Das Salz in der Suppe
BergsalzWie der eisige Wind zunächst die Gipfel der Berge umweht, um dann ins Tal hinabzugleiten, sich als Föhn ins Dorf schleicht und dort durch die Ritzen der alten Häuser schließlich bei der Protagonistin Franzi ...
Wie der eisige Wind zunächst die Gipfel der Berge umweht, um dann ins Tal hinabzugleiten, sich als Föhn ins Dorf schleicht und dort durch die Ritzen der alten Häuser schließlich bei der Protagonistin Franzi in der Küche landet, ist eine wunderschöne Einleitung des Romans. Franzi kocht für sich allein das Mittagessen, als es klingelt. Völlig unverhofft und zu einer völlig unpassenden Zeit. Johanna steht vor der Tür, gerade Witwe geworden und indem Franzi sie in die Küche bittet, um mit ihr gemeinsam zu essen, wird eine Kettenreaktion in Gang gesetzt, die ihresgleichen sucht. Die vielen einsamen älteren Frauen des kleinen Alpendorfes schließen sich zusammen, mit ihren großen Gemüsegärten und Unmengen von Eingewecktem und Gelagertem und bemerken bald, dass mehr Platz her muss, Platz zum Kochen und Platz zum Essen. Warum nicht das alte Gasthaus wieder in Gang bringen? Und warum nicht die Menschen, die im oberen Stock wohnen, gleich mitversorgen?
So warmherzig und liebevoll läßt Karin Kalisa ihre Figuren durch den kleinen Roman (197 Seiten) gehen, das war für mich sehr anrührend. Ihr Schreibstil hat mich an Mariana Leky (Was man von hier aus sehen kann) erinnert. Einsamkeit und das Alleinsein (nicht nur im Alter) werden thematisiert: "Die Rezepte [...] fingen in kleinster Größe an mit: für zwei Personen. Für eine allein war dort nicht vorgesehen, gab's nicht, auch wenn es gang und gäbe war, dass eine für sich allein kochte oder eine allein für sich kochte, wie man es auch nahm - in beiden Fällen sachlich richtig und grundfalsch zugleich. Weil es sachlich richtig war, gab es dieses Füreineallein-Geschirr, das die schenkten, die den Tisch bevölkert hatten, bevor es der Füreineallein-Tisch geworden war." (S. 18)
In Einschüben wird das Dorfgeschehen vor 500 Jahren geschildert, als ein Hof im Dorf abgebaut und etwas außerhalb wieder aufgebaut wird, um Platz zu schaffen und die Felder wirtschaftlicher aufteilen zu können. Obwohl es immer wieder schöne Bezüge gibt (z.B. das Anklopfen der Nachbarn an die Türe), ergibt sich der Zusammenhang erst zum Schluss und er hat mir gut gefallen.
Nicht ganz so zufrieden war ich mit der letzten Szene von Franzi, die so ganz anders war als der Rest des Romans. Aber sei's drum, das Buch hat mich sehr gut unterhalten und trotz der überschaubaren Länge sind mir die Figuren ans Herz gewachsen. Der Roman ist mehr als die x-te Variante von Das-kleine- Café/Buchgeschäft/Hofladen-um-die-Ecke. Wenn Franzi und Esma über ihre Berge sprechen, dann ist da viel, viel mehr.