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Veröffentlicht am 30.01.2020

Faktenreiches Jugendbuch

Zu spät zur Party
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Inhalt:

„Zu spät zur Party:Warum eine ganze Generation den Anschluss verpasst“ von Lukas Sustala ist eine sozio-ökonomische Bestandsaufnahme der sogenannten Millennials. So bezeichnet man die Generation, ...

Inhalt:

„Zu spät zur Party:Warum eine ganze Generation den Anschluss verpasst“ von Lukas Sustala ist eine sozio-ökonomische Bestandsaufnahme der sogenannten Millennials. So bezeichnet man die Generation, die im Zeitraum der frühen 1980er bis zu den späten 1990er Jahren geboren wurde.

Viele hatten sich an den Wohlstand der achtziger und neunziger Jahre gewöhnt. Viele dachten, es gehe immer so weiter. Dann kam die Blase im US-Immobilien- beziehungsweise Hypothekenmarkt, deren Platzen bekanntlich 2008 die noch immer anhaltende Finanzkrise eröffnete. Die extremen wirtschaftlichen Belastungen durch die Inflation von Vermögenswerten und Wirtschaftskrise wurden jedoch nicht fair und generationengerecht umgelegt. Das Ergebnis: Für Millennials wird es immer schwieriger den Lebensstil ihrer Eltern zu erreichen. Obwohl sie in der Regel besser ausgebildet sind, verdienen sie deutlich weniger als ihre Eltern. Dem stehen aber höhere Ausgaben gegenüber. Das heißt, selbst wer mal davon geträumt hat, sich eine Immobilie zu kaufen, kann sie sich meist einfach nicht mehr leisten. Die Preise für Häuser sind in den letzten Jahrzehnten dreimal so schnell gestiegen, wie das Einkommen der Mittelschicht. Im Vergleich zu früheren Generationen haben Millennials es finanziell also wesentlich schwerer Vermögen aufzubauen.
Und das ist kein Zufall. Die Politik zielt einseitig auf die Älteren, weil sie qua Masse mehr Wählerstimmen versprechen.

Die Lebensumstände der Millennials haben damit nichts mit fehlender Erfolgsorientierung oder Konsum- und Lifestylepräferenzen zu tun. Die viel kritisierten Millennials sind nicht der Untergang, sondern Opfer der Entwicklung der letzten Jahrzehnte.
Das gilt besonders für die OECD-Staaten wie die USA, Österreich oder Deutschland. Hier haben viele junge Menschen mit Problemen zu kämpfen: Unsichere Jobs, unsichere Altersvorsorge, unsichere Einkommen. Ein Lohnniveau, dass seit den 90ern kaum noch steigt. Lebenskosten hingegen schon. Millennials sind häufig vom Werdegang ihrer Eltern völlig entkoppelt und erleben diametral entgegenstehende Lebensläufe.



Eigene Meinung:

Lukas Sustala ist Ökonom und Publizist. Als stellvertretender Direktor des Wirtschaftsforschungsinstituts Agenda Austria verfügt er sicherlich für ein solches Buch über eine empirische Basis. “Zu spät zur Party: Warum eine ganze Generation den Anschluss verpasst“ ist aber als Buch unglaublich angenehm und leicht verständlich geschrieben. Hier muss der Leser kein VWL oder BWL Studium inne haben um alle Zusammenhänge zu verstehen. Vorgelegt wurde vielmehr eine lesenswerte, weil flüssig geschriebene Mischung aus Sachbuch und privaten Reflexionen.

Das diffuse Gefühl der Unsicherheit, der Entmündigung, das viele junge Menschen ergriffen hat, hat sehr konkrete Ursachen in der politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung, was gekonnt herausgearbeitet wird. Und dafür weiß Sustala eine ganzen Reihe von Quellen anzuführen. Das Buch ist informativ, wartet mit nachprüfbaren Fakten auf, ist systematisch aufgebaut und ermöglicht dem Leser dadurch einen guten Einblick in die Entwicklung der westlichen Welt in den letzten zwanzig Jahren.
Dass dabei zuweilen der unterhaltende Aspekt auf Kosten des sachlich-informativen betont wird, kann man dem Autor nachsehen.



Fazit:

„Zu spät zur Party: Warum eine ganze Generation den Anschluss verpasst“ von Lukas Sustala ist ein Must-Read für jeden, der ein notwendiges Minimum an Zukunftspräferenz mitbringt.

