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Veröffentlicht am 28.10.2024

Perlenbach

Perlenbach
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"Perlenbach" ist der Nachfolger des historischen Romans "Ginsterhöhe", der Inhalt aber chronologisch vor der Geschichte aus "Ginsterhöhe" angesiedelt. Könnte ich es nochmal entscheiden, würde ich die Bücher ...

"Perlenbach" ist der Nachfolger des historischen Romans "Ginsterhöhe", der Inhalt aber chronologisch vor der Geschichte aus "Ginsterhöhe" angesiedelt. Könnte ich es nochmal entscheiden, würde ich die Bücher auch lieber in dieser Reihenfolge lesen. Sie sind aber auch gut unabhängig voneinander lesbar.

Wie "Ginsterhöhe" auch, hat mir "Perlenbach" sehr gut gefallen. Vielleicht sogar noch ein bisschen besser. Die Geschichte der Freundschaft zwischen den ungleichen Protagonisten, ihre Höhen und Tiefen, der Druck der Gesellschaft dieser Zeit, Ansprüche, Wünsche, Hoffnungen, die sich nicht immer mit dem decken, was möglich ist.

Wilhelm lebt auf einem Bauernhof, auf dem es zu viele Kinder für zu wenig Geld und zu wenig Essen gibt. Sein Vater ist gewalttätig und cholerisch, engstirnig und verbohrt. Die Wünsche der Kinder interessieren ihn nicht. Ihm ist nur wichtig, dass der Hof weiter besteht und bewirtschaftet wird. Als Wilhelm den Wunsch äußert eine Ausbildung in einer Fabrik zu beginnen, der Fabrik der Familie seines Freundes Jacob, stößt er beim Vater damit auf großen Widerstand.

Jacob hingegen möchte der Fabrik entfliehen. Der Last des Erben. Er träumt vom Reisen, von Freiheit und einem Leben, das nun gar nicht einer konservativen Fabrikantenfamilie entspricht.

Luise will Ärztin werden. Ein Beruf, dem Ende des 19. Jahrhunderts ausschließlich Männer nachgehen. Ein Kampf gegen Konventionen und Vorurteile. Ist Luises Dickschädel, ihr Ehrgeiz und ihr Durchsetzungsvermögen stark genug, um es trotzdem zu schaffen?

Wieder einmal hat Anna-Maria Caspari sehr gut recherchiert und skizziert detailgetreu die verschiedenen Gesellschaftsstrukturen und Schubladen des 19. Jahrhunderts. Die Enge der Bauernfamilien und deren teils wirtschaftliche Notlage, die konventionellen Ansichten der oberen Mittelschicht, die Diskriminierung der Frauen, die als mehr oder weniger notwendiges Beiwerk, aber nicht als selbstständige Person angesehen werden und von Casparis Protagonistin Luise gehörig Gegenwind bekommen.

Eine kleine Kritik ist die Stereotypisierung einiger Figuren, die aber vielleicht auch daher rührt, dass Caspari nun mal versucht die Lebensmodelle des 19. Jahrhunderts darzustellen. Dafür bedient sie sich sehr klassischer Vorbilder.

Trotzdem gelingt es ihr den Figuren Sympathien, sowie Antipathien und Lebendigkeit auf den Leib zu schreiben, sowie Erlebnisse und Schicksalsschläge, die "Perlenbach" zu einem spannenden Roman werden lassen, der mir einen guten Einblick verschafft hat, wie das Leben im 19. Jahrhundert abgelaufen sein muss.

Caspari schreibt auch hier wieder ein Nachwort, in dem sie historische Fakten zum Roman erklärt, was ich als absolute Bereicherung empfinde und sehr gerne lese. Außerdem mag ich die Gestaltung der beiden Eifelromane sehr gerne.

Wer gerne literarisch durch die Zeit reist, um auch etwas über die Vergangenheit zu lernen, kann mit den Büchern von Anna-Maria Caspari definitiv nichts falsch machen und bekommt zudem noch spannende Lesestunden hinzu.

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Veröffentlicht am 28.10.2024

24 Wege nach Hause

24 Wege nach Hause
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"24 Wege nach Hause" ist für mich die perfekte Einstimmung in die Vorvorweihnachtszeit. Die Geschichte spielt im Dezember, ist nicht zu weihnachtlich, aber gemütlich und anrührend, emotional bewegend und ...

"24 Wege nach Hause" ist für mich die perfekte Einstimmung in die Vorvorweihnachtszeit. Die Geschichte spielt im Dezember, ist nicht zu weihnachtlich, aber gemütlich und anrührend, emotional bewegend und Hoffnung versprechend - ideal für den dunklen November und die Vorfreude auf den Lichtbringenden Dezember.

