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Veröffentlicht am 08.08.2021

Angriff auf die Demokratie

Die letzte Wahl
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Was wäre wenn...? Wenn die Rechtspopulisten – die fiktiven im Buch und diejenigen, die sich allenthalben in immer größerer Zahl tummeln – tatsächlich die Macht im Staat übernähmen, könnte man ein völlig ...

Was wäre wenn...? Wenn die Rechtspopulisten – die fiktiven im Buch und diejenigen, die sich allenthalben in immer größerer Zahl tummeln – tatsächlich die Macht im Staat übernähmen, könnte man ein völlig verändertes Land vorfinden, über Nacht, eines, vor dem und in dem man Angst haben muss und das fatal an eine längst vergangen geglaubte Zeit erinnern könnte, der jeder demokratisch gesinnte Bürger ein 'nie wieder' entgegenschreien müsste! Zumal wenn, wie hier in dem nicht nur hervorragend geschriebenen (man spürt, dass der Autor sein Handwerk versteht!) sondern auch sehr spannenden, sehr realistischen Thriller, bereits Pläne vorliegen für die Zeit nach der Machtübernahme, Pläne, die unter anderem die Aushebelung des Grundgesetzes mit all ihren verhängnisvollen Folgen vorsehen und es zudem genügend gewissenlose Erfüllungsgehilfen gibt, die die angedachten, nein, in der Tat minutiös ausgearbeiteten, Vorhaben in die Tat umsetzen und deren Instrument die Gewalt ist.
Der Protagonist des an dieser Stelle zu besprechenden Thrillers, der Journalist Nicholas Moor, der nach einem verhängnisvollen, in seiner Branche einem beruflichen Selbstmord gleichkommenden Fehler wenige Jahre zuvor, für den er freilich nicht allein die volle Verantwortung trägt, um sein Überleben in der schreibenden Zunft kämpft, blickt durch Zufall hinter die vaterländisch-besorgte Fassade der fiktiven Volkspartei, deren Spitzenkandidat Hartwig sich gerade auf die Zeit nach dem sicher geglaubten Sieg bei den anstehenden Bundestagswahlen vorbereitet. Alarmiert macht sich der Reporter mit dem aus den Fugen geratenen Leben daran, die ungeheuerlichen Pläne der Rechtspopulisten an die Öffentlichkeit zu bringen, womit er allerdings gegen alle nur denkbaren Mauern rennt. Die VP hat ihre langen Krakenarme überall, ihre Sympathisanten finden sich bis hinein in die höchsten Entscheidungsebenen. Nicholas kämpft alleine, ein Einzelgänger sowieso; nach dem im Roman näher geschilderten Debakel haben ihn auch die wenigen Freunde verlassen – alle bis auf den liebenswerten (und es gibt hier eine verschwindend geringe Zahl von integren und sympathischen Figuren) Computerexperten Lucas, mit dessen Hilfe und umfassendem technischen Wissen sich sein Verdacht nicht nur erhärtet, sondern gar weitere Erkenntnisse aus dem Verborgenen geholt werden, die selbst seine misstrauische Vorstellungskraft übertreffen. Nicholas kennt von nun an nur ein Ziel: die Volkspartei muss aufgehalten werden! Sofort und mit allen ihm zur Verfügung stehenden legalen, genauso wie weniger legalen Mitteln...