Dem Autor gelingt es, Einsichten in die Realität des ökonomischen Daseins junger Menschen zu beschaffen, und dabei auch noch unterhaltsam und kurzweilig zu bleiben.
Wer selbstkritisch genug ist, merkt schnell, dass die eigene Haltung bislang nicht zuletzt eine halb- oder desinformierte war.

Das Buch mag überdies – in der Schule eingesetzt – einen Anstoß liefern, über die Hintergründe von Generationengerechtigkeit, Generationenkonflikten und Vorurteilen nachzudenken.

Die Vielseitigkeit der Subthemen macht das Werk im besten Sinne kurzweilig und zugleich ungemein informativ.

  • Einzelne Kategorien
  • Cover
  • Erzählstil
Veröffentlicht am 28.01.2020

Upcycling für Handletteringfreunde

Uplettering
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Inhalt:

Auf den ersten Seiten ihres neuen Buches, „Uplettering – Upcycling für Lettering Lovers“, verrät die Autorin Cornelia Landschützer in einem Vorwort aus welcher Motivation heraus ihr neues Werk ...

Inhalt:

Auf den ersten Seiten ihres neuen Buches, „Uplettering – Upcycling für Lettering Lovers“, verrät die Autorin Cornelia Landschützer in einem Vorwort aus welcher Motivation heraus ihr neues Werk entstanden ist. Hinter den folgenden Projekten steht das Prinzip Upcycling, also aus Abfallprodukten, die niemand mehr benötigt, neue Deko-Artikel herzustellen.

Neben zahlreichen Projektideen verrät die Autorin, wie man Materialien säubern und für die Wiederverwertung vorbereiten kann. Auf den letzten Seiten des Buches erfährt der Leser, wie man mit Stiften, die lange Zeit zum großen Trend unter den Handletteringliebhabern gehört haben, schöne Kartenmotive zaubern kann. Das Buch schließt mit einem Vorlagenkatalog, der Anfängern helfen kann, die schönen Schriftzüge der Autorin auf die jeweiligen wiederzuverwertenden Materialien zu übertragen.



Eigene Meinung:

„Aus alt letter neu“, so lautet das Motto, welches sich hinter dem neuen Werk „Uplettering – Upcycling für Lettering Lovers“ von Cornelia Landschützer steht. Nachhaltig, umweltbewusst und kreativ: Das Thema Upcycling ist in der Handletteringwelt angekommen.

Dabei wird ein weites Feld abgesteckt: Das Buch präsentiert dem Leser Projekte, die mit Hilfe von „Wegwerfartikeln“ entstehen, die vermutlich in den meisten Haushalten auch vorgehalten werden, wie zum Beispiel leere Gläser, Saft- und Milchtüten, Dosen, ein alter Teller und Klopapierrollen.

Auf den ersten Seiten des Buches verrät die Autorin dem Leser wertvolle Tipps, die bei der Materialwiederverwertung helfen sollen. Wie bekommt man Klebeetiketten von einem alten Glas vollständig entfernt, wie entfernt man den Aufdruck einer leeren Milchtüte, die später einmal als schön beletterter Kräuterübertopf Wiederverwendung finden soll?

Bereits im Vorwort motiviert die Autorin den Leser die Kreativität spielen zu lassen. Keinesfalls soll das Lesen dieses Buches dazu führen, dass für die Umsetzung der Projekte Materialien erst eingekauft werden müssen. Stifteempfehlungen bei den Projekten dienen als Vorschlag und können gerne durch vorhandene Substitute ausgetauscht werden. Das jeweilige von der Autorin vorgegebene Letteringmotiv stellt, genau, wie die Projekte selbst, eine Anregung dar. Hinter allem steckt der Gedanke die Fantasie und Kreativität des Lesers anzuregen.

Alle Anleitungen sind leicht verständlich gefasst und werden mit einer schönen Bebilderung vorgestellt. Ein kleiner Kasten am Rand zeigt eine Übersicht der Materialien, die für die Umsetzung des Projektes benötigt werden. Fast jede Anleitung wird durch einen wertvollen Tipp der Autorin am Rand ergänzt.

