Profilbild von EmiliaAna

EmiliaAna

Lesejury Star
offline

EmiliaAna ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit EmiliaAna über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 18.01.2020

Wettbewerbe und bedrohte Freundschaften

Sternenschweif, 11, Spuren im Zauberwald
0

„Spuren im Zauberwald“ ist der elfte Band der Pferdebuchreihe mit magischem Hintergrund, „Sternenschweif“ ( im englischen Original „My Secret Unicorn“ ), der Engländerin Linda Chapman, die tatsächlich ...

„Spuren im Zauberwald“ ist der elfte Band der Pferdebuchreihe mit magischem Hintergrund, „Sternenschweif“ ( im englischen Original „My Secret Unicorn“ ), der Engländerin Linda Chapman, die tatsächlich nur die fünfzehn ersten Bücher der Reihe selbst geschrieben hat. Aufgrund des großen Erfolgs und der vielen Freunde, die mutmaßlich in der überwiegenden Mehrzahl Freundinnen sind, die „Sternenschweif“ in Deutschland gefunden hat, wurde die Reihe von den unterschiedlichsten Autoren und Ghostwritern einfach fortgesetzt – und inzwischen sind bereits über sechzig Geschichten erhältlich.
Was macht den Zauber dieser Bücher aus, mag man sich bei dieser stolzen Zahl fragen! Nun, das Erfolgsrezept ist nicht schwer zu definieren: man nehme ein unscheinbares graues Pony, das keiner will, bringe es mit einem pferdeverrückten Mädchen zusammen, genau in dem Alter, in dem Mädchen und Pferde einfach zusammengehören, gebe einen Schuss Magie, viel heile Welt gepaart mit einer Unmenge Gefühlen und großer emotionaler Intelligenz hinzu und würze das Ganze mit zauberhaften Geschichten, die zum Träumen einladen. Genau dies macht Linda Chapman – und die Folge-Autoren tun es ihr gleich!
Alles dreht sich um die etwa neunjährige Laura, die nach dem Umzug aufs Land von ihren Eltern das langersehnte Pony geschenkt bekommt. Und dieses zerzauste graue Pony, Sternenschweif, hat nur auf Laura gewartet, damit sie ihn in seine wahre Gestalt, die eines Einhorns nämlich, verwandelt. Seine Einhornfreundin wird ihm nun dabei helfen, seiner Bestimmung, Menschen und Tieren in Not beizustehen, nachzugehen. Einen Haken allerdings hat die Sache: niemand darf erfahren, dass Sternenschweif ein Einhorn ist, denn dieses Wissen, kommt es in die falschen Hände, könnte die Welt der Einhörner, Arkadia, in Gefahr bringen! Es ist nicht immer leicht für Laura, ihr und Sternenschweifs Geheimnis zu hüten, denn gerade mit ihren beiden besten Freundinnen, Mel und Jessica, ebenso pferdeverrückt wie sie selbst, würde sie es gerne teilen. Doch Sternenschweifs Sicherheit ist natürlich wichtiger – und schließlich verbringt sie die schönsten Stunden mit ihm, nur mit ihm, wenn sie ihn des Nachts in ein Einhorn verwandelt und mit ihm durch die Lüfte reitet!
In „Spuren im Zauberwald“ aber wird Laura die Möglichkeit zu den allabendlichen Treffen mit Sternenschweif verwehrt, denn sie verbringt mit ihrer Freundin Mel eine Woche in einem Reitercamp, in dem, wie sich schnell herausstellt, strenge Regeln herrschen. Nicht nur ist es verboten, die Pferde nach Einbruch der Dunkelheit im Stall zu besuchen, um ihre Nachtruhe nicht zu stören, was natürlich Sinn macht, sondern Mel und Laura werden dazu noch unterschiedlichen Gruppen zugeteilt. Eine wahre Katastrophe für die beiden Mädchen, die sich so gefreut haben auf die Ferienwoche, die sie, das versteht sich von selbst, auch gemeinsam verbringen wollten. Während Mel sehr schnell Anschluss in ihrer Gruppe findet, sitzt Lauras Enttäuschung tiefer, was dazu führt, dass sie sich unklugerweise zur Außenseiterin macht, zumal Mel es sogar vorzieht, die wenige freie Zeit im strikt reglementierten Tagesablauf mit den neugewonnenen Freundinnen ihrer Gruppe zu verbringen anstatt mit Laura. Sie scheint ganz begeistert zu sein von Kate, dem tonangebenden Mädchen, der selbsternannten Anführerin der Gruppe, und deren Erfüllungsgehilfin Erin. Keine netten Mädchen, findet Laura, was man als Eifersucht abtuen könnte, aber es ist mehr! Kate tut ihr Möglichstes, den Keil zwischen Mel und Laura immer tiefer zu treiben – mit Erfolg! Daraufhin beschließt letztere, sich mit den, übrigens sehr liebenswerten, Mädchen ihrer eigenen Gruppe anzufreunden, anstatt weiterhin Trübsal zu blasen. Damit Mel und Laura dann doch wieder zusammenfinden und auch Sternenschweif seinen Einsatz bekommt, muss erst etwas Unvorhergesehenes und nicht Ungefährliches geschehen, das Mel hinter die Fassaden der intriganten Kate blicken lässt....
Ein wenig fällt dieser elfte Band heraus aus dem Schema, auf dem die Serie basiert, denn er spielt ganz und gar in einem Feriencamp, das, wie andere seiner Art, die als Freundschaftszerstörer verrufen sind, nicht unbedingt ein Ort ist, an den die Leser der sympathischen Laura folgen möchten. Und warum der Aufenthalt in diesem Camp ein einziger Wettbewerb darum sein muss, wer am ordentlichsten aussieht, wer sein Bett am schönsten gemacht hat, wessen Pferde die am saubersten geputzten, die schnellsten, die geschicktesten, die höchsten Springer sind, das verstehe, wer will – und erinnert mehr als nur ein wenig an das, was Bundeswehrveteranen gerne zum Besten geben. Darüberhinaus aber, und das gebe ich gerne zu, missfallen mir Wettkämpfe generell, da sie dem viel anstrebenswerteren Miteinander statt Gegeneinander ganz und gar nicht förderlich sind. Und wenn das noch dazu in den Ferien geschehen muss, wird mir das einfach zuviel.
So kann ich mich mit „Spuren im Zauberwald“ nicht wirklich anfreunden, zumal das Zusammenspiel zwischen Laura und ihrem Einhornfreund, das nämlich, was der Buchreihe ihren besonderen Reiz verleiht, nur am Rande eine Rolle spielt. Bleibt zu hoffen, dass eine Folge wie diese die Ausnahme bleiben wird und uns die nächste Geschichte wieder in gewohntes und bewährtes Terrain führen und vor bissigen Alpha-Mädchen verschonen möge!

