Profilbild von EmiliaAna

EmiliaAna

Lesejury Star
offline

EmiliaAna ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit EmiliaAna über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 16.12.2021

Alte Sünden werfen lange Schatten

Mord am Watzmann
0

Simon Perlinger ist Bergpolizist in Berchtesgaden. Der perfekte Beruf für einen wie ihn, der bereits als kleiner Junge mit seinem Vater in den Bergen unterwegs war, von ihm angeleitet und angesteckt wurde ...

Simon Perlinger ist Bergpolizist in Berchtesgaden. Der perfekte Beruf für einen wie ihn, der bereits als kleiner Junge mit seinem Vater in den Bergen unterwegs war, von ihm angeleitet und angesteckt wurde von dieser seiner Leidenschaft fürs Klettern. Bergsteiger wollte er werden, der kleine Simon, die höchsten Berge der Welt erklimmen, am liebsten gemeinsam mit dem Vater. Doch dann machte ein tragischer Unfall den Traum zunichte – die Eltern starben bei einem Brand im neugebauten Wohnhaus der Familie. Bis heute quälen Simon Schuldgefühle, denn womöglich hat er vergessen, den Heizofen auszuschalten, als er das Haus verließ und zum Sport ging? Niemand ist da, der ihm seine Schuld nimmt, niemanden kann er befragen, denn der Großvater, bei dem er nach dem Unglück aufwuchs, schweigt sich nicht nur aus, sondern lässt ihn sogar in dem Glauben, die Verantwortung für den Tod der Eltern zu haben. Es spricht für die Stärke, die Persönlichkeit des inzwischen 29jährigen, dass er sich aufraffte und mit der Disziplin, die ihm frühzeitig als essentiell wichtig beigebracht wurde, seinen Weg zu gehen und wenn schon nicht seinen Traum zu verwirklichen, so doch eine ihn zutiefst befriedigende Laufbahn einzuschlagen, inmitten der geliebten Berge.
Ja, Regeln und deren Befolgung sind wichtig für Simon, denn nur dann, davon ist er überzeugt, kann eine Gemeinschaft funktionieren! So mag es verwundern, dass gerade er, der Gesetzestreue, von seinen lebenslangen Prinzipien abweicht und gegen die Vorschriften, die er in seinem Beruf einzuhalten hat und deren Nichtbefolgung durchaus das Ende seiner Karriere bedeuten könnte, verstößt und auf eigene Faust in einem von den zuständigen Behörden bereits als Unfall deklarierten Fall ermittelt, bei dem ein Ehepaar aus Lübeck von der Mittelspitze des Watzmann in den Tod stürzte. Simon vermutet, das mehr hinter dem beklagenswerten Absturz der beiden Urlauber steckt, die ihrerseits keine Neulinge am Berg waren, verbündet sich mit den beiden, ihm im Alter nahestehenden Kindern des Paares, um die Wahrheit herauszufinden.
Wahrheit, auch die ist dem jungen Bergpolizisten wichtig, denn nach Wahrheit sucht er ja schließlich selber, all die Jahre, die seit dem Brand des Elternhauses vergangen sind. Mit der Wahrheit kann man lernen zu leben, so hart sie auch ist, nicht jedoch mit der dauernden Ungewissheit. Die möchte er dem Geschwisterpaar ersparen! Je weiter er vorankommt bei seiner mühsamen Spurensuche, die er ja nicht öffentlich machen kann, von den Kindern der Verunglückten – nennen wir sie für den Moment einmal so – unterstützt, umso näher kommt er gleichzeitig auch seiner eigenen Wahrheit. So stößt er nicht nur auf Erstaunliches in den Akten seines Großvaters, der als Hobbyhistoriker und Chronist seiner Heimatregion seit mehr als 50 Jahren jedes noch so geringfügige Ereignis, das sich in dieser Zeit zugetragen hat, akribisch aufgezeichnet und belegt und damit ein unschätzbares Archiv geschaffen hat, was ihm den letzten Beweis für seine Theorie bezüglich des Mordes – denn dass es sich um einen solchen handelt ist längst klar für ihn – an dem Reeder aus dem Norden und dessen Frau liefert, sondern findet obendrein auch endlich die Fragen beantwortet, die ihn seit 17 Jahren umtreiben.