Am Ende des Buches zeigt die Autorin Letterern, die bereits länger dieses Hobby frönen, wie man mit Stiften, die sich im Laufe der Jahre aufgrund Trendthemen, angesammelt haben könnten, schöne Kartendesigns einfach zu Papier bringen kann. Auch Anfänger werden von der Autorin „an die Hand genommen“. Denn Stifte, die wohl in jedem Haushalt vorzufinden sind, wie Bleistift oder Kugelschreiber, können ebenfalls eine sehr schöne Wirkung bei einem selbstgeletterten Motiv entfalten.

Am Ende bietet das Buch einen reichhaltigen Vorlagen-Katalog von Designs, die auch allesamt für Anfänger geeignet sind.
Als kleines „Goodie“ findet der geneigte Leser zwei Fertigkarten im hinteren Buchdeckel zum Ausschneiden und verschicken an liebe Menschen.



Fazit:

Upcycling nennt sich der Trend, alte Produkte oder gar Müll zu transformieren und für neue Zwecke zu verwenden. Dieser Gedanke, der auch hinter dem neuen Buch von Cornelia Landschützer steckt, hat mir unheimlich gut gefallen. Keine Frage, dass ich „Uplettering – Upcycling für Lettering Lovers“ als Freund des Hobbies Handlettering unbedingt lesen und erste Projekte nachmachen wollte.

Ohne jede didaktische Überfrachtung ist das Buch mit einem Vorlagenkatalog, Projekten, die leicht umzusetzen sind und einer leicht verständlichen Anleitung auch für Anfänger geeignet.

Die Autorin verwendet für ihre Projekte fast ausschließlich Materialien, die in jedem Haushalt zu finden sind. Sie setzt bei ihren Werken häufig gewöhnliche Alltagsgegenstände durch ungewöhnliche Anordnungen in neue Zusammenhänge. Das Vorwort motiviert den Leser, praxisorientiert, flexibel und praktikabel bei der Materialauswahl vorzugehen. Endlich einmal ein Buch, das hilft, den Geldbeutel zu schonen, und zugleich herzeigbare Ergebnisse verspricht.

Neben den Projekten haben mir auch die zusätzlichen Tipps der Autorin sehr gefallen. Das Lösen von Kleberesten nach dem Entfernen eines Etikettes auf einem gesäuberten Marmeladenglases hat mich schon oft einige Nerven gekostet. Cornelia Landschützer weiß hier Rat. Auch hat sich bei mir aufgrund einiger vergangener Trends mittlerweile ein ansehnliches Stiftearsenal angehäuft. Die Autorin regt ganz nebenbei dazu an, diese Stifte wieder hervorzuholen und damit zu arbeiten.

Kurzum: Cornelia Landschützer zeigt mit großer Fantasie und Kunstfertigkeit in ihrem neuesten Buch wie aus alten, liebgewonnenen Dingen hochwertige und einzigartige Einrichtungs-Accessoires werden.

Für mich ist „Uplettering – Upcycling für Lettering Lovers“ ein Buch, das schon längst hätte geschrieben werden sollen und das ich vollumfänglich weiterempfehlen kann.

Veröffentlicht am 09.01.2020

Keine leichte Lektüre

All die Finsternis inmitten der Sterne
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Inhalt:

Als Wavy zu ihrer Tante kommt, hat sie nicht mehr als eine Plastiktüte bei sich. Sie trägt ein Männerunterhemd, spricht keinen einzigen Ton und isst nicht einen Happen. Gemeinsam mit ihrer Cousine ...

Inhalt:

Als Wavy zu ihrer Tante kommt, hat sie nicht mehr als eine Plastiktüte bei sich. Sie trägt ein Männerunterhemd, spricht keinen einzigen Ton und isst nicht einen Happen. Gemeinsam mit ihrer Cousine Amy teilt sie sich ein Zimmer. Amy gelingt es leidlich einen Zugang zu Wavy zu finden. In einer der Nächte beginnt das stille Mädchen zu sprechen. Sie berichtet von Sternenbildern.

Doch während Amys Bewunderung für die merkwürdige Cousine wächst, verzweifeln ihre Pflegeeltern immer mehr an dem Kind. Wavy wird dabei ertappt, wie sie aus dem Mülleimer isst, sie trennt die Nähte jedes neugekauften Kleides auf. Als sie Ärger dafür bekommt, widmet sie sich den Nähten der Vorhänge. Alles eskaliert, als Wavys kleines Geheimnis auffliegt. Nachts schleicht sie sich, seit neuestem auch in Begleitung von Amy, aus dem Hause. Sie dringt in fremde Wohnungen ein, klaut und versteckt dort Gegenstände.

