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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 31.12.2018

Die Polizisten

Die Polizisten
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Eigentlich ist es ein einfacher Auftrag, den die Polizisten Virginie, Erik und Aristide ausführen sollen: einen Gefangenen von A nach B zu transportieren. Doch hinter diesem Auftrag versteckt sich ein ...

Eigentlich ist es ein einfacher Auftrag, den die Polizisten Virginie, Erik und Aristide ausführen sollen: einen Gefangenen von A nach B zu transportieren. Doch hinter diesem Auftrag versteckt sich ein großes Dilemma, denn bei dem Gefangenen handelt es sich um einen Asylsuchenden, der abgeschoben werden soll. Wahrscheinlich in den sicheren Tod.

Hugo Boris befasst sich in seinem kurzen, aber bewegendem Roman mit einem brandaktuellen Thema. Trotz der Kürze liefert die Geschichte viele Denkanstöße zum Thema Flüchtlingspolitik und nimmt ganz bewusst auch den Einzelnen mit in die Verantwortung. Die drei Polizisten könnten natürlich stur ihrem Befehl folgen, sind aber so menschlich, dass sie mit ihrem Schicksal hadern. Die Gewissenskonflikte werden realistisch dargestellt, man kommt als Leser viel ins Grübeln. Dieser inneren Aufruhr steht der etwas kühle und nüchterne Schreibstil entgegen, der mir trotzdem gut gefallen hat. Die Handlung ist gar nicht so ereignisreich, trotzdem sorgen die Konflikte für Spannung. Ein wirklich gelungener, intensiver Roman, der auch zwischen den Zeilen viel zu erzählen hat.

Veröffentlicht am 30.12.2018

Schuld und Sühne

Der Wilde
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Juan Guillermo wird in Mexiko-City der 1960er groß. Doch vom einen auf den anderen Tag ändert sich sein Leben, denn sein Bruder Carlos wird ermordet; die Polizei tut das, was sie am besten kann, nämlich ...

Juan Guillermo wird in Mexiko-City der 1960er groß. Doch vom einen auf den anderen Tag ändert sich sein Leben, denn sein Bruder Carlos wird ermordet; die Polizei tut das, was sie am besten kann, nämlich wegsehen. Als auch noch der Rest der Familie unter tragischen Umständen stirbt, findet sich Juan mit 17 Jahren auf sich alleine gestellt wieder. An seiner Seite die liebeshungrige Chelo und … ein Wolf.
Guillermo Arriaga hat mir mit „Der Wilde“ ein echtes Highlight zum Jahresabschluss beschert. Ein großer Roman, der die großen Themen Verlust, Schuld, Rache, Freundschaft, Liebe… ach eigentlich alle großen Themen des Lebens bekommen ihren Moment. Dabei ist die Geschichte aber mitnichten mainstream, sondern überrascht und überrascht und überrascht. Die Figuren sind spannend, haben Tiefe, sind gleichzeitig frisch und doch uralt. Juan als Hauptfigur hat mir sehr gut gefallen, ein Teenie, der mit den Härten des Lebens konfrontiert wird und über sich hinauswachsen muss (ohne die Heldenattitüde diverser Jugendromane übrigens). Denn hart geht es schon zu, als Leser sollte schon ein bisschen was aushalten können. Arriaga beschreibt die Brutalität genauso akribisch, wie er auch die schönen Seiten sehr ausführlich und detailliert wiedergibt. Mir hat sein Stil sehr gut gefallen. Man muss sich erst ein bisschen einlesen, denn die Handlung wird nicht stur chronologisch wiedergegeben; auch Einschübe in Form kurzer Mythen aus aller Welt, Naturgesetzen, Gedichten uvm. erschweren manchmal den Lesefluss. Einen zweiten kurzen Handlungsstrang kann man erst nach mehreren hundert Seiten einordnen. Doch dieser etwas verschachtelte Aufbau macht den Roman erst recht interessant, und ich habe ihn sehr gerne gelesen. Eine beeindruckende Geschichte, die mich noch eine Weile beschäftigen wird.

Veröffentlicht am 25.12.2018

Schnee in Amsterdam

Schnee in Amsterdam
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Stella und Gerry sind seit Jahrzehnten verheiratet, sind zusammen alt geworden. Dem Alltag in Glasgow entfliehen sie regelmäßig für kleine Kurztrips, diesmal führt sie die Reise nach Amsterdam. Doch statt ...

Stella und Gerry sind seit Jahrzehnten verheiratet, sind zusammen alt geworden. Dem Alltag in Glasgow entfliehen sie regelmäßig für kleine Kurztrips, diesmal führt sie die Reise nach Amsterdam. Doch statt die Beziehung neu zu beleben und bewusst Zeit miteinander zu verbringen, treibt sie immer mehr auseinander. Gerry ist am Liebsten in Gesellschaft seiner Flasche, Stella sucht Zuflucht im Glauben. Wird die Ehe den frostigen Ausflug überstehen?

