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Veröffentlicht am 30.08.2022

Literarischer Krimi mit vielen düsteren Gestalten

Laidlaw
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„Laidlaw“, der erste Band aus William McIlvanneys Reihe um den schottischen Detective Laidlaw, ist ein düsteres Stück Kriminalliteratur voll zwielichtiger Gestalten, menschlicher Abgründe und schlagfertiger ...

„Laidlaw“, der erste Band aus William McIlvanneys Reihe um den schottischen Detective Laidlaw, ist ein düsteres Stück Kriminalliteratur voll zwielichtiger Gestalten, menschlicher Abgründe und schlagfertiger Sprüche. Sympathiepunkte sammelt in diesem Krimi niemand, aber die perfekt getroffene Atmosphäre der Glasgower Unterwelt trieft aus jeder Seite.

Detective Laidlaw ist ein ganz eigener Charakter und macht sich bei der Glasgower Polizei durch seine unkonventionelle Art und die Verweigerung traditioneller Polizeiarbeit wenig Freunde – seine Methode liefert jedoch Ergebnisse, sodass seine Vorgesetzten ihn zähneknirschend auf den brutalen Sexualmord an einer jungen Frau ansetzen, der auf den ersten Blick keinerlei Anhaltspunkte für die Ermittlungen liefert. Laidlaw muss seine Unterweltkontakte spielen lassen, um an Informationen zu kommen, und erfährt dabei nach und nach von einigen überraschenden Zusammenhängen mit den Mächtigen des Glasgower Verbrechens. Unterstützt wird er dabei von dem jungen Polizisten Harkness, der zwar vor Laidlaws Exzentrik gewarnt wurde, sich jedoch der Faszination seiner unkonventionellen Techniken nicht entziehen kann.

„Laidlaw“ ist ein fabelhaft inszenierter Noir-Krimi, der sich in die Abgründe des Menschlichen wagt und dabei nur Graustufen zulässt. Sein charismatischer Protagonist kämpft mit seinen eigenen Dämonen und Unzulänglichkeiten, was ihn zutiefst menschlich macht – dabei werden aber so manche Klischees des Genres nicht ausgelassen wie etwa der tief sitzende Sexismus, der sich vor allem in den flachen Frauenfiguren bzw. ihrer Reduktion auf ihre Funktion für die Männer der Geschichte äußert. Da wird auch schon mal der Liebesakt und die „Eroberung“ eines Frauenkörpers mit der Eroberung eines Kontinents durch einen Kolonisator verglichen. Abgesehen von dieser Schwäche überzeugt „Laidlaw“ jedoch mit einem für Krimis außergewöhnlich bildhaften, literarischen Stil, der gerne Metaphern und literarische Zitate einsetzt und damit einen Kontrast zur grobschlächtigen Realität des organisierten Verbrechens eröffnet.

Ein lohnenswerter Krimi, der vor allem durch seine atmosphärische Wortwahl und seine moralische Ambivalenz besticht, wenngleich er in mancher Hinsicht ein wenig aus der Zeit gefallen scheint.

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Veröffentlicht am 30.08.2022

Ein schleichender Weltuntergang

Auf See
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„Auf See“ von Theresia Enzensberger ist auf den ersten Blick eine Dystopie, wie man sie aus Hollywood-Filmen kennt: eine jugendliche Heldin in einer Enklave auf dem Meer, die nach dem Kollaps der modernen ...

„Auf See“ von Theresia Enzensberger ist auf den ersten Blick eine Dystopie, wie man sie aus Hollywood-Filmen kennt: eine jugendliche Heldin in einer Enklave auf dem Meer, die nach dem Kollaps der modernen Gesellschaft ein isoliertes Dasein fristet. Auf den zweiten Blick werden aber die vielen interessanten Ebenen offensichtlich, die die Autorin geschickt zu einem bewegenden und vor allem nachdenklich machenden Ganzen verwebt.

