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Veröffentlicht am 20.03.2022

Eine mutige junge Frau in der Pfalz der 1970er Jahre

Gretas Erbe
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Was für eine faszinierende Geschichte! Während das Cover recht nüchtern und minimalistisch daherkommt, verbirgt sich zwischen den Buchdeckeln das harte Schicksal der jungen Greta. Es sind die 1970er Jahre ...

Was für eine faszinierende Geschichte! Während das Cover recht nüchtern und minimalistisch daherkommt, verbirgt sich zwischen den Buchdeckeln das harte Schicksal der jungen Greta. Es sind die 1970er Jahre und die Waise ist als Ziehkind auf dem Weingut der Familie Hellert in der Pfalz aufgewachsen. Von dem „Mädsche“ wird teils unmenschliche Arbeit gefordert, der Ton in der Familie ist rau, vor allem Greta gegenüber. Doch auch der Rest der Familie duckt sich unter dem unnachgiebigen Patriarchat des Vaters Harald Hellert. Es ist die Geschichte einer Emanzipation, der vergebliche Wunsch, zur Familie dazuzugehören, sich eine eigene Existenz als Frau aufzubauen. Aus unserer heutigen Sicht fühlt man schmerzlich die damaligen Einschränkungen für Mädchen und Frauen, Gretas Abhängigkeit von ihrer Ziehfamilie, das hilflose Ausgeliefertsein und die sich immer wiederholenden Enttäuschungen. Und dennoch hält Greta stets an ihren Träumen fest, lässt sich trotz aller Rückschläge nie unterkriegen.

Das Buch vermittelt in unnachahmlicher Weise das Lebensgefühl der 1970er Jahre, geht auch auf damalige Moralvorstellungen und das Zeitgeschehen ein und schafft so eine lebendige, authentische Atmosphäre. Die Charaktere sind brillant herausgearbeitet und überzeugen ausnahmslos. Auch vor schonungslosen Wahrheiten und Unbequemlichkeiten wird nicht zurückgeschreckt, was ebenfalls ein glaubwürdiges und ungeschöntes Bild des Geschehens und der Zeit entwirft. Hinzu kommt viel original pfälzisches Lebensgefühl mit der einzigartigen Weinkultur und vielen interessanten Einzelheiten des Weinanbaus, den Ortschaften, Weinfesten und dem immer wieder aufblitzenden Dialekt. All dies trägt eindringlich zur atmosphärischen Dichte und realistischen Tiefe der Schilderung und der regionalen Verankerung bei.

Das Buch ist der Auftakt einer Trilogie und ich kann bereits mit Sicherheit sagen, dass ich Gretas Weg weiterverfolgen werde.

Fazit: Ein wirklich lesenswertes Buch, dessen Geschichte den Leser völlig in seinen Bann zieht und das man kaum wieder aus der Hand legen kann!


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Veröffentlicht am 16.03.2022

Anders und frei

Where the Clouds Move Faster
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Was für ein außergewöhnliches und gut seltsames Buch! Nach den lyrischen Roots und den ungezügelten Waves nun etwas ganz anderes. Anders ist dieser dritte Band in jeder Hinsicht. Anders im Gefühl, anders ...

Was für ein außergewöhnliches und gut seltsames Buch! Nach den lyrischen Roots und den ungezügelten Waves nun etwas ganz anderes. Anders ist dieser dritte Band in jeder Hinsicht. Anders im Gefühl, anders in der Handlung. Viel freier und einfach ganz – anders! Die Geschichte von Effie und Adair beginnt und bleibt zunächst im Kokon von Marigolds Cottage, hat den Charakter eines Kammerspiels, völlig freies Agieren ohne Grenzen von Konvention. Es ist das Ausleben eines Was-wäre-wenn-Spiels in der sicheren Hülle des Kokons. Erst spät verlassen sie diesen geschützten Raum und kommen in der sogenannten wirklichen Welt an, und ab diesem Zeitpunkt nimmt auch die äußere Handlung ihren weiteren Verlauf bis zum schönen Abschluss der Trilogie.

Wie mutig, sich als Autorin dermaßen frei zu schreiben und den Schritt ohne Sicherheitsnetz zu wagen. Nur so konnte ein so außergewöhnliches Buch entstehen - und wie schön, dass so ein Buch entstehen darf!