MacLaverty hat einen ganz ruhigen Roman der leisen Töne geschrieben. Ich kann durchaus verstehen, warum dieses Buch als Novel of the Year ausgezeichnet wurde, denn die langsame Enthüllung der tragischen Ereignisse hat durchaus Sogwirkung. Der Autor würdigt kleine Details, lenkt das Auge des Betrachters auf viel Schönes, und obwohl der Stil keineswegs überemotional ist, kann man doch die beiden Hauptfiguren sehr gut verstehen und ihr Handeln nachvollziehen. Die Ehe der beiden scheint ein bloßes Nebeneinanderher zu sein, die Liebe dem Alltag gewichen, man ist genervt, man ist aber auch zu bequem um an der Situation etwas zu ändern. Mir erscheint die Ehe der beiden als gutes Beispiel für viele, auch als Ermahnung sich nach Jahren noch wertzuschätzen und nicht für selbstverständlich zu halten. Ein wertvolles kleines Buch, aus dem jeder etwas mitnehmen kann.

Veröffentlicht am 16.12.2018

Männer weinen heimlich

Wie hoch die Wasser steigen
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Auf einer Ölplattform mitten in stürmischer See verliert Waclaw unerwartet seinen besten Freund, seinen Mitbewohner, seine Liebe. So wie Mátyás sein Leben verliert, so verliert Waclaw seine Perspektive. ...

Auf einer Ölplattform mitten in stürmischer See verliert Waclaw unerwartet seinen besten Freund, seinen Mitbewohner, seine Liebe. So wie Mátyás sein Leben verliert, so verliert Waclaw seine Perspektive. Er macht sich auf die Suche nach Mátyás Wurzeln, seinen eigenen, seiner Herkunft. Und scheitert fast an dem Versuch sich wiederzufinden.

Anja Kampmanns Roman lebt oft vom Ungesagten, von subtilen Hinweisen versteckt zwischen den Zeilen. Das macht einerseits den Reiz des Buches aus, es andererseits dadurch aber auch anstrengend. Die Handlung wird chronologisch erzählt, dabei aber eher in einzelnen Szenen, die nur grob miteinander das große Ganze bilden. Emotionen, auch allgemein ein Blick in das Innere der Hauptfigur werden nur spärlich gewährt, es fällt schwer sich mit Waclaw zu identifizieren. Ich fand es schade, dass die Welt, die ihn prägt (die Bohrinsel nämlich) nur so wenig Raum in der Handlung einnimmt, stattdessen irrt Waclaw quasi atemlos durch die Welt. So reduziert die Gefühlswelt im Roman, so überladen Waclaws Reiseroute, hier hätte ich mir gerne etwas weniger Stationen gewünscht. Mir hat der Roman durchaus irgendwo gefallen, aber wirklich abgeholt hat er mich nicht.

Veröffentlicht am 11.12.2018

Seicht, aber gut zu lesen

Zwischen uns ein ganzes Leben
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Béatrice steckt in Schwierigkeiten, denn ihr Job scheint auf einmal gar nicht mehr so sicher. Auch in der Beziehung kriselt es, und so ist es ein Glück, dass sie zufällig auf die alte Jacobina trifft. ...

Béatrice steckt in Schwierigkeiten, denn ihr Job scheint auf einmal gar nicht mehr so sicher. Auch in der Beziehung kriselt es, und so ist es ein Glück, dass sie zufällig auf die alte Jacobina trifft. Die braucht nicht nur ein bisschen Unterstützung im Alltag, sondern muss auch noch ein langgegebenes Versprechen einlösen.
Fast ein Jahrhundert vorher, muss auch Judith schwierige Zeiten durchstehen. Als Jüdin hat sie im Paris der 1940er immer weniger Rechte und schwebt bald sogar in Lebensgefahr.

Ich mag Geschichten, die über Generationen hinweg spielen, eigentlich ganz gerne, diese hier konnte mich aber nicht überzeugen. Mir hat die Grundidee gut gefallen, die Umsetzung fand ich dann aber einfach zu platt und süßlich. Es fehlt an Tiefe, es fehlt auch an „neuen“ Ideen. Zudem verrät der Klappentext viel zu viel, sodass mich eigentlich keine echten Überraschungen mehr erwartet haben. Was nicht vorher verraten wurde, errät man als Leser zudem noch sehr schnell, sodass keine echte Spannung aufkommt. Die Figuren waren recht einfach gestrickt, Jacobina mochte ich ganz gerne, weil sie ein paar Ecken und Kanten zu bieten hat, die anderen liefen einfach so mit. Auch sprachlich ist der Roman sehr einfach gehalten, schön zum Kopf ausschalten, mir war das jedoch zu wenig. Insgesamt ein Roman, der sich ganz nett lesen lässt, sonst aber nicht viel zu bieten hat.