Die junge Yada lebt in der Seestatt, einer künstlichen Insel vor der Küste Deutschlands, die ihr Vater als futuristische Rettungsarche entworfen hat. An ihre Mutter kann Yada sich kaum erinnern, und auch sonst hat sie kaum persönliche Kontakte und schlägt sich mit Einsamkeit und Langeweile herum, die erst durchbrochen wird, als ihr Vater mit seiner Geheimnistuerei ihr Misstrauen weckt. Während Yada Nachforschungen anstellt, eröffnet ein zweiter Erzählstrang die bizarre Welt der alternden, immens erfolgreichen Künstlerin Helena, deren Werk aus dem Ruder gelaufen ist. Wie diese beiden Geschichten verknüpft sind, enthüllt das Buch erst nach und nach.

Der Zauber von „Auf See“ besteht in der Ernüchterung, die den geschilderten bahnbrechenden Ereignissen immer zugleich innewohnt. Die Seestatt ist kein High-Tech-Paradies, das noble Aussteiger auffängt, sondern ein langsam zerfallendes Experiment, das sich kaum allein auf den Beinen halten kann. Helena ist kein künstlerisches Ausnahmetalent, sondern rutscht zufällig und ungewollt in den Fokus der öffentlichen Wahrnehmung. Diese Nüchternheit setzt die Autorin auch mit Einschüben zu scheinbar unzusammenhängenden Berichten über die Welt- und Naturgeschichte fort, die nach und nach größere Zusammenhänge offenlegen. Mit oft zynischem Blick seziert Theresia Enzensberger die Schwächen der modernen Gesellschaft: den unbedingten Glauben an Innovation, den Wunsch nach Vernetzung und Anerkennung um jeden Preis, das ungesunde Verhältnis zur Natur und nicht zuletzt die schwindende Solidarität. Dabei entgleiten ihr jedoch manchmal ihre Charaktere: Trotz des intensiven Fokus auf zwei Protagonistinnen kommt man als Leserin nicht richtig an die Figuren ran. Das Buch ist insofern eher politisch als persönlich, und auch das Tempo leidet manchmal etwas unter der Ausgestaltung bestimmter Themenkomplexe. Nichtsdestrotrotz kann es damit durchaus überzeugen.

„Auf See“ ist ein politischer Roman, der viele gesellschaftliche Themen anschneidet und dabei nicht auf große Gesten und heldenhafte Charaktere setzt. Im Vordergrund stehen die großen Zusammenhänge und Entwicklungen, die seine Lesenden herausfordern und zum Nachdenken anregen. Eine lohnenswerte Lektüre!

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Veröffentlicht am 09.08.2022

Nicht der beste Mikael Lundt, aber spannend bis zum Schluss!

AETERNA
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„AETERNA – die schwarze Flamme“ ist der neueste Wissenschafts-/Sci-Fi-Thriller aus der Feder von Mikael Lundt. Auch in diesem neuesten Werk geht es wieder rasant zu, allerdings bleiben die Figuren im Vergleich ...

„AETERNA – die schwarze Flamme“ ist der neueste Wissenschafts-/Sci-Fi-Thriller aus der Feder von Mikael Lundt. Auch in diesem neuesten Werk geht es wieder rasant zu, allerdings bleiben die Figuren im Vergleich zu Lundts vorigen Werken etwas blass. Der spannenden Handlung tut dies jedoch glücklicherweise keinen Abbruch.