Veröffentlicht am 18.01.2020

Wettbewerbe und bedrohte Freundschaften

Sternenschweif, 11, Spuren im Zauberwald
0

„Spuren im Zauberwald“ ist der elfte Band der Pferdebuchreihe mit magischem Hintergrund, „Sternenschweif“ ( im englischen Original „My Secret Unicorn“ ), der Engländerin Linda Chapman, die tatsächlich ...

„Spuren im Zauberwald“ ist der elfte Band der Pferdebuchreihe mit magischem Hintergrund, „Sternenschweif“ ( im englischen Original „My Secret Unicorn“ ), der Engländerin Linda Chapman, die tatsächlich nur die fünfzehn ersten Bücher der Reihe selbst geschrieben hat. Aufgrund des großen Erfolgs und der vielen Freunde, die mutmaßlich in der überwiegenden Mehrzahl Freundinnen sind, die „Sternenschweif“ in Deutschland gefunden hat, wurde die Reihe von den unterschiedlichsten Autoren und Ghostwritern einfach fortgesetzt – und inzwischen sind bereits über sechzig Geschichten erhältlich.
Was macht den Zauber dieser Bücher aus, mag man sich bei dieser stolzen Zahl fragen! Nun, das Erfolgsrezept ist nicht schwer zu definieren: man nehme ein unscheinbares graues Pony, das keiner will, bringe es mit einem pferdeverrückten Mädchen zusammen, genau in dem Alter, in dem Mädchen und Pferde einfach zusammengehören, gebe einen Schuss Magie, viel heile Welt gepaart mit einer Unmenge Gefühlen und großer emotionaler Intelligenz hinzu und würze das Ganze mit zauberhaften Geschichten, die zum Träumen einladen. Genau dies macht Linda Chapman – und die Folge-Autoren tun es ihr gleich!
Alles dreht sich um die etwa neunjährige Laura, die nach dem Umzug aufs Land von ihren Eltern das langersehnte Pony geschenkt bekommt. Und dieses zerzauste graue Pony, Sternenschweif, hat nur auf Laura gewartet, damit sie ihn in seine wahre Gestalt, die eines Einhorns nämlich, verwandelt. Seine Einhornfreundin wird ihm nun dabei helfen, seiner Bestimmung, Menschen und Tieren in Not beizustehen, nachzugehen. Einen Haken allerdings hat die Sache: niemand darf erfahren, dass Sternenschweif ein Einhorn ist, denn dieses Wissen, kommt es in die falschen Hände, könnte die Welt der Einhörner, Arkadia, in Gefahr bringen! Es ist nicht immer leicht für Laura, ihr und Sternenschweifs Geheimnis zu hüten, denn gerade mit ihren beiden besten Freundinnen, Mel und Jessica, ebenso pferdeverrückt wie sie selbst, würde sie es gerne teilen. Doch Sternenschweifs Sicherheit ist natürlich wichtiger – und schließlich verbringt sie die schönsten Stunden mit ihm, nur mit ihm, wenn sie ihn des Nachts in ein Einhorn verwandelt und mit ihm durch die Lüfte reitet!
In „Spuren im Zauberwald“ aber wird Laura die Möglichkeit zu den allabendlichen Treffen mit Sternenschweif verwehrt, denn sie verbringt mit ihrer Freundin Mel eine Woche in einem Reitercamp, in dem, wie sich schnell herausstellt, strenge Regeln herrschen. Nicht nur ist es verboten, die Pferde nach Einbruch der Dunkelheit im Stall zu besuchen, um ihre Nachtruhe nicht zu stören, was natürlich Sinn macht, sondern Mel und Laura werden dazu noch unterschiedlichen Gruppen zugeteilt. Eine wahre Katastrophe für die beiden Mädchen, die sich so gefreut haben auf die Ferienwoche, die sie, das versteht sich von selbst, auch gemeinsam verbringen wollten. Während Mel sehr schnell Anschluss in ihrer Gruppe findet, sitzt Lauras Enttäuschung tiefer, was dazu führt, dass sie sich unklugerweise zur Außenseiterin macht, zumal Mel es sogar vorzieht, die wenige freie Zeit im strikt reglementierten Tagesablauf mit den neugewonnenen Freundinnen ihrer Gruppe zu verbringen anstatt mit Laura. Sie scheint ganz begeistert zu sein von Kate, dem tonangebenden Mädchen, der selbsternannten Anführerin der Gruppe, und deren Erfüllungsgehilfin Erin. Keine netten Mädchen, findet Laura, was man als Eifersucht abtuen könnte, aber es ist mehr! Kate tut ihr Möglichstes, den Keil zwischen Mel und Laura immer tiefer zu treiben – mit Erfolg! Daraufhin beschließt letztere, sich mit den, übrigens sehr liebenswerten, Mädchen ihrer eigenen Gruppe anzufreunden, anstatt weiterhin Trübsal zu blasen. Damit Mel und Laura dann doch wieder zusammenfinden und auch Sternenschweif seinen Einsatz bekommt, muss erst etwas Unvorhergesehenes und nicht Ungefährliches geschehen, das Mel hinter die Fassaden der intriganten Kate blicken lässt....
Ein wenig fällt dieser elfte Band heraus aus dem Schema, auf dem die Serie basiert, denn er spielt ganz und gar in einem Feriencamp, das, wie andere seiner Art, die als Freundschaftszerstörer verrufen sind, nicht unbedingt ein Ort ist, an den die Leser der sympathischen Laura folgen möchten. Und warum der Aufenthalt in diesem Camp ein einziger Wettbewerb darum sein muss, wer am ordentlichsten aussieht, wer sein Bett am schönsten gemacht hat, wessen Pferde die am saubersten geputzten, die schnellsten, die geschicktesten, die höchsten Springer sind, das verstehe, wer will – und erinnert mehr als nur ein wenig an das, was Bundeswehrveteranen gerne zum Besten geben. Darüberhinaus aber, und das gebe ich gerne zu, missfallen mir Wettkämpfe generell, da sie dem viel anstrebenswerteren Miteinander statt Gegeneinander ganz und gar nicht förderlich sind. Und wenn das noch dazu in den Ferien geschehen muss, wird mir das einfach zuviel.
So kann ich mich mit „Spuren im Zauberwald“ nicht wirklich anfreunden, zumal das Zusammenspiel zwischen Laura und ihrem Einhornfreund, das nämlich, was der Buchreihe ihren besonderen Reiz verleiht, nur am Rande eine Rolle spielt. Bleibt zu hoffen, dass eine Folge wie diese die Ausnahme bleiben wird und uns die nächste Geschichte wieder in gewohntes und bewährtes Terrain führen und vor bissigen Alpha-Mädchen verschonen möge!

Veröffentlicht am 12.01.2020

Ein japanischer Kommissar bringt frischen Wind in die deutsche Krimiszene

Inspektor Takeda und die Toten von Altona
0

Die recht eigenwillige und leicht erregbare Hamburger Kommissarin Claudia Harms ist wieder einmal sauer! Da hat man doch ausgerechnet ihr den Auftrag erteilt, sich um den Kollegen Ken Takeda aus Tokio ...