Jede Menge Figuren unterschiedlichster Couleur tummeln sich in diesem recht langsam voranschreitenden, eher rätselhaften als wirklich spannenden Kriminalroman, der in sehr ansprechender Aufmachung daherkommt. Ein Blickfang ist der leuchtend grüne Schnitt, ist das eindrucksvolle Schwarzweißporträt des schneebedeckten Watzmann auf dem Cover. Man greift gerne nach einem solchen Buch, ist neugierig, was zwischen den Buchdeckeln zum Vorschein kommt, zumal sich der Klappentext spannend liest und Bilder vor dem inneren Auge zum Leben erweckt. Dass der vermeintliche Unfall ein Mord war, weiß der Leser übrigens von Anfang an – der Titel verrät es!
Nach erst einem knappen Drittel der Geschichte ereignet sich dieser Mord. Bis dahin lernen wir die, wie zuvor erwähnt, zahlreichen handelnden Personen kennen, von denen die meisten in einem Personenregister, das dem Krimi vorangestellt ist, aufgelistet sind. Manche lernt man nur flüchtig kennen, andere ziemlich detailliert, wie das Lübecker Ehepaar und wie den sympathischen Simon selbst. Diese drei sind eindeutig die Protagonisten, das Ehepaar über seinen Tod hinaus. Und beinahe alle übrigen Mitwirkenden, die da kommen und gehen, um schließlich wiederzuerscheinen, oder die urplötzlich und scheinbar ohne jeden Bezug zur Handlung auf die Erzählbühne treten, haben auf die eine oder andere Weise mit dem Geschehen auf dem Watzmann respektive seiner Vorgeschichte zu tun, wie ganz allmählich aufgedeckt wird. Wie Figuren, zunächst wahllos, auf einem Schachbrett verteilt, ihren Einsatz abwartend, muten sie an. Der Leser, obgleich, was die nach außen hin glückliche Ehe der beiden Lübecker anbelangt, völlig im Bilde – im Gegensatz zu Simon, der den Fall schließlich löst -, tappt bis beinahe zum Ende hin völlig im Dunkeln, denn wichtige Puzzleteile, die der heimlich ermittelnde Bergpolizist findet, bleiben sein Geheimnis, werden dem Leser nicht mitgeteilt. Es ist Simon, der den Schachfiguren ihren Platz zuweist, sein Spiel spielt und den König – oder die Königin? - schachmatt setzt und der dafür trotz all seiner Eigenmächtigkeiten, wegen derer er von Anfang bis Ende ein schlechtes Gewissen hat, die gerechte Belohnung erhält.
Der Fall ist gelöst – und alle sind zufrieden? Nicht so ganz! Zwar ist der Krimi, wie ich das von einem guten Vertreter dieser Gattung erwarte, rätselhaft und ganz schön verzwickt, aber die Auflösung macht mich nicht wirklich glücklich, ist mir zu konstruiert, zu weit hergeholt, nicht so recht nachvollziehbar. Zudem wird sie zu schnell abgehandelt im Vergleich zu den vielen Längen, die der „Berchtesgaden-Krimi“ leider auch aufweist, gerade dann, wenn er sich in ausufernden Stimmungs- und vor allem Lokalitätsbeschreibungen verliert. Wer das Berchtesgadener Land und seinen imposanten Watzmann nicht kennt, gerät da leicht ins Trudeln, verläuft sich ein wenig. Interessant und spannend finde ich hingegen den Einblick in den Alltag der Bergwachtler, so wie ganz hervorragend die Notwendigkeit der Achtung vor der Natur vermittelt wird, der Respekt vor den Gewalten, die sie gerade im Gebirge entfalten kann und schließlich die Vorsicht, die Weitsicht und die Sorgfalt, die erforderlich sind, wenn man sich aufmacht, einen Berg, in diesem Falle den heimlichen Mit-Protagonisten der Geschichte, den Watzmann, zu besteigen, und dass es oberstes Gebot ist, nicht nur das eigene Leben, sondern auch das der anderen durch Leichtsinn und unüberlegtes Handeln nicht in Gefahr zu bringen. Eine generelle Wahrheit, die niemand anzweifeln wird!