Es ist November, als Petra in Stockholm alle Zelte abbricht und gemeinsam mit ihrer Nichte Charlie ins schwedische Dorf Nyponviken zieht. Dort gibt es eine Wohnung, die laut dem Nachlass der Eltern ein Zufluchtsort für Petra sein könnte. Ein Rettungsanker in einer schwierigen Zeit. Petras Schwester Alice, die Mutter von Charlie ist vor kurzem verstorben. Wund und verloren treffen sie in Nyponviken an, wo sie freundlich empfangen werden.

Am 1. Dezember liegt ein Adventskalender vor Petras Tür. Gestaltet von Lilly, einer jung verstorbenen Künstlerin aus Nyponviken. Es gibt keinen Hinweis darauf wer den Adventskalender, der vom Tourismusverband herausgegeben wurde, vor Petras Tür gelegt haben könnte. Hinter jedem Türchen steckt ein Stück von Lillys Lebensgeschichte, die sich auch als Liebesgeschichte entpuppt. Wird Petra Lillys Geheimnis aufdecken können?

Wie wichtig ist es den eigenen Träumen zu folgen? Lillys Geschichte begleitet Petra auf einer Reise zu sich selbst. Einer Reise, auf der sie sich mit ihrer Trauer auseinandersetzt und mit dem was Heimat und Glück eigentlich bedeuten. Ist das eine ohne das andere möglich?

"24 Wege nach Hause" hat mich sehr berührt. Weil ich es kenne sich mit dem Verlust eines geliebten Menschen auseinanderzusetzen und mit welchen Ängsten, welcher Wut und welcher Traurigkeit dies einhergeht. Jenny Fagerlund hat diesen Prozess sehr authentisch dargestellt, auf eine Art und Weise, die Trost spenden kann und mich zu Tränen gerührt hat.

Neben Trauer und Verlust geht es aber auch um die Suche nach dem Glück. Darum, dass es im Ankommen ebenso stecken kann wie in der Erfüllung eines Traumes und in Menschen, die uns nahestehen, die füreinander da sind. Welch unterschiedliche Facetten Freundschaft haben kann und wieviel Unterstützung in der Widerstandskraft einer Freundschaft stecken kann, erfährt Petra in Nyponviken.

Jenny Fagerlunds Erzählstil hat durch eine klare Sprache und eine sanfte, zugewandte Art die Leser*innen durch die Geschichte zu führen eine sehr emotionale Wirkung auf mich. Ich habe vermutlich zwei Kapitel lang geweint. Vor Rührung, vor Mitgefühl, weil ich mich sehr verbunden fühle mit Petra, ihrer Geschichte, ihren Herausforderungen und ihrer Natur damit umzugehen. Die ganze Atmosphäre, die Fagerlund geschaffen hat, ist voller Herzlichkeit, Hoffnung und Zusammenhalt.

Eine wundervolle Geschichte, die ich von Herzen für die Vorweihnachtszeit empfehle.

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Veröffentlicht am 28.10.2024

Die Glücksschwindlerin

Die Glücksschwindlerin
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Wilma Wonneberg und ich haben ein paar Gemeinsamkeiten. Z.B. können wir beide nur schlecht Matheaufgaben lösen oder pünktlich sein, andere Dinge haben wir nicht gemein. Z.B.: das Schwindeln. Denn Wilma ...

Wilma Wonneberg und ich haben ein paar Gemeinsamkeiten. Z.B. können wir beide nur schlecht Matheaufgaben lösen oder pünktlich sein, andere Dinge haben wir nicht gemein. Z.B.: das Schwindeln. Denn Wilma Wonneberg erschwindelt sich ein komplett neues Leben.

Aus Frust darüber, dass Wilmas Leben nicht gerade prall läuft (und das ist noch untertrieben), erfindet sie sich kurzerhand ein Neues. Geht ja gar nicht, dass sie beim Klassentreffen beichten muss, dass sie gerade sowohl den Job, als auch den Freund verloren hat. Ein Leben als Influencerin. Das wäre doch was! Und wie sollen ihre alten Freundinnen, die ja auch nicht unbedingt der Generation Instagram angehören, schon merken, dass Dalia Dolittle, die sich in den Sozialen Netzwerken nicht zu erkennen ist, gar nicht Wilma Wonneberg ist? Es kommt wie es kommen muss: Wilma verstrickt sich immer mehr in ihre Lügen. Doch irgendwann ist der Punkt erreicht, an dem sie sich nichts sehnlicher wünscht, als wieder zurück zukehren. Wenn da nicht mal ein Mann im Spiel ist...