Die recht eigenwillige und leicht erregbare Hamburger Kommissarin Claudia Harms ist wieder einmal sauer! Da hat man doch ausgerechnet ihr den Auftrag erteilt, sich um den Kollegen Ken Takeda aus Tokio zu kümmern, der im Rahmen eines wenig beliebten, verächtlich belächelten Austauschprogramms für zwei Jahre nach Deutschland geschickt wird, um hier Erfahrungen zu sammeln und die hiesige Vorgehensweise bei der Verbrechensbekämpfung zu studieren, wobei er voll eingebunden sein soll in alle anfallenden Ermittlungen. Claudia aber weiß es besser! Als Kaltstellen ihrer Person betrachtet sie ihre unliebsame Aufgabe, weiß sie doch, dass sie, die einzige Hauptkommissarin der Mordkommission, nicht nur ihren ausschließlich männlichen Kollegen sondern vor allem ihrem Chef, der sie liebend gerne loswerden möchte, ein Dorn im Auge ist, ein Ärgernis, der man jede Gelegenheit verwehren sollte, ihr unanzweifelbares Können bei der Lösung auch der kompliziertesten Fälle unter Beweis zu stellen.
Doch die Vorbehalte, die Claudia dem Japaner gegenüber hat, zerstreuen sich schnell, denn dieser ist, so stellt sich rasch heraus, ein außerordentlich sympathischer und höflicher Mann, der nicht nur ein begabter Saxophonspieler und Karaoke-Sänger ist, sondern darüber hinaus auch noch mit einem besonderen Gespür für Kriminalfälle gesegnet ist – und einer enormen Neugierde auf Deutschland, das Land, das ihm sein Vater, ein Verehrer der deutschen Kultur und überhaupt alles Deutschen, in den leuchtendsten Farben geschildert hat.
Dass der erste Einsatz, zu der der Chef die mürrische und besserwisserische Claudia und den eleganten Japaner mit der Vorliebe für teure Anzüge abordnet und der als unwichtige und von Anfang an als bereits gelöst betrachtete Angelegenheit angesehen wird, sich als ziemlich verzwickt herausstellen würde, war nun wirklich nicht geplant! Dem ungleichen Ermittlerpaar wird nämlich schnell klar, dass der als Selbstmord eingestufte Tod eines Buchhändlerpaares im Hamburger Stadtteil Altona in Wirklichkeit ein geschickt getarnter und mit großer Sorgfalt ausgeführter Mord ist! Der Täter scheint bald festzustehen, doch ist er so offensichtlich, dass den inzwischen gut zusammenarbeitenden west-östlichen Ermittlern berechtigte Zweifel kommen. Gegen alle Widerstände beginnen sie, in einem Sumpf von Verrat, rücksichtsloser Bauspekulationen, grassierendem Ausländerhass und unkontrollierbarer Aggressionen zu stochern – und geraten alsbald immer tiefer in immer gefährlicher werdende Situationen, bis sie schließlich, als es für beide schon beinahe zu spät ist, die ganze trübe, traurige und zutiefst abstoßende Wahrheit erkennen....
Der Japankenner Henrik Siebold hat mit dem ersten Band um die beiden Kommissare Ken Takeda und Claudia Harms einen trotz der düsteren Szenerie erfrischend neuen, einen jedenfalls nicht alltäglichen Kriminalroman geschrieben, der sich angenehm von der den längst unüberschaubar gewordenen Krimimarkt überflutenden Massenware mitsamt ihrem auf die Nerven gehenden Lokalkolorit unterscheidet.