Zivilcourage! Die besitzt der, wie es den Anschein hat, gegen die ganze Welt kämpfende Nicholas ohne Frage. Dazu noch eine gehörige Portion Verzweiflung, denn zu verlieren hat er nichts mehr. So sehr sein Mut und seine Entschlossenheit, die Volkspartei zu entlarven und an der Übernahme der anvisierten Macht zu hindern, auch zu bewundern ist, so wenig glaubhaft escheinen seine Bemühungen, wird denn sein Agieren immer surrealer und verbissener, zumal er vom Autor als gebrochener Charakter angelegt wurde, der sich gerade so mit Mühe auf den Beinen hält infolge seines hohen Tabletten- und Alkoholkonsums. Dennoch schickt man ihn auf eine atemberaubende Jagd durch Berlin, lässt ihn auf der Flucht vor seinen Verfolgern und deren mörderischer Drohne rennen, stürzen, sich verletzen und doch immer weiterrennen. Das ist selbst für einen fitten Marathonläufer zu viel – und macht die Figur des zu allem entschlossenen Reporters unglaubwürdig.
Ich betrachte Nicholas, den Helden – oder am Ende, das viel zu schnell kam, so als wäre dem Autor die Puste ausgegangen, doch nicht? -, als Schwachpunkt in einer ansonsten, ich bekräftige es noch einmal, enorm fesselnden, mich durchweg in Atem haltenden Geschichte. Ein Thriller – und das alleine ist schon ungewöhnlich! -, der zum Nachdenken einlädt, nicht nur in einer Hinsicht. Beängstigend realistisch ist das, was ich gelesen habe! Wer Ohren hat zu hören, wer Augen hat zu sehen und ein Hirn zu denken – um den Evangelisten Markus ein wenig abzuwandeln -, dem müsste doch sonnenklar sein, was der Negativprotagonist und Kanzlerkandidat der Volkspartei, Hartwig, da im Sinne hat. Er steht für mich stellvertretend für all die so aggressiv-betroffen auftretenden Vertreter eines erträumten Nationalstaates. Ich weigere mich zu glauben, dass die große Masse einfach nur dumm ist. Aber die Alternative, dass man also schon wieder von der völkisch-braunen Gesinnung gepackt wurde, ist noch schlimmer. Und wird dennoch immer wieder vom Zeitgeschehen bestätigt.
Klar, der Thriller ist Fiktion, doch bleibt er an der Realität, denn das, was der Autor thematisiert, ist denkbar, vorstellbar, durchaus realisierbar mit jemand Charismatischem an der Spitze und hinter ihm eine Rotte skrupelloser Verbrecher, unter dem Deckmäntelchen des ehrlich besorgten Gerechtigkeitsbürger. Schön vernetzt und mit den dreckigen Händen in allen möglichen verbrecherischen Geschäften, dazu mit mächtigen Hintermännern (wie hier in der Geschichte) und mit dem notwendigen Schnickschnack ausgestattet und darin versiert. Auch eine nicht doofe Masse ist manipulierbar, kann irregeleitet, kann verhetzt werden, wenn man ihr nur lange und nachdrücklich genug suggeriert, was gut für sie ist und was im Lande nicht gut läuft, aber gut laufen könnte. Etcetera, etcetera... Die Mechanismen sind nicht neu, jeder Diktator bedient sich ihrer! Und heute dank der sozialen Medien und derem gedankenlosen Ge- und vielfachen Missbrauch leichter denn je. Auch das kommt zum Ausdruck in dem Roman, dem ich im Übrigen viele kritische, wache, reflektierende Leser wünsche. Wahlen werden künftighin über die sozialen Medien gewonnen, in deren Abhängigkeit sich so viele Menschen willentlich begeben, nicht bedenkend, nicht sehend oder auch nicht sehen wollend, dass diese Art von Abhängigkeit derjenigen gleich ist, die von Despoten und Diktatoren eingefordert wird!

