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Veröffentlicht am 11.07.2022

Mehr Lokal als Lokalkrimi

Die Leiche am Deich
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In „Die Leiche am Deich“ lässt Joost Jensen in einem beschaulichen friesischen Dörfchen ein Mutter-Tochter-Gespann in einem Mordfall ermitteln: die Brauerin Gesine und ihre Tochter Wiebke, ihres Zeichens ...

In „Die Leiche am Deich“ lässt Joost Jensen in einem beschaulichen friesischen Dörfchen ein Mutter-Tochter-Gespann in einem Mordfall ermitteln: die Brauerin Gesine und ihre Tochter Wiebke, ihres Zeichens Polizistin vor Ort. Was als uriger Regionalkrimi mit viel lokalem Flair beginnt, wird jedoch leider schnell ermüdend und eintönig.

Am Sünnumer Strand wird die Leiche der Frau des örtlichen Groß-Milchbauern angespült. Gesine, von ihrer Kundschaft liebevoll „Tüdelbüdel“ genannt, mischt sich ohne großes Zögern in die Ermittlungen ein, die eigentlich ihre Tochter Wiebke führen soll – die ist gar nicht erfreut davon, weist ihre Mutter jedoch auch nicht in ihre Schranken. Der Mordfall selbst ist einigermaßen unspektakulär, und so richtig Interesse an den Ermittlungen will auch nicht aufkommen. Dafür ist man als Leser*in viel zu abgelenkt von der Überdosis Lokalkolorit, wobei „Lokal“ hier im doppelten Wortsinn zu verstehen ist. Denn eine ganze Menge Seiten gehen für das ausschweifende Lob und den Genuss des örtlichen Tüdelbräus drauf. Das mag zu Beginn noch recht urig sein, aber mit sich häufenden Kneipenszenen und untermalendem Geplänkel sorgt diese Form des Humors bald nur noch für Augenrollen.

Da hilft es auch wenig, dass Gesine nicht unbedingt als Sympathieträgerin daherkommt: Sie überschreitet in einem fort Grenzen, stets in der festen Überzeugung, das stehe ihr zu, und ohne Rücksicht darauf, was ihre Alleingänge anrichten können. Sogar ihre eigene Tochter bringt sie mehrfach in arge Bedrängnis, ohne irgendeine Form von Schuldbewusstsein zu zeigen. Dabei erweisen sich ihre Einmischungen durchweg als überflüssig – sie zeigen nur, dass sie ihrer Tochter die Lösung des Falls nicht zutraut. Überhaupt enthält „Die Leiche am Deich“ erstaunlich wenig Krimi-Handlung, sodass sich ein Gefühl von Mitfiebern nicht so recht einstellt. Das Buch schafft es nicht, Spannung zu erzeugen, sondern verharrt eher auf komischen Elementen und dem erwähnten Lokalkolorit.

Wer Friesland und die örtliche Kneipenkultur mag, wird vielleicht in „Die Leiche am Deich“ eine kurzweilige Lektüre für zwischendurch finden. Krimi-Fans wird dieses Buch allerdings vermutlich nicht zu begeistern wissen.

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Veröffentlicht am 11.07.2022

Ein emotionaler Thriller mit vielen Wendungen

Kaltherz
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Nach „Ausweglos“ ist „Kaltherz“ der zweite Thriller von Henri Faber und spielt (genau wie sein Erstlingswerk) mit der menschlichen Psyche und zwischenmenschlichen Beziehungen. Dabei kann das Buch einerseits ...

Nach „Ausweglos“ ist „Kaltherz“ der zweite Thriller von Henri Faber und spielt (genau wie sein Erstlingswerk) mit der menschlichen Psyche und zwischenmenschlichen Beziehungen. Dabei kann das Buch einerseits durch seine Emotionalität und viele unerwartete Wendungen punkten, verliert sich manchmal aber auch in den Gedankengängen und Gefühlen seiner Figuren.

