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Veröffentlicht am 30.05.2022

Roadtrip mit Robbe

Jeder Tag ein neues Wunder
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Ganz so „wunder-voll“ beginnt die Geschichte nicht für Simon, der um seine verstorbene Frau Anja trauert. Das Einzige, was ihm noch zu tun geblieben ist, ist Anjas letzter Wunsch. Um diesen zu erfüllen, ...

Ganz so „wunder-voll“ beginnt die Geschichte nicht für Simon, der um seine verstorbene Frau Anja trauert. Das Einzige, was ihm noch zu tun geblieben ist, ist Anjas letzter Wunsch. Um diesen zu erfüllen, begibt sich Simon, der eigentlich fürchterlich unter Seekrankheit leidet, auf eine abenteuerliche Reise, die ihn zunächst ausgerechnet auf die Hochseeinsel Helgoland führt. Begleitet wird er von seiner resoluten, aber fürsorglichen polnischen Haushälterin Milena.

Im Verlauf dieses ganz unaufgeregt und äußerst schlicht erzählten Romans lernt man Simon und Milena näher kennen – und auch die beiden lernen sich ganz neu kennen. Während das Verhältnis zwischen Chef und Haushälterin anfangs ausgesprochen sachlich und durchaus hierarchisch geprägt ist, erkennt vor allem Simon, dass Milena nicht nur eine Angestellte ist, die Dienst nach Vorschrift schiebt. Vielmehr beginnt er sie allmählich als Menschen näher kennenzulernen und zu schätzen. Auf dem Roadtrip dieses so ungleichen Duos begegnen ihnen die unterschiedlichsten Menschen, die unerwartet Einfluss auf ihr Leben nehmen.

Die Geschichte beleuchtet sehr eindrucksvoll den Konflikt, den so manche osteuropäische Haushälterin oder Pflegekraft durchleidet, die in Deutschland Geld verdient für die Familie, dafür aber die Nähe zu dieser opfert.

Ein weiteres Thema drängt sich beim Lesen auf, nämlich die Ungerechtigkeit der Position der Frauen in den 1970er Jahren, als die Wahl zwischen Kind und Karriere nicht wirklich eine war. An dieser Stelle hakt der Roman leider nicht nach, sondern verweist lapidar darauf, dass Anja, die Frau, am Ende ja dann doch glücklich war. Hier hätte ich mir mehr Tiefe gewünscht.

Besonders interessant geschildert hingegen fand ich die Details über die Geschichte der Robbenforschung und die Rückkehr der Kegelrobben in der Nordsee.

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Veröffentlicht am 02.05.2022

Wenn Physik auf Gefühle trifft

Gleichung mit zwei Unbekannten
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Mit diesem Buch bekommt man erst einmal eine riesige Portion Hamburg-Flair! Jedem Wort spürt man die Liebe der Autorin zu dieser Stadt an, und sie versteht es meisterhaft, Hamburg zwischen zwei Buchdeckel ...

Mit diesem Buch bekommt man erst einmal eine riesige Portion Hamburg-Flair! Jedem Wort spürt man die Liebe der Autorin zu dieser Stadt an, und sie versteht es meisterhaft, Hamburg zwischen zwei Buchdeckel zu bringen. Es ist quasi so, als ob einem beim Öffnen des Buches schon ein Klang-Duft-Bilder-Teppich der Hafenstadt entgegenkommt. Ich habe es wirklich geliebt!

Ein wenig schwerer habe ich mir mit der Protagonistin Cate getan, aber die wiederum tut sich wohl auch schwer mit sich selbst. Cate ist eine brillante Physikerin und in einer Führungsposition bei der Bank angestellt. So genial ihre fachliche Kompetenz ist, so groß sind ihre Defizite im zwischenmenschlichen Bereich. Man könnte sie fast als einen weiblichen Sheldon Cooper bezeichnen. Allerdings wäre Komik hier fehl am Platz, denn Cate hat eine wirklich traurige Kindheit durchlitten, die sie geprägt und zu dem Menschen gemacht hat, der sie heute ist. Mit der Sicherheit, die ihr Zahlen und straffe Zeitpläne geben, ist es von heute auf morgen vorbei, als ihre bis dahin unbekannte irische Cousine Joanne unverhofft in ihr Leben stolpert und damit eine wahre Flutwelle auslöst. Auf der Flucht vor Joanne und auch vor ihrer Vergangenheit läuft Cate Matthis in die Arme. Bis Eisprinzessin Cate soweit zu schmelzen beginnt, dass sie Matthis und Joanne in ihr Leben lassen kann, läuft noch einiges schief, und plötzlich steht Cates ganzes bis dahin wohlgeordnetes Leben völlig auf dem Kopf.