Veröffentlicht am 06.08.2021

Wie Minou ihrem Herzen folgt und ihre Hexe findet

Hexe gesucht - Familie gefunden
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Minou ist schon eine besondere Katze: als siebtes Kätzchen aus dem siebten Wurf ihrer Mutter Nanette, die ihrerseits auch der siebte Nachkömmling war, ist sie prädestiniert dafür, eine Hexenkatze zu sein. ...

Minou ist schon eine besondere Katze: als siebtes Kätzchen aus dem siebten Wurf ihrer Mutter Nanette, die ihrerseits auch der siebte Nachkömmling war, ist sie prädestiniert dafür, eine Hexenkatze zu sein. So hört sie es in den Geschichten ihrer Mutter, von denen sie gar nicht genug bekommen kann. Wie die pechschwarze Bella Noire, die einst einer Hexe diente, möchte Minou sein, genau so! Nur, wo findet sie ihre eigene Hexe, diejenige, für die sie bestimmt ist? Wenn es anscheinend nicht einmal Menschen gibt, bei denen sie wohnen kann, die sie, gerade sie haben wollen! Nachdem nämlich all ihre Geschwister ihre neuen Familien gefunden haben, bleibt Minou alleine bei ihrer Mutter zurück, voller Selbstzweifel. Klein ist sie, kleiner als ihre Brüder und Schwestern, und sie benimmt sich komisch, wenn Besuch kommt, der sich ein Kätzchen aussuchen möchte. Klar, sie ist schwarz, pechschwarz, wie sich das für eine richtige Hexenkatze gehört, aber da ist dieser Makel, dieses eine lange weiße Haar zwischen ihren Zehen! Sollte es daran scheitern? Nun, vorerst träumt sie jedenfalls weiter, auch dann, als endlich Lukas und Viola erscheinen und Minou mit nach Hause nehmen, in ein Haus, in dem die Kinder Emma, Michael und Baby Jakob auf sie warten, entzückt über die witzige kleine Katze, gleichzeitig laut, lärmend, stürmisch, wie kleine Kinder nun einmal sind. Zum Glück ist Minou hart im Nehmen und gewöhnt sich überraschend schnell an ihr neues Leben, auch wenn sie Vieles nicht versteht, vor allem nicht, was das mit den vielen Verboten soll, mit der ihre Menschen sie belegen und die sie, in aller Unschuld versteht sich, nicht immer einhält, nicht einhalten kann, weil sie den Sinn dahinter nicht versteht. Doch wenn sie es sich recht überlegt – eigentlich ist sie ganz zufrieden bei der chaotischen Familie, wenn da nicht dieser große, dieser unbändige Wunsch wäre, ihre Hexe zu finden und bei ihr in die Lehre zu gehen, wie dereinst die sagenumwobene Bella Noire, der sie unbedingt nacheifern möchte! Dass sie ihr neues Zuhause dann verlassen muss, weiß sie, und das erfüllt sie mit Traurigkeit, lässt sie in ihrem Herzenswunsch immer wieder wankend werden. Moralische Unterstützung und Ermutigung aber erfährt sie von ihren neuen Freunden, dem riesigen Nachbarshund Bruno, der Ratte Roko und der Krähe Corrax – die letzten beiden sind selbst Hexentiere und kennen sich aus. Sie raten der von Ängsten und Selbstzweifeln geplagten Minou, unbedingt auf ihr Herz zu hören, denn dann – ja dann werde alles, alles gut werden!
Und recht haben sie, ganz klar, denn wie könnte eine Geschichte wie diese kein Happy End haben? Ein unerwartetes freilich, obwohl – vielleicht doch nicht? Womöglich musste alles genau so kommen, wie wir es in diesem rundum sympathischen Buch lesen, einer märchenhaften Katzengeschichte – manche mögen es als Fantasy bezeichnen - , der eine hübsche, nicht alltägliche Idee zugrunde liegt und die durchgehend von dem Katzenmädchen Minou höchstpersönlich erzählt wird. Noch dazu ist sie bevölkert von einer ganzen Schar liebenswerter Charaktere – egal ob menschlicher oder tierischer Gestalt; das Böse bleibt außen vor, wie ich erfreut und befriedigt konstatieren konnte. Schlechte, übelwollende Kreaturen haben in dem freundlichen kleinen Buch mit den eleganten Illustrationen nichts verloren. Die sollen sich gefälligst in anderen Romanen tummeln – und tun das schließlich auch zuhauf!
Herzerwärmend scheint mir das passende Attribut für die Geschichte um die wackere kleine Minou, die ihren Träumen folgt und damit genau das Richtige tut. Ganz reizend und erfrischend ist auch der Stil des Büchleins! Katzenbesitzer – und ich gehe davon aus, dass die Mehrzahl aller Leser, die ihren Weg zu Elisabeth Marienhagens Hexenkatzenbuch gefunden haben, zu dieser Gruppe gehören – sind sicherlich sehr einverstanden mit der Art und Weise, in der die Autorin sich in die bezaubernden, rätselhaften, anschmiegsamen, manchmal kratzbürstigen, aber vor allen Dingen unabhängigen, eigenwilligen und freiheitsliebenden Samtpfoten hineinversetzt und aus Katzensicht das Geschehen rundherum betrachtet und erzählt. Das zeugt von Sensibilität und genauer Beobachtung, denn, sollten Katzen kognitive Fähigkeiten haben, was selbstverständlich kein Katzenfreund auch nur im Geringsten bezweifeln würde, dann könnte das genau so aussehen, wie die Autorin es in ihrer sehr gelungenen Geschichte, die den Leser unweigerlich in gute Laune versetzt, zum Ausdruck bringt!