Veröffentlicht am 30.10.2021

Verbrechen hinter schöner Fassade

Tod am Canal Grande - Ein Fall für Jackie Dupont
0

Jackie Dupont, die Protagonistin des hier zu besprechenden Krimis oder Cosy Crime oder Mischung aus Krimi und Spionageroman, sehr wahrscheinlich aber eher einer nicht ernst gemeinten Persiflage auf letztere, ...

Jackie Dupont, die Protagonistin des hier zu besprechenden Krimis oder Cosy Crime oder Mischung aus Krimi und Spionageroman, sehr wahrscheinlich aber eher einer nicht ernst gemeinten Persiflage auf letztere, ist sicherlich eine ungewöhnliche Frau. Überhaupt und speziell für die Zeit, in der die Autorin ihre turbulente Geschichte spielen lässt. Wir schreiben nämlich das Jahr 1921 – und derart eigenwillige und unabhängige Frauen, die sich weder vor Tod und Teufel, noch gar vor der mit allen Rechten ausgestatteten Männerwelt fürchteten, waren damals dünn gesät, wurden, wenn sie sich schon erdreisteten, ihr eigenes, selbstbestimmtes Leben zu führen, nicht ernst genommen und trafen allenthalben auf Mauern der Indignation.
Nicht so Jackie, draufgängerische Privatdetektivin mit unwiderstehlichem Hang zu Juwelen und darüber hinaus mit unklarer Vergangenheit! Die macht gerade, was sie will und zeigt den Männern, wo es lang geht, oder, um sich eines hübschen Bildes zu bedienen, wo Barthel den Most holt. Durchweg! Es gibt nichts, worin sie es nicht zur Meisterschaft gebracht hätte, nichts, was sie nicht besser wüsste oder beherrschte, auf jeden Fall aber zumindest genau so gut wie die zwar präpotenten, aber eigentlich – bis auf eine Ausnahme freilich, wie der Leser früh genug herausfinden wird - schwächlichen Männer, mit denen sie es zu tun hat! Unheimlich, eine solche Frau, nicht wahr? James Bond und Sherlock Holmes, ein bisschen auch Hercule Poirot, in Personalunion – und keine Spur von der zwar möglicherweise blitzgescheiten, aber nach außen hin devoten, sich an die gesellschaftlichen Normeln und Verhaltensregeln ihrer Zeit haltenden üblichen Vertreterin ihres Geschlechts!
Liest man ihre, immer wieder in die Handlung eingestreuten, Tagebucheinträge, so wird mehr als ersichtlich, falls es dazu noch einer Bestätigung bedürfte, dass die – natürlich unwiderstehlich attraktive und schicke! - Heroine vor Selbstbewusstsein nur so strotzt! Also sollte, um endlich zu dem Roman, wie ich ihn der Einfachheit halber nenne, zu kommen, die Aufklärung eines, vorerst nur vermuteten Mordes an einer zu fettem Wohlstand gekommenen Engländerin mit zweifelhafter, auf alle Fälle aber recht elender Vergangenheit, und schließlich der tatsächlichen Tötung einer der wichtigeren Charaktere der Handlung, eigentlich ein Klacks sein. Ist es natürlich auch, wie man sich bald überzeugen kann, nachdem eine irritierende Nebenhandlung, die vom Wesentlichen ablenkt und für gehörige Unruhe unter den Beteiligten sorgt – eben jener Spionagepart -, endlich als das entlarvt wird, was sie ist, nämlich von Anfang bis Ende ein einziger Fake, wie man so gerne auf Neudeutsch sagt, ins Spiel geworfen von jemandem – wer das ist, muss man dann schon selbst herausfinden – aus purer Langeweile, wie mir scheint, oder als cleverer Schachzug, woran ich denn doch zweifle, oder einfach, um Unruhe zu stiften. Ein gewisser Menschenschlag, genauso, wie ein einschlägiger Berufsstand, tut das ja gerne....