Dabei ist der Mordfall, um den es in vorliegendem Roman geht, zwar nicht leicht zu durchschauen, aber auch nicht sonderlich spektakulär, der Hintergrund, vor dem die beiden Hauptfiguren ermitteln, ist, wenn auch traurige Wirklichkeit, nichts, worüber man unbedingt Bescheid wissen möchte und schon gar nichts, was als Stoff für einen wirklich guten Krimi vorstellbar wäre. Und auch das ungleiche Polizistenpaar hat man ganz ähnlich schon in zahlreichen anderen Kriminalgeschichten angetroffen. Was vielmehr den Reiz der hier zu besprechenden Geschichte ausmacht, ist die Art und Weise, wie der Autor die aus anderen Romanen dieses Genres hinlänglich bekannten Ingredienzien miteinander mischt und verschmelzen lässt, wie er Schritt für Schritt eine Reihe von unannehmbaren Zuständen wie auch Machenschaften vor der Kulisse der bei so vielen Menschen angesagten und ach so attraktiven und lebenswerten Stadt Hamburg aufdeckt, durchaus auch vorsichtig anprangert, die umso erschütternder sind als sie, man kann es nicht mehr leugnen, der Realität entsprechen und, möchte man Prognosen wagen, eskalieren werden, wenn keine Lösungen gefunden werden.
Der eigentliche Glückstreffer des Kriminalromans allerdings, die Figur, mit der alles steht und fällt und ohne die die Geschichte doch wieder in die Durchschnittlichkeit zurückfallen würde, ist Kenjiro Takeda, der in den uralten Traditionen seines Heimatlandes verwurzelte Japaner, der dennoch offen allem Neuen und für ihn unendlich Fremden gegenübersteht, dessen ausgesuchte Höflichkeit so wohltuend ist und durch dessen Augen der Leser einen Blick wirft auf das eigene Heimatland – und damit auch auf sich selbst. Gleichzeitig nähert er sich dem Land, aus dem Inspektor Takeda stammt, erfährt nicht wenig über eine ganze Reihe japanischer Gepflogenheiten, über für Westliche sehr fremdartig anmutende Denk- und Verhaltensweisen, die aber trotzdem, oder gerade deshalb, eine eigenartige Faszination ausüben.
Auch Takedas Zusammenspiel mit der kantigen, oft grob unhöflichen, insgesamt wenig sympathisch erscheinenden, doch außerordentlich fähigen Kollegin Claudia Harms hat seinen Reiz. Beide finden trotz entgegengesetzter Ansichten und Lebensphilosophien eine tragfähige gemeinsame Basis, finden zu einem tiefen gegenseitigen Verständnis, das eher auf Instinkt als auf Ratio beruht und das, so meine ich, von dem Autor dem Leser sehr glaubhaft vermittelt wird, authentisch geradezu, in keiner Weise konstruiert oder an den Haaren herbeigezogen wirkend, wie man das des öfteren in ähnlichen Roman-Konstellationen bereits erleben und erleiden durfte.
Und dieses wunderbare west-östliche Paar, dessen Zusammenarbeit sich – bisher! - ausschließlich aufs Berufliche bezieht, lässt denn auch – fast – gewisse Mankos vergessen, die vor allem in der sich doch etwas zu sehr hinziehenden, sich auf zu vielen Schlachtfeldern abspielenden und damit unnötig verwirrenden und auch überfrachteten Handlung zu finden sind. Hier wäre etwas weniger gewiss mehr gewesen.... Doch sei's drum – der Krimi ist in jedem Falle empfehlenswert und macht neugierig auf ein Wiedersehen mit dem anziehenden Japaner in den inzwischen erschienenen drei Folgebänden!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.01.2020

