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Veröffentlicht am 05.01.2023

Bunt und wunderschön wie ein Korallenriff

Korallenträume und Floridaliebe
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Schwebend im warmen Wasser über bunten Korallen tauchen – das ist Julias Traum, den sie sich vor dem Antritt ihrer ersten Stelle als Lehrerin erfüllen will. So lässt sie ihre Heimatstadt Wien mit ihrer ...

Schwebend im warmen Wasser über bunten Korallen tauchen – das ist Julias Traum, den sie sich vor dem Antritt ihrer ersten Stelle als Lehrerin erfüllen will. So lässt sie ihre Heimatstadt Wien mit ihrer Mutter, den Geschwistern und ihrem langjährigen Freund hinter sich und stürzt sich ins Abenteuer. Das beginnt leider mit einem ziemlichen Schock, denn kaum angekommen, macht ihr Freund per Telefon Schluss mit ihr! So hatte sich Julia das nicht vorgestellt. Doch da gibt es Korallen, um deren Aufforstung sich Julia kümmern muss, und ihre Zimmergenossin Allie lässt ihr auch keine Zeit für schlechte Laune, und nicht zuletzt wäre da noch Greg mit den meeresblauen Augen, dessen Drohne im Korallenbecken abstürzt.

Julia ist eine vielschichtige Protagonistin. Weil sie nach dem Tod ihres Vaters für die jüngeren Geschwister sorgen musste, war sie in Wien gefangen in Verantwortung und vorgegebenen Bahnen und erlebt nun in Florida eine regelrechte Befreiung. Eine zuckersüße Liebesgeschichte bildet das Sahnehäubchen auf dem Palatschinken.

Der Roman sorgt beim Lesen für eine ordentliche Portion Fernweh: Landschaft und Menschen, Klima, Musik, Gerüche und Farben sind so lebendig geschildert, dass man sich beim Lesen unwillkürlich auf die Florida Keys versetzt fühlt. Das karibische Lebensgefühl und die Leichtigkeit werden hervorragend vermittelt. Dazu kommen wahnsinnig interessante Schilderungen des Korallenriffs und der Aufforstungsarbeit. Auch weitere Gegenden von Florida lernen wir mit Julia kennen bei einem Roadtrip nach Cape Canaveral. Auf dieser Reise fand ich es besonders schön, wie realistisch und nicht beschönigend alles geschildert wird. Hut ab an die Autorin, dass eben nicht alle Motels cleane Designerzimmer haben, und auch einmal ein Blick weg von der Touri-Route auf staubige Parkplätze geworfen wird! Das schenkt der Geschichte mehr Realität und Tiefe.

Für mich war dieser Roman der perfekte Start in das neue Lesejahr!

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Veröffentlicht am 28.12.2022

Die Nebel der Vergangenheit

Die Bücher, der Junge und die Nacht
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Es ist eine rätselhafte, bildgewaltige Reise in die Vergangenheit, die uns in drei Zeitebenen führt. 1943 entsteigt ein gefangen gehaltener Junge den Trümmern des Graphischen Viertels in Leipzig nach dessen ...

Es ist eine rätselhafte, bildgewaltige Reise in die Vergangenheit, die uns in drei Zeitebenen führt. 1943 entsteigt ein gefangen gehaltener Junge den Trümmern des Graphischen Viertels in Leipzig nach dessen nahezu vollständiger Zerstörung. 1933 erleben der Buchbinder Jakob Steinfeld und sein jüdischer Gehilfe Grigori Gomorov am eigenen Leib, wie die Nazis mit Gewalt nach der Macht greifen. 1971 ist der Buchhändler Robert Steinfeld auf der Jagd nach seltenen Büchern. Die Geschichte in allen Zeitebenen wandelt auf den Spuren der Verlegerfamilie Pallandt sowie des Buchbinders Jakob Steinfeld und später dessen Sohn Robert.

Der Roman besticht vor allem durch seine bildhafte Ausgestaltung. Allein mit Worten webt der Autor geheimnisvolle Kulissen wie das Graphische Viertel mit seinen niemals stillstehenden Druckmaschinen, dem stets in der Luft liegenden Ruß, mysteriösem Nebel und den verwinkelten Gassen. Das historische Zeitgefühl aller Ebenen ist hervorragend getroffen. Da wäre das Jahr 1933 mit dem Aufstieg der Nazis, die überall zu spürende Judenfeindlichkeit. Die Gefahr ist fühl- und sogar regelrecht greifbar. Die Zeitebene von 1971 hingegen führt uns nicht nur in die 70er Jahre in München mit Mode und Lebensgefühl, auch die damalige DDR wird überzeugend geschildert.