Veröffentlicht am 04.08.2021

Mühsame Ermittlungen mit einigen Längen

Die Kommissarin und der lange Tod
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Die Kölner Kriminalhauptkommissarin Antje Servatius ermittelt in ihrem ersten Fall – so verkündet es der Klappentext des Krimis, der seinerseits das Erstlingswerk des Autorenduos ist. Eine neue Reihe also, ...

Die Kölner Kriminalhauptkommissarin Antje Servatius ermittelt in ihrem ersten Fall – so verkündet es der Klappentext des Krimis, der seinerseits das Erstlingswerk des Autorenduos ist. Eine neue Reihe also, so mögen sich die serienliebenden Krimileser freuen! Und in der Tat lässt sich besagter erster Fall der nicht leicht zu durchschauenden Ermittlerin interessant an und macht zunächst neugierig: sie und ihr Team werden zum Schauplatz eines Mordes gerufen – und der Tote ist nicht irgendjemand, sondern der allseits bekannte, wenn auch nicht gerade beliebte Talkmaster Torben Grönewald, ein typischer Vertreter seines Berufsstandes, wie es dem aufmerksamen Talkshowzuschauer scheinen mag. Überheblich ist er, zynisch, von seiner eigenen Wichtigkeit überzeugt und natürlich hat er, obwohl verheiratet, zahlreiche Affären. Jemand, der befriedigende Quoten einfährt, obschon das, was er da tut und wie er es tut, nicht unbedingt seriös, auf jeden Fall aber moralisch fragwürdig ist. Schade ist es nicht um so eine Art Mensch, doch hat niemand das Recht, ihn deshalb umzubringen. Mord ist Mord und der Täter muss der Gerechtigkeit zugeführt werden! Das aber gestaltet sich schwierig; zwar schießt sich Antje Servatius Team, vor allem aber sie selbst, bald auf die Witwe des Opfers als Täterin ein, aber der Verdacht gegen sie kann nicht lange aufrecht erhalten werden. Über viele Seiten sieht es so aus, als würde er einer der Cold Cases werden, bis es den Ermittlern gelingt, Verbindungen herzustellen zu einem weiteren Mordopfer, dem ehemals vielversprechenden Literaturwissenschaftler Markus Fenstermann, der seine akademische Karriere längst für ein Leben als Alkoholiker eingetauscht hat, und dem vermissten Architekten Jack Trosien. Die Suche nach letzterem führt zu einem Nebenschauplatz, auf dem einmal mehr das Problem der illegalen Zuwanderer und der Schwarzarbeit thematisiert wird – des Langen und Breiten übrigens und über längere Strecken von dem eigentlichen Fall wegführend. Nach mühevollem Kombininieren, viel realistischer Kleinarbeit und dem Verfolgen vager Spuren gelingt es Servatius und vor allem auch ihren Mitarbeitern, dem Täter und seinem weit in der Vergangenheit liegenden Mordmotiv auf die Spur zu kommen, genauso, wie es in einem Krimi zu sein hat.
Überraschende Lösung? Nein, wie ich meine, denn nach etwa der Hälfte der Lektüre hatte ich eine Ahnung, worauf die Geschichte hinauslaufen würde. Das ist freilich kein Kriterium für die Gesamtbewertung eines Kriminalromans – wenn ich ansonsten durchgängig gefesselt bin von einer spannenden Handlung und einprägsamen, gut charakterisierten Haupt- und Nebenpersonen, ob sympathisch oder weniger einnehmend. Im Laufe der Lektüre ließ mein Interesse leider immer mehr nach. Roman und Handlung schienen auf der Stelle zu verharren, wollten sich einfach nicht fortbewegen. Ermittelt wird in zu viele falsche Richtungen und von dem Hauptfall, den beiden Morden, wird immer wieder abgeschweift – und dann zu lange verweilt - , entweder ins Privatleben der Kommissarin oder, wie schon erwähnt, zu dem Nebenschauplatz, wohin die Nachforschungen über den Verbleib des vermissten Architekten geführt hatten und die den Roman eher unruhig machen, als ihm ein Spannungselement beizufügen.
