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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.09.2023

Gegen das Verschwinden

Hinter der Hecke die Welt
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Die Mutter ist als Forscherin in der Arktis, während die Tochter in einem Dorf weilt. Beide Orte könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch sind sie sich ähnlich, schließlich ist jeder auf seine Art ...

Die Mutter ist als Forscherin in der Arktis, während die Tochter in einem Dorf weilt. Beide Orte könnten unterschiedlicher nicht sein, und doch sind sie sich ähnlich, schließlich ist jeder auf seine Art vom Verschwinden bedroht.
„Hinter der Hecke die Welt“ ist kein Buch, dessen Handlung sich leicht zusammenfassen lässt. Wir erleben Fragmente aus dem Alltag in zwei Welten und wie die Bewohner sie wahrnehmen. So gibt es Journalisten, die das Forscherteam besuchen, oder Dorfbewohner, die auf das Mädchen aufpassen.
Omnipräsent ist der Wunsch, das Dorf attraktiver für Touristen zu machen. „Das Schrumpfen beschäftigte die Leute im Dorf im Allgemeinen. Im Allgemeinen hatten sie Angst vor dem Verschwinden.“ Dem steht eine Auflistung verschwundener Dinge und Personen gegenüber. Das ist wenig greifbar, wie „drei Fische aus dem Teich“, denn wer will diese schon gezählt haben. Aber trotz solcher Skurrilitäten wird eine Dringlichkeit geschaffen, die mit den Figuren mitfühlen lässt.
Auch wenn ich mich zwischendurch gefragt habe, ob ich ohne einen logisch nachvollziehbaren Handlungsstrang glücklich würde, hat das Buch einen Sog auf mich entwickelt. Die Bedrohungen der heutigen Zeit werden subtil vermittelt, mit kleinen Zeichnungen versehen und poetisch in Worte verpackt. Ich habe mich in der besonderen Atmosphäre des Romans sehr wohlgefühlt.

Veröffentlicht am 08.09.2023

Persönliche Ermittlungen

Wilde Jagd
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Quintus kehrt ins Haus seiner Eltern zurück. Beim Spaziergang mit dem Hund seiner Tochter lernt er eine Altenpflegerin kennen, mit der er sich anfreundet. Sie bittet ihn schließlich um Hilfe bei der Suche ...

Quintus kehrt ins Haus seiner Eltern zurück. Beim Spaziergang mit dem Hund seiner Tochter lernt er eine Altenpflegerin kennen, mit der er sich anfreundet. Sie bittet ihn schließlich um Hilfe bei der Suche nach ihrer Schwester.
Der Protagonist ist selbst nicht mit Glück gesegnet und fasst seine Lage treffend zusammen: „Meine Frau ist weg, meine Tochter redet nicht mehr mit mir, mein Haus bricht zusammen, und ich stinke aus jeder Pore nach Alkohol.“ Nach der Erkenntnis und dem Leiden kommt der Tatendrang. So führt der Heimatbesuch zu einigen Begegnungen, bei denen er alte Bekannte neu kennenlernt.
René Freund findet die treffenden Worte, um seine Figuren zum Leben zu erwecken. Doch dieser Roman ist anders als seine früheren Werke. Mir drängte sich immer wieder der Gedanke an das Genre Cosy Crime auf, wo unbedarfte Zivilisten versuchen, ein Verbrechen aufzuklären. Das wirkte im Verlauf und von der Auflösung her jedoch derart konstruiert, dass es an Glaubwürdigkeit verlor. Insofern fiel es mir schwer, mich auf das Buch einzulassen und die netten Details (wie den Namen des Hundes „Machtnix“) ausreichend zu schätzen.

Veröffentlicht am 04.09.2023

Die Liste

Kleine Probleme
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Es ist der letzte Tag des Jahres, und der Ich-Erzähler will noch einiges schaffen. Also macht er eine Liste mit Tätigkeiten, die bis Mitternacht erledigt sein sollen. „Die meisten meiner guten Taten muss ...