Noch ein paar Bemerkungen zu den Herren der Schöpfung, die wir hier antreffen: da ist zum einen der unverschämt gutaussehende und ebenso unverschämt reiche englische Adlige Christopher, genannt Kit, seines Zeichens der Verlobte oder gar Ehemann der Schönen, wie er selber vermutet, denn er hält die verwegene Jackie für seine angeblich mit der Titanic versunkene Angetraute Diana, deren immensen Reichtum er nach ihrem tatsächlichen oder nur gefakten (schon wieder dieses Unwort!) Tod erbte und dem seinen, ohnehin schon beträchtlichen, beifügte. Ein bisschen wirr, das Ganze, aber sei's drum! Christopher also hält sich derzeit in Venedig auf, soll dort, im Auftrag des Patriarchen der Lagunenstadt, dem schönen und gar nicht so reinen und unbefleckten Kardinal Truffino, einem weiteren Protagonisten, ein wertvolles Gemälde restaurieren. Man sieht, auch Christopher hat neben seinem Reichtum und überdies einer unrühmlichen Vergangenheit, derer er sich aber, um ihm Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, aufs Ehrlichste schämt, noch gewisse andere Talente!
Aber zurück zu den restlichen Männern, von denen vor allem der brandgefährliche, skrupellose und brilliante Laszlo Baron von Drachenstein eine Rolle spielt, dereinst auf mysteriöse Weise mit Jackie verbandelt, und bei dessen Erscheinen Kit in Gedanken nach einem Bildhauer ruft, so schön und perfekt proportioniert ist er! Ja, der Deutsche wird dem guten Duke noch schwer zusetzen.... Genauso übrigens wie Jackies Onkel Daniel, der andere Teil der Detektei Dupont & Dupont, vordergründig jovialer Amerikaner, der aber selbstredend einiges zu verbergen hat und still und heimlich sein eigenes Süppchen kocht. Und wenn Christopher gehofft hatte, aus ihm die wahre Identität Jackies/Dianas herauskitzeln zu können, wird er noch seine blauen Wunder erleben....
Nicht vergessen werden sollte der englische Konsul in Venedig, Sir Alfred Purcell, bei dem Duke Christopher Quartier bezogen hat. 'Very british' ist er, doch, man ahnt es schon, in keiner Weise derjenige, den man hinter seiner aufrechten, zwar charmanten, aber doch stocksteifen Fassade vermuten würde. Sir Alfreds Gefährtin, eine exilierte russische Baronin oder Prinzessin, und seine beiden, seelisch wohl nicht recht ausbalancierten, Kinder müssen ebenfalls erwähnt werden, denn auch sie spielen ihre Rolle in dem Durcheinander, das sich vor den Augen des Lesers entfaltet und nach vielen gefährlichen Zwischenfällen schließlich doch noch entwirrt wird. Dies auf eine Art und Weise, die, man kann es nicht leugnen, in Atem hält, der es an Tempo und unvorhersehbarem Hakenschlagen nicht mangelt.
Die Lösung des Rätsels ist so überraschend wie weithergeholt und mich überhaupt nicht überzeugend – doch, eingedenk der starken Vermutung, dass die Autorin (auch?) in ihrem dritten Band um Jackie Dupont gewisse Genres auf die Schippe nimmt und gelegentlich ins Absurde treibt, wohl in Ordnung. Unterhaltend und mit viel Situationskomik gespickt ist „Tod am Canal Grande“ allemal, und gewinnt nicht nur durch einnehmende Schilderungen der venezianischen Lokalitäten, sondern nicht zuletzt durch einen sympathischen kleinen Protagonisten namens Sargent, dem cleveren Hündchen und Detektivpartner der so bezaubernden wie undurchsichtigen, Juwelen liebenden Detektivin und Superfrau, der vermeintlichen Jackie. Wie gesagt, was Genaues weiß man nicht. Es wird auch nicht aufgeklärt. Ist wohl so etwas wie ein running gag.... Jedenfalls, Sargent einzubauen war eine nette Idee, sorgt für heitere Momente und gibt der Geschichte unter zu vielen Reichen und Schönen mit ihren Luxusproblemen, fern von jeglicher, ziemlich sicher nicht rosaroten Realität der Zeit, in der sie spielt, ihre besondere Note!