Dem Glück auf die Sprünge helfen

Das doppelte Lottchen
0

1949 erschienen, ist „Das doppelte Lottchen“ das vierte Kinderbuch des Moralisten, Gebrauchslyrikers, Theaterkritikers, Journalisten und lebenslangen Antimilitaristen Erich Kästner, der nicht zuletzt ein ...

1949 erschienen, ist „Das doppelte Lottchen“ das vierte Kinderbuch des Moralisten, Gebrauchslyrikers, Theaterkritikers, Journalisten und lebenslangen Antimilitaristen Erich Kästner, der nicht zuletzt ein verhinderter Lehrer war und sich in seinen Geschichten für Kinder pädagogische Zwischenbemerkungen nie verkneifen wollte.
Zum Kinderbuchschreiben, das nie zu seinem Lebensplan gehörte, ist er durch einen Zufall gekommen, fand aber rasch Gefallen daran, betrachtete er es doch als Ausgleich für seine bissigen Appelle an die Erwachsenen! Hier konnte er den so oft zynischen Satiriker beiseite lassen und stattdessen seine wunderbare, grammatikalisch geschliffene und differenzierte, liebevoll-ironische Sprache, die im wahrsten Sinne des Wortes ein Hochgenuss für alle ist, die eine schöne Sprache zu schätzen wissen, dazu nutzen, seine Kindheitserlebnisse zu beschreiben und weiterzuspinnen. Und da er im Herzen Kind geblieben war, traf er genau den Ton und das Lebensgefühl der Kinder, für die er schrieb. Das war vor mehr als siebzig Jahren so – und das ist es auch heute noch!
Kästners Kinderbücher, die in viele Sprachen übersetzt, mehrfach verfilmt und für die Bühne bearbeitet wurden, sind zeitlose Klassiker geblieben und haben darüberhinaus ihrem Autor zu Weltruhm verholfen, was außer der zu Recht hochverehrten Astrid Lindgren und der ungerechtfertigterweise hochgelobten Enid Blyton, Meisterin der platten und eintönigen Sprache ( und dies nicht nur in der deutschen Übersetzung ) und der langweiligen, immer gleichen Geschichten, von keinem anderen Kinderbuchschreiber behauptet werden kann.
Wo Kästners scharfsinnige Gedichte die individuellen Fehlhaltungen und gesellschaftlichen Mängel aufdecken, zeigen seine Bücher für Kinder eine heile oder zumindest heilbare Kinderwelt. Diese Idyllisierung der unheilen und konfliktreichen Wirklichkeit brachte ihm durchaus Kritik ein, der er entgegenhielt, dass er besagte Inszenierung einer heilen Welt als seine pädagogische Pflicht ansehe, denn für ihn war Erziehung das einzig legitime Mittel, auf die Gesellschaft Einfluss zu nehmen.
Marcel Reich-Ranicky sagte einmal über Erich Kästner, dass er das Spiel mit vertauschten Rollen liebe. Und so war es auch, wie man sehr deutlich gerade in der hier zu besprechenden Geschichte sehen kann! Während Kästner die Leser seiner Essays als Kinder ansah, betrachtete er die Leser seiner Kinderbücher als Erwachsene. Es sind die Kinder, die in seinen Romanen über gesunden Menschenverstand verfügen, die Kinder sind es, die den Durchblick haben, die vernünftig und planvoll vorgehen und ihre Eltern zur Räson bringen. Den Kindern traut er das zu, was eigentlich die so oft versagenden Erwachsenen leisten sollten!
Im „doppelten Lottchen“ sind es die beiden neunjährigen Protagonistinnen Luise und Lotte – ja, kein Musterknabe, kein mutiger kleiner Junge diesmal, wie sonst bei Kästner üblich, obwohl Lotte durchaus die Eigenschaften von Kästners Lieblingshauptfiguren besitzt! -, die beschließen, sich ihre heile Welt, ihre glückliche Kindheit mit vollkommener Familie zurückzuholen, die ihnen die Erwachsenen, in unsrem Falle ihre Eltern, gestohlen haben, als sie sie als Babys trennten und im Ungewissen darüber ließen, dass es da noch eine Schwester gab, die eine im Wien beim Vater, die andere in München bei der Mutter lebend! ( Und hier scheut sich Kästner nicht, ganz offen über Scheidung und seine nachteiligen Folgen zu reden, was ihm im Übrigen beim Erscheinen dieses Romans, in den prüden fünfziger Jahren also, gehörig angekreidet wurde! )
