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Veröffentlicht am 17.03.2024

Eiertanz

Kosakenberg
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Eine Frau hat es geschafft - aus dem Dorf ihrer Kindheit nach London, wo sie nun lebt und arbeitet. Die Besuche in der mecklenburgischen Provinz zeugen vom harten Kontrast zwischen Landleben und Weltstadt.
Unaufgeregt ...

Eine Frau hat es geschafft - aus dem Dorf ihrer Kindheit nach London, wo sie nun lebt und arbeitet. Die Besuche in der mecklenburgischen Provinz zeugen vom harten Kontrast zwischen Landleben und Weltstadt.
Unaufgeregt berichtet die Ich-Erzählerin, wie viele weggingen - die einzig logische Konsequenz, wenn man etwas werden wollte. Die Zurückgebliebenen arbeiten an der Tankstelle oder verkaufen Eier. Letzteren wird ein ganzes Kapitel gewidmet, in dem, mal bezeichnend, mal leicht übertrieben, die Bedeutung dieses Naturprodukts hervorgehoben wird. „Zehn Eier steckten in der Packung. Sie hatten die weite Reise von Kosakenberg nach London, tausend Kilometer, überstanden.“
Ich kann gut verstehen, dass sich die Protagonistin für ihre Entscheidung, den Ort zu verlassen, nicht verurteilen lassen will. Doch ihre Art, wie sie Selbiges mit ihren Freunden von damals tut, weil sie noch dort sind, hat etwas Herablassendes, was sie nicht sympathisch erscheinen lässt.
Gut gefallen haben mir die Rückblicke in die DDR-Vergangenheit und in das Familienleben, die sehr gut die Wehmut widerspiegeln, die mit einer Heimkehr verbunden ist. Denn auch wenn wir uns abgewandt haben, können wir unsere Herkunft nicht verleugnen.

Veröffentlicht am 13.03.2024

Familienzwist

Ein falsches Wort
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Die Geschwister streiten sich um das Erbe, während die Ich-Erzählerin ihr zusätzliches Päckchen zu tragen hat, weil sie sich bereits vor langer Zeit von ihren Eltern abgewandt hat. “Ich hatte ihr erklärt, ...

Die Geschwister streiten sich um das Erbe, während die Ich-Erzählerin ihr zusätzliches Päckchen zu tragen hat, weil sie sich bereits vor langer Zeit von ihren Eltern abgewandt hat. “Ich hatte ihr erklärt, dass es mich krank machte, mit Mutter und Vater zusammen zu sein. Sie zu treffen und so zu tun, als sei nichts geschehen, wäre Verrat an mir selbst und an allem, wofür ich stehe, es war unmöglich, ich hatte es doch versucht!”
Das Thema eines Konflikts zwischen Eltern und Tochter hat die Autorin ebenfalls in “Die Wahrheiten meiner Mutter” verarbeitet, und es passiert hier auf eine ähnliche Weise und eindringliche Art. Die Hauptfigur ist wie gefangen in einer Endlosschleife, in der sie sich immer wieder mit Vorfällen aus der Vergangenheit und ihrer Entscheidung des Abstandnehmens auseinandersetzt.
Die Dynamik zwischen den Geschwistern ist neu (wenn man mit dem vorigen Buch vergleicht) und spannend, weil sich Parteien bilden, die auf ihren Standpunkten beharren. Auch wenn die Wiederholung der Diskussion um das Erbe auf Dauer mitunter ermüdet, zeigt sie doch, was in den Köpfen vorgeht und wie schwierig und kleinteilig die Fragen sind.
“Ein falsches Wort” hat mich begeistert, weil es die Last der Situation durch eben jene langwierige Debatte greifbar macht. Die Autorin lässt uns zwischendurch aufatmen, indem sie dem auf mancher Seite nur einen philosophisch-zarten Satz gegenüberstellt. Das Ganze wirkt authentisch und ließ mich mitleiden, und mir ist klar, dass ich weiter nach Vigdis Hjorth Ausschau halten werde, deren Erzählweise einen solchen Sog auf mich ausübt.

Veröffentlicht am 10.03.2024

Essen und Explosionen

Liebe, Tod und viele Kalorien
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„Liebe, Tod und viele Kalorien“ handelt von einer Gruppe von Frauen, die mit unterschiedlichen Herausforderungen des Lebens kämpfen (tote Tante, untreuer Mann…) und die der Zufall zusammenführt. Sie vereint ...