Amys Eltern fühlen sich mit dem seltsamen Kind überfordert. Sie haben Angst, dass die eigenen Kinder dessen Verhalten adaptieren. Eine Trennung ist daher unausweichlich. Zurück zu den Eltern kann das Mädchen nicht. Denn beide befinden sich wegen Drogenhandels im Gefängnis. Auch eine Pflegefamilie ist keine Option. Das verhaltensauffällige Kind würde vermutlich von einer Familie zur nächsten weitergegeben werden. Für Wavys Großmutter ist klar, dass sie sich um die Enkelin kümmern wird. Wavy bleiben weitere Schicksalsschläge nicht erspart. Das „normale“ Leben, die Leichtigkeit des Alltags, kommt Wavy schnell wieder durch eine Krebserkrankung der Großmutter abhanden. Die Großmutter musste eine Entscheidung treffen, was mit ihrer Enkelin passieren sollte. Sie traf die einzige Entscheidung, die ihr halbwegs sinnvoll erschien: Wavy sollte zurück zu ihren Eltern, die jüngst aus dem Gefängnis entlassen worden sind. Damit ist Wavy zwar noch nicht am Tiefpunkt angelangt, aber auf dem besten Weg dahin.



Im Detail:

Mit Wavy stimmt etwas ganz gewaltig nicht. Das Kind ist traumatisiert, unentwickelt, verantwortungslos, unsicher, verängstigt und ungeregelt. Sie ist eine Geisel ihrer Vergangenheit.
Schon von klein auf wurde Wavy von ihrer drogenabhängigen Mutter eingetrichtert, dass sie schmutzig ist. Die Mutter selbst litt unter einem sehr starken Sauberkeits-/Hygienewahn.

Wavys Vater Liam hingegen war ein Drogendealer mit einem eigenen Methlabor. Statt die Zeit mit seiner Frau Val zu verbringen, gab er den Don Juan des Trailerparks. Wavy erlebte ihren Vater stets als rücksichtslos, unkontrolliert und gewalttätig.
Ganz allmählich entfaltet sich dem Leser unter beiläufigen Anekdoten das Bild einer schrecklichen Kindheit.

Wavys Großmutter, ja sogar ihre Cousine Amy, zeigten ihr erstmalig menschliche Wärme in einer Welt, in der kein Charakter frei von Makeln schien.

Mit dem Rausschmiss der Tante und dem Verlust der Großmutter, musste Wavy sich also eingestehen, dass sie wieder da gelandet war, wo sie angefangen hatte. Dass das Leben eben keine Gnade zeigt und dass jeder für sein eigenes Überleben verantwortlich ist.

Und dann schlug das Schicksal erneut zu. Eines Tages verunglückte ein „Kollege“ ihres Vaters auf der Straße mit dem Motorrad. Wavy war gezwungen Hilfe zu holen und das war der Zeitpunkt, als sich Kellen und Amy das erste Mal begegneten.

Kellen war gut 10 Jahre älter als Wavy. Optisch nicht gerade ansprechend, mit dickem Bauch, verdreckter Kleidung und einem Goldzahn im Mund. Doch mit einem großen Herz in der Brust wurde Kellen schon bald zu Wavys Vertrautem. Kellen sorgte sich im Gegensatz zu Wavys Eltern und ihrem Umfeld um das Mädchen, das gelernt hatte, selbstständig den Haushalt zu schmeißen, der Mutter in den „schlimmen Phasen“ aus dem Weg zu gehen und irgendwie zu überleben. Er brachte sie zur Schule, hörte sich das an, was die Lehrer über das seltsame Mädchen zu sagen hatten und half ihr, wenn zu Hause die Welt einzustürzen schien. Er rettete sie vor den gewalttätigen Eltern und schenkte ihr ein paar Momente für die es sich zu Leben lohnt.

Die Bindung zwischen Kellen und Wavy wuchs über die Zeit hinweg. Ich hätte mir gewünscht, dass es bei einer engen Freundschaft bleiben würde. Doch, wie auch das Leben selbst, ist auch der Roman sehr unberechenbar gewesen.