Die Geschichte selbst lebt und atmet die Magie der Bücher. Ob Buchdrucker oder Buchbinder, Buchhändler oder gar Verfasserin, sie alle verbindet die Hingabe an die Welt des geschriebenen Wortes. Dabei gelingt es dem Autor, nicht nur an historischen Fakten zu verhaften, sondern auch mystische Elemente einzubringen, phantastische Möglichkeiten anzudeuten. Dieses Spiel übt beim Lesen einen unwiderstehlichen Sog aus und man taucht immer tiefer in die Geschichte ein.

Am Schluss des Buchs arbeitet sich der Autor beinahe sachlich an der Aufklärung aller Rätsel ab, da hätte nach dem hervorragend komponierten Roman und dem Spannungsaufbau auch gerne noch ein Knalleffekt kommen dürfen, aber dies ist Meckern auf allerhöchstem Niveau.

Über ein kleines Rätsel hüllt der Autor jedoch einen mystischen Nebel, und so bleibt am Ende das Spiel mit der Magie.

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Veröffentlicht am 26.12.2022

Dark Academia at its best

Dark Ivy – Wenn ich falle
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Dank eines Stipendiums kann Eden Collins ein Studium an der renommierten Woodford Academy antreten, wo sie sich anfangs zwischen all den privilegierten Studenten fremd fühlt. Doch es ist nicht nur der ...

Dank eines Stipendiums kann Eden Collins ein Studium an der renommierten Woodford Academy antreten, wo sie sich anfangs zwischen all den privilegierten Studenten fremd fühlt. Doch es ist nicht nur der soziale Hintergrund, der sie von den anderen trennt, es ist auch ein dunkles Geheimnis, eine Schuld, die sie niemandem anvertrauen will. Dennoch findet Eden rasch Anschluss, wobei sie vom ersten unfreiwilligen Zusammenstoß an fasziniert ist von Will. William Grantham III. genaugenommen. Niemand geringeres als der Enkel eines Mäzens der Academy. Vermeintlich vom Schicksal begünstigt und ein reicher Schnösel. Doch hinter Wills Maske verbirgt sich ein sensibler und mitfühlender Mensch. Und eine Maske trägt er wirklich, denn ein großes Feuermal ziert sein Gesicht.

Der New-Adult-Roman und erste Teil einer Dilogie ist so ansprechend geschrieben, dass man die Seiten beim Lesen regelrecht verschlingt. Dabei setzt er auf bewährte Motive des Genres mit Internatsleben, neu geknüpften Freundschaften, spicy Szenen und dunklen Geheimnissen seiner Protagonisten. Letztere werden bei Eden unfreiwillig ans Tageslicht gezerrt, als eine Professorin die Geheimnisse ihrer Schüler in einem „Experiment“ zum Unterrichtsthema macht, so dass Eden gezwungen ist, sich der Vergangenheit zu stellen.

Was dieses Buch jedoch von anderen (Dark)-Academy-Stories unterscheidet, ist die besondere Kommunikation zwischen Eden und William. Die beiden tauschen sich zum einen über Wills Notizbuch aus durch geschriebene fiktive Szenen/Dialoge, die an Theaterszenen erinnern. Zum anderen widmen sie sich gegenseitig Blackout Poetry. Bei dieser Kunstform werden visuelle Gedichte auf vorhandenen Textseiten geschaffen, indem etwa weite Teile des Textes geschwärzt oder übermalt werden und die verbliebenen Worte die eigentliche Botschaft vermitteln. Dies hat für mich das Buch trotz vieler bekannter Dark Academia-Themen auf ein anderes Level gehoben!

Bleibt nach dem heftigen Cliffhänger am Ende nur die Frage, wie ich die Wartezeit auf Band 2 überbrücken soll!


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Veröffentlicht am 23.12.2022

Herzergreifende Dezembergeschichte

Für immer im Dezember
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Es beginnt mit einem wortwörtlichen Zusammenstoß kurz vor Weihnachten. Josie bringt mit dem Fahrrad im abendlich dunklen London Max zu Fall und verändert dadurch beider Pläne. Beide hätten das Weihnachtsfest ...

Es beginnt mit einem wortwörtlichen Zusammenstoß kurz vor Weihnachten. Josie bringt mit dem Fahrrad im abendlich dunklen London Max zu Fall und verändert dadurch beider Pläne. Beide hätten das Weihnachtsfest eigentlich allein verbracht – Josie weil sie es seit dem Tod ihrer Eltern nicht über sich bringt, in ihren Heimatort zu fahren, Max weil sein Flug verschoben wurde und er in London gestrandet ist. Aus dem anfänglichen Ärgernis entwickelt sich ein gegenseitiges Kennenlernen, sie fassen Vertrauen zueinander und erleben unbeschwerte, innige Weihnachtstage, kommen sich sogar nah. Dies allein wäre eine zauberhafte Weihnachtsgeschichte, doch hier kommt alles ganz anders, denn nach diesen wunderschönen Tagen verlässt Max Josie ohne Aussicht auf ein Wiedersehen.

Doch das Schicksal lässt sich nicht so einfach überlisten, und so kreuzen sich die Wege der beiden im Verlauf des nächsten Jahres auf geradezu wundersame Weise immer wieder.

Die Geschichte ist einfach herzerwärmend erzählt und liest sich ganz wunderbar, man fliegt geradezu durch die Seiten und kann den Roman gar nicht mehr aus der Hand legen. Das weihnachtliche Setting in London versprüht perfekte Weihnachtsstimmung mit dem Winter Wonderland, gemütlichen Pubs und nächtlichen Straßen. Auch weitere Handlungsorte wie New York und Schottland sind so liebevoll und detailliert geschildert, dass sie einen perfekten Rahmen bilden.

Es ist jedoch keineswegs eine zuckersüße Weihnachtslovestory, sondern birgt auch Schmerz, Verlust und Trauer und gewinnt damit an Tiefe und Tragik. Die Story ist aus den wechselnden Perspektiven der beiden Protagonisten erzählt, so dass man beim Lesen sowohl Josie als auch Max und ihre Gefühle, Zweifel und Motivation eindringlich begreifen kann, wobei die wahre Tragik beim Lesen längst erahnt, aber erst sehr spät enthüllt wird. Die Liebesgeschichte ist gleichermaßen schön und schrecklich, zauberhaft und zerstörend, aber dennoch voller Hoffnung und damit eine herzergreifende Lektüre nicht nur zu Weihnachten. Taschentücher bereithalten!

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Veröffentlicht am 17.12.2022

Tabubruch mit Ansage

Liebewesen
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Dass dieses Buch Grenzen überschreiten möchte, kündigt bereits das Cover plakativ an. Für den Fall, dass jemand den Tabubruch mit Ansage noch nicht verstanden hat, liegt dem Rezensionsexemplar ein Brief ...

Dass dieses Buch Grenzen überschreiten möchte, kündigt bereits das Cover plakativ an. Für den Fall, dass jemand den Tabubruch mit Ansage noch nicht verstanden hat, liegt dem Rezensionsexemplar ein Brief der Lektorin bei mit deren Rezension. Lehrreiche Hinweise, damit ich schon vor dem Lesen erkenne, was für ein kantiges Juwel mir da in die Hände gefallen ist. Oder darf ich den Brief als Blaupause verstehen, nach der ich meine Rezension richten könnte/sollte?

Also lese ich den Roman erst einmal selbst und so unvoreingenommen, wie das nach diesem Brief überhaupt noch möglich ist. Plakative, große Sätze kommen mir da entgegen. Dieser Roman wurde „gebaut“, nicht geschrieben. Mehr ist mehr. Oder vielleicht doch nicht? Die Sprache ist stark, laut. Man muss entgegen der Meinung der Lektorin die Sätze auch nicht zweimal lesen, denn sie werden mir auf wenig subtile Weise entgegengebrüllt. Die beste Beschreibung hat uns die Autorin im Roman selbst geliefert, als sie Max ein Bild beschreiben lässt: „sehr plakativ und auf die Zwölf“.

Inhaltlich wartet der angekündigte Tabubruch mit einer intensiven, schmerzhaften Beziehung und dem nicht weniger intensiven Ausscheiden von Körperflüssigkeiten und -inhalten aller Art. Leider kann das nicht wirklich schockieren, denn die „Feuchtgebiete“ von Charlotte Roche haben bereits vorgemacht, wie das geht. Schälen wir also das Blut und die Kotze herunter und betrachten die eigentliche Geschichte: Es bleibt eine junge Frau mit schwerer Kindheit, die sich in eine erschreckende Beziehung mit einem depressiven, labilen Partner ergibt. Beim Lesen schmerzt der Opferungswillen von Lio, und ich muss einräumen: Ja, hier geht der Roman endlich dorthin, wo es weh tut. Hier im Kern kommen die wahren Konflikte endlich zum Vorschein, und nun erkenne auch ich das Funkeln des Juwels.

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