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Veröffentlicht am 25.02.2018

Große Schriftsteller auf kriminalistischer Mission - lesenswert

Die Affäre Carambol (Goethe und Schiller ermitteln)
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Mysteriöses geschieht im Frankfurt von 1801: zwei Stadträte werden ermordet (?) aufgefunden, Depeschenreiter werden ausgeschickt (allerdings nicht von offizieller Stelle) und immer wieder hat man die drohende ...

Mysteriöses geschieht im Frankfurt von 1801: zwei Stadträte werden ermordet (?) aufgefunden, Depeschenreiter werden ausgeschickt (allerdings nicht von offizieller Stelle) und immer wieder hat man die drohende Besatzung durch Napoleon im Nacken. Eigentlich sind Goethe und Schiller nur zu einem Anstandsbesuch angereist, doch plötzlich finden sie sich mitten im Geschehen wieder.

Schon in „Durch Nacht und Wind“ hat das Ermittlerduo Goethe/Schiller gezeigt, dass sie weit mehr können als am heimischen Schreibtisch große Literatur hervorbringen. Ich kenne Band 1 nicht, man kann aber ohne Probleme mit der Carambolaffäre in die Reihe einsteigen. Die beiden Ermittler ähneln dem bewährten Holmes/Watson-Team: Goethe ist brillant, etwas unnahbar und geheimnisvoll. Schiller der brave Chronist der beiden, verheiratet und – naja nicht ganz so überschlau wie sein Kumpan. Als Team haben mir die beiden trotzdem gut gefallen. Ich hatte mir etwas mehr Verbindung zu ihrem historischen Vorbild erwartet, zwar wird immer wieder auf das literarische Werk der beiden angespielt, so ganz abgenommen habe ich es dem Autor dann doch wieder nicht. Nichtsdestotrotz ein schönes Duo, das gut durch die Geschichte führt. Die entwickelt sich zu einem ganz netten Krimi, der zwar nicht hochkarätig nervenaufreibend, aber durchgehend