Das Ende der Trilogie fand ich daher absolut überzeugend und stimmig. Vor allem faszinierte mich, wie kunstvoll alle Fäden, die bereits in den vorigen Bänden angelegt waren, perfekt zusammengeführt wurden.

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Veröffentlicht am 13.03.2022

Verloren zwischen den Welten

Leo und Dora
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Ganz unaufgeregt und schlicht kommt die Erzählung auf den ersten Blick daher. Leo Perlstein reist aus dem Exil in Tel Aviv nach Sharon, Connecticut, um dort im Sommerhaus seiner Agentin ein Buch zu schreiben. ...

Ganz unaufgeregt und schlicht kommt die Erzählung auf den ersten Blick daher. Leo Perlstein reist aus dem Exil in Tel Aviv nach Sharon, Connecticut, um dort im Sommerhaus seiner Agentin ein Buch zu schreiben. Als Leo dort ankommt, ist das Haus bis auf die Grundmauern abgebrannt und er findet Unterschlupf im Hotel Roxy, das von der resoluten Dora geführt wird. Es ist das Jahr 1948, der zweite Weltkrieg ist zu Ende und das Leben sucht sich wieder einen Weg.

Leos Bücher wurden in der Nazi-Zeit verbrannt, nun hat er Schwierigkeiten, an die alten Erfolge anzuknüpfen. Überhaupt fällt es ihm schwer, sich in seinem neuen Leben zurechtzufinden. Er trauert seiner alten Heimat in Wien hinterher und hat sich auf der Flucht irgendwo selbst verloren. Frau und Tochter, die bereits vor ihm nach Bombay geflohen waren, sind ihm fremd. Genauso fremd ist ihm das Leben auf diesem neuen Kontinent und in diesem Hotel. Das Essen will ihm nicht schmecken, an die Abläufe mag er sich nicht halten, dem Diktat seiner Agentin verweigert er sich.

Erst die Begegnung mit dem ebenfalls jüdischen Professor Geringer und dessen Frau sowie das nähere Kennenlernen mit Dora beim gemeinsamen Tarock-Spiel öffnen Leos Blick und öffnen Leo selbst.

Der Roman besticht vor allem durch die präzise und mit Tiefe gezeichneten Charaktere, von den Protagonisten bis zur Nebenfigur (wie der schwäbisch sprechenden Köchin). Dazu kommt eine feine Prise liebevoller Humor wie etwa bei der Gemeinschafts-Telefonleitung im Ort. Überhaupt schafft es die Geschichte, von schweren Schicksalen und entsetzlichen Ereignissen zu erzählen, ohne ins Melodramatische abzurutschen. Da wird genauso über das Schicksal der Exiljuden wie über den Verlust geliebter Menschen berichtet, doch der unaufgeregte Grundton des Romans bleibt. Sogar als da plötzlich eine geisterhafte Erscheinung im Raum steht.

Klare Leseempfehlung für diesen ganz wunderbaren Roman!

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Veröffentlicht am 10.03.2022

Ein römisches Mädchen in Germanien

Octavia, Tochter Roms – Gefahr in Germanien (Octavia, Tochter Roms 1)
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Es ist das Jahr 9 n.Chr. und die elfjährige Octavia folgt ihrem Vater, einem römischen Legionär, nach Germanien. Im Lager hat sie bereits von den wilden Barbarenhorden gehört. Durch unglückliche Zustände ...

Es ist das Jahr 9 n.Chr. und die elfjährige Octavia folgt ihrem Vater, einem römischen Legionär, nach Germanien. Im Lager hat sie bereits von den wilden Barbarenhorden gehört. Durch unglückliche Zustände gerät Octavia plötzlich in den Verdacht, eine germanische Spionin zu sein, und muss fliehen, und zwar ausgerechnet in ein germanisches Dorf. Octavia findet sich nun zwischen den Fronten: Auf der einen Seite die römischen Legionen unter Statthalter Varus, auf der anderen Seite die gar nicht so barbarischen Germanen, nicht zu vergessen der geheimnisvolle Arminius, der eigene Pläne zu verfolgen scheint. Und dabei will Octavia doch eigentlich nur ihren Vater aus der römischen Gefangenschaft retten und mit ihm zurück nach Rom fliehen, um das Rätsel um ihre verschwundene Mutter zu lösen…

