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Veröffentlicht am 30.09.2018

Was Shakespeare nicht erzählte

Der Sturm
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Der Herzog von Milano hat alles was er sich wünschen kann: eine bezaubernde Frau, Nachwuchs ist unterwegs, er wird von seinen Untertanen geschätzt. Doch mit der Gefangenen Coraxa ändert sich alles, denn ...

Der Herzog von Milano hat alles was er sich wünschen kann: eine bezaubernde Frau, Nachwuchs ist unterwegs, er wird von seinen Untertanen geschätzt. Doch mit der Gefangenen Coraxa ändert sich alles, denn die vermeintliche Hexe scheint wirklich mysteriöse Kräfte zu haben. Als auch noch Julia stirbt, gerät Prospero in eine Abwärtsspirale, die nicht aufzuhalten ist. Eine Spirale, die ihn und seine Tochter Miranda zu vernichten droht.

Ich mochte Shakespeares Sturm schon immer, und so war ich auf diese Vorgeschichte mehr als gespannt. Meine Erwartungen wurden dann auch wirklich erfüllt, denn mich hat Tom Jacubas neuestes Werk ganz wunderbar unterhalten. Es knüpft sehr gut an Shakespeares Theaterstück an, füllt die Figuren aber natürlich auf ganz eigene Art mit Leben, sodass man das eine sehr wohl auch ohne das andere lesen kann. Ich mochte besonders Prospero, denn seine Figur ist sehr wandelbar und immer für eine weitere Wendung gut. Aber auch seine Tochter Miranda war mir sehr sympathisch, die man buchstäblich von der Wiege auf kennenlernen kann. Aber auch die magischeren Wesen wie Ariel sind sehr gut gelungen. Obwohl einige Fantasyelemente vorkommen, würde ich die Geschichte nicht unbedingt dem reinen Fantasyfan empfehlen, dafür ist die Handlung zu „normal“, mir hat sie jedoch genau so gefallen wie sie ist. Sowohl reale Orte wie Milano, die Heimat von Prospero als auch fantastischere Ecken wie die Insel sind sehr plastisch dargestellt und man hat sie dank bildhafter Beschreibungen sehr gut vor Augen. Überhaupt konnte man sich dank der besonderen Erzählweise des Autors sehr schnell in die Geschichte fallen lassen; immer wieder gibt es Zeitsprünge, doch denen kann man als Leser sehr gut folgen. Insgesamt habe ich den Sturm sehr gerne gelesen, für mich genau die richtige Mischung zwischen klassischen Motiven und modernen Fantasyelementen.

Veröffentlicht am 29.09.2018

Überfüllt

Der Polarbären-Entdeckerclub 1 – Reise ins Eisland
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Eigentlich sollte Stella ja bei ihrer ungeliebten Tante daheim bleiben als sie ihr Ziehvater Felix doch spontan mit auf eine Expedition ins Eis nimmt. Und das als Mädchen! Gemeinsam mit weiteren Juniorforschern ...

Eigentlich sollte Stella ja bei ihrer ungeliebten Tante daheim bleiben als sie ihr Ziehvater Felix doch spontan mit auf eine Expedition ins Eis nimmt. Und das als Mädchen! Gemeinsam mit weiteren Juniorforschern wird sie dort plötzlich von der Gruppe abgeschnitten, auf einmal müssen die verfeindeten Mitglieder zusammenarbeiten um allerlei Gefahren zu begegnen.
Die Idee hinter dem Buch fand ich sehr fantasievoll, leider hat mir die Ausführung nicht so richtig gefallen. Alex Bell bevölkert seine Geschichte mit allerlei bunten Kreaturen, von Eisprinzessinnen über Einhörner bis hin zum Hauseisbären ist quasi alles dabei. Und eben dieses „alles“ hat mich gestört, denn die Story wirkt total vollgestopft. Anstatt den einzelnen Fantasyelementen etwas Raum zugeben, werden lieber noch fünf weitere hinterher geschoben. Detailreiche Beschreibungen sucht man somit eher vergebens, sodass man sich nicht so richtig in Stellas Welt einfühlen kann. Die wirkt auch eher blass (und das liegt nicht an ihrer Hautfarbe), und stolpert dann eben durch ihre Geschichte, ohne dass man sie so recht kennen lernt. Geschrieben ist die Story altersgerecht, sodass sie sich flüssig liest. Die Handlung ist zwischenzeitlich etwas langatmig, kann dann aber auch wieder durch ganz witzige Sequenzen punkten. Insgesamt eine durchschnittliche Geschichte, die Potential zu mehr gehabt hätte.

Veröffentlicht am 29.09.2018

Russische Schwermut

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Sieben Jahre saß Ilja im Gefängnis, weil ihm von Fahnder Petja ein Verbrechen angehängt wurde. Sieben Jahre, in denen er eigentlich im Leben Fuß hätte fassen sollen. Jetzt ist die Freundin schon lange ...

Sieben Jahre saß Ilja im Gefängnis, weil ihm von Fahnder Petja ein Verbrechen angehängt wurde. Sieben Jahre, in denen er eigentlich im Leben Fuß hätte fassen sollen. Jetzt ist die Freundin schon lange weg, der Studienabschluss ewig her, und zu allem Unglück stirbt Iljas Mutter kurz vor seiner Freilassung. Der trifft an seinem ersten Tag in Freiheit ausgerechnet auf Petja, die Wurzel allen Übels; und ersticht ihn. Doch Petjas Leben lässt Ilja nicht los, denn er liest sich durch die Aufzeichnungen und Nachrichten in dessen Handy.