Bryn Greenwood schreibt mit "All der Finsternis inmitten der Sterne" eine Geschichte, die zutiefst berührt. Es ist ein Buch über Freundschaft, es ist eine Geschichte über eine Liebe, die nicht sein darf und sollte. Der Leser wird gezwungen sich mit unbequemen Fragen auseinanderzusetzen. Was wünscht man sich für dieses Mädchen? Wer ist in diesem Buch Opfer, wer ist Täter?

Es ist keine Geschichte für Leute mit dünner Haut und schwachen Nerven. Das Buch ist Literatur, die wirklich weh tut und die man, wenn man schwache Nerven hat, nicht länger als fünf Minuten erträgt.



Fazit:

Bryn Greenwood erzählt vom Schicksal in schlimmer Gestalt. Die Protagonistin muss eine ganze Reihe von Schicksalsschlägen bewältigen. Eine Dosierung scheint zwingend, denn der Leser stößt bald an Grenzen der Belastbarkeit.

Irgendwann stellt man sich die Frage: Gibt es einen Hoffnungsschimmer? Nur an wenigen Stellen werfen kleine Highlights einen gnädigen Schleier über die alltägliche Trostlosigkeit, die Wavys Leben dominiert. Und genau darin liegt der innere Antrieb, den Roman nicht beiseite zu legen, weiter zu suchen nach dem Sonnenstrahl, der das Elend durchbricht.



Buchzitate:

Ich hattte die Hand schon am Türknauf und war halb draußen, da ließ mich das Durcheinander in der Küche innehalten. Lebte das kleine Mädchen in diesem Dreck?

Ich fuhr mit dem Gefühl davon, sie am Tor zur Hölle abgesetzt zu haben.

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Veröffentlicht am 09.01.2020

Humorvolle Märchenadaption

Aschenkindel
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Inhalt:

Claerie Farnflee erhält eine Einladung zum Ball des Kronprinzen. Die verweichlichten Männer am Hofe stellt sie gerne an den Pranger und fordert von einem potentiellen Heiratskandidaten mehr Testosteron. ...


Inhalt:

Claerie Farnflee erhält eine Einladung zum Ball des Kronprinzen. Die verweichlichten Männer am Hofe stellt sie gerne an den Pranger und fordert von einem potentiellen Heiratskandidaten mehr Testosteron. Der Prinz, der als Achtjähriger bei einer Geburtstagsparty wegen der Farbe seines Tortengusses zu weinen angefangen hatte, kommt da nicht in Frage. Auch stört eine Krone doch nur beim Fliegen, Reiten und Laufen. Nein, Claerie möchte lieber daheim bleiben. Doch ihre dilettantische Fee hat ganz andere Pläne. Ein Kleid, wenn auch viel zu groß, ist bereits organisiert. Mit einer List vermittelt sie Claerie galante und geschliffene Umgangsformen.

An einem Tag geht Claerie, die von ihrer Stiefmutter die Rolle der Haussklavin zugedacht bekommen hat, in den Wald, um Morchel für das Abendbrot zu sammeln. An diesem Tag ist sie froh, den Diskussionen über Ballkleider und Diäten zu entkommen und trifft auf einer Lichtung auf ein Pferd.. Kurze Zeit später befindet sich das Mädchen in dem Würgegriff eines gar nicht so unansehnliches Mannes. Doch wer ist der Mann, der ihr im Wald nachstellte und sie dann überwältigen konnte?

Der Mann stellt sich als Kammerdiener des Prinzen vor. Claerie schafft es nicht, Herzklopfen und Schmetterlinge im Bauch zu verleugnen. Vielleicht wäre ein Besuch auf dem Ball doch gar keine so schlechte Idee?



Im Detail:

Nach dem Tod des Vaters und der leiblichen Mutter muss sich die selbstbewusste Claerie mit ihrer Stiefmutter und deren zwei Töchtern Etzi und Kanickla herumschlagen, die ihre Mitbewohnerin seither als kostengünstige Haushaltshilfe missbrauchen. Als wäre das nicht schon schlimm genug, hat Claerie auch noch wenige Tage vor ihrem dreizehnten Geburtstag eine Fee aufgedrückt bekommen, die mit ihren schlechten Noten fast durch die Feenprüfung gefallen wäre. Alles was sie so treibt gehört zu der Kategorie „gut gemeint, aber nicht gut gemacht“.