Freund Zufall aber oder ein freundliches Schicksal, wie immer man das nennen möchte, was sich im fiktiven Seebühl am Bühlsee eines schönen Sommers ereignete und was sich schließlich, nach Irrungen und Wirrungen und wilder Entschlossenheit zweier kleiner Mädchen, auf ein heiteres und optimistisches Ende zubewegen sollte, entschied, dass sich im Ferienkinderheim unvermutet zwei Mädchen gegenüberstanden, die sich wie ein Ei dem anderen glichen. Der temperamentvollen, ziemlich verwöhnten und auch ein wenig ungezogenen Luise Palfy aus Wien missfiel das anfangs sehr, aber da sie im Grunde ein ebenso liebenswertes Mädchen war wie die stille, höfliche und bescheidene Lotte Körner aus München, freundete sie sich schon nach der ersten, tränenreich nebeneinander verbrachten Nacht mit der Doppelgängerin wider Willen an; und dann dauerte es auch gar nicht lange, bis den beiden Mädchen klar wurde, dass sie richtige, echte Zwillinge waren! Erschüttert von der Erkenntnis, dass die Eltern ihnen durch ihre Trennung und darauffolgendes neunjähriges Schweigen ein gemeinsames Leben vorenthalten hatten – und da kommt Kästners moralischer Zeigefinger! -, beschließen die neu gefundenen Schwestern, ihre Rollen zu tauschen. Zunächst aus reiner Neugierde, aber vor allem großer Sehnsucht, den jeweils anderen Elternteil kennenzulernen – eine klare Absicht verfolgten sie zu diesem Zeitpunkt sicher noch nicht, wiewohl das Verlangen, zusammenbleiben zu können, und das mit Vater und Mutter, gewiss bereits tief in ihnen schlummerte und rasch wuchs und gedieh und schließlich nicht mehr zu unterdrücken war.
Damit nimmt das Schicksal seinen Lauf! Luise reist als Lotte zur Mutter nach München, die als geschiedene, alleinerziehende und dann auch noch berufstätige Frau ebenso Stein des Anstoßes für viele selbsternannte Kritiker und Moralapostel damals war, wie die thematisierte Scheidung, die man den jungen Lesern doch „keinesfalls zumuten“ konnte, und Lotte reist als Luise zum exzentrischen, von den Frauen umschwärmten Vater nach Wien, der sich als alles andere als ein Familienmensch herausstellt. Und obwohl die Geschwister einander so viel aus dem Leben der jeweils anderen erzählt hatten und mit genauen Anweisungen zu ihrem neuen Zuhause gereist waren, sind sie doch nicht auf die vielen Stolperfallen vorbereitet, die sich ihnen bei ihrem, das muss man zugeben, sehr mutigen Abenteuer in den Weg stellen werden und die letztendlich dafür sorgen, dass das Versteckspiel ein Ende findet. Aber was Luise und Lotte so alles erleben, in welche seelischen Nöte sie durch ihr waghalsiges Unterfangen geraten und welche Lawine sie ins Rollen bringen, soll hier denjenigen nicht vorweggenommen werden, die den rührenden, den weisen, den wunderschönen, gewiss unsterblichen Klassiker eines großen Literaten mit der Seele eines Kindes – die im übrigen nur eine seiner vielen Facetten war – noch nicht kennen, der ihnen aber wärmstens und mit großem Nachdruck ans Herz gelegt werden soll!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere
Veröffentlicht am 05.01.2020