Veröffentlicht am 12.09.2021

Wellnessurlaub mit Leiche

Frau Maier macht Dampf
0

Wo Frau Maier (ohne Vorname, wenigstens will sie diesen nicht preisgeben) hinkommt, findet sich alsbald auch eine Leiche ein! Das wissen all diejenigen Leser, die der in die Jahre gekommenen, etwas rundlichen ...

Wo Frau Maier (ohne Vorname, wenigstens will sie diesen nicht preisgeben) hinkommt, findet sich alsbald auch eine Leiche ein! Das wissen all diejenigen Leser, die der in die Jahre gekommenen, etwas rundlichen Dame aus Kauzing, Besitzerin eines urgemütlichen kleinen Hauses am See und einer schwarzen Katze, ebenfalls ohne Namen (gegen die scheint Frau Maier grundsätzlich etwas zu haben), bereits in den vier Vorgängerbänden begegnet sind. Und denen, die sie noch nicht kennen, wird das sehr bald und auf gewohnt vergnügliche Art und Weise klar werden! Etwas eigentümlich ist sie schon, die bodenständige Frau, für die es nichts Schöneres gibt als den Ort, an dem sie lebt und den sie eigentlich um nichts in der Welt verlassen möchte. „Home is where the heart is“, so denkt sie sich immer wieder und Elvis Presleys Lied begleitet sie durch den unterhaltsamen fünften Band der Krimireihe von Jessica Kremser, denn da treffen wir sie anstatt an ihrem geliebten See in einem Wellnesshotel in der Steiermark an.
Frau Maier und Wellness? So recht scheint das nicht zu passen, und am skeptischsten ist die patente Protagonistin mit dem ausgeprägten Eigenwillen selber. Und ungehalten ist sie, über sich selbst ärgerlich, weil sie sich diesen Wellnessurlaub von ihrer Bekannten Elfriede, die beinahe schon eine Freundin ist (auch mit diesem Begriff tut sich die kauzige Heimatverbundene schwer), hat aufschwatzen lassen. Ein Gewinn war er – und sowas darf man nicht verfallen lassen, selbst wenn man sich das Handgelenk gebrochen hat, meint die resolute Leiterin der Sparkasse in Kauzing. Und solchen Argumenten hat Frau Maier, finanziell nicht gerade auf Rosen gebettet, nichts entgegenzusetzen! Zudem deutet die Elfriede etwas von dunklen Machenschaften und einem verschwundenen Hoteldirektor in Frau Maiers künftigem Erholungsdomizil, dem Steirischen Hof an – und da wird die Gute doch aufmerksam und neugierig! Sie hat eben einen sechsten Sinn für Verbrechen aller Art und schnüffelt für ihr Leben gern in verdächtigen Angelegenheiten herum, die eigentlich Sache der Polizei sind (zu der Frau Maier kein sonderliches Vertrauen hat), – wie sie auch in dieser Geschichte unter Beweis stellen wird, denn in der Tat dauert es nicht lange, bis sie im Wellnesshotel, in dem sie sich zuerst recht fehl am Platz fühlt, allmählich aber doch all die Annehmlichkeiten zu schätzen lernt, die es bietet und sie weidlich ausnutzt, nicht nur auf ungewöhnliche Vorgänge und ebensolches Verhalten einiger Angestellter stößt, sondern – wie kann es anders sein? - des Nachts die Leiche des Hotelbuchhalters in dem von ihr als 'Kannibalenkochtopf' getauften Whirlpool findet.
Doch das ist erst der Anfang, denn Frau Maiers Neugierde bleibt nicht unbemerkt von denen, die etwas zu verbergen haben, etwas Schändliches, das niemals das Licht des Tages erblicken sollte. Flugs gerät sie von einer brenzligen Situation in die nächste und schließlich gar in höchste Lebensgefahr! Und wäre da nicht der Hotelgast Wolfgang Woitschak – Woitschi! - gewesen, der in mehrfacher Hinsicht ein Auge auf die entschlossene Hobbydetektivin geworfen hatte, dann hätte diese womöglich ihr Haus, ihren See, ihre Katze und nicht zuletzt den netten Nachbarn Andreas, dem sie mehr als nur Sympathien entgegenbringt, nie mehr wiedergesehen....
In der Tat, auch der fünfte Band um die sympathische, durchaus spezielle Frau Maier, nicht gerade ein Ausbund an Freundlichkeit - womit sie aber nur ihr gutes Herz und auch ihre Verletzlichkeit verbergen möchte -, die eigentlich ihr beschauliches, wenngleich auch einsames Leben, worüber sie oft traurig ist, durch nichts auf der Welt eintauschen möchte, auch nicht gegen einen noch so schönen Urlaub, ist so liebenswert, wie er spannend und abwechslungsreich ist. Und dass die Autorin eine gewisse Vorliebe für Wellnessurlaube hat, kann sie auch nicht verleugnen! Selbst diejenigen, die sich aus Aufenthalten in den Verwöhnoasen nichts machen, könnten in Versuchung geraten, wenn sie gemeinsam mit der Protagonistin die Tagesroutine in einer solchen Einrichtung langsam kennen- und schätzen lernen. Wenn Frau Maier sich zögernden Schrittes auf ihr unbekanntes Terrain begibt, sich zuerst in den Whirlpool – wir erinnern uns: den, in dem der tote Buchhalter ruhte! - unterm Sternenhimmel wagt, dann ganz berauscht ist vom warmen, wirbelnden Wasser und am liebsten gar nicht mehr herausklettern würde, und später sogar in die Sauna vordringt und richtig Gefallen daran findet, dann würde gar mancher Leser sicher gerne und sofort mit ihr tauschen.
Also ja, die besondere Atmosphäre eines Wellnesshotels wird wunderbar eingefangen in diesem netten Vertreter des Cosy Crime – sieht man einmal ab von den merkwürdigen Vorkommnissen, die in aufregendem Gegensatz stehen zu dem Frieden und der Entspannung, die die Gäste dort zu finden hoffen. Aber wie Frau Maier weiß – das Verbrechen lauert überall und macht auch vor Inseln der Ruhe und der Erholung nicht Halt! Damit aber all das wieder einkehren kann, ist es auf jeden Fall ihre Aufgabe, darin Agatha Christies berühmter Miss Marple nicht unähnlich, es zu bekämpfen, bevor sie sich wieder auf den Heimweg macht zur Katze, dem Haus, dem See – und Andreas. Denn getreu nach Elvis: „Home is where the heart is“...