„Liebe, Tod und viele Kalorien“ handelt von einer Gruppe von Frauen, die mit unterschiedlichen Herausforderungen des Lebens kämpfen (tote Tante, untreuer Mann…) und die der Zufall zusammenführt. Sie vereint die Bereitschaft zu Veränderung, aus der eine Freundschaft entsteht.
„Vielleicht lebt man ja viel gesünder, wenn man leicht bösartig ist.“ Die Figuren haben eigene Persönlichkeiten und Charme, da dürfen sie gerne mal über die Stränge schlagen (es gibt explosive Momente). Die turbulente Mischung spiegelt sich sprachlich in einem Mix aus Rheinländisch, Niederländisch und Französisch wider. Zentraler Handlungsort ist ein Gasthof, insofern kommen auch kulinarische Beschreibungen nicht zu kurz.
Es mag in der Natur der Sache liegen, dass in einem solchen „Wohlfühlroman“ einige Dinge vorhersehbar sind oder etwas dick aufgetragen werden, und doch habe ich ihn gerne gelesen. Es wurde bereits auf den ersten Seiten klar, wie viel Seele die Autorin in die Geschichte gesteckt und dass sie diese sprachlich ansprechend verpackt hat. Es fiel mir leicht, mich in die Protagonistinnen hineinzuversetzen; es fühlte sich an, als würde eine gute Freundin aus ihrem Leben berichten. Da ist es naheliegend, dass der Stoff verfilmt und so weiter verbreitet wurde.

Veröffentlicht am 06.03.2024

Und das Meer murmelt dazu

Der Verwechsling
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Auf einer Insel in einem abgelegenen Haus lebt ein altes Paar, das eines Tages einen kleinen Jungen findet und bei sich aufnimmt. Der neue Mitbewohner spricht zwar nicht, aber sie leben wie eine Familie ...

Auf einer Insel in einem abgelegenen Haus lebt ein altes Paar, das eines Tages einen kleinen Jungen findet und bei sich aufnimmt. Der neue Mitbewohner spricht zwar nicht, aber sie leben wie eine Familie zusammen, bis…, ja bis…
“Da unten rauschte, brauste, brodelte und tobte, brüllte und murmelte das Meer. Deshalb Murmelpfad.” Mir gefielen die poetischen Umschreibungen des Umfelds, doch dann tauchen Begriffe wie „Löschweiher“ oder „Grassoden“ auf, die im märchenhaften Handlungsraum deplatziert wirken und noch nicht mal unbedingt jedem Erwachsenen geläufig sind. Auch die Andeutung der skandinavischen Sagenwelt und das abrupte Ende sind für Kinder womöglich schwer verständlich.
Die Geschichte selbst ist gut aufgebaut, lässt sich doch die familiäre Atmosphäre und das Rätsel über die Herkunft des Findlings gut nachempfinden. Der schlagende Anreiz schließlich, trotz kleiner inhaltlicher Schwächen zu diesem Buch zu greifen, sind die wunderbaren Illustrationen von Emilia Dziubak, die, ganzseitig und textbegleitend, die Stimmung wirkungsvoll einfangen.

Veröffentlicht am 25.02.2024

Früher Freunde

Geordnete Verhältnisse
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Faina und Philipp kennen sich seit ihrer Kindheit, als sie als Migrantin nach Deutschland kommt und er sich ihrer annimmt. Jahre später taucht sie wieder bei ihm auf, braucht seine Hilfe. „Ich habe ihn ...

Faina und Philipp kennen sich seit ihrer Kindheit, als sie als Migrantin nach Deutschland kommt und er sich ihrer annimmt. Jahre später taucht sie wieder bei ihm auf, braucht seine Hilfe. „Ich habe ihn vermisst. Seine brutale Ehrlichkeit, seine kindliche Sturheit, seine seltsame Art. Er ist schon etwas Besonderes. Keine Ahnung, warum das früher außer mir niemand wahrzunehmen schien.“
Wir erleben ihre gemeinsame Geschichte aus beiden Blickwinkeln von der ersten zarten freundschaftlichen Annäherung bis zu haarsträubenden Situationen, die kaum zu erwarten sind. Und das ist das Besondere dieses Romans.
Die schnörkellose Erzählweise macht es leicht, mit den Protagonisten mitzufühlen. Anfangs zeichnet die Autorin ein Bild von zwei Kindern, die ihre Probleme haben und im Miteinander aufgehen und wachsen.
Schließlich entwickelt sich eine Obsession, die ich während des Lesens nur schwer ertragen konnte. Ich ergriff Partei für das Opfer, fieberte einem guten Ausgang entgegen und erreichte atemlos das Ende. Lana Lux spielt gekonnt mit den Facetten der menschlichen Psyche und versteht es, mit ihrer Unverblümtheit zu verblüffen.