Die eigentlich aus dem Polizeidienst ausgeschiedene Ermittlerin Kim Lansky bekommt eine letzte Chance, ihre Karriere zu retten – indem sie die kleine Marie wiederfindet, die auf einem Parkplatz aus dem Auto ihrer Mutter entführt wurde. Lanskys unorthodoxe Ermittlungsmethoden und ihr schwieriger Charakter sind Segen und Fluch zugleich, denn sie findet zwar eine vielversprechende Spur, manövriert sich aber durch Alleingänge schnell selbst ins Aus. Zugleich zerbricht die Beziehung von Maries Eltern an dem Verlust ihrer Tochter, und es stellt sich heraus, dass beide Geheimnisse hüten …

Geheimnisse sind ein großes Thema in Henri Fabers Thrillern, und er schafft es meisterhaft, sie anzudeuten, ohne zu früh zu viel zu verraten, sodass ein dauerhaftes Gefühl von „Da steckt noch mehr dahinter!“ mich als Leserin bei der Lektüre begleitet. Die Figuren, durch deren Augen „Kaltherz“ erzählt wird (Maries Eltern, Kim Lansky und das entführte Kind), bekommen jeweils eine ganz eigene Stimme, was sie zu plastischen und nachvollziehbaren Charakteren werden lässt. Leider wird bei dieser Charakterzeichnung hin und wieder auch mal übers Ziel hinausgeschossen. Lange innere Monologe und intensive Gefühlsschilderungen, bei denen sich einiges wiederholt, lassen manche Episoden etwas zäh wirken. Die persönlichen Charakterschwächen der einzelnen Figuren nehmen dabei so viel Raum ein, dass eine Identifizierung mit den erwachsenen Charakteren schwerfällt, da sie allesamt extrem unsympathisch wirken – was ihre Glaubwürdigkeit jedoch zugleich erhöht. Eine schockierende Wendung im letzten Drittel des Buchs kann für einige dieser Kritikpunkte jedoch weitgehend entschädigen.

Insgesamt fühlte ich mich von „Kaltherz“ vor allem aufgrund seiner überraschenden Wendungen gut unterhalten und konnte über die kleinen Schwächen gut hinwegsehen. Ein solider zweiter Thriller von Henri Faber, der Lust auf das nächste Werk des Autors macht.

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Veröffentlicht am 29.06.2022

Stand-up-Comedy meets Thriller – mit eher mittelmäßigem Ergebnis

Schreib oder stirb
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Wenn der Name Sebastian Fitzek auf einem Buchcover steht, greift man als Thriller-Fan gern einfach gedankenlos zu. Auf „Schreib oder stirb“ taucht zugleich aber auch der Name des Comedians Micky Beisenherz ...

Wenn der Name Sebastian Fitzek auf einem Buchcover steht, greift man als Thriller-Fan gern einfach gedankenlos zu. Auf „Schreib oder stirb“ taucht zugleich aber auch der Name des Comedians Micky Beisenherz auf und gibt die Richtung für diesen Comedy-Thriller vor: Es geht nicht ganz ernsthaft zu. Dass das leider nur so mittelprächtig funktioniert, stellt sich vor allem auf den ersten Seiten heraus, in denen das Comedy-Element eindeutig die Oberhand hat.

David Dolla ist erfolgreicher Literaturagent und gerät unversehens mitten in einen Kriminalfall: Der mutmaßliche Entführer eines kleinen Mädchens fordert von ihm einen Verlagsvertrag und die Abfassung einer Biographie im Tausch gegen Informationen über ihren Aufenthaltsort. Als Dolla sich weigert, sich auf den abstrusen Deal einzulassen, gerät er samt seines persönlichen Umfelds unversehens in Gefahr – denn offenkundig hat der in der Psychiatrie sitzende Verdächtige seine Augen und Ohren sowie Helfershelfer überall …