Bei der Aufklärung des Mordes an einem Informaten stößt Interpol-Ermittlerin Isabella Cassini auf den mysteriösen Geheimorden Aeterna und heftet sich an seine Fersen. Etwa zur gleichen Zeit macht Teilchenforscher Daniel Slovak eine unglaubliche Entdeckung – die auch Aeterna brennend zu interessieren scheint. Schnell muss Daniel feststellen, dass er sich im Fadenkreuz skrupelloser Ordens-Mitglieder befindet. Die beiden tun sich zusammen, um herauszufinden, was es mit alldem auf sich hat, aber die Zeit arbeitet gegen sie. Denn Daniels Entdeckung lässt eine Katastrophe globalen Ausmaßes befürchten …

Wie immer bei Mikael Lundt steckt auch dieses Buch voll spannender Einblicke in die Welt der Physik, ohne dabei langatmig zu werden. Dass dieses Mal auch ein finsterer Geheimorden eine Rolle spielt, treibt die Spannung ordentlich in die Höhe. Da wird oft kurzer Prozess gemacht, und die Protagonisten müssen sich durch halb Europa jagen lassen. Ein wenig zu kurz kommt bei diesem stark handlungsgetriebenen Roman, der ein rasantes Tempo an den Tag legt, die Figurenentwicklung. Bündnisse sind recht schnell geschlossen, Figuren entwickeln sich nur wenig weiter, und auch die dem Autor sonst so leicht von der Hand gehenden Schlagabtausche zwischen den Figuren bleiben etwas dünn. „Aeterna“ ist dadurch insgesamt weniger humorvoll als Lundts andere Bücher, allerdings bekommt die Geschichte dadurch eine viel gewaltigere Dimension, die auch ganz essenzielle Fragen nach der Natur der Welt aufwirft.

„Aeterna – die schwarze Flamme“ ist gewohnt gute Unterhaltung von einem Autor, der sein Handwerk wahrlich versteht und auch weniger geübte Sci-Fi-Lesende und Nicht-Physik-Fans für seine Geschichte zu begeistern versteht. Von mir eine klare Leseempfehlung!

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Veröffentlicht am 11.07.2022

Ein emotionaler Thriller mit vielen Wendungen

Kaltherz
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Nach „Ausweglos“ ist „Kaltherz“ der zweite Thriller von Henri Faber und spielt (genau wie sein Erstlingswerk) mit der menschlichen Psyche und zwischenmenschlichen Beziehungen. Dabei kann das Buch einerseits ...

Nach „Ausweglos“ ist „Kaltherz“ der zweite Thriller von Henri Faber und spielt (genau wie sein Erstlingswerk) mit der menschlichen Psyche und zwischenmenschlichen Beziehungen. Dabei kann das Buch einerseits durch seine Emotionalität und viele unerwartete Wendungen punkten, verliert sich manchmal aber auch in den Gedankengängen und Gefühlen seiner Figuren.

Die eigentlich aus dem Polizeidienst ausgeschiedene Ermittlerin Kim Lansky bekommt eine letzte Chance, ihre Karriere zu retten – indem sie die kleine Marie wiederfindet, die auf einem Parkplatz aus dem Auto ihrer Mutter entführt wurde. Lanskys unorthodoxe Ermittlungsmethoden und ihr schwieriger Charakter sind Segen und Fluch zugleich, denn sie findet zwar eine vielversprechende Spur, manövriert sich aber durch Alleingänge schnell selbst ins Aus. Zugleich zerbricht die Beziehung von Maries Eltern an dem Verlust ihrer Tochter, und es stellt sich heraus, dass beide Geheimnisse hüten …

Geheimnisse sind ein großes Thema in Henri Fabers Thrillern, und er schafft es meisterhaft, sie anzudeuten, ohne zu früh zu viel zu verraten, sodass ein dauerhaftes Gefühl von „Da steckt noch mehr dahinter!“ mich als Leserin bei der Lektüre begleitet. Die Figuren, durch deren Augen „Kaltherz“ erzählt wird (Maries Eltern, Kim Lansky und das entführte Kind), bekommen jeweils eine ganz eigene Stimme, was sie zu plastischen und nachvollziehbaren Charakteren werden lässt. Leider wird bei dieser Charakterzeichnung hin und wieder auch mal übers Ziel hinausgeschossen. Lange innere Monologe und intensive Gefühlsschilderungen, bei denen sich einiges wiederholt, lassen manche Episoden etwas zäh wirken. Die persönlichen Charakterschwächen der einzelnen Figuren nehmen dabei so viel Raum ein, dass eine Identifizierung mit den erwachsenen Charakteren schwerfällt, da sie allesamt extrem unsympathisch wirken – was ihre Glaubwürdigkeit jedoch zugleich erhöht. Eine schockierende Wendung im letzten Drittel des Buchs kann für einige dieser Kritikpunkte jedoch weitgehend entschädigen.