Als der Kronprinz, der Claerie mit einem Vorfall auf einem Kindergeburtstag in unliebsamer Erinnerung geblieben ist, zum Ball ruft, ist das ganze Land in Aufruhr. Jedes heiratsfähige Mädchen besorgt sich ein hübsches Kleid. Das Liebes-, Eifersuchts- und Heiratskarussell nimmt Fahrt auf. Claeries Fee unternimmt alles, um ihr Mündel für dieses Event zu begeistern, doch hat sie damit eher mäßigen Erfolg.

Als die Stiefmutter Claerie auffordert in den düsteren Wald zu gehen, um dort Morchel für eine Suppe zu sammeln, ist diese gerne gewillt, das Haus zu verlassen, in dem sich derzeit alles um Diäten für die ältere Schwester und die Ballkleidsuche zu drehen scheint. Im Wald jedoch soll es vor Vampiren nur so wimmeln. Umso überraschter ist Claerie, als sie auf ein Pferd mitten auf der Lichtung trifft. Weit und breit ist der Besitzer nicht zu erblicken. Wer ist nur so dämlich, so schießt es Claerie in den Kopf, sein Tier an diesem Ort alleine zu lassen. Doch gerade, als das Mädchen das Pferd beruhigen möchte, bekommt sie mit einem Schlag auf den Kopf.

Der junge Mann, in dessen Würgegriff sie erwacht, stellt sich auf Nachfrage als der Kammerdiener des Prinzen vor. Die Antwort kam erst nach reiflicher Überlegung. Claerie ist niemand, der sich so schnell hinters Licht führen lässt. Sie ist skeptisch und klug und zugleich auch nicht auf den Mund gefallen. Ihre Neugierde für den vermeintlichen Kammerdiener ist geweckt.

Claerie flüchtet sich aus ihrem beschwerlichen Alltag oft in einen fröhlichen Zynismus. Die Autorin entfaltet ihren Ideenreichtum in ihren Figuren: So lebt in dem Haushalt der Protagonistin beispielsweise auch ein Frettchen namens Natascha und der dicke Kater der Stiefmutter namens Gworrokko. Während letzterer immer nur ans Essen denkt, führt das Frettchen auch gerne mal einen Spontanangriff auf die Fee durch.


Fazit:

Aschenkindel – Das wahre Märchen versucht das klassische Märchen Aschenputtel mit einer ordentlichen Portion Humor und Kreativität neu zu erzählen. Und das gelingt.
Viele interessante neue Ideen, aber auch einige überraschende Wendungen sorgen für einen durchweg fesselnden Roman. Oft stößt man auf ein schönes Bonmot, schlagfertige Oneliner sind fast auf jeder Seite zu finden.

Mir hat Aschenkindel – Das wahre Märchen einige kurzweilige Lesestunden bereitet. Ich kann dieses Buch von ganzem Herzen weiterempfehlen.



Buchzitate:

Mittlerweile weiß ich, dass meine Fee hundsmiserable Zeugnisse auf der Feen-Akademie bekommen hat und ihr das Auswahl-Gremium rein gar nichts zutraute. Fast wäre sie leer ausgegangen, so ganz ohne Mündel. Doch dann haben sie mich ausgegraben.

„Ja, Mondgesicht“, sagte er. „Du bist blas, lumpig und struppig und hast dich an mein Pferd gedrückt! Ich dachte, du willst es beißen, da musste ich schnell handeln.“

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Veröffentlicht am 09.01.2020

Ein kleines Meisterwerk

Die Geheimnisse der Welt
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Inhalt:

Mit dem Tod von Michaels Großvater hat sich in seiner Familie einiges verändert. Er sieht seine Großmutter ständig weinen. Letztendlich kommt es zu einer Familienzusammenführung unter dem Dach ...

Inhalt:

Mit dem Tod von Michaels Großvater hat sich in seiner Familie einiges verändert. Er sieht seine Großmutter ständig weinen. Letztendlich kommt es zu einer Familienzusammenführung unter dem Dach seiner Eltern und Granny zieht ein. Mutter-Tochter-Beziehungen gelten zuweilen als problematisch, hier profitieren jedoch beide von der familiären Wiedervereinigung.

Michaels Heim bleibt jedoch eine Konfliktzone. Streit gibt es häufig. Michaels Vater ist weder einem sinnlosem Streit noch dem Alkohol abgeneigt. Die vier sind eine "schrecklich" normale Familie.