Die Geschichte ließ sich wunderbar lesen. Schmerzhaft war es immer nur, wenn Cate so gar nicht aus ihren inneren Zwängen herauskonnte und in alte Verhaltensmuster zurückgefallen ist. Das tat beim Lesen regelrecht weh. Andererseits war Cates Not gerade dadurch spürbar und verständlich. Mehr Schwierigkeiten hatte ich mit dem nahezu übermenschlich verständnisvollen Matthis, der mir persönlich dann doch zu unrealistisch perfekt gestaltet war. Dies wurde allerdings mehr als wettgemacht durch Joanne, die wunderbar Wind in die Story gebracht hat. Da Joanne im Mittelpunkt der geplanten Fortsetzung stehen wird, freue ich mich auf diese schon ganz besonders.

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Veröffentlicht am 22.04.2022

Ein Buch wie eine Diagnose

Ein Stern macht noch keinen Himmel
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Dieses Buch hat mich – auch wegen des Fehlens einer Triggerwarnung – völlig getäuscht (Achtung: Nicht enttäuscht, sondern getäuscht!):

Das Cover kommt fröhlich bunt daher, ein lustiger Titel und ein Klappentext, ...

Dieses Buch hat mich – auch wegen des Fehlens einer Triggerwarnung – völlig getäuscht (Achtung: Nicht enttäuscht, sondern getäuscht!):

Das Cover kommt fröhlich bunt daher, ein lustiger Titel und ein Klappentext, der auf eine lustige Landärztin in der schwäbischen Provinz hinweist. Genau so beginnt auch der Roman, in dessen Mittelpunkt die patente Ärztin Janne Helmkamp steht. Es entfaltet sich eine charmante Geschichte rund um das Team und die Patienten ihrer Landarztpraxis mit viel authentischem schwäbischem Gebabbel und Gebruddel. Dazu kommt eine hinreißende Lovestory mit dem liebenswerten und einzigartigen Leon Bloomdale, dem charmantesten Engländer seit James Bond. Wobei er eindeutig die Lizenz zum Viel-Unsinn-Reden hat. Soweit so gut. Sogar sehr gut.

Doch plötzlich gerät die ganze Erzählung genauso wie Jannes Leben völlig aus den Fugen. Und hier kommen wir zu der fehlenden Triggerwarnung, denn es sind nicht etwa lediglich ein paar literarische Komplikationen, die der Heldin in den Weg gelegt werden. Nein, wir sprechen hier über schwerwiegende psychische Erkrankungen, schwerst traumatisierte Kinder, hilflose Angehörige. Das ist schon heftig und komplex, von der Autorin jedoch hervorragend und realistisch geschildert in all seiner Eindringlichkeit und Schwere. Im Zentrum der Aufarbeitung steht Jannes Mutter mit einer bipolaren Störung und manisch-depressiven Phasen, die sehr realitätsnah dargestellt werden. Die Autorin hat äußerst gründlich recherchiert und lässt den Leser an Jannes Hilflosigkeit ganz nah teilhaben. Während die Erinnerungen an schlimmste Erlebnisse in der Kindheit wieder an die Oberfläche drängen, beginnt sich die ansonsten so gefestigte Janne nämlich völlig aufzulösen und droht sich zu verlieren.

So gesehen ist dieser Roman selbst wie eine manisch-depressive Diagnose mit seinem heiter leichten Beginn und dem völlig zerstörenden Fortschreiten, ehe sich am Ende so etwas wie Versöhnung einstellt. Eine sehr intensive Geschichte. Genau genommen hätte man daraus sogar zwei großartige Bücher machen können, einen liebenswert-lustigen Landarztroman und ein ernstes Psychodrama. Aber gerade der Kniff, beides in einem Buch zu vereinen, macht die Diagnose in ihren gegensätzlichen Zuständen erst völlig anschaulich und erlebbar. Ich bleibe aber dabei: Eine Triggerwarnung wäre sinnvoll gewesen.

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Veröffentlicht am 13.04.2022

Ein Elefant im Buchladen

Der große Fehler
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Ich gebe es offen zu – nach den ersten paar Seiten dieses Romans habe ich mich ernsthaft gefragt, ob nicht dessen Lektüre ein „großer Fehler“ sei?

Ein Lesefluss wollte sich zunächst so gar nicht einstellen. ...

Ich gebe es offen zu – nach den ersten paar Seiten dieses Romans habe ich mich ernsthaft gefragt, ob nicht dessen Lektüre ein „großer Fehler“ sei?

