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Veröffentlicht am 15.07.2021

Rasante Mördersuche

Todesmärchen
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Auch der dritte Teil der Serie von Andreas Gruber über das ungleiche Ermittlerpaar Nemez und Sneijder konnte überzeugen.

Sabine Nemez hat mittlerweile ihre Ausbildung bei BKA beendet. Als offizielles ...

Auch der dritte Teil der Serie von Andreas Gruber über das ungleiche Ermittlerpaar Nemez und Sneijder konnte überzeugen.

Sabine Nemez hat mittlerweile ihre Ausbildung bei BKA beendet. Als offizielles Ermittlerpaar wider Willen versucht sie gemeinsam mit ihrem ehemaligen Lehrer, dem Profiler Maarten S. Sneijder, eine Mordserie aufzuklären. Die grausam zugerichteten Leichen führen die beiden von einer Stadt in die nächste. Fast zeitgleich beginnt die junge Psychologin Hannah Norland ihre Praktikumsstelle in der Justizvollzugsanstalt Steinfels, einem abgeschieden gelegenen Ort auf der Insel Ostheversand nahe Flensburg. Berühmtester Insasse ist der Holländer Piet van Loon, der einst von Sneijder dingfest gemacht wurde. In diesem Gefängnis für "geistig abnorme Rechtsbrecher" bahnt sich schon bald etwas an - und das ist keine erfolgreiche Gruppentherapie.

Der Roman schließt nahtlos an den vorherigen Teil an, kann aber ohne Kenntnisse der Vorgeschichte gelesen werden. Gruber bedient sich hier des bewährten Konzeptes: Ein ganz fieser Mörder treibt sein Unwesen und hinterläßt grausam verstümmelte Leichen. Seine Beweggründe bleiben zunächst völlig unklar. Die Tätersuche erstreckt sich bis in die Schweiz. Sneijder überzeugt einmal mehr als intelligenter, aber ziemlich rüpelhafter niederländischer Zeitgenosse und Sabine Nemez versucht die Wogen zu glätten und hat oft den richtigen Riecher. Ein Buch spielt bei den Morden eine wichtige Rolle, diese Verbindung gab es in den ersten beiden Bänden auch. Es gibt wieder mehrere Handlungsstränge, deren Beziehung zu einander sich erst später erschließt.

Also im Grunde alles schon mal dagewesen. Dennoch habe ich auch diesen dritten Band verschlungen. Gruber schreibt sehr schnell und durch die verschiedenen Handlungsstränge gewinnt die Geschichte unheimlich an Fahrt und Spannung. Es gab einige Aha-Erlebnisse für mich, aber auch einige unlogische Stellen. Da schauen wir jetzt mal drüber hinweg.

Insgesamt hat mich "Todesmärchen" gut unterhalten, das liegt zum einen an der Spannung und zum anderen an den Charakteren. Marten S. Sneijder ist in seiner Missgelauntheit nicht zu übertreffen und die Sprüche, mit denen er seine Mitmenschen anfällt, sind teilweise köstlich.

Wer einen blutigen, spannenden und unterhaltsamen Thriller sucht, macht hier garantiert nichts falsch. Fünf Sterne.




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Veröffentlicht am 02.07.2021

Bewegend und großartig!

Von hier bis zum Anfang
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Was für eine bewegende Geschichte.
Chief Walker, Polizist im kalifornischen Städtchen Cape Haven, der mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart lebt, sorgt sich seit Jahren um Duchess und Robin Radley. ...

Was für eine bewegende Geschichte.
Chief Walker, Polizist im kalifornischen Städtchen Cape Haven, der mehr in der Vergangenheit als in der Gegenwart lebt, sorgt sich seit Jahren um Duchess und Robin Radley. Die Dreizehnjährige und ihr kleiner Bruder sind mehr oder weniger auf sich allein gestellt. Die Mutter hat vor 30 Jahren ihre Schwester Sissy verloren und kommt schon lange nicht mehr mit ihrem Leben zurecht. Duchess beschützt ihren Bruder wie eine Löwin vor dem Strudel aus Pillen, Alkohol, Depressionen, falschen Männern und schlichter Geldnot, der ihre Mutter umgibt. Walker hilft wo er kann, auch Vincent King, seinem besten Freund aus Kindertagen, der der Mörder von Sissy ist, steht er zur Seite. Er hat seine Strafe abgesessen und kommt zurück nach Cape Haven, dort wo vor 30 Jahren alles begann.