Darüber hinaus blieben bis zum Ende die meisten der handelnden Personen farblos, beinahe unscharf und gerade von derjenigen, die hier im Mittelpunkt stehen sollte, der Kriminalhauptkommissarin nämlich, konnte ich mir zu keiner Zeit ein klares Bild machen, obwohl der Leser durchaus einiges, wenngleich nicht näher Erläutertes, über sie erfährt: nach einer wilden Jugend (wieso die so wild war und was genau darunter zu verstehen ist, wurde mir nicht klar) hat sie sich nach der Geburt ihrer Tochter Kira, die durch Infantile Zerebralparese körperbehindert ist, aber gewandelt und ihre Karriere bei der Polizei vorangetrieben. Sie ist alleinerziehend, hat außer ihrer Freundin Dunja keine nennenswerten Sozialkontakte und versucht, sowohl ihrem Job als auch ihrer Tochter, die in der Pubertät steckt und aufgrund ihrer Behinderung ihre Probleme mit Schule und einigen Mitschülern hat, gerecht zu werden, wobei man den Eindruck bekommt, dass sie ihre Arbeit besser macht als sie ihre Mutterrolle ausfüllt. In dieser findet sie oft nicht das rechte Maß zwischen Überbehütungs- und Kontrolltendenzen einerseits und beruflichen Prioritäten andererseits. Das wiederum ist realistisch, ist es doch das Los so vieler Alleinerziehender. Realistisch ist es auch, dass zwar der Täter am Ende überführt wird, dass aber die Probleme der Tochter und die zwischen Mutter und Tochter am Schluss des Romans noch genauso bestehen, wie an dessen Anfang.
Alles nachvollziehbar also. Dennoch will es mir nicht gelingen, die spröde Kommissarin wirklich kennenzulernen. Sie kommt mir als Leser nicht nahe, bleibt gesichts- und konturenlos, obwohl man so häufig und so lange bei ihr verweilen kann. Die Autoren lassen nicht hinter Antje Servatius Gesicht blicken, erzeugen dadurch aber auch keine Neugier auf sie, den Wunsch, mehr von ihr zu erfahren. Die Hauptfigur in einer Krimireihe? Nun, die wäre eher ihr Kollege Rudi Seidel, denn der ist ein Charakter aus Fleisch und Blut, ist so gezeichnet, dass es nicht schwerfällt, ihn vor sich zu sehen, ihn zu verstehen, gar zu mögen und dadurch an seiner Person Anteil zu nehmen. Wenn der Kriminalhauptkommissarin ein besonderer Riecher, gar Intelligenz zugesprochen wird, eine ausgeprägte Fähigkeit in ihrem Job, so trifft das in mindestens dem gleichen Maße auf Seidel zu – warum also macht man nicht ihn zur Hauptfigur? Aber nun, es bleibt abzuwarten, wie die Autoren gedenken, mit Antje Servatius weiter zu verfahren, wie sie sie zu entwickeln planen und dem Leser näher bringen wollen!

Veröffentlicht am 29.07.2021

Menke ermittelt in Zweibrücken

Wenn nichts ist, wie es scheint
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Einen abscheulichen Fall soll Detlef Menke, Winzersohn, Porschefahrer und Privatdetektiv aus Bad Dürkheim, da aufklären: in Zweibrücken hat es jemand auf Hunde abgesehen, vergiftet Fleischbällchen oder ...