Ein Lesefluss wollte sich zunächst so gar nicht einstellen. Eher fühlte es sich an wie ein mühsamer Kletterweg über einen Berg voller im Weg stehender Wörter und Sätze. Wer sich jedoch über den anstrengenden Anstieg hinweggequält hat, wird mit einem ganz außergewöhnlichen Roman belohnt. Erzählt wird die Geschichte von Andrew Haswell Green, dem Erbauer u.a. des Central Parks in New York. Die Story steigt ein am Tag seiner Ermordung im Jahr 1903 und erzählt dann abwechselnd von der Aufklärung des Mordes und in Rückblenden Andrew H. Greens Leben. Geschildert wird nicht nur dessen Kindheit in einfachen Verhältnissen auf einer Farm, sondern auch sein frühes Scheitern in New York, die Flucht nach Trinidad und die fulminante Rückkehr als nach außen hin selbstbewusster Mann, der Zeit seines Lebens unter seiner unterdrückten Homosexualität zu leiden hat.

Die Geschichte spielt grob in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, und Autor Jonathan Lee passt seine Sprache perfekt dieser Zeit an. Da erwarten den Leser schwurbelnde Aufzählungen, es wird sich in epischer Breite über Nebenhandlungen ergossen und der Autor beweist seine unbändige Freude an scheinbar endlosen Sätzen und detaillierten Beschreibungen nebensächlicher Kleinigkeiten. Die dichterisch angereicherte Sprache dient der Schaffung einer historischen Atmosphäre und lässt das Zeitgeschehen auferstehen. Der Leser erfährt dabei interessante Hintergründe zur Geschichte New Yorks und speziell zur Entstehung des Central Parks.

Fazit: Ein intensiver Lesegenuss, der jedoch nicht über inhaltliche Schwächen hinwegtäuschen kann, wenn etwa nicht alle Handlungsstränge konsequent zu Ende geführt werden.

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Veröffentlicht am 25.02.2022

Hervorragende Erzählung mit absurdem Schluss

Das verschlossene Zimmer
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Mit dem Aufbrechen des titelgebenden verschlossenen Zimmers ihres Vaters gelangt die 17-jährige Marie Karski auf eine erste Spur ihrer verschwundenen Mutter.

Es ist das Jahr 1939, und in Krakau liegt ...

Mit dem Aufbrechen des titelgebenden verschlossenen Zimmers ihres Vaters gelangt die 17-jährige Marie Karski auf eine erste Spur ihrer verschwundenen Mutter.

Es ist das Jahr 1939, und in Krakau liegt die Angst vor einem Angriff Hitlers auf Polen in der Luft. Ebenso greift der Antisemitismus mit immer schärferen Krallen um sich. Auch Maries Vater, der katholische Chirurg Dominik Karski, wird damit bei seiner Arbeit im Krankenhaus konfrontiert.

Die Autorin Rachel Givney hat im Vorfeld ihres Romans hervorragende Recherchen durchgeführt. Nicht nur die Vorkriegsatmosphäre ist deutlich spürbar, auch die Stadt Krakau und das jüdische Viertel Kasimierz sind anschaulich geschildert, die Namen authentisch gewählt, und sogar in kulinarischer Hinsicht ist der Autorin gelungen, ein lebendiges Bild zu erschaffen. Wir erhalten Einblick in die Gesellschaft von Krakau, auch dank der vielen lebendig gezeichneten Nebenfiguren.

Die Geschichte breitet sich in einem angenehmen Erzähltempo aus. Wir verfolgen Maries Ambitionen, an der Universität Medizin zu studieren, und fühlen mit ihr die harten Einschränkungen, der eine Frau im Jahr 1939 unterlag. Nicht nur wird ihr der Zugang verwehrt, sondern ihr darüber hinaus als Frau grundsätzlich mangelnder Verstand ausgesprochen. Allerdings ist Marie nicht nur eine höchst intelligente, sondern auch eine unerschrockene und durchsetzungsfreudige Person. So verweigert sie sich den Heiratsplänen ihres Vaters, der sie in der wohlhabenden katholischen Gesellschaft unterbringen möchte, und konvertiert zum Judentum, um ihre große Liebe, den Juden Ben Rosen zu heiraten. Damit gerät sie am Vorabend des zweiten Weltkriegs jedoch in noch größere Gefahr. Während die Handlung um Marie und Dominik Karski in Krakau voranschreitet, erfahren wir nach und nach in Rückblenden die Geschichte rund um Maries Mutter, die ihr Vater unbedingt geheim halten möchte, und hier nimmt das Erzähltempo auch deutlich an Fahrt auf.

Der englische Originaltitel „Secrets my father kept“ passt im übrigen zweifellos besser als die deutsche Übersetzung, da dieses verschlossene Zimmer nur den Einstieg in die Geschichte darstellt.

Am Ende des Buches kommt es dann tatsächlich zu einer Auflösung dieser Geheimnisse. Nachdem mir der ganze Roman gründlich recherchiert und logisch aufgebaut vorkam, erscheint das Ende regelrecht absurd und völlig unrealistisch. Leider verdarb mir dies auf den letzten Seiten die Freude an der ansonsten so hervorragend geschilderten Geschichte.

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