Zu oberflächlich aber interessant
StellaIn dem Roman „Stella“ von Takis Würger wird die Greiferin Stella Goldschlag aus Sicht ihres fiktiven Liebhabers Friedrich beleuchtet.
Mitten im Krieg beschließt Friedrich 1942 nach Berlin zu reisen, wo ...
In dem Roman „Stella“ von Takis Würger wird die Greiferin Stella Goldschlag aus Sicht ihres fiktiven Liebhabers Friedrich beleuchtet.
Mitten im Krieg beschließt Friedrich 1942 nach Berlin zu reisen, wo er sowohl mehr über die Gerüchte von geheimen Nachtclubs und Judendeportationen erfahren, als auch Zeichenstunden nehmen möchte. Während seiner ersten Zeichenstunde trifft er auf das Aktmodell Kristin, die ihn sofort fasziniert und gemeinsam mit dem SS-Mann Tristan von Appen das Leben in Berlin zeigt. Nach einiger Zeit erfährt Friedrich dann jedoch, dass Kristin in Wirklichkeit die Jüdin Stella Goldschlag ist und andere Juden an die Gestapo verrät, um ihre Eltern zu schützen.
Die Idee des Buches, die Geschichte einer Person, die unbegreifliche Verbrechen begangen hat, aus Sicht einer nahestehenden Person zu erzählen, fand ich sehr interessant. So werden auch diese Leute einmal als Menschen dargestellt und man lernt etwas darüber, wie zum Beispiel die Familie mit diesen umgegangen ist. Somit hat man allerdings auch keinen direkten Einblick in die Gedanken und Gefühle von Stella. Da Friedrich zudem sehr naiv und gutgläubig zu sein scheint, erfährt man nur wenig über die Person Stella.
Durch den nüchternen, distanzierten Schreibstil und die teils kindisch wirkende Art des Protagonisten, wirken die Charaktere oberflächlich und es fällt leider schwer Handlungen dieser nachvollziehen zu können. Aber vielleicht ist genau das auch die Absicht, denn die wirkliche Tragweite und Schwierigkeit jeder einzelnen Entscheidung in dieser Situation können wir vermutlich niemals nachempfinden.
Die Ausschnitte aus den Prozessakten von Stella Goldschlag, die immer wieder eingestreut werden, ziehen den Leser aus der Fiktion zurück in die Realität. So verhindern sie, dass der Leser die Thematik als schockierend aber nicht real von sich wegschieben kann.
Auch wenn die interessante Idee nicht überall in der Umsetzung gelungen ist, erfährt man viel Neues über das Leben in Berlin während des Zweiten Weltkrieges. Zudem wird ein neuer Blickwinkel auf die bekannte Thematik eröffnet. Wer sich generell für die Zeit des Dritten Reichs interessiert, sollte definitiv einen Blick in das Buch werfen.