Einen abscheulichen Fall soll Detlef Menke, Winzersohn, Porschefahrer und Privatdetektiv aus Bad Dürkheim, da aufklären: in Zweibrücken hat es jemand auf Hunde abgesehen, vergiftet Fleischbällchen oder spickt sie mit Nägeln, Scherben und Rasierklingen und legt sie in den Grünflächen des Stadtzentrums aus, just der Gegend, die bei den Vierbeinern und ihren Herrchen beliebt ist! Welche fatalen Folgen das für die Tiere hat, kann man sich denken....
Im Mittelpunkt des Geschehens steht, wie man bald feststellen kann, die Tierärztin Hella, die nicht nur alle Hände voll damit zu tun hat, den Hunden, die einen solchen perfiden Köder gefressen haben, zu helfen – was ihr zumeist nicht gelingt -, sondern auch einen ihrer beiden eigenen Hunde nicht hatte retten können. Zufällig kennt sie Menke aus gemeinsamen Schulzeiten und fordert seine Hilfe an, die er ihr umgehend gewährt, zumal seine Freundin Tabea, ihres Zeichens Kommissarin bei der Bad Dürkheimer Polizei, sich soeben, genervt von Menkes Besitzansprüchen und seinem Drängen nach Heirat und Familie, eine Auszeit genommen hat. Ablenkung tut Not! Glücklicherweise hat Menkes Spürsinn unter der zunächst vorläufigen Trennung nicht merklich gelitten, denn bald schon nimmt er Witterung auf. Auf den üblichen Umwegen und mit einigen unangenehmen Zwischenfällen freilich, und diesmal nicht wie gewohnt mit der Hilfe seines Freundes, dem eigenwilligen Dackel Alli, der nur noch Augen für Hellas Wolfshund Elfi hat, sondern ziemlich auf sich allein gestellt – wiewohl beide Hunde trotz aller amüsanten Intermezzos, schließlich doch noch eine Rolle spielen sollen bei der letztendlichen Aufklärung eines höchst eigenartigen Falles, „bei dem nichts ist, wie es scheint“, wie schon der Titel des neuen Menke Abenteuers andeutet (den man allerdings auch noch auf eine andere Art interpretieren kann!), das sich auf eine unerwartete Weise entwickelt und am Ende durchaus die eine oder andere Frage, die sich während der Lektüre des Romans auftut, unbeantwortet lässt.
Viel geschieht in dem Krimi, an allen Ecken tut sich etwas, von dem man nicht sicher sein kann, ob es für den zu lösenden Fall relevant ist; die Ereignisse überrollen einander und den Leser, der die Geschichte aus mehreren Perspektiven serviert bekommt und so immer dem wackeren Privatdetektiv mit der so unglückseligen wie komischen Neigung zu den absurdesten Unfällen ein ganzes Stück voraus ist. Mal erzählt Menke auf seine unnachahmliche salopp-fatalistische Art, mal lässt die Autorin die Leser das Geschehen aus der Sicht des Unholdes verfolgen, dem, und das wird bereits frühzeitig klar, weiß Gott nicht nur eine Latte am Zaun fehlt, dann wiederum erhält man eine eher neutrale Berichterstattung über die Entwicklung des Geschehens an sich und den Fortgang der polizeilichen Ermittlung. Und zwischendurch menschelt es gewaltig!
Eine recht interessante Art der Erzählung, wie ich finde; sehr abwechslungsreich, nie auf der Stelle tretend, unterhaltsam, mit Humor gewürzt – und das trotz des ernsten Themas, das dem Krimi zugrunde liegt, aber auf eine Art und Weise gehandhabt wird, die ich als angenehm dezent bezeichnen möchte, nimmt sie doch Abstand von zu detaillierten und daher für jeden Tierfreund schwer zu ertragenden Schilderungen des Leides, das die Opfer des schlimmen Menschen mit dem Dachschaden durchmachen müssen. Dessen Identität wird erst ganz am Ende klar – dem Leser genauso wie derjenigen, wegen der er seine Scheußlichkeiten, die sich beileibe nicht auf die Herstellung der tödlichen Köder beschränken, begangen hat. Und das Ende hat es in sich! Wiewohl die Geschichte für mein Empfinden dann doch zu abrupt endet – aber womöglich musste das so sein, denn das, was in dem Geistesgestörten vor sich geht und was ihm gänzlich den Verstand geraubt hat, würde sicherlich ein weiteres Buch füllen....
Darüberhinaus gibt es die gewohnten Einblicke in die Charaktere und die Entwicklung ihrer Beziehungen miteinander, wobei einzig Hella, die Tierärztin und diejenige, gegen die sich des Täters geballte Aggressionen richten, ein wenig farblos erscheint. Doch vielleicht wird man ihr ja wiederbegegnen, wenn die Veränderungen, die sich in Menkes Leben abzeichnen, realisiert werden? Ja, Menkes Leben erfährt, so viel darf verraten werden, eine überraschende Wendung, die der Leser, der ihn in den Vorgängerbänden kennenlernen und begleiten durfte, nicht unbedingt hat erwarten noch erhoffen können, die ihn aber gewiss befriedigen wird, denn trotz all seiner zahlreichen Eigentümlichkeiten ist „Deti“ ein rundum liebenswerter Bursche, von Grund auf gutherzig und ohne jeden Arg. So sehr man ihm wünscht, dass sein Leben in geordneten Bahnen verläuft – ein Deti ohne die üblichen Malheure, die das Salz in der Suppe der Krimis ist, als dessen Hauptakteur er fungiert, wäre zu viel des Guten! Man darf auf jeden Fall gespannt sein, was die Autorin wohl noch für ihn und alle die inzwischen liebgewonnenen Nebencharaktere, die sich um ihn herum tummeln, in petto hat....