Es ist der letzte Tag des Jahres, und der Ich-Erzähler will noch einiges schaffen. Also macht er eine Liste mit Tätigkeiten, die bis Mitternacht erledigt sein sollen. „Die meisten meiner guten Taten muss ich noch vollbringen, ich muss noch schnell mein Potenzial ausschöpfen, ich muss noch dieses was in aus dem wird mal was werden, ich muss so vieles noch erledigen, Dringendes, Unangenehmes, eigentlich Schönes, ein paar Lappalien, sehr viel Entscheidendes, diesen ganzen Kram, dieses ganze Alles, dieses einzige Leben.“
Jedes Kapitel ist einer von dreizehn Aufgaben gewidmet; vom Putzen des Hauses bis zum Vollbringen des Lebenswerks erleben wir einen abwechslungsreichen 31. Dezember. Und schnell wird klar, warum dem Protagonisten dafür so wenig Zeit zur Verfügung steht. Er ist ein Meister der Prokrastination und will es nun allen beweisen.
Aus seiner Perspektive lässt er uns an seinen Kämpfen teilhaben und mitfühlen. Die Erfahrungen reichen von schmerzhaft über philosophisch bis hin zu saukomisch. Anhand obiger Kostprobe wird deutlich, wie spielerisch die Autorin mit Sprache umgeht, wie sie kleine Nuancen zu einer Sache in einem Satz unterbringt. Wer hätte gedacht, dass das Ausräumen der Spülmaschine für eine Romanfigur und einen Schriftsteller solch eine Rolle spielen könnten? „Kleine Probleme“ war für mich ein unterhaltsamer Lesegenuss.

Veröffentlicht am 02.09.2023

Triester Tagebau

Aussicht auf Mord
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Ein Steinbruch nahe der italienischen Stadt Triest bringt erst antike Goldmünzen und dann frische Leichen zu Tage. Commissario Vossi ermittelt mit seinen Kollegen.
Es war für mich kein Problem, mit diesem ...

Ein Steinbruch nahe der italienischen Stadt Triest bringt erst antike Goldmünzen und dann frische Leichen zu Tage. Commissario Vossi ermittelt mit seinen Kollegen.
Es war für mich kein Problem, mit diesem dritten Band in die Reihe einzusteigen. Die wiederkehrenden Personen werden mit passendem Kontext gut eingeführt. Da ist es eher die Vielzahl der Nebendarsteller, über die es den Überblick zu behalten gilt.
So präsentieren sich zahlreiche Verdächtige, zu denen sich die Ermittler schnell ein Urteil bilden; vorschnell, wie uns als Lesern bereits klar ist. „Ärgerlich nur, dass wir den Mörder zwar kennen und ihm die Tat nachweisen könnten, aber nichts vom Anlass wissen, der dem jahrelangen Hass zum lawinenartigen Durchbruch verholfen hat.“ Auch wenn wir dabei in die Hierarchien der italienischen Polizei eingeführt werden, vermisse ich die realistische Darstellung der Polizeiarbeit.
Von einem Regionalkrimi erwarte ich außerdem, dass lokale Landmarken und Besonderheiten eingebunden werden. Die Stadt selbst habe ich in diesem Roman kaum als solche wahrgenommen, außer ihrer Einbindung in die umliegenden Länder. Immerhin gab es ab und an die Gelegenheit eines Essens mit typischen Gerichten. Italienische Sprache, die für zusätzliche Authentizität gesorgt hätte, wurde kaum verwendet. Vielmehr fand ich die Ausdrucksweise des Autors mitunter etwas sperrig oder schwer verständlich. Die Spannung reichte, um bis zum Ende durchzuhalten und mit einem schlüssigen Ende belohnt zu werden. Für mich war „Aussicht auf Mord“ damit ein durchschnittlicher Kriminalroman.

Veröffentlicht am 27.08.2023

Inselbeobachtungen

Bin das noch ich
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Ein Mann begibt sich auf eine einsame Insel. Er muss den Verlust seiner Fähigkeiten verarbeiten. Er ist Geiger von Beruf. “Er ist nah daran, Mais These zu übernehmen, eine Insel könne einem helfen, wieder ...

Ein Mann begibt sich auf eine einsame Insel. Er muss den Verlust seiner Fähigkeiten verarbeiten. Er ist Geiger von Beruf. “Er ist nah daran, Mais These zu übernehmen, eine Insel könne einem helfen, wieder Herr über sein Leben zu werden, weil sie klar umgrenzt sei und man sich deshalb nicht so winzig vorkomme, trotz des großen Meeres ringsherum.”
So einfach wie die Hütte ist auch der Alltag auf der Insel: Simon beobachtet Seevögel, schreibt seine Gedanken auf, denkt nach. Man merkt, dass er durch und durch Musiker ist, hört er doch überall Tonfolgen, Klänge, die er mit seiner Leidenschaft verbindet. Zum Vogelbeobachter wird er erst dort beim Anblick brütender Möwen.
“Bin das noch ich” ist die Frage, die es zu beantworten gilt. Was bleibt, wenn die Musik geht? Stefan Moster behandelt dieses Thema auf eine feinfühlige Art, die bei seinen Lesern Saiten zum Klingen bringt. Darüber hinaus hätte ich mir gewünscht zu erfahren, wie der Protagonist neben seiner Kontemplation die Umgebung erlebt, dass er auch mal Hunger bekommt oder die Wand anschreit. Der Roman schafft ansonsten eine gelungene Atmosphäre für die Auseinandersetzung mit Musik und Ornithologie.