Als Thriller ist „Schreib oder stirb“ ein wenig überzogen, aber durchaus spannend. Eine Reihe unvorhergesehener Wendungen sorgt gegen Ende für Überraschungsmomente und Nervenkitzel. Dort muss man jedoch erst einmal hingelangen. Denn gerade der Anfang verliert sich in einer schier endlosen Aneinanderreihung erzwungener Pointen und Witzchen, die nur lose an den Verlauf der Geschichte angeknüpft sind. Viele dieser Episoden rufen sofort Assoziationen an eine Stand-up-Bühne hervor und fügen sich weder in ihrem Duktus noch inhaltlich organisch in den Text ein. Es wirkt, als habe man das Gerüst eines Thrillers zwanghaft mit humorigen Episoden aufgefüllt. Diese Vorgehensweise verliert sich ab der Mitte etwas, wo es dann hauptsächlich um die Weiterentwicklung der Thrillerhandlung geht und der leicht flapsige Ton und mitunter trockene Formulierungen sich viel besser an die Handlung anpassen. Ab hier gelingt es dem Duo, ihre beiden Stile deutlich besser zu einem organischen Ganzen zu vereinen, bei dem die Thrillerhandlung im Vordergrund steht und von humoristischen Elementen untermalt wird (nicht andersherum wie zu Beginn des Buches).

Hätten Fitzek und Beisenherz diesen Stil von Anfang an durchgehalten, wäre „Schreib oder stirb“ insgesamt ein gut gelungener Comedy-Thriller geworden. So funktioniert das Buch eher mittelprächtig und erfordert gerade beim Einstieg einiges an Durchhaltevermögen, bis man sich durch die Flut an platten Pointen à la „Im Licht von Umkleidekabinen sieht jeder furchtbar aus“ zum spannenden Teil vorgekämpft hat. Der funktioniert dann aber tatsächlich richtig gut und belohnt die Geduld mit einem spannenden Showdown und einem unerwarteten Aha-Erlebnis.

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Veröffentlicht am 12.06.2022

Ein perspektivreicher, intensiver Kriminalroman

Freunde. Für immer.
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„Freunde. Für immer“ von Kimberly McCreight spielt sich an nur einem Wochenende unter einer kleinen Freundesgruppe ab, birgt aber durch seine häufigen Perspektivwechsel, Zeitsprünge und den Blick in die ...

„Freunde. Für immer“ von Kimberly McCreight spielt sich an nur einem Wochenende unter einer kleinen Freundesgruppe ab, birgt aber durch seine häufigen Perspektivwechsel, Zeitsprünge und den Blick in die Vergangenheit der Figuren einiges an Spannung und Rätselpotenzial. Mit vielen klassischen Krimi-Elementen schafft es das Buch, seine Leserschaft ordentlich zum Grübeln zu bringen.

Jonathan, Derrick, Keith, Stephanie und Maeve sind alte College-Bekannte und hüten ein gemeinsames Geheimnis. Das ist jedoch nicht der Grund für ihren Wochenend-Trip in die abgelegene Region der Catskill Mountains, sondern eine Intervention für Keith, dessen Drogenproblem außer Kontrolle geraten ist. Unglücklicherweise bleibt die kleine Gruppe nicht unter sich, sondern wird von anhänglichen Partnern, Affären und missgestimmten Bauunternehmern gestört. Das Verschwinden von Keith und Derrick ruft schließlich Detective Julia Scutt auf den Plan, die ihrerseits gerne einen Schlussstrich unter ihre Vergangenheit ziehen würde …

