Düsterer und spannender Roman
The Hurting Inhalt:
Seit ihrem Umzug von Manchester nach Norwegen fühlt sich Nell einsam. Ihr Leben wird durch die Pflege ihrer an Leukämie erkrankten Schwester Harper komplett absorbiert. Lediglich der Kontakt ...
Inhalt:
Seit ihrem Umzug von Manchester nach Norwegen fühlt sich Nell einsam. Ihr Leben wird durch die Pflege ihrer an Leukämie erkrankten Schwester Harper komplett absorbiert. Lediglich der Kontakt zu ihrem besten Freund Dom, der in England verblieben ist, hält sie aufrecht. Mit Engelszungen redet Dom auf Nell ein. Sie soll ihren Traum wahrmachen und mit ihren selbstgeschriebenen Songs ins Flugzeug steigen, um an einem großen Wettbewerb in ihrer vormaligen Heimatsstadt teilzunehmen. Wie gerne würde Nell auf Dom hören. Doch nachdem ihre Mutter die Familie verlassen hat, flüchtet sich der Vater in den Alkohol und einen fanatischen Glauben.
Nachdem Nells Vater ihr die Teilnahme am Wettbewerb verboten hat, bleibt Nell nur noch ein Weg. Sie schleicht sich davon. Doch ihre Reise findet ein jähes Ende, als sie in einem Kaufhaus mit einer Packung Lachs in der Tasche erwischt wird. Nell ist sich sicher, dass sie zwar an den Fisch gedacht, ihn aber nicht geklaut hat. Doch wie konnte das passieren? Als kurz darauf ein Junge Fotos von ihr macht, bekommt sie Panik. Der Diebstahl ist in den Medien! Ihr Vater wird fuchsteufelswild sein. Die Kaufhausdetektivin lässt ebenfalls nicht mit sich reden. Doch plötzlich ertönt ein Feueralarm und der Junge mit dem Fotoapparat steht an ihrer Seite und rettet sie. Er möchte ihr helfen, den Flieger nach England noch rechtzeitig zu erreichen.
Lukas, so sein Name, hat all das, was Nell fehlt. Er hat keine Angst, er stellt sich den Hürden des Lebens, ohne mit der Wimper zu zucken. Er zeigt ihr, dass alles möglich ist. Nell hat vielleicht nie an Liebe auf den ersten Blick geglaubt. Doch plötzlich scheint es sie eiskalt erwischt zu haben. Kurze Zeit später findet sich Nell mit Lukas an ihrer Seite und einem Baby im Arm mitten in den Wäldern Norwegens wieder. Wie konnte es dazu kommen und wer ist dieser Junge an ihrer Seite überhaupt, in dessen Nähe sie sich so lebendig und zugleich auch so verletzlich fühlt?
Im Detail:
Seitdem Nells Mutter die Familie für einen anderen Mann verlassen und ihre Schwester Harper an Leukämie erkrankt ist, ist Nells Leben auf den Kopf gestellt. Der Vater verliert sich im Alkohol und im Glauben. Seine Trauer lässt die Menschen seiner Umgebung fast an ihm verzweifeln.
Seine ganze Liebe richtet er auf die kranke Tochter, für Nell bleibt nur noch die Wut und die Trauer, die er in seinem Herzen trägt. Auch Harper lässt ihren Frust Tag für Tag an Nell aus. Beim Verabreichen der Spritzen kneift sie ihre Schwester so sehr, dass diese blaue Flecken bekommt. Immer wieder verrät sie Nells kleinen Geheimnisse an den Vater, um darauf zuzusehen, wie dieser die Schwester bestraft. Doch Nell bleibt an der Seite ihrer Familie. Bis zu diesem einen Tag.
Es scheint kaum verwunderlich, dass sich Nell kurze Zeit später Hals über Kopf in einen Jungen verliebt, einen Silberstreifen am Horizont, ein Schlupfloch für ihre Misere. Lukas ist für Nell da, wenn sie ihn am dringensten braucht. Als Lukas Nell dann um einen Gefallen bittet, zögert diese nicht lange. Doch dieser kleine Gefallen ist es, der das Mädchen an den Abgrund führt.
Schon früh im Buch wird dem Leser etwas klar, was Nell durch ihre rosarote Brille noch gar nicht sehen kann und will: Die Dimension der Abgründe, die sich in ihrem neue Freund auftun.
Dieser Abgrund ist es, der schon früh für Gänsehaut sorgt. Nach und nach schafft es Lukas einen Faden um Nell zu spinnen, so dass diese immer mehr in sein Spinnennetz gerät und sich plötzlich in einem Abenteuer wiederfindet, aus dem sie eigentlich nur flüchten möchte.
Das Verhalten von Nells Mitmenschen ist auf einen bisweilen schwer zu ertragenden Egoismus zurückzuführen, der nahe an der Grenze zum Narzismus verläuft. Wut ist hier der Katalysator für eine unschöne Charakterentwicklung.
Es gibt auch noch ein kleines Baby, das eine große Rolle in dieser Geschichte spielt. Auch Lille Ulf ist nicht nur niedlich und zuckersüß. Ganz im Gegenteil: Er schreit, er stinkt und er fordert das, was ihm zusteht. Doch Lille Ulf zeigt, dass es immer zwei Seiten der Medaille gibt: So sehr Nell dieses Kind verflucht, so sehr sie sich von ihm distanzieren möchte, so sehr wächst es ihr auch bald ans Herz.
Mit der Rolle des Babies in der Geschichte ist Lucy van Smit ein großer Wurf gelungen. Das liegt vor allem daran, dass die Figur nicht nur echter Charakter, sondern mehr eine leere Projektionsfläche für alle ist, die sich um ihn herumbewegen. Lille Ulf spiegelt mit seiner Impulsgesteuertheit, mit der Art wie er darauf drängt, dass seine Bedürfnisse erfüllt, Charakterzüge der anderen Figuren wieder.
Fazit:
Lucy van Smit schafft mit „The Hurting“ einen düsteren, durchweg spannenden Roman. Handwerklich gekonnt beschwört die Autorin unheimliche, rätselhafte düstere Bilder. Als Hauptcharakter fungiert ein Mädchen, das einfach immer nur an die falschen Menschen zu geraten scheint. Anstatt am Leben zu zerbrechen, gelingt es Nell jedoch, sich voranzukämpfen. Ihre Opferbereitschaft kennt kein Ende. Eine Opferbereitschaft für Menschen, die unwürdig scheinen und ihre Liebe wohl nicht verdienen. Ihre Liebe scheint aber eine Gnade, ja ein Geschenk zu sein.
Wer das Buch liest, möchte nicht mehr darauf verzichten, zu lieben und geliebt zu werden.
Buchzitate:
Er lacht über ihr Temperament, wirft das Messingfeuerzeug in die Luft und ist gespannt, auf welcher Seite es landet. Kopf, ich rette sie – Zahl, ich lasse es bleiben. Die Seite mit dem Wolfskratzer liegt oben. Zahl.