Dem Glück auf die Sprünge helfen

Das doppelte Lottchen
0

1949 erschienen, ist „Das doppelte Lottchen“ das vierte Kinderbuch des Moralisten, Gebrauchslyrikers, Theaterkritikers, Journalisten und lebenslangen Antimilitaristen Erich Kästner, der nicht zuletzt ein ...

1949 erschienen, ist „Das doppelte Lottchen“ das vierte Kinderbuch des Moralisten, Gebrauchslyrikers, Theaterkritikers, Journalisten und lebenslangen Antimilitaristen Erich Kästner, der nicht zuletzt ein verhinderter Lehrer war und sich in seinen Geschichten für Kinder pädagogische Zwischenbemerkungen nie verkneifen wollte.
Zum Kinderbuchschreiben, das nie zu seinem Lebensplan gehörte, ist er durch einen Zufall gekommen, fand aber rasch Gefallen daran, betrachtete er es doch als Ausgleich für seine bissigen Appelle an die Erwachsenen! Hier konnte er den so oft zynischen Satiriker beiseite lassen und stattdessen seine wunderbare, grammatikalisch geschliffene und differenzierte, liebevoll-ironische Sprache, die im wahrsten Sinne des Wortes ein Hochgenuss für alle ist, die eine schöne Sprache zu schätzen wissen, dazu nutzen, seine Kindheitserlebnisse zu beschreiben und weiterzuspinnen. Und da er im Herzen Kind geblieben war, traf er genau den Ton und das Lebensgefühl der Kinder, für die er schrieb. Das war vor mehr als siebzig Jahren so – und das ist es auch heute noch!
Kästners Kinderbücher, die in viele Sprachen übersetzt, mehrfach verfilmt und für die Bühne bearbeitet wurden, sind zeitlose Klassiker geblieben und haben darüberhinaus ihrem Autor zu Weltruhm verholfen, was außer der zu Recht hochverehrten Astrid Lindgren und der ungerechtfertigterweise hochgelobten Enid Blyton, Meisterin der platten und eintönigen Sprache ( und dies nicht nur in der deutschen Übersetzung ) und der langweiligen, immer gleichen Geschichten, von keinem anderen Kinderbuchschreiber behauptet werden kann.
Wo Kästners scharfsinnige Gedichte die individuellen Fehlhaltungen und gesellschaftlichen Mängel aufdecken, zeigen seine Bücher für Kinder eine heile oder zumindest heilbare Kinderwelt. Diese Idyllisierung der unheilen und konfliktreichen Wirklichkeit brachte ihm durchaus Kritik ein, der er entgegenhielt, dass er besagte Inszenierung einer heilen Welt als seine pädagogische Pflicht ansehe, denn für ihn war Erziehung das einzig legitime Mittel, auf die Gesellschaft Einfluss zu nehmen.
Marcel Reich-Ranicky sagte einmal über Erich Kästner, dass er das Spiel mit vertauschten Rollen liebe. Und so war es auch, wie man sehr deutlich gerade in der hier zu besprechenden Geschichte sehen kann! Während Kästner die Leser seiner Essays als Kinder ansah, betrachtete er die Leser seiner Kinderbücher als Erwachsene. Es sind die Kinder, die in seinen Romanen über gesunden Menschenverstand verfügen, die Kinder sind es, die den Durchblick haben, die vernünftig und planvoll vorgehen und ihre Eltern zur Räson bringen. Den Kindern traut er das zu, was eigentlich die so oft versagenden Erwachsenen leisten sollten!
Im „doppelten Lottchen“ sind es die beiden neunjährigen Protagonistinnen Luise und Lotte – ja, kein Musterknabe, kein mutiger kleiner Junge diesmal, wie sonst bei Kästner üblich, obwohl Lotte durchaus die Eigenschaften von Kästners Lieblingshauptfiguren besitzt! -, die beschließen, sich ihre heile Welt, ihre glückliche Kindheit mit vollkommener Familie zurückzuholen, die ihnen die Erwachsenen, in unsrem Falle ihre Eltern, gestohlen haben, als sie sie als Babys trennten und im Ungewissen darüber ließen, dass es da noch eine Schwester gab, die eine im Wien beim Vater, die andere in München bei der Mutter lebend! ( Und hier scheut sich Kästner nicht, ganz offen über Scheidung und seine nachteiligen Folgen zu reden, was ihm im Übrigen beim Erscheinen dieses Romans, in den prüden fünfziger Jahren also, gehörig angekreidet wurde! )