Veröffentlicht am 23.07.2021

Wanderzirkus sorgt für Aufregung

Fünf Freunde und der Zauberer Wu
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„Fünf Freunde und der Zauberer Wu“, der letzte Band der Originalserie, die die englische Vielschreiberin Enid Blyton 1943 begonnen und ursprünglich auf sechs bis höchstens acht Bände konzipiert hatte, ...

„Fünf Freunde und der Zauberer Wu“, der letzte Band der Originalserie, die die englische Vielschreiberin Enid Blyton 1943 begonnen und ursprünglich auf sechs bis höchstens acht Bände konzipiert hatte, aber wegen ihres großen Erfolges auf 21 Bände ausdehnte, wurde 1963, zwanzig Jahre später, erstveröffentlicht. Dass sich danach jedoch eine ganze Reihe weiterer Autoren berufen fühlten, Enid Blytons Protagonisten Julian/Julius, Dick/Richard, Anne, Georgina, genannt George und der Hund Timmy einfach weitere Abenteuer, immer wieder dieselben oder ganz ähnliche übrigens, erleben zu lassen, ist mit Bedauern anzumerken, denn irgendwann läuft sich auch das tollste Erfolgsrezept tot! Ohnehin ist Enid Blyton, eine der bekanntesten und sicherlich kommerziell erfolgreichsten Kinder- und Jugendbuchautoren des 20. Jahrhunderts und auch heute noch, lange nach ihrem Tod 1968, sicher auch eine der kontroversesten und bei Literaturkritikern wenig beliebt. Allerhand hat man ihr vorgeworfen, hat an ihrem recht simplen Stil herumzumäkeln gehabt, an ihren ewig gleichförmigen Geschichten, in denen sie alle Vorurteile ihrer Zeit reichlich bediente und nicht abzubringen war von ihren Rollenklischees.
Fragte man aber ihre Leser, so würde man allenthalben auf Begeisterung stoßen und gerade die 10 bis 12jährigen lieben ihre „Geheimnis“ - Abenteuer, die „Rätsel“ - und eben die „Fünf Freunde“ - Serien. Die jungen Leser, für die Enid Blyton nun einmal schrieb, störten sich weder an Gleichförmigkeit noch an irgendwelchen Klischees. Für sie sind die fünf Freunde, die in ihren Ferien so herrlich frei und weitgehend in Ruhe gelassen von den nervigen Erwachsenen ein spannendes Abenteuer nach dem anderen erleben und maßgeblich beteiligt sind an der Aufklärung mal mehr, mal weniger finsteren Verbrechen, bewunderte Vorbilder!
Wer stört sich schon daran, dass die vier Kinder nebst Hund dauernd ans Essen denken, dass Anne die Rolle des Hausmütterchens besetzt, George stets ungebärdig, zickig und irrational agiert, dass Julian/Julius immer alles besser weiß und die anderen herumkommandiert oder dass Dick/Richard auf den dauerlustigen Witzbold festgelegt ist – und dass ein Abenteuer dem anderen gleicht? Wer auch wundert sich darüber, dass die Eltern so sträflich desinteressiert sind an ihren Sprösslingen, wenn sie denn aus dem Internat in die Ferien zu ihnen kommen müssen, dass ihnen vielmehr daran gelegen ist, sie schnellstmöglich wieder loszuwerden? Für die jungen Leser sind die Eltern, mit denen George und ihre drei Cousins Anne, Julius und Richard gestraft sind, nur hinderliche Spaßbremsen, als die sie sich, wenn sie sich mal auf ihre Elternrolle besinnen, auch unweigerlich erweisen.
