Wenn aus Schauspiel Ernst wird
Der WintermordclubNachdem ich letztes Jahr mit sehr großem Enthusiasmus den „Donnerstagsmordclub“ von Richard Osman gelesen habe, war ich gespannt auf eine neue Ermittlergruppe, welche diesmal an der schönen Côte d’Azur ...
Nachdem ich letztes Jahr mit sehr großem Enthusiasmus den „Donnerstagsmordclub“ von Richard Osman gelesen habe, war ich gespannt auf eine neue Ermittlergruppe, welche diesmal an der schönen Côte d’Azur romantechnisch angesiedelt worden ist. Ich bin leider etwas enttäuscht worden. In der Handlung geht es um eine Gruppe ehemaliger Ermittler, welche sich im Berufsleben kennen und schätzen gelernt haben. Sie verbringen jedes Jahr um die Weihnachtszeit ein paar Tage in einem schönen Hotel, genannt Le Petit Hôtel. Gegenstand des jährlichen Treffens sind neben guten Essen und Gesprächen stets ein als „Kriminalfall getarntes Schauspiel“, welches die Hotelleitung extra für diese ungewöhnliche Gruppe organisiert. Doch bei diesem Treffen ist alles anders, als plötzlich eine echte Leiche im Keller gefunden wird. Alsbald fangen die ungleichen Freunde auf eigene Faust zu ermitteln. Werden sie es schaffen den Fall zu lösen?
Als wesentliche Figuren in dieser Erzählung sind die Teilnehmer der Kriminalrentner Ruben van Dijk, Louanne Chevalier, Kim Becker, Geraldine Walker, Kasimir Nowak, Alexandros Dimitriadis zu nennen. Es tauchen noch weitere Persönlichkeiten in der Erzählung auf, welche einen unterschiedlichen Einfluss auf den Fall nehmen werden. Von den Hauptcharakteren hat mir Kasimir Nowak, ein ehemaliger polnischer Rechtsmediziner am besten gefallen. Obwohl er sehr gebildet ist, zeigt dieser stets Demut vor den Problematiken der Ereignisse und beweist auch Mitgefühl gegenüber seinen Mitmenschen. Er trägt jedoch wie die anderen Figuren eine Last aus der Vergangenheit mit sich herum. Bei den anderen Figuren der Erzählung hatte ich bei deren Charaktertiefe so meine Schwierigkeiten. Einige Protagonistinnen und Protagonisten sind mir zu klischeehaft dargestellt. Hier hätte ich mir vom Autor etwas mehr Kreativität gewünscht. Mein größter Kritikpunkt an diesem Kriminalroman ist jedoch seine Struktur. Ich hatte fast den Eindruck als wäre der Grundaufbau sehr an den Donnerstagsmordclub angelehnt worden war ich etwas einfältig empfand. Auch die Überschriften, welche sich mit den einzelnen Figuren im jeweiligen Kapitel befassen, waren ebenfalls sehr ähnlich mit diesem Werk. Etwas mehr Individualität darf es dann meiner Meinung schon sein. Der Aufbau der Erzählung ist stringent, wird durch gelegentliche Zeitsprünge in die Vergangenheit unterbrochen, was aber für den Lesefluss nicht weiter störend ist. Der Schreibstil ist flüssig, dialogorientiert und gut lesbar. Positiv anzumerken ist der Spannungsbogen, welcher gerade in der Mitte der Handlung ordentlich an Fahrt gewinnt. Auch werden die Leser geschickt im Unklaren gelassen, wer die Täterin oder wer der Täter am Ende ist. Das Finale ist interessant und entschädigt für die Makel an der Struktur und den Figuren. Mit viel Spannung und ausbaufähigem Aufbau und kreativ gestalteten Charakterstrukturen kann zu diesem Krimi gegriffen werden. Ein wenig Entwicklungspotential nach oben ist aber in einem Folgeband durchaus drin.