Freund Zufall aber oder ein freundliches Schicksal, wie immer man das nennen möchte, was sich im fiktiven Seebühl am Bühlsee eines schönen Sommers ereignete und was sich schließlich, nach Irrungen und Wirrungen und wilder Entschlossenheit zweier kleiner Mädchen, auf ein heiteres und optimistisches Ende zubewegen sollte, entschied, dass sich im Ferienkinderheim unvermutet zwei Mädchen gegenüberstanden, die sich wie ein Ei dem anderen glichen. Der temperamentvollen, ziemlich verwöhnten und auch ein wenig ungezogenen Luise Palfy aus Wien missfiel das anfangs sehr, aber da sie im Grunde ein ebenso liebenswertes Mädchen war wie die stille, höfliche und bescheidene Lotte Körner aus München, freundete sie sich schon nach der ersten, tränenreich nebeneinander verbrachten Nacht mit der Doppelgängerin wider Willen an; und dann dauerte es auch gar nicht lange, bis den beiden Mädchen klar wurde, dass sie richtige, echte Zwillinge waren! Erschüttert von der Erkenntnis, dass die Eltern ihnen durch ihre Trennung und darauffolgendes neunjähriges Schweigen ein gemeinsames Leben vorenthalten hatten – und da kommt Kästners moralischer Zeigefinger! -, beschließen die neu gefundenen Schwestern, ihre Rollen zu tauschen. Zunächst aus reiner Neugierde, aber vor allem großer Sehnsucht, den jeweils anderen Elternteil kennenzulernen – eine klare Absicht verfolgten sie zu diesem Zeitpunkt sicher noch nicht, wiewohl das Verlangen, zusammenbleiben zu können, und das mit Vater und Mutter, gewiss bereits tief in ihnen schlummerte und rasch wuchs und gedieh und schließlich nicht mehr zu unterdrücken war.
Damit nimmt das Schicksal seinen Lauf! Luise reist als Lotte zur Mutter nach München, die als geschiedene, alleinerziehende und dann auch noch berufstätige Frau ebenso Stein des Anstoßes für viele selbsternannte Kritiker und Moralapostel damals war, wie die thematisierte Scheidung, die man den jungen Lesern doch „keinesfalls zumuten“ konnte, und Lotte reist als Luise zum exzentrischen, von den Frauen umschwärmten Vater nach Wien, der sich als alles andere als ein Familienmensch herausstellt. Und obwohl die Geschwister einander so viel aus dem Leben der jeweils anderen erzählt hatten und mit genauen Anweisungen zu ihrem neuen Zuhause gereist waren, sind sie doch nicht auf die vielen Stolperfallen vorbereitet, die sich ihnen bei ihrem, das muss man zugeben, sehr mutigen Abenteuer in den Weg stellen werden und die letztendlich dafür sorgen, dass das Versteckspiel ein Ende findet. Aber was Luise und Lotte so alles erleben, in welche seelischen Nöte sie durch ihr waghalsiges Unterfangen geraten und welche Lawine sie ins Rollen bringen, soll hier denjenigen nicht vorweggenommen werden, die den rührenden, den weisen, den wunderschönen, gewiss unsterblichen Klassiker eines großen Literaten mit der Seele eines Kindes – die im übrigen nur eine seiner vielen Facetten war – noch nicht kennen, der ihnen aber wärmstens und mit großem Nachdruck ans Herz gelegt werden soll!

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
  • Handlung
  • Charaktere