Aber jetzt muss der Erwachsene zu Wort kommen, denn was sich Georges Eltern Fanny und das zerstreute Vatergenie Quentin da leisten, ist doch sehr bedenklich! Da kommen die Kinder frohgemut in die Osterferien nach Kirrin (die Eltern der Cousins machen inzwischen Urlaub in Deutschland) – und werden gleich wieder weggeschickt, weil die Köchin Johanna/Joana/Joan plötzlich Scharlach bekommen hat und ins Krankenhaus gebracht wurde! Nun ja.... Mutter Fanny schickt die Kinder samt Hund zu dem befreundeten Professor Hayling, noch vergesslicher und verwirrter als Quentin, und seinem anstrengenden Sohn Brummer/Tinker in den Nachbarort. Hurra – die sind wir los, mag sich Fanny gedacht haben und nun beruhigt auf den Scharlach warten kann, der vielleicht über sie hereinbrechen wird, demnächst, irgendwann. Oder überhaupt nicht....
Die Kinder aber scheinen ganz zufrieden zu sein, zumal sich bei dem geistesabwesenden Professor die Chance auf ein neues Abenteuer auftut, als nämlich ein Wanderzirkus sein Lager aufschlägt, der zumindest eine zwielichtige Gestalt beherbergt, die ein verdächtiges Interesse an der neuen Erfindung des Professors an den Tag legt, und dessen geschwätzigen Sohn Brummer/Tinker auf äußerst plumpe Weise aushorcht. Doch zum Glück sind die fünf Freunde wachsam – und nach einem nur halb geglückten Einbruch in die Arbeitsstube des verwirrten Genialen beschließen sie zu handeln und dem vermuteten Dieb eine Falle zu stellen. Dass ihr Plan nicht so funktioniert, wie gedacht, kann sich der erfahrene Leser denken, genauso wie er weiß, dass die unberechenbare George immer für eine Überraschung gut ist, mit der sie sich unüberlegt, aber dennoch zielsicher, in Gefahr begibt...
Ende gut, alles gut? Aber sicher, darauf ist bei Enid Blyton, der Berechenbaren, immer Verlass! Und wenn sie, die Autorin höchstpersönlich, meint, dass nun, nach Band 21, aber auch Schluss sein muss, so kann ich ihr da nur zustimmen, denn alles ist gesagt, vielfach und immer wieder, alle nur denkbaren Abenteuer sind absolviert, manche sogar wiederholt, die Charaktere sind auch nach 21 Bänden, und das sind genauso viele Ferien, unverändert, sind weder älter noch reifer geworden und das würde vermutlich auch nicht anders werden (und ist es auch nicht geworden, allerdings nicht, weil Enid Blyton das so wollte!). Bevor es gar zu langweilig wird, hört eben auch die emsige Schreiberin Enid Blyton auf – und das ist völlig in Ordnung so!