Von russischen Klassikern kennt man die Schwere, das Melancholische dieser Literatur. Glukhovskys Stil vereint die Eigenschaften dieser altbekannten Literatur mit modernen Themen. Ilja ist eine tragische Figur, eigentlich hat er im Leben nichts groß falsch gemacht, trotzdem bricht ein Unglück nach dem anderen über ihn herein. Man wünscht ihm nur das Beste, allerdings hat man mit fortschreitender Handlung doch sehr wenig Hoffnung auf nur ein bisschen Glück für ihn. Petja hingegen scheint mit dem goldenen Löffel im Mund geboren zu sein, doch je mehr man ihn durch seine Nachrichten kennen lernt, desto klarer wird, dass auch er kein leichtes Leben hatte. Ilja irrt mit Petjas Geist im Nacken durch das moderne Moskau, man folgt ihm durch die kalte Stadt und versinkt genüsslich in der russischen Schwermut. Der Erzählstil ist etwas eigenwillig, ich hatte zuerst Zweifel ob sich aus emails, Whatsappnachrichten etc. eine flüssige Handlung ergeben kann. Kann es. Und eine mitreißende noch dazu. Mir hat Glukhovskys Roman wirklich sehr gut gefallen, auch wenn man sich auf die düstere Stimmung einlassen muss.

Veröffentlicht am 13.09.2018

Gute Idee zu langatmig erzählt

Der Platz an der Sonne
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Josua Brenner mogelt sich in Berlin, der Hauptstadt der Neuen Preußischen Republik so durch. Gelegenheitsarbeiten und Schwarzmarktgeschäfte bestimmen sein Leben, doch er will mehr. Er hat die Nase voll ...

Josua Brenner mogelt sich in Berlin, der Hauptstadt der Neuen Preußischen Republik so durch. Gelegenheitsarbeiten und Schwarzmarktgeschäfte bestimmen sein Leben, doch er will mehr. Er hat die Nase voll von der staatlichen Willkür, will Chancen auf Aufstieg. Schnell hat er ein Ziel vor Augen: Afrika. Dort essen die Leute von goldenen Tellern, jeder kann etwas aus sich machen. Doch hinkommen muss man erst mal.

Torklers Idee fand ich wirklich sehr interessant und so bin ich vielleicht mit zu großen Erwartungen ans Buch herangegangen. Der Autor stellt die Welt wie wir sie kennen erst mal auf den Kopf. Afrika als Traumziel aller, im armen Deutschland sind dagegen Sandalen aus Autoreifen begehrte Objekte; man muss als Leser erst mal umdenken. Leider hat es der Autor versäumt, die Entstehung dieser Neuordnung genauer zu beleuchten, das hätte mich doch sehr interessiert. So muss man die Gegebenheiten halt einfach akzeptieren. Brenners Schicksal geht einem natürlich nahe, er erlebt viel Willkür und Grausamkeiten, ist aber selbst auch kein ganz Netter. Er verliert sich komplett in dem Ziel Flucht, vernachlässigt Familie und Freunde. Das konnte ich ihm nie so richtig verzeihen und so war er mir nicht unbedingt sympathisch; Jammern und Saufen kann er auch gut, was ihm weitere Minuspunkte auf der Sympathieskala bescherte. Die Handlung entwickelt sich etwas schleppend, vieles hätte auch kürzer erzählt werden können. Vieles wiederholt sich, Brenner muss reichlich Geld für die Flucht verdienen, welches ihm dann wieder aus der Tasche gezogen wird. Dieses Motiv wiederholt sich bis zum Erbrechen, zwischenzeitlich hat mich allein Brenners flappsiger Ton bei der Stange gehalten. Das Ende ist sicherlich stimmig, doch die Handlung hat mich insgesamt einfach nicht überzeugt. Tolle Grundidee, aber an der Umsetzung hapert’s dann doch. Schade.

Veröffentlicht am 12.09.2018

Starke Frauen in harten Zeiten

Alligatoren
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Drei sehr unterschiedliche Frauen treffen im Sumpf der heißen Südstaaten aufeinander. Gertrude, die ihre hungernden Kinder vor ihrem trunksüchtigen Vater beschützen muss. Oretta, die zwar nicht mehr wie ...

Drei sehr unterschiedliche Frauen treffen im Sumpf der heißen Südstaaten aufeinander. Gertrude, die ihre hungernden Kinder vor ihrem trunksüchtigen Vater beschützen muss. Oretta, die zwar nicht mehr wie ihre Mutter als Sklavin auf der Plantage schuftet, aber als Hausmädchen mit schwarzer Hautfarbe immer noch nicht als vollwertiger Mensch behandelt wird. Und Annie, Orettas Arbeitgeberin, die eine aufstrebende Fabrik leitet. Sofern ihr Mann das zulässt.

Deb Speras Roman bietet einen sehr authentischen Ausflug in die 1920er. Das Leben ist hart, und das lässt uns die Autorin hautnah spüren. Die Beschreibungen sind sehr bildhaft, die Autorin verliert sich aber nicht in unnötiger Grausamkeit. Ihre drei Hauptfiguren kommen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten, trotzdem wird einem schnell klar, dass das Leben für alle drei kein Zuckerschlecken ist. Ich fand die drei Frauen sehr interessant und auch alle irgendwo sympathisch, selbst wenn Gertrude einem das nicht immer leicht macht. Durch ständige Perspektivwechsel blickt man mal der einen, mal der anderen in den Kopf, was mir sehr gut gefallen hat, da auch das Zusammenführen dieser Erzählstränge wunderbar funktioniert. Auch sprachlich unterscheiden sich die drei, sodass der Erzählstil zwar immer flüssig, aber doch sehr abwechslungsreich ist. Bis auf Kleinigkeiten hat mir dieser Südstaatenroman wirklich gut gefallen, die Autorin sollte ich mir merken.