Das Besondere an „Freunde. Für immer“ ist zweifelsohne seine außergewöhnliche Erzählweise: Neben den Perspektiven der fünf Hauptcharaktere kommen auch Julia Scutt sowie eine mysteriöse weitere Person und eine Person aus der Vergangenheit der Gruppe zu Wort. Dazu wird der Roman nicht chronologisch erzählt, sondern es werden nach und nach Puzzlestücke aus mehreren Zeitebenen zusammengesetzt: Julias Ermittlungen, das Wochenende unter Freunden und ihre gemeinsame Vergangenheit fügen sich erst nach und nach zu einem kohärenten Bild zusammen. Das verlangt mir als Leserin doch einiges an Konzentration ab, und das Buch tänzelt immer mal auf dem schmalen Grat zwischen Brillanz und Chaos. Nichtsdestotrotz schafft Kimberly McCreight es jedoch, dadurch auch einen starken Sog aufzubauen, denn ihre Figuren geben nur zögerlich Informationen über sich preis und schüren so allesamt Verdachtsmomente. Vorenthaltene Informationen sind ein großes Thema im Buch selbst, aber auch in der Erzählweise, was dafür sorgt, dass ich als Leserin mir ständig neue Fragen stelle, Theorien aufbaue und wieder verwerfe und am Schluss doch überrascht bin.

Ein spannender Kriminalroman, der trotz bzw. gerade wegen seiner leicht chaotischen Erzählstruktur in seinen Bann zu ziehen vermag.

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Veröffentlicht am 12.06.2022

Mystisch, humorvoll, fabelhaft – ein Buch wie ein Fiebertraum

Der Fluch des Hechts
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„Der Fluch des Hechts“ von Juhani Karila ist eines dieser Bücher, die man nur einmal im Leben findet. Ein echter Schatz, der im Regal für Lieblingsbücher landen und immer wieder aufs Neue hervorgeholt ...

„Der Fluch des Hechts“ von Juhani Karila ist eines dieser Bücher, die man nur einmal im Leben findet. Ein echter Schatz, der im Regal für Lieblingsbücher landen und immer wieder aufs Neue hervorgeholt werden kann, denn dieser phantastische Roman wird wohl nie etwas von seinem Zauber einbüßen.

Schon die Frage, wovon der Debütroman des Finnen Juhani Karila handelt, lässt sich gar nicht so leicht beantworten: von der Einöde Lapplands und ihren kuriosen Charakteren und Wesenheiten, würden vielleicht die einen sagen. Von einer getriebenen Frau, die auf der Suche nach dem Sinn ist, würden vielleicht die anderen behaupten. Fakt ist einzig, dass dieses Stück Literatur aus dem Bereich magischer Realismus etwas ganz Einzigartiges ist. Ein Roman, der auf nonchalante und stets augenzwinkernde Art und Weise Mystisches mit Realem verbindet, Tragisches mit Humorvollem, Wahrheit mit Fiktion.

Magie gehört in dem kleinen Dorf in Ostlappland, in dem die Geschichte an wenigen Sommertagen spielt, so selbstverständlich zum Leben wie die Naturwesen, die sich mit schöner Regelmäßigkeit aus den Wäldern und Sümpfen in die Wohnstätten der Menschen wagen. Niemand ist mehr so recht verwundert von dem Näck, der zum Kartenspiel mit hohem Einsatz einlädt, oder dem Pejooni, der Schabernack treiben möchte. Aber für Elina Ylijaako sind es nicht nur diese Fabelgestalten, die ihr die Rückkehr in ihr Heimatdorf und die Erfüllung ihrer Aufgabe erschweren. Es ist ihre Vergangenheit und die Menschen darin. Verbissen macht Elina sich daran, einen Hecht aus einem Teich zu angeln – eine Aufgabe, die alles für sie bedeutet. Daran hindern sie nicht nur einige mannigfaltige Wesen, sondern auch ihre Weigerung, sich ihrer Vergangenheit und ihren eigenen Taten zu stellen.

Der Zauber von „Der Fluch des Hechts“ besteht darin, dass alles ganz selbstverständlich geschieht. Das Wundersame kommt in alltäglicher Gestalt daher und vermag niemanden so recht zu verwundern. Auf unaufgeregte Weise erzählt Juhani Karila ein absolut phantastisches Hirngespinst und vermag seine Leserschaft so direkt und unmittelbar in ein mystisches Lappland zu versetzen. Ein Wahnsinnsbuch!

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