Chris Whitaker hat eine großartige Geschichte geschrieben, die von den ersten Seiten an zu fesseln vermag und die Lesenden bis zum Ende nicht losläßt. Sein Schreibstil vermag Atmosphäre zu schaffen und die Dialoge sind glaubwürdig. Der Roman lebt aber eindeutig von der Handlung und den Charakteren. Allen voran Outlaw Duchess Radley, die trotz aller Härte, die das Leben für sie bereithält, eine solche Zartheit beim Umgang mit ihrem Bruder zeigt und die eine unglaubliche Sympathieträgerin ist. Man leidet ganz furchtbar mit ihr und Robin mit. Dann Chief Walker, Walk, von dem nie der Vorname genannt wird. Sein Job bedeutet ihm alles. Er versucht die Stadt zusammenzuhalten und vor dem Ausverkauf zu retten, ebenso wie das Leben von Star und ihren Kindern gleich mit. Die Geschichte wird aus der Sicht dieser beiden Charaktere geschildert. Insgesamt wimmelt die Handlung von außergewöhnlichen Nebencharakteren. Sie alle spielen eine Rolle bei der Geschichte, die im hier und jetzt startet, und sich doch immer um Anfänge dreht. Für die vaterlose Duchess ist der Stammbaum, den sie für die Schule erstellen soll, symbolisch für ihr ganzes Leben. Der Roman wird mit "Der Gesang der Flusskrebse" verglichen. Whitakers Buch ist genauso fesselnd, spannend und bewegend, der Schreibstil ist jedoch nicht so poetisch und die weibliche Hauptfigur wirkt in ihrem Handeln aggressiver und teilweise fast verbittert. Auch hier gibt es Charakterstudien, Entwicklungsgeschichte, Gerichtsdrama und Kriminalfall in einem.

Mir hat das Buch wahnsinnig gut gefallen. Endlich mal wieder ein Roman, den ich nicht aus der Hand legen konnte. Das Cover zeigt den typischen mittleren Westen der USA, was ja zunächst nichts mit dem Küstenstädten Cape Haven in Kalifornien zu tun hat. Der Bezug wird aber hergestellt. Die warmen Farbe, die so heimelig wirken, aber ganz anders sind, als das Leben der kleinen Protagonisten.
Ich kann eine uneingeschränkte Leseempfehlung aussprechen. Fünf begeisterte Sterne!

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Veröffentlicht am 27.06.2021

Haben wir eine Wahl?

Schicksal
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"Bei keiner Wahl, die wir treffen, verstehen wir bis ins Letzte, was sie für uns bedeutet." (S. 251)

Zeruya Shalev verwebt in ihrem Roman die Schicksale zwei israelischer Frauen, die durch einen Mann ...

"Bei keiner Wahl, die wir treffen, verstehen wir bis ins Letzte, was sie für uns bedeutet." (S. 251)

Zeruya Shalev verwebt in ihrem Roman die Schicksale zwei israelischer Frauen, die durch einen Mann verbunden sind. Meno, Vater der einen und erster Ehemann der anderen, muss erst sterben, damit die Frauen zu einanderfinden. Die Architektin Atara, Ende Vierzig, möchte mit der ersten Frau ihres Vaters Kontakt aufnehmen. Die 90-jährige Rachel kämpfte einst gemeinsam mit Meno im Untergrund für die Befreiung Palästinas von den Briten. Die Leben der beiden Frauen kreuzen sich mehrfach. Jede Begegnung verändert das Schicksal der Israelinnen und läßt sie intensiv über ihre Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft nachdenken.