Veröffentlicht am 11.09.2021

Lügen werfen lange Schatten

Ziemlich turbulente Zeiten
0

Der Titel verspricht in der Tat nicht zu viel, denn turbulent geht es zu in diesem leichten, trotz der vielen, freilich harmlosen Verwicklungen, unbeschwerten Roman. Die rechte Lektüre für Regentage, denn ...

Der Titel verspricht in der Tat nicht zu viel, denn turbulent geht es zu in diesem leichten, trotz der vielen, freilich harmlosen Verwicklungen, unbeschwerten Roman. Die rechte Lektüre für Regentage, denn er zaubert südliche Sonne und mehr als nur einen Hauch von Fröhlichkeit in den grauen Alltag, lässt darüberhinaus Sehnsüchte wachsen nach Bella Italia oder, wie die Italiener selbst ihr wunderschönes Land nennen, dem Bel Paese. Denn dort, genauer gesagt in der Toskana, noch präziser auf einer Art Bio-Bauernhof, der exquisite kulinarische Produkte vermarktet, spielt ein Großteil der Geschichte voller kleiner Geheimnisse, noch kleinerer Lügereien, Missverständnissen am laufenden Band und einer Vielzahl hausgemachter Problemchen, die überhaupt die Ursache sind für das sich immer mehr verknotende Durcheinander, das sich, wie könnte es bei dieser Art von Roman auch anders sein, am Ende natürlich in Wohlgefallen auflöst. So wie im wahren Leben? Schön ware es... Derartige Happy Ends aber gibt es leider nur in Romanen, möchte ich behaupten. Und genau da gehören sie auch hin, gaukeln dem Leser eine Zeitlang eine beruhigende, heile Welt vor und lenken von den Widrigkeiten des eigenen Lebens ab. Somit haben sie ihren Zweck erfüllt.
Wenn man den vorliegenden Roman unter dieser Prämisse liest, was man vorzugsweise dann tun sollte, wenn man dringend eine kleinere oder größere Aufmunterung braucht, kann er sogar so etwas wie eine Lebenshilfe sein, es geht einem danach besser – man kann ja auch imaginäre Sonne tanken! Hat man allerdings selber ernsthafte Probleme, vor denen keiner gefeit ist, dann kann das, was man in „Ziemlich turbulente Zeiten“ vorgesetzt bekommt, worüber sich also die Protagonistin Ilona, die gleichzeitig die Ich-Erzählerin ist, grämt und was ihre beiden Busenfreundinnen Anna und Zoe, die einander offensichtlich auch die intimsten Geheimnisse anvertrauen (befremdlich!), umtreibt, schon für Verwunderung und auch Ungehaltensein sorgen.
Alle drei Frauen haben keinerlei finanzielle Probleme, die eine ist sogar so wohlhabend, dass sie sich jeden Wunsch auf der Stelle erfüllen kann (die Kapverdischen Inseln warten schon und eben mal in die Toskana düsen – kein Ding!), ihr Privatleben ist alles andere als desolat, die eine, Anna, mit den perfekten Töchtern gesegnet, steht kurz vor ihrer zweiten Vermählung, die beiden anderen sind Single, würden diesen Zustand aber gerne ändern, was zumindest bei der Ich-Erzählerin genau darauf hinauslaufen wird. Letztere hat jedoch noch ein Problem, womit sich wiederum viele Leserinnen (wir haben es hier selbstredend mit einem ausgesprochenen Frauenbuch zu tun) identifiziern können und mehr oder minder stark darunter leiden. Ilona also bringt ein paar Kilo zuviel auf die Waage! Eine 'Katastrophe' für unzählige junge Frauen, die sich für unattraktiv oder gar hässlich halten, wenn sie nicht so aussehen wie das Hungerhakenartige, das man ihnen tagtäglich im Fernsehen und in den sozialen Medien als Schönheitsideal vorsetzt. Aber für eine über 50jährige? Dazu noch eine mit Delikatessenladen und einem Faible fürs Kochen? Hm! Ein Problemchen Marke Eigenbau, fürwahr! Das aber, und dies ist ein netter Aspekt des Romans von Angelika Schwarzhuber, sich ganz allmählich in Luft auflöst. Mit Hilfe der beiden Freundinnen, wobei die gewöhnungsbedürftige Zahnärztin Zoe eher zu Schocktherapien neigt mit ihren unverblümten Bemerkungen, die sie gelegentlich besser hinunterschlucken sollte, - und vor allem dank der Zuneigung des Mannes, der sich in sie verliebt und der sie genauso nimmt, wie sie ist, nachdem alle Missverständnisse aufgeklärt sind, die Ilona höchstselbst verursacht hat durch das Vorgeben falscher Tatsachen (jung, schön, sportlich, anstatt mittleren Alters, durchschnittlich es Aussehen, vollschlank), kleine Flunkereien, gegen die der Traumprinz allerdings allergisch ist.
Mehr zum Inhalt soll hier aber nicht preisgegeben werden; was die Leserinnen erwartet, können sie dem sehr aussagekräftigen Klappentext entnehmen. Und dann – Buch aufschlagen und hinein ins Vergnügen! Das umso größer ist, wenn man sich einfach hineinziehen lässt in das Geschehen, nicht zuviel nachdenkt über das, was man da liest, nicht zu kritisch ist, was die Handlung selbst und die Protagonisten und ihre Eigenarten, sowie weitere stereotype Figuren anbelangt. Zumal die Autorin unzweifelhaft eine flotte und amüsante Art des Schreibens und Erzählens hat, wobei ich persönlich mich immer mal wieder gestört habe an gewissen, sich wiederholenden Wörtern und Ausdrücken, die mich auch im 'wahren Leben' nerven, wenn zum Beispiel der hohe Grad einer Eigenschaft, eines Adjektivs, mit 'total' gekennzeichnet wird – genutzt von allen handelnden Personen übrigens -, oder wenn es mit dem manchmal bemüht anmutenden Wortwitz übertrieben wird. Aber nun, das sind Kleinigkeiten, vielleicht Spitzfindigkeiten, das Lesevergnügen, das natürlich auch ich mit dem Buch hatte, konnten sie nicht nachhaltig trüben!

