ich finde sehr realistisches Bild der damaligen Zeit.

Ich wage es, diesen Roman als Frauenroman einzustufen. Er berichtet über Frauen, von Frauen und ich glaube, dass die Erzähl- und Sichtweisen der einzelnen Frauen, Leserinnen weitaus näher stehen als einem Leser.

Dieser Debütroman ist unbedingt lesenswert und ich hoffe sehr, bald weitere Werke von Jennifer Ryan lesen zu können.