Doch dann kommt es zu dem Tag, der offensichtlich eine Zäsur in seinem Leben markiert. Einem Tag, an dem seine Mutter nach einem Spaziergang durch den Park weinend heimkommt. Alle weinen. Nur Michael nicht, der gar nicht versteht, was überhaupt passiert ist.

Nach und nach bekommt Michael Wortfetzen aus Gesprächen mit. Er erfährt, dass Ma einem Exhibitionisten begegnet sein soll. Die Antwort auf die Frage, was ein Exhibitionist ist, muss sich Michael hart erkämpfen. Ein Exhibitionist sei ein Mann, der anderen seinen Schniepel zeigt, wird er beschieden. Michael zweifelt die Geschichte jedoch zunehmend an.



Im Detail:

Nach dem Vorfall, den seine Mutter im Park erlitten hat, spürt Michael, dass sich alles verändert hat. Jeder in der Familie scheint ein Geheimnis zu haben. Sicherlich ist es nicht schön, einem Exhibitionisten zu begegnen. Aber rechtfertigt es das distanzierte Verhalten der Mutter, die ständige Traurigkeit und unterschwellige Aggression, die diese umgibt?

Michael versucht weitere Gespräche von Pa, Granny und Ma aufzuschnappen. Er lauscht an Türen und stellt Fragen. Doch keiner will ihm etwas verraten. Stattdessen beschwören Granny, Pa und Ma ihren Sohn, dass er niemandem etwas von dem Vorfall und von all dem, was fortan in der Familie gesagt und getan wird, verraten solle. Als Granny und Pa andeuten, dass Ma zur Polizei gehen solle, wird diese wütend. Auf keinen Fall wird sie das tun. Die Nachbarn würden schlecht über sie reden. Michael versteht die Welt nicht mehr. Jemand, der so böse ist wie der Exhibitionist, muss doch bestraft werden. Findet jedenfalls Michael.



Eigene Meinung:

Lisa O' Donnell erzählt aus der Sicht des 11-jährigen Michael die Geschichte einer Familie, die auf einer kleinen schottischen Insel lebt. Auf dieser scheint viel piefig, unerträglich und provinziell. Jeder steht im Licht der Öffentlichkeit – eine Privatsphäre bleibt meist verwehrt.

Während der Vater nach den Geschehnissen immer netter und umgänglicher wird, kapselt sich die Mutter immer weiter von der Familie ab. Nur Granny verhält sich wie immer. Ihr Essen schmeckt grässlich und sie schimpft mit Michael, wenn sie ihn beim heimlichen Belauschen der Gespräche erwischt oder wenn er schlimme Worte in den Mund nimmt.

Geschickt lässt die Autorin die Gedanken der Erwachsenen in ihre Geschichte einfließen. Der Leser schaut in die Psyche der Personen, deren Leben unter Druck steht.

Die Familienmitglieder werden zu Experten im Improvisieren und Sich-Durchwursteln. Aber dadurch, dass sie der Mutter bestmöglich zu helfen versuchen, vernachlässigen sie zugleich den heranwachsenden Jungen. Sie verlangen von Michael, dass er ein Geheimnis hüten soll, das er selbst aber noch gar nicht richtig begreifen kann, weil ihm ein wichtiges Detail in der Geschichte zu fehlen scheint.

Michael selbst versucht sich der Situation anzupassen. Natürlich möchte er die beste Freundin der Mutter beschützen, als diese beschließt, durch den Park nach Haus zu gehen. Schließlich soll sie ja nicht auch diesem bösen Exhibitionisten begegnen. Die Familie droht für immer im Abgrund des Geheimnisses zu versinken.



Fazit:

Lisa O' Donnell schreibt mit „Die Geheimnisse der Welt“ eine Reportage aus dem Inneren einer Katastrophe. Ein kleines Meisterwerk. Die Bewohner der kleinen schottischen Insel, auf der diese Geschichte spielt, haben sich der zwanghaften Einhaltung einer repressiven Moral verschrieben.

Der 11-jährige Protagonist des Buches, Michael, kann sich kaum noch eine Kindheit erlauben.
Er trägt schwer an diesem Geheimnis, das direkt in den Abgrund der Geschichte führt, und alle Figuren überfordert.

Für mich ist dieses Buch – wie gesagt - ein kleines Meisterwerk. Lisa O' Donnell gelingt es, einen unglaublichen Facettenreichtum in ihrer Geschichte zu zeigen, was so beklemmend wie beeindruckend nachwirkt.

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