Die Handlung wird abwechselnd aus der Sicht von Atara und Rachel erzählt und dadurch erscheinen alle anderen Personen sehr subjektiv gezeichnet. Rachels Anteil an der Handlung ist wesentlicher geringer, als der von Atara. Das läßt sich aber damit erklären, dass das Schicksal Atara in der Gegenwart übel mitspielt, während Rachel im wesentlichen aus ihrer Vergangenheit berichtet. Sie zehrte ihr ganzes Leben von ihrem Kampf in der Lechi, einer radikalen Untergrundorganisation, die gegen die Mandatsherrschafft der Briten in Palästina vor der Staatsgründung Israels kämpfte. Sie trauert quasi täglich um ihre gefallenen Kameraden und stellt ihre Leidenschaft für den Kampf sogar über die eigene Familie.

Atara wurde zeitlebens von ihrem Vater, bis auf wenige Ausnahmen, lieblos behandelt und ist auch in ihrer zweiten Ehe nicht grundsätzlich glücklich, sondern hat ständig etwas an ihrem Mann auszusetzen und stellt wiederum ihr Kind aus erster Ehe und den gemeinsamen Sohn über die Ehe. Die Beziehungsgefüge sind in beiden Familien kompliziert und belastet.

Aus diesen Verhaltensweisen erwächst das titelgebende "Schicksal". Der Roman besticht durch teilweise sehr schöne poetische Passagen. Andere Textteile haben mir gar nicht gefallen. Insgesamt konnte er mich aber nicht überzeugen. Die Charaktere sind mir allesamt, bis auf Rachels jüngeren Sohn, unsympathisch. Sie bleiben teilweise auch unnahbar, weil sie wie durch einen Filter, nur durch die Augen von Rachel und Atara auf die Lesenden wirken können. Es gibt durchaus einen Spannungsbogen im Roman, der jedoch für mich nicht aufgelöst wurde und zu viele Fragen offen ließ.

Auch weckte der Klappentext falsche Erwartungen an die Handlung in mir. Es geht hier weniger um die Untergrundorganisation Lechi und die Liebe, als vielmehr um zwei Frauen, die aufgrund ihrer Entscheidungen fatale Ereignisse in Gang setzten und setzen. Weite Teile des Roman handeln von Ataras Schuldzuweisungen an sich selbst und andere, von ihrer Trauer und Selbstreflexion. Das war für mich ermüdend zu lesen, weil sie sich oft im Kreis gedreht hat und immer wieder das Gleiche gedacht und gesagt hat.

Ich kann für diesen Roman nur sehr bedingt eine Leseempfehlung aussprechen, weil er mich nicht erreicht hat. Er wird sicherlich Anhänger:innen finden, aber wer sich einen spannenden Roman über die Lechi, gespickt mit einer romantischen, tragischen Liebesgeschichte erhofft, ist hier falsch. Wer aber einen sprachlich ansprechenden Roman über die seelischen Leiden zweier Israelinnen lesen möchte, wird diese Geschichte vielleicht mit anderen Augen lesen als ich. Drei Sterne für "Schicksal".


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Veröffentlicht am 17.06.2021

Langatmige Puzzelarbeit

Ein Bild der Niedertracht
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Val McDermid-Bücher sind für mich eigentlich ein Garant für spannende und unterhaltsame Stunden. Leider traf das für mich auf den sechsten Band der Karen Pirie-Reihe nicht zu.

DCI Karen Pirie und ihr ...

Val McDermid-Bücher sind für mich eigentlich ein Garant für spannende und unterhaltsame Stunden. Leider traf das für mich auf den sechsten Band der Karen Pirie-Reihe nicht zu.

DCI Karen Pirie und ihr Kollegen DC Jason Murray von der Historic Cases Unit der schottischen Polizei ermitteln parallel in zwei Fällen. In der Garage einer verstorbenen Frau wird ein Wohnmobil mit menschlichen Überresten gefunden. Fast zeitgleich wird eine männliche Leiche an der Küste entdeckt und entpuppt sich als untergetauchter Bruder eines Mannes, der seit zehn Jahren verschwunden ist. Jetzt heißt es Stückchen für Stückchen zu versuchen, die eine Leiche zu identifizieren und die Täter beider Opfer zu fassen. Dabei wird das Team durch DC Daisy Mortimer unterstützt, die bei einer Reise nach Paris eine wertvolle Hilfe ist.