Die Schlacht im Teutoburger Wald bzw. Varusschlacht kennt man aus dem Geschichts- oder Lateinunterricht, aber hier werden die Geschehnisse drumherum durch die Augen des unerschrockenen und einfallsreichen Mädchens Octavia lebendig. Die Geschichte ist in rasantem Tempo erzählt mit vielen aufregenden, actionreichen Szenen und gleichzeitig mit viel Witz. Meine Highlights waren da der dichtende Amandus sowie die als Germanen verkleideten Germanen!

Dennoch werden auch ernste und durchaus aktuelle Themen angesprochen wie Vorurteile gegenüber Fremden und auch der Umgang zwischen unterschiedlichen Völkern: Feindliche Eroberung und Aufzwingen der eigenen Kultur oder friedliches Nebeneinanderleben in gegenseitigem Respekt? Außerdem wird das Thema Gleichberechtigung der Geschlechter immer wieder aufgegriffen, jedoch nicht mit dem erhobenen Zeigefinger, sondern mit einem Augenzwinkern. Besonders gut gefallen hat mir deshalb auch, dass Tobias Goldfarb mit seiner Octavia eine mutige weibliche Heldin geschaffen hat. Ihr zur Seite steht ihr germanischer Freund Odo, so dass dieses Buch in seinem außergewöhnlichen Setting gleichermaßen für Mädchen und Jungen Identifikationsmöglichkeiten bietet.

Das Buch bildet den ersten Band einer Buchreihe.

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Veröffentlicht am 08.03.2022

Unheimliche Vorkommnisse im düsteren Wald

Die Herberge im Wald
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Für mich war dies der erste Tante-Frieda-Krimi, und so bin ich beherzt mitten in die Geschichte gesprungen, was aber gar kein Problem war.

Lena übernimmt aushilfsweise für einen Bekannten die Leitung ...

Für mich war dies der erste Tante-Frieda-Krimi, und so bin ich beherzt mitten in die Geschichte gesprungen, was aber gar kein Problem war.

Lena übernimmt aushilfsweise für einen Bekannten die Leitung der „Waldliebe“, einer Herberge mitten im Wald. Nicht nur die neuen Aufgaben als Herbergsmutter für eine ganze Schulklasse fordern Lena alles ab, zusätzlich geschehen noch unerklärliche Dinge. Anfangs sind es nur Klopfgeräusche im Keller, dann dreht plötzlich jemand das Wasser ab und manipuliert die Außenbeleuchtung. Da trägt es auch nicht gerade zur Beruhigung bei, dass in der Gegend kürzlich ein toter Lehrer aufgefunden wurde. Als es ihr alles zu viel wird, kann es nur eine Lösung geben: Tante Frieda muss helfen! Die patente Dame übernimmt das Küchenzepter und hilft Lena, den Laden zu schmeißen. Doch dann verschwindet ein weiterer Lehrer und wird tot gefunden, und auch die unheimlichen Vorgänge rund um die Herberge ängstigen die Frauen immer mehr.

Ich mag Geschichten mit Lokalkolorit, und davon hat dieser Krimi in Hanau und im Taunus reichlich zu bieten. Die Figuren sind echte Charakter mit Tiefe, gerade Tante Frieda ist ein echtes Unikat. Auch der Humor kommt trotz allem Schrecken nicht zu kurz; Lenas Odyssee im Wald mit ganz speziellen Wegweisern brachte mich laut zum Lachen.

Die Handlung springt zwischen den Geschehnissen in der „Waldliebe“ und den Polizeikommissaren in Hanau hin und her, was für kurzweilige Abschnitte sorgt. Im Verlauf des Buchs nimmt die Handlung immer mehr an Fahrt auf und wird zum Ende hin hochgradig spannend. Durch die rätselhaften Vorkommnisse in und um die Herberge wird eine unheimliche Atmosphäre erzeugt, die für Hochspannung sorgt, ehe es zur Auflösung der tragischen Ereignisse kommt.

Ein liebevolles Schmankerl sind auf jeden Fall die Rezepte von Tante Frieda im Anhang.

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