Auch Autorin Nina Hundertschnee und ich haben etwas gemein und das ist unser Sinn für Humor. Konnte ich es längst bei ihren, in unserer Familie sehr beliebten Kinderbüchern bemerken, wurde es mir von "Die Glücksschwindlerin" noch mal bestätigt. Ich kann sehr gut über Sarkasmus und Übertreibungen lachen (vielleicht sollte ich mal eine Karmareinigung bei Chakrenmeisterin Sonne buchen, wenn mich der Alltag mal wieder allzu verdrießlich werden lässt) und fühle mich von Nina köstlich unterhalten. Trotzdem ist die Geschichte nicht zu 100% meins. Ich mag nicht mehr so gerne über tollpatschige Frauen, die sich daran orientieren, wie sie ihre Außenwirkung auf andere optimieren können und wie sie möglichst schnell einen tollen Typen angeln, lesen. Da wünsche ich mir Wilma, die viel Potential hat, moderner, mutiger, vielleicht auch ein bisschen rotziger.

Wer einen Humorvollen, locker leichten und unterhaltsamen Roman sucht, der ist bei Nina Hundertschnee und "Die Glücksschwindlerin" jedoch goldrichtig.

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Veröffentlicht am 28.10.2024

Sirius

Sirius
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Auf Sirius bin ich dank Christine Westermann und Mona Ameziane und ihren Podcast "Zwei Seiten" gestoßen. "Das perfekte Buchgeschenk, insbesondere für Hundeliebhaber*innen", darüber waren die beiden sich ...

Auf Sirius bin ich dank Christine Westermann und Mona Ameziane und ihren Podcast "Zwei Seiten" gestoßen. "Das perfekte Buchgeschenk, insbesondere für Hundeliebhaber*innen", darüber waren die beiden sich einig. Ich verschenkte also und bat darum es nach beenden selbst lesen zu dürfen.

Die Beschenkte hatte hart daran zu knabbern. Ich wollte ihr eine Freude in einer schweren Zeit machen, aber es war für sie nicht immer einfach, den zweiten Weltkrieg zu ertragen. "Ein Buch das auch Hoffnung gibt", hatte ich Christine Westermanns Stimme im Ohr. Sollte das doch nicht so sein?

Am Sonntag begann ich den Roman, der feine 300 Seiten umfasst und las mich durch die ersten hundert direkt am Stück durch. Was für eine intelligent lässige Sprache, was für ein großartiger ironischer Humor. Kurze griffige Abschnitte. Ganz nach meinem Geschmack. Ich mag es, wenn sich Schreibende der Ironie bedienen, um Tragik und Irrsinn eines Themas zu verdeutlichen. Und wo begegnet uns mehr Tragik und Irrsinn, als im zweiten Weltkrieg? Diese abstrusen Ansichten Hitlers eines sauberen, klugen, besseren Volkes - es ist immer wieder unbegreiflich warum Menschen diese Ideologien für ernst nehmen und ihnen Glauben schenken.

Mit Hilfe von Sirius, der als jüdischer Hund geboren, seinen Namen ändern und fliehen muss, aber zum Held mehrerer Stunden wird, zeichnet Crown ein sarkastisches Bild einer gleichzeitig dunklen, sowie schillernden Ära der Weltgeschichte. Auf der einen Seite Deutschland, das in Schutt und Asche liegt, zertrümmert zum vermeintlichen Wohle des Volkes, auf der anderen Seite Hollywood, glamourös, beeindruckend, aber von ähnlichem Größenwahn und Menschenverachtung befallen.

Eine spannende Reise durch die Zeit an der Seite des kleinen Hundes und seiner Familie. Trotz Perspektive des Hundes sehr authentisch, da wirklich gut recherchiert und mit historisch belegten Fakten untermalt. Getragen von Ironie und Humor, der Tragödien der Vergangenheit und wer beim Showdown immer noch trockene Augen hat, sollte dringend das Gespräch mit einem Baum suchen (kleiner Sirius Insider).

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Veröffentlicht am 28.10.2024

Und alle so still

Und alle so still
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Es sind Frauen, für die ich Coachings anbiete, und pädagogische Fachkräfte. Es ist nicht nur die Not des Personalmangels, die ich dort sehe und auch in meinem eigenen pädagogischen Arbeitsfeld spüre, sondern ...