McDermid schreibt wie immer angenehm und man kann ihre Bücher eigentlich so weglesen. Hier habe ich mich wirklich schwer getan. Beide Fälle sind im Grundzug irgendwie ähnlich, es geht um verschwundene Menschen und die Frage, wer ist wer. Wenn die Lesenden dann im Schlußfolgern schneller sind als die Ermittelnden, ist das unschön. Der Fall um die männliche Leiche und seinen verschwundenen Bruder nimmt den Hauptteil der Handlung ein, hat für mich aber einige Längen gehabt. Irgendwann war dann auch klar, in welche Richtung es läuft, als die Beamten noch im Dunkeln tappten. Der Klappentext ist so vielversprechend, aber richtige Spannung kam für mich nicht auf. Dafür zergeht sich die Autorin in zu viel Kleinkram. Da werden so viele Personen befragt, ständig wird mit den Freundinnen von der Forensik gesprochen und es wird auch ordentlich durch die Gegend gereist, das ermüdet und das war mir auch alles zu viel. Es ist jedoch wohltuend, immer mal wieder etwas über das Privatleben der Charaktere zu erfahren, das kommt hier nicht zu kurz.

Insgesamt konnte mich dieser eigentlich solide Krimi nicht überzeugen, da gibt es wesentlich besser Bücher von der Autorin, die dafür sorgen, dass man das Buch nicht mehr aus der Hand legen will. Hier musste ich mich leider dazu zwingen weiterzulesen. Dreieinhalb Sterne für den sechsten Fall von Karen Pirie.

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Veröffentlicht am 06.06.2021

Der richtige Platz im Leben

Alte Sorten
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Endlich habe auch ich "Alte Sorten" gelesen. Ein wirklich wunderschönes, ruhiges Buch.

Liss bewirtschaftet alleine einen großen Hof und verrichtet mechanisch all die anfallenden Arbeiten, bis ihr eines ...

Endlich habe auch ich "Alte Sorten" gelesen. Ein wirklich wunderschönes, ruhiges Buch.

Liss bewirtschaftet alleine einen großen Hof und verrichtet mechanisch all die anfallenden Arbeiten, bis ihr eines Tages Sally quasi vor den Traktor kommt. Sofort ist Liss klar, dass jede Frage das verstörte Mädchen wieder verschrecken würde. So bietet sie ihr einfach einen Platz zum Wohnen und Essen auf dem Hof. Gemeinsam ernten sie Kartoffeln und Birnen, schlagen Holz, kümmern sich um die Bienen und kommen sich so in kleinsten Schritten näher. Aber die aufkommende Idylle ist fragil, denn Sally ist aus einer Klinik geflohen und wird gesucht und Liss hat Gespenster der Vergangenheit im Gepäck, die sie nicht abschütteln kann.

In einer wunderschönen Spätsommer- und Herbstlandschaft verortet Ewald Arenz diesen kleinen, großen Roman. Auf gerade einmal 250 Seiten werden die Lebensgeschichten der 17-jährigen Sally und der Bäuerin Liss eher angerissen als ausgebreitet. Dennoch wird alles, was die Lesenden wissen müssen, nach und nach erzählt. Dabei nimmt er sich für die Schilderungen der bäuerlichen Tätigkeiten ebenso viel Zeit, wie für die Charakterzeichnungen. Die Geschichte wird abwechselnd aus der Sicht der beiden Protagonistinnen erzählt, wobei die Sprache sich dem unterschiedlichen Alter entsprechend anpasst; Sally oft aufbrausend und unflätig, Liss besonnen und versöhnlich - zunächst. So werden die Gedanken und Empfindungen der beiden glaubwürdig und nachvollziehbar. Ihre Dialoge sind geprägt von der schwierigen Situation und kommen mit knappen Sätzen aus. Der Schreibstil hat aber auch poetische Elemente, gerade wenn es um die Beschreibung der Natur geht oder der alltäglichen Kleinigkeiten.

Das Buch hat mich in seinen Bann geschlagen, ich konnte es kaum aus der Hand legen. Wo fühlt man sich warum zu Hause? Was braucht es, um jemandem oder sich selbst wieder zu (ver-)trauen? Beide Lebensgeschichten regen zum Nachdenken an und werben auch für Verständnis und Toleranz. Eine absolute Leseempfehlung und viereinhalb Sterne.

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