Veröffentlicht am 11.09.2021

Unkonventionelle Detektivin aus der Punkszene

Sandy / Der Banker mit dem Stöckelschuh
0

Es ist heiß in Frankfurt in dem Sommer, in dem die Geschichte spielt, unerträglich heiß, noch dazu, wenn der heißbegehrte und dazu noch überteuerte Wohnraum, den man sich nach schweißtreibender und geradezu ...

Es ist heiß in Frankfurt in dem Sommer, in dem die Geschichte spielt, unerträglich heiß, noch dazu, wenn der heißbegehrte und dazu noch überteuerte Wohnraum, den man sich nach schweißtreibender und geradezu aussichtslos erscheinender Suche ergattert hat, winzig klein und schon bald übervölkert ist! Unverhofft schneit da nämlich Sandys Schwester herein, vorläufig, wie sie sagt, nur bis sie, die sich von Hannover in die Bankenstadt am Main hat versetzen lassen, eine geeignete Wohnung gefunden hat. Obwohl zwischen den beiden Schwestern eine jahrelange Funkstille herrschte, fühlt sich die schnoddrige Ex-Punkerin und sich nun als Privatdetektivin versuchende Sandy verpflichtet, der ungeliebten, im Gegensatz zu ihr biederen, aber wohlorganisierten Silvia Obdach zu gewähren. Blut ist halt trotz allem dicker als Wasser, nicht wahr?
Aber es bleibt nicht bei der einen Einquartierung, denn da klopft auch noch Wombel an, Sandys Kumpel aus der Punkerszene, der gedenkt, sein Leben zu ordnen und in Frankfurt ein Praktikum bei einem Photographen zu absolvieren. Mehr schlecht als recht zunächst, aber sich ins Unvermeidliche fügend, arrangieren sich die drei, trotzen der Hitze mit viel Bier und einem gelegentlichen Joint, als das Unheil über sie hereinbricht! Silvias neuer Chef auf der Bank wird erschlagen aufgefunden – und der Verdacht fällt ausgerechnet auf die recht unbedarft erscheinende, adrette Neu-Frankfurterin Silvia höchstselbst. Ehrensache, dass Sandy die Schwester aus der Bredouille heraushauen muss – wozu ist man schließlich Detektivin?
Leicht gestalten sich Sandys Ermittlungen jedoch nicht, denn der tote Banker scheint ein unbeschriebenes Blatt ohne erkennbares Privatleben gewesen zu sein. Aber dann macht Sandy mit der Hilfe der beiden lästigen Mitbewohner, die gelegentlich auch kontraproduktiv ist, denn sowohl Wombel als auch Silvia haben ein besonderes Talent, sich in Schwierigkeiten zu bringen, einige aufschlussreiche Entdeckungen, die sie kreuz und quer durch Frankfurt, von der Banker- über die Drogenszene bis hin ins Transvestitenmilieu führt und die ein ganz neues Licht nicht nur auf den toten Banker wirft, sondern die auch darauf hindeuten, dass dieser seine Hände bei dem anrüchigen Verkauf von viel zu teuren Immobilien – Schrottimmobilien nennt sie Schwester Silvia – an Kunden, die ihr zusammengespartes Geld gewinnbringend anlegen wollten, im Spiel hatte. Nun, und das gibt beileibe kein gutes Bild ab von den Banken im allgemeinen und von dem Ermordeten selbst im besonderen....