Es sind Frauen, für die ich Coachings anbiete, und pädagogische Fachkräfte. Es ist nicht nur die Not des Personalmangels, die ich dort sehe und auch in meinem eigenen pädagogischen Arbeitsfeld spüre, sondern auch die Not der Frauen, die eingeengt werden, denen das Korsett des Patriarchats, unter anderem in Form von Glaubenssätzen, die Luft abschnürt.

Eine Mutter muss für ihre Kinder da sein. Das ist Frauenarbeit. Frauen gehören an den Herd. Wer den Haushalt nicht ordentlich führt, ist keine richtige Frau. Wer keine Kinder möchte, ist keine richtige Frau. Wer das Kind per Kaiserschnitt bekommen hat, hat sich nicht genug angestrengt. Wer keinen Mann hat, keine Kinder bekommen konnte, hat sich nicht richtig angestrengt. Wer keine richtige Frau ist und sich nicht richtig anstrengt ist wertlos.

Das ist nur ein kleiner Auszug dieser Glaubenssätze. Innere Kritiker, die uns Frauen dazu ermuntern uns aufzuopfern. Kleine Teufel, die verlangen, das wir uns verleugnen, alles hinnehmen, was männliche Strukturen uns auferlegen. Ohne den Mund aufzumachen oder noch besser, ohne den Mund gegen diese Strukturen aufzumachen, aber unbedingt gegen andere Frauen. Uns in Konkurrenz zu ihnen sehen. Gegenseitig unter Druck setzen, niedermachen bis wir daran erkranken. Denn Frauengruppen haben eine Stärke, die vom Patriarchat gefürchtet wird.

Das zeigt Mareike in ihrem neusten Roman "Und alle so still", der aktueller nicht sein könnte. Fachkräftemangel in den Care Berufen, weil alle ausgebrannt sind und Frauen, die sich dem entgegen stellen. Oder auch einfach nur zu erschöpft sind, um überhaupt wieder aufzustehen. Ein Gefühl, das jede Mutter, jede Ehefrau, jede Partnerin, jede Pflegekraft, jede pädagogische Fachkraft, kennt.

Mareike zoomt drei verschiedene Biografien aus der Masse. Ruth, die von ihrer Mutter das Pflichtgefühl übernommen hat, weil einer die Drecksarbeit machen muss. Die gelernt hat, dass frau sich nicht zur Wehr setzt und leise und brav alle Aufgaben erfüllt. Nur nicht aus der Reihe tanzen, nur nicht auffallen mit dem Kind, das anders ist, als die anderen und einen Lebensstil erfordert, der körperlich wie geistig erschöpft. Nur nicht klagen. Andere bekommen gar kein Kind. Eben solch ein Leben führt auch Nuris Mutter und er wünscht sich, sie wäre daraus ausgebrochen. Hätte zeigen können was Stärke wirklich bedeutet, um es dann an ihn weiterzugeben. Den Vater dazu bewegen können ein besseres männliches Vorbild zu sein, um vermitteln zu können, dass Stärke nicht bedeutet als Mann keine Gefühle zu zeigen und den ganzen Tag zu schuften, um abends schweigend und erschöpft von der Familie einzufordern, was Familienverbundenheit zum Verstummen bringt. Elins Mutter war anders. Anders als die meisten Mütter. Sie wünscht sich Selbstbestimmung und eine Kämpferin. Doch Elin fühlt sich einsam. Zu allein, um zu kämpfen. Sie braucht Verbindung zu anderen, um sich mit sich selbst verbinden zu können. Und die findet sie. In den Frauen, die dort auf der Straße liegen, wo sie zu erschöpft waren, um aufzustehen oder um zu zeigen was Frauen gemeinsam bewegen können.

Ich habe alle Bücher von Mareike gelesen und bin immer wieder geflasht davon, wie sie immer noch eins oben drauf legt. Sprachlich fand ich "Und alle so still" bombastisch. Inhaltlich eh. Mareike ist ein Vorbild. Eine, an der wir uns orientieren können, wenn wir verunsichert werden. Messerscharf stößt sie ihre Worte bis tief ins Innere. Ich hatte durchweg einen dicken Kloß im Hals und Gänsehaut. Stellenweise habe ich geweint, weil ich all diese Dinge, die im Roman beschrieben werden, so sehr fühle. Bei mir selbst und auch bei den Frauen, mit denen ich arbeite.

Ich wünsche mir, dass alle dieses Buch lesen. Um zu verstehen. Denn verstehen ist die erste Station auf dem Weg zur Veränderung. Und um ihre Wut in Energie umzusetzen. Um zu kämpfen. Um sich selbst und für andere.

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