Insgesamt fühlte ich mich von „Kaltherz“ vor allem aufgrund seiner überraschenden Wendungen gut unterhalten und konnte über die kleinen Schwächen gut hinwegsehen. Ein solider zweiter Thriller von Henri Faber, der Lust auf das nächste Werk des Autors macht.

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Veröffentlicht am 12.06.2022

Ein perspektivreicher, intensiver Kriminalroman

Freunde. Für immer.
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„Freunde. Für immer“ von Kimberly McCreight spielt sich an nur einem Wochenende unter einer kleinen Freundesgruppe ab, birgt aber durch seine häufigen Perspektivwechsel, Zeitsprünge und den Blick in die ...

„Freunde. Für immer“ von Kimberly McCreight spielt sich an nur einem Wochenende unter einer kleinen Freundesgruppe ab, birgt aber durch seine häufigen Perspektivwechsel, Zeitsprünge und den Blick in die Vergangenheit der Figuren einiges an Spannung und Rätselpotenzial. Mit vielen klassischen Krimi-Elementen schafft es das Buch, seine Leserschaft ordentlich zum Grübeln zu bringen.

Jonathan, Derrick, Keith, Stephanie und Maeve sind alte College-Bekannte und hüten ein gemeinsames Geheimnis. Das ist jedoch nicht der Grund für ihren Wochenend-Trip in die abgelegene Region der Catskill Mountains, sondern eine Intervention für Keith, dessen Drogenproblem außer Kontrolle geraten ist. Unglücklicherweise bleibt die kleine Gruppe nicht unter sich, sondern wird von anhänglichen Partnern, Affären und missgestimmten Bauunternehmern gestört. Das Verschwinden von Keith und Derrick ruft schließlich Detective Julia Scutt auf den Plan, die ihrerseits gerne einen Schlussstrich unter ihre Vergangenheit ziehen würde …

Das Besondere an „Freunde. Für immer“ ist zweifelsohne seine außergewöhnliche Erzählweise: Neben den Perspektiven der fünf Hauptcharaktere kommen auch Julia Scutt sowie eine mysteriöse weitere Person und eine Person aus der Vergangenheit der Gruppe zu Wort. Dazu wird der Roman nicht chronologisch erzählt, sondern es werden nach und nach Puzzlestücke aus mehreren Zeitebenen zusammengesetzt: Julias Ermittlungen, das Wochenende unter Freunden und ihre gemeinsame Vergangenheit fügen sich erst nach und nach zu einem kohärenten Bild zusammen. Das verlangt mir als Leserin doch einiges an Konzentration ab, und das Buch tänzelt immer mal auf dem schmalen Grat zwischen Brillanz und Chaos. Nichtsdestotrotz schafft Kimberly McCreight es jedoch, dadurch auch einen starken Sog aufzubauen, denn ihre Figuren geben nur zögerlich Informationen über sich preis und schüren so allesamt Verdachtsmomente. Vorenthaltene Informationen sind ein großes Thema im Buch selbst, aber auch in der Erzählweise, was dafür sorgt, dass ich als Leserin mir ständig neue Fragen stelle, Theorien aufbaue und wieder verwerfe und am Schluss doch überrascht bin.

Ein spannender Kriminalroman, der trotz bzw. gerade wegen seiner leicht chaotischen Erzählstruktur in seinen Bann zu ziehen vermag.

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