Plastisch, aber nicht umfassend
Die Liebenden von Bloomsbury – Vita und der Garten der Liebe
Das ist mein zweites Buch über Vita und Virginia und tatsächlich hat mir dieses besser gefallen, weil ich ein besseres Gefühl für die fiktionale Version der realen Personen bekommen habe. Besonders beeindruckend ...
Das ist mein zweites Buch über Vita und Virginia und tatsächlich hat mir dieses besser gefallen, weil ich ein besseres Gefühl für die fiktionale Version der realen Personen bekommen habe. Besonders beeindruckend war das Nachwort, das den Inhalt nochmals von einer anderen Seite beleuchtet.
Rezi enthält Spoiler.
Worum geht es?
Das dritte Buch der Bloomsbury-Reihe beschäftigt sich mit der Adligen Vita Sackville-West und der Schriftstellerin Virginia Woolf. Es deckt dabei den 3. August 1922 bis 26. Oktober 1928 ab. Das entspricht dem Phase kurz vor dem Kennenlernen über den Höhepunkt der Beziehung bis zur langsamen Entfremdung beider Frauen. Den endgültigen Bruch sowie den spärlichen Kontakt bis zum Tod Woolfs erzählt es nicht mehr.
Das Buch beleuchte personal, meist aus Sicht beider Frauen, selten aus Perspektive anderer Charaktere. Dabei vermischt es Erzählpassagen mit Briefen. Auszüge aus den Werken beider gibt es nicht.
Wie hat mir das Buch gefallen?
Mir fällt eine Beurteilung schwer, denn ich kann nicht sagen, wie viel fiktiv und wie viel real ist. Welche Auswirkungen die Aufbereitung der Autorin auf das Bild hat, das man vom Inhalt bekommt. Da aber bereits die Quellen wie Tagebucheinträge, Biografien usw. eine Auswahl der direkten Angehörigen beider Frauen darstellen, wird man nie die volle "Wahrheit" erfahren.
Für mich ist der Schreibstil gut. Relativ fließend, ein kleines bisschen trocken, aber belletristisch. Es liest sich wie ein Liebesroman mit angezogener Handbremse - alles sehr langsam und nicht immer spannend. Aber: An den Ereignissen kann man wenig ändern. Die Beziehung war tief platonisch, aber über Körperliches haben beide Frauen überwiegend geschwiegen. Außerdem hat die Annäherung sehr langsam stattgefunden.
Das Porträt Woolfs finde ich gelungen. Sie ist eine intellektuelle Person, für die die Schriftstellerei an erster Stelle steht. Sie hat ihre Routinen und vertraut darauf. Die Schreiberei gibt ihr Sicherheit. Für mich war daher verständlich, dass sie in ständiger Angst lebt, ihre psychischen Probleme würden sich verstärken und sie könne nicht mehr schreiben. Aus heutiger Sicht würde man Woolf vielleicht als hochsensibel und mit manisch-depressiven Schüben einordnen. Ich habe aber auch gespürt, dass ihr Mann überfürsorglich ist und dadurch ihre Ängste verstärkt und ihre Entfaltung behindert. Ich vermute, dass er sie beschützen wollte. Mein Eindruck war aber, dass sie erst durch Beziehungen wie der durch Vita neue Seiten an sich entdeckte. Dass sie durch sie aus ihrem intellektuellen Umfeld herauskam, hat ihr gut getan.
Vita Sackville-West fand ich beeindruckend, weil sie - ähnlich des Bloomsbury-Zirkels - ein offenes Verständnis von Liebe hat. Während die Ehe zwischen Woolf und ihrem Mann manchmal wie ein Arbeitsbeziehung wirkte, liebte Vita ihren Mann sehr innig. Wenngleich sie körperliche Beziehungen eher mit Frauen einging. So hat sie z.B. kein Problem damit, dass ihr Mann eine Beziehung zu einen Kollegen führt - sie fand es schlimmer, dass er ihr das verheimtlicht hat.
Allerdings wirkt Vita im Buch auch etwas oberflächlich, nicht so reflektiert wie Virginia. Sie macht sich viele Gedanken um ihr vielseitiges Leben, aber sie schafft es nicht in die Tiefe zu gehen. Die Autorin erklärt das im Nachwort damit, dass Vita versucht hat, den Schein einer guten, anständigen Adligen zu wahren. Ich denke, dass daher auch dem Betrachter manches verborgen bleibt. Und dass sie ihrer narzisstischen Mutter gerecht werden wollte und daher ein unstetes Liebesleben hatte. Sie wollte Kontrolle über die Liebe haben, weil sie von ihrer Mutter nicht so sicher geliebt wurde. Dieser Aspekt wird im Buch nur angedeutet und erst im Nachwort klar. Außerdem gehen die schriftstellerischen Leistungen Vitas etwas unter, im Buch.
Interessant fand ich, dass beide Frauen Ängste haben. Vita wird den geistigen Ansprüchen der Bloomsburys nicht gerecht und auch Virginia lässt sie das spüren. In den Gedanken Virginias kam mir Vita wie ein kleines Kind vor, das in die richtigen Bahnen gelenkt werden muss. Für Virginia Woolf ist Literatur nur dann gut, wenn der Autor das Tiefste seiner Seele ergründet. Sie will vorankommen, mit sich und mit der Kunst des Schreibens. Das hat sie zu einer Vorreiterin in der englischen Literatur gemacht. Aber dass sie die Kunst Vitas nur trivial und schön, aber nicht besonders fand, war frustrierend. Allerdings hat auch Virginia Angst, die Freundin würde sie verlassen und bald für die nächste Geliebte absägen. Einen Ausweg, den ich gut nachvollziehen konnte, war die Literatur. Indem sie Vita künstlerisch festgehalten hat, waren die Taten der realen Vita nicht so schlimm für sie.
Außerdem schafft es die Autorin gut, auch das Umfeld der Bloomsburys einzubeziehen und andere Menschen zu beleuchten. Ich habe manchmal den Überblick verloren, aber ich fand's gut, dass es nicht zu fokussiert war.
Ein bisschen irritiert hat mich, dass das Buch im letzten Kapitel eine Virginia zeigt, die jungen Frauen zeigt, dass sie für Freiheit und Schreiben kämpfen sollen. Dieser Wesesenszug, der Wunsch, der nächsten Generation etwas mitzugeben, klang bis dahin nur vage an.
Fazit
Ich fand das Buch etwas schleppend, hab's aber gern gelesen. Die Schriftstellerinnen wirken sehr plastisch und ich habe viele Denkanstöße bekommen. Für Leute, die eher an der Bedeutung beider Frauen füreinander interessiert sind, ist das Buch gut. Wer eine eher umfassende Biografie Woolfs und Sackville-Wests erwartet und eine kritische Einordnung, der wird ein bisschen enttäuscht.