Sandy, eigentlich Sandra Hardenberg, ist sicher – und lobenswerterweise! - keine der üblichen Privatdetektive, die einem in Büchern und Filmen begegnen, und man braucht ein wenig Zeit, um sich an sie zu gewöhnen. Wirkt sie zunächst faul, träge, lustlos (was aber, wie man bald vermuten darf, der extremen Hitze geschuldet ist), allzu flapsig und wenig motiviert, so lernt man sie rasch als patente, gutmütige und hilfsbereite Person kennen, die das Herz, wie man so schön sagt, auf dem rechten Fleck hat. Impulsiv ist sie, gewiss, aufbrausend und unbedacht, wenn sie sich geärgert hat, aber sie hat Mut und einen wachen Verstand, den sie, so hat man den Eindruck, durch proletenhaftes Auftreten kaschieren möchte – um bloß nicht in den Verdacht zu kommen, als bürgerlich und spießig angesehen zu werden. Nein, so eine wie sie verleugnet ihre Vergangenheit nicht, möchte nicht zum Establishment gehören. Das macht sie authentisch, so authentisch wie die Stadt in diesem Krimi dargestellt wird, in dem sie ihrem ungeregelten Tagwerk nachgeht und in der sie sich auskennt wie in ihrer Westentasche. Diejenigen Leser, die Frankfurt kennen, fühlen sich auf vertrautem Terrain, wenn sie Sandy auf ihren Ermittlungen begleiten; andere Leser wiederum, die von der Stadt am Main nicht viel mehr wissen, als dass Frankfurt die deutsche Bankenmetropole ist und gleichzeitig die Hauptstadt des Verbrechens, haben nach der Lektüre einen durchaus tieferen Einblick in ihren Facettenreichtum, fühlen sich fasziniert und abgestoßen zugleich. Selten habe ich einen Krimi gelesen, der so perfekt zu dem Ort passt, an dem er spielt und der so, wie er ersonnen ist, nirgendwo anders spielen kann.
Die Handlung selbst bewegt sich eher gemächlich voran, gibt zwar einige Rätsel auf, ist aber durchschaubar. Die Spannung hält sich überdies, bis auf den flotten Schluss, bei dem es richtig brenzlig wird für unsre sympathischen Chaoten, in Grenzen, was aber wettgemacht wird durch die, mit wenigen Abstrichen, liebenswerten Charaktere und vor allem durch die Protagonistin Sandy, die gleichzeitig die Ich-Erzählerin ist. Und die Art, in der die Autorin Sandy die Geschehnisse aus ihrer Warte betrachten, berichten und kommentieren lässt, sorgt von Anfang bis Ende für Amüsement und Lesevergnügen! Ein ganz und gar unblutiger Krimi, der vor allem unterhaltsam ist, der anstatt düster und brutal, hell und komisch-vergnüglich ist, der fröhlich stimmt, erheitert, den Leser stellenweise herzhaft lachen lässt, der aber auch Verwunderung hervorrufen mag, in die sich Empörung mischt über das Treiben eines gewissen Berufsstandes, wobei hier nicht weiter ins Detail gegangen werden soll, um die Spannung und das Vergnügen derjenigen nicht zu schmälern, die neugierig geworden sind auf Katja Kleibers dritten Sandy-Krimi, dem, wie man am Ende des Buches erfahren kann, alsbald ein vierter folgen wird! Ich freue mich darauf!