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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.07.2021

Ein melancholischer Roman, dem es an (sprachlicher) Leichtigkeit fehlt

Auszeit
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Von „Auszeit“ habe ich mir sehr viel erhofft und leider nur sehr wenig mitgenommen. Die Identifikation mit der Protagonistin Henriette, die mit ihrem Leben und ihrer Dissertation ringt und nach einer Abtreibung ...

Von „Auszeit“ habe ich mir sehr viel erhofft und leider nur sehr wenig mitgenommen. Die Identifikation mit der Protagonistin Henriette, die mit ihrem Leben und ihrer Dissertation ringt und nach einer Abtreibung versucht, Frieden mit sich und der Welt zu schließen, schien zu Beginn noch möglich, löste sich aber schnell in die allgegenwärtige Leere des Romans auf.

Hannah Lühmann stellt das Innenleben ihrer Protagonistin intensiv in den Vordergrund, die sich gemeinsam mit ihrer Freundin Paula eine Auszeit in einer Waldhütte nimmt und über die Vergangenheit reflektiert. Während Henriette zu Beginn ihre nachvollziehbaren Ängste und Unsicherheiten beklagt und mich als Leserin dabei emotional sehr mitnimmt, driftet der Roman leider bald in Monotonie und Bedeutungslosigkeit ab. Henriettes Handeln und Denken scheint keinen tieferen Sinn zu haben, stattdessen ist der Text ständig von schweren Andeutungen überfrachtet, die vorgeben, Bedeutung zu haben, es aber selten tun. Da ist zum Beispiel Henriettes Dissertationsthema, der Werwolf, der sich durch den Text zieht und in einem Wolfsgehege gar in Erscheinung tritt, jedoch keine wirkliche Signifikanz hat. Auch Henriettes Erinnerungen wirken meist banal, bedeutungsleer, obwohl sie in der Sache durchaus brisant sind (die Affäre mit einem verheirateten Mann, die eine Abtreibung zur Folge hat, die Unsicherheit, die richtigen Berufsentscheidungen getroffen zu haben).

Als Roman, der den Zeitgeist einer Generation abbilden möchte, will dieses schmale Büchlein einfach zu viel. Als psychologisches Porträt einer einzelnen Person kann es noch interessant sein, die Identifikation mit dieser Person fällt jedoch trotz des großen Potenzials dafür so schwer, dass ich als Leserin schnell das Interesse an Henriette verloren habe. Ihr individuelles Trauma lässt sich eben gerade nicht auf eine ganze Generation übertragen, und so bleibt „Auszeit“ ein Buch, das mir nichts mit auf den Weg geben kann.

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  • Charaktere
Veröffentlicht am 27.04.2021

Weniger Krimi, sondern eher regionaler Lifestyle-Roman

Mord auf Provenzalisch
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„Mord auf Provenzalisch“ von Serena Kent wird ganz klar als Cosy-Krimi vermarktet – die meisten LeserInnen werden das Buch wohl als Urlaubslektüre kaufen oder zum Wegträumen, wenn der Urlaub ausfällt. ...

„Mord auf Provenzalisch“ von Serena Kent wird ganz klar als Cosy-Krimi vermarktet – die meisten LeserInnen werden das Buch wohl als Urlaubslektüre kaufen oder zum Wegträumen, wenn der Urlaub ausfällt. So bin auch ich an den Roman herangegangen und hatte entsprechend eher geringe Erwartungen – die leider trotzdem nicht erfüllt wurden.

Ein kurzer Abriss der Handlung: In diesem zweiten Band um die Hobby-Detektivin Penny, eine Engländerin, die in die Provence ausgewandert ist, rückt die provenzalische Kunstszene in den Vordergrund, als ein lokaler Künstler auf spektakuläre Weise vergiftet wird. Penny mischt sich halbherzig in die Ermittlungen ein, ist aber eigentlich mit Hausrenovierung, Cellospielen, Essen und sozialen Events bereits mehr als ausgelastet.

Genau darin liegt auch das Hauptproblem des Romans: Es gibt zu viel Drumherum. Essens- und Landschaftsbeschreibungen wechseln sich mit Gesprächen über Kleidung und Figur ab, sozialer Status und Aussehen stehen ständig im Vordergrund. Dass nebenher in der Kunstszene gemordet wird, bleibt lange eine Randerscheinung und ist begleitet von ausführlichen, oft spießig anmutenden Auslassungen über die Lächerlichkeit moderner Kunst.

Wer in diesem Buch eher einen Frauenroman mit einer kleinen Krimi-Komponente erwartet, der wird sicher fündig. Denn Pennys Leben in der gehobenen französischen Gesellschaft und der damit verbundene Lifestyle wird großzügig auserzählt. Auch Provence-LiebhaberInnen kommen mit ausschweifenden Landschafts- und Ortsbeschreibungen auf ihre Kosten. Wer sich einen Cosy-Krimi mit leichtem Provence-Flair gewünscht hat, wird allerdings eher enttäuscht von diesem Buch sein.

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  • Handlung
Veröffentlicht am 30.11.2022

Leider ein sehr unausgereifter Agententhriller

EAST. Welt ohne Seele
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Vom dänischen Bestseller-Autor Jens Henrik Jensen erwartet man sich Spannung, internationale Verschwörungen und natürlich eine gute Portion persönliches Drama. All das ist in „East – Welt ohne Seele“ zwar ...

Vom dänischen Bestseller-Autor Jens Henrik Jensen erwartet man sich Spannung, internationale Verschwörungen und natürlich eine gute Portion persönliches Drama. All das ist in „East – Welt ohne Seele“ zwar angelegt, jedoch wenig überzeugend ausgearbeitet. Der Thriller bleibt entsprechend sehr blass und ohne rechten Sog. Es handelt sich um den zweiten Roman des Autors, der in Dänemark bereits 1997 erschien, und trägt somit vielleicht noch Züge des Ausprobierens, die in späteren Werken verschwunden sind.

Im Zentrum von „East“ steht der CIA-Agent Jan Jordi Kazanski, der nach dem Mord an seiner Familie in ein tiefes Loch gefallen ist und nun in den Dienst zurückbeordert wird. Er soll in Krakau eine mysteriöse Informantin und Unterwelt-Chefin finden. Vor Ort stellt er bald fest, dass er nicht der Einzige ist, der nach ihr sucht – und dass er ins Fadenkreuz von gefährlichen Mächten geraten ist. Er tut sich mit der geheimnisvollen Xenia zusammen, um der Witwe und den geheimen Machenschaften in Krakau auf die Spur zu kommen.

Jan stellt leider das absolute Klischee des von seiner Vergangenheit verfolgten, alkoholabhängigen, aber trotzdem nahezu übermenschlich begabten Agenten dar, der allen anderen immer einen Schritt voraus ist. Xenia bleibt neben ihm eine blasse Figur, die wenig zur Geschichte beiträgt – außer dass sie hübsch ist. Überhaupt tauchen Frauen in „East“ fast nur als femmes fatales und besonders schöne Sexobjekte auf, die sich dem Protagonisten hemmungslos an den Hals werfen, obgleich seine wortkarge Art und sein Alkoholproblem eigentlich nicht unbedingt anziehend wirken. Auch hier werden Klischees bedient, die eigentlich ausgedient haben sollten, seit Sean Connery James Bond gespielt hat.

Neben solchen Klischees hat der Thriller noch zwei weitere Probleme: Einerseits werden Rechercheergebnisse zur politischen Situation in Osteuropa während und kurz nach dem Kalten Krieg, die für die Handlung nur mäßig relevant sind, häufiger als Infoblöcke von Figuren nacherzählt, die eher Geschichtsbuchcharakter haben, als glaubhafte Dialogelemente darstellen. Das wird bisweilen zäh! Zum anderen springt die Perspektive teilweise absatzweise (!) fröhlich hin und her, was das Lesen anstrengend und bisweilen auch verwirrend macht. Man kann sich nie richtig auf eine Perspektive einlassen, sondern muss jederzeit damit rechnen, mal kurz eine Information aus Sicht anderer Figuren eingestreut zu bekommen.

Diese stilistischen Fauxpas, kombiniert mit einer klischeebeladenen und nicht unbedingt mitreißend originellen Geschichte, machen „East“ leider zu einer zähen und unbefriedigenden Lektüre.

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