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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.02.2023

Gar nicht wild, sondern schön gechillt

Let's be wild
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Dieser wunderbare Roman von Annabelle Stehl und Nicole Böhm lebt und atmet die großartige Atmosphäre des Big Apple! New York - das steht für ein Lebensgefühl, für Aufbruchstimmung. Es sind gleich vier ...

Dieser wunderbare Roman von Annabelle Stehl und Nicole Böhm lebt und atmet die großartige Atmosphäre des Big Apple! New York - das steht für ein Lebensgefühl, für Aufbruchstimmung. Es sind gleich vier Protagonist:innen, die wir begleiten dürfen. Dreh-und Angelpunkt ist die Influencer-Agentur Greenwood & Steele.

Ich mochte Shae, Tyler, Evie und Ariana auf Anhieb, vor allem aber die Dynamik, die sich zwischen ihnen sehr bald entwickelt. Jeder/m von ihnen liegt der Job in der Agentur sehr am Herzen, aber jede/r trägt auch ein schweres Päckchen mit sich, teils aus der Vergangenheit und teils sehr aktuell. Es macht Freude zu beobachten, wie die Vierergruppe zueinander findet. Deep talks und feiner Humor, Beziehungsdramen und leidenschaftliche Affären, und dies alles vor der Kulisse des niemals schlafenden New York. Mich hat die Handlung voll und ganz überzeugt, weil hier keine künstlichen Dramen geschaffen, sondern Probleme aus dem realen Leben angesprochen werden. Die Einblicke in die Agentur und die Welt der Influencer fand ich mega interessant. Vor allem mochte ich das dargestellte Bild dieser Influencer, die nicht für eine Scheinwelt mit Filter, sondern für Themen wie Body Positivity und mehr Realität in Social Media einstehen.

Es sind vor allem die Vibes der Metropole und die Dynamik innerhalb der Clique, die diese besondere Atmosphäre schaffen. Klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 22.02.2023

Symbolstarke Geschichte über Freundschaft, Familie und Mental Health

Julia und der Hai
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Julia zieht mit ihren Eltern für einen Sommer von Cornwall auf die entfernteste Insel der Shetlands. Ihr Vater soll dort einen abgelegenen Leuchtturm reparieren, während ihre Mutter, eine Meeresbiologin, ...

Julia zieht mit ihren Eltern für einen Sommer von Cornwall auf die entfernteste Insel der Shetlands. Ihr Vater soll dort einen abgelegenen Leuchtturm reparieren, während ihre Mutter, eine Meeresbiologin, sich auf die Forschungsjagd nach einem uralten Grönlandhai macht. Julia ist oft allein und versucht, Freundschaften im Dorf zu schließen.

Was als schöne Abenteuergeschichte um Familie und Freundschaft beginnt, gewinnt rasch an Tiefe und Symbolkraft. Das Buch schildert hervorragend die zunehmende Besessenheit der Mutter vom Grönlandhai. Da alles aus Julias kindlicher Sicht geschildert ist, spüren wir mit ihr intuitiv, dass es hier nicht nur um das biologische Interesse an dem Tier geht. Dieser geradezu zur Legende aufgebauschte Grönlandhai verfolgt Julia infolgedessen sogar schon in ihren Träumen.

Es ist ein wertvolles und authentisches Buch über "Mental health", geschrieben aus der Sicht des Kindes. Dazu strotzt die Erzählung nur so vor Symbolkraft. Kiran Millwood Hargrave trifft hier genau den richtigen Ton, um eine besondere Atmosphäre zu erzeugen. Die im Original so herausragende Kunst der Autorin, mit Sprache umzugehen, verliert auch in der deutschen Übersetzung von Alexandra Ernst nicht an Qualität. Letztendlich ist es vor allem das Zusammenspiel der Worte mit den Bildern ihres Ehemanns Tom de Freston, der dieses wunderbare Buch zu einem wahren Schatz werden lässt.

Dadurch entwickelt dieses Buch sogar noch viel mehr Strahlkraft als der in der Geschichte so symbolträchtige Leuchtturm.

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Veröffentlicht am 22.02.2023

Wunderbare Anekdoten

Kummer aller Art
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Ich bin für ein paar Wochen bei Mariana Leky eingezogen. Also eigentlich in die Geschichtensammlung „Kummer aller Art“, die mir jeden Tag eine interessante Begegnung im Treppenhaus oder im Heizungskeller ...

Ich bin für ein paar Wochen bei Mariana Leky eingezogen. Also eigentlich in die Geschichtensammlung „Kummer aller Art“, die mir jeden Tag eine interessante Begegnung im Treppenhaus oder im Heizungskeller geschenkt hat.
Nachdenkliches gab es da und Heiteres. Manchmal war ich nach dem Lesen traurig, manchmal packte mich die Sehnsucht. Und am Ende war ich wehmütig, als die kleinen Episoden ausgelesen waren, denn ich war doch zur Nachbarin, zur Mitbewohnerin geworden, und dann musste ich mit Frau Wiese einfach so ausziehen.

An das große Werk und Lieblingsbuch „Was man von hier aus sehen kann“ reicht das Büchlein nicht ganz heran. Die Entfaltungsmöglichkeit kurzer Kolumnen ist im Vergleich zum Roman natürlich eingeschränkt. Dafür wurde vieles schön auf den Punkt gebracht, es gab wertvolle Impulse und Denkanstöße, ein Kopfschütteln oder ein Lächeln auf die Lippen.

Ich habe gerne im Haus bei Mariana Leky gewohnt und kann diesen Aufenthalt/diesen kleinen Erzählband von Herzen weiterempfehlen!

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Ein Stillleben in Worten

Männer sterben bei uns nicht
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Zum Tod der Großmutter kommen sie alle zusammen. Alle Frauen. Da ist Luise, der Augenstern der Großmutter, und die Erbin des Anwesens am See. Luise, die sich an vieles scheinbar nicht zu erinnern vermag, ...

Zum Tod der Großmutter kommen sie alle zusammen. Alle Frauen. Da ist Luise, der Augenstern der Großmutter, und die Erbin des Anwesens am See. Luise, die sich an vieles scheinbar nicht zu erinnern vermag, die vieles nicht zu wissen scheint. Und all die anderen Frauen, die sich nicht in der Gunst der Großmutter hatten sonnen dürfen. Verstoßene Frauen, verachtete Frauen und sogar verschwunden gewesene Frauen. Nur keine Männer.

Das Cover des Romans von Annika Reich schmückt ein prächtiges Stillleben, und ebenso erschien mir beim Lesen auch der Inhalt der Erzählung: Wie eine Anordnung prachtvoller Komponenten mit geheimnisvoller Bedeutung. Staunend betrachte ich nicht nur die Sujets auf der Bildkomposition, sondern auch die Parade der Frauen und deren Begegnungen und Gespräche in der Textkomposition. Und wie ein Stillleben leblose Gegenstände zeigt, fühlt es sich beim Lesen stellenweise an, als würden mir leblose Seelen gezeigt. Vieles bleibt rätselhaft, so wie Luises Gedächtnis, das ihr vieles unterschlägt oder sie Dinge anders sehen und bewerten lässt. Der Einfluss der Großmutter wirft lange Schatten. Bereitwillig hatte Luise zu deren Lebzeiten die Deutungshoheit an diese abgegeben. Oft frage ich mich beim Lesen, wie ihr die wahren Zusammenhänge entgehen konnten – doch auch mir entziehen sie sich beim Lesen nur allzu gerne, so dass mir stellenweise nur die staunende Betrachtung der geschilderten Momentaufnahmen bleibt. Und hinter allem thront im Hintergrund unheilverkündend und symbolträchtig das Anwesen am See.

Wer es schafft, diesen Kurzroman wie ein bildhaftes Kunstwerk als Gesamteindruck in sich aufzunehmen, wird mit Eindrücken und Andeutungen gefüllt. Wer sich eine klare Deutung wünscht, wird von der Geschichte enttäuscht sein.

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Veröffentlicht am 18.02.2023

Die wahre Stärke der Frauen

Das Lachen der Pinguine
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Als die junge Dänin Caroline den norwegischen Kapitän Klarius Mikkelsen heiratet und dafür ihre Arbeit als Buchhalterin aufgibt, träumt sie von einem Leben voller Abenteuer. Einiges kommt ganz anders nach ...

Als die junge Dänin Caroline den norwegischen Kapitän Klarius Mikkelsen heiratet und dafür ihre Arbeit als Buchhalterin aufgibt, träumt sie von einem Leben voller Abenteuer. Einiges kommt ganz anders nach ihrem Umzug nach Norwegen als sie es sich erhofft hatte, aber schließlich geht ein langgehegter Traum in Erfüllung, als sie ihren Mann auf einer Expedition begleiten darf. Als erste Frau überhaupt setzt sie einen Fuß in die Antarktis. Eindrücke für die Ewigkeit prägen sich bei ihr ein. Doch wie kommt es, dass von diesem Rekord 50 Jahre später niemand mehr weiß? Im Jahr 1995 begibt sich die Journalistin Jesse Brubaker auf Spurensuche.

Mit Caroline und Jesse begleitet der Roman auf zunächst zwei Zeitebenen zwei starke Frauenfiguren. Stark nicht im heldenhaften Sinne. Aber stark in ihren Wünschen und Vorstellungen für ihr Leben, im Streben nach dem ganz persönlichen Glück. Was dies für jede von ihnen bedeutet, lernen sie und wir im Verlauf der Erzählung.
Der Roman nimmt sich Zeit und Raum, um seine Sogwirkung langsam, aber unwiderstehlich zu entfalten. Vom beengten Leben im dänischen Küstenort zum schwierigen Neuanfang in Norwegen begleiten wir Caroline. Und wir reisen mit ihr vom Skagerrak zum Äquator und schließlich in die Antarktis, wo gewaltige Eindrücke warten: Da ist der Walfang in seiner ganzen ungeschönten Brutalität und Maßlosigkeit, und da ist das ewige Eis in seiner überwältigenden Schönheit und Ewigkeit.

Beim Lesen fühlte ich mich Caroline eng verbunden, dank der teilweise gewählten Briefform erhielt ich tiefen Einblick in ihr Inneres und wurde von ihren Gedanken und Träumen mitgetragen. Auch der Handlungsstrang um Jesse ist wahnsinnig interessant aufgebaut und spiegelt das Lebensgefühl der 1990er Jahre hervorragend wider. Als ehemalige redaktionelle Mitarbeiterin erkannte ich vieles wieder und konnte mich auch hier einfühlen. Überhaupt ist dies ein meisterhaft recherchiertes Werk, was maßgeblich zur Authentizität der Erzählung beiträgt.

Ein wunderbarer Roman, der auch nach den bewegenden letzten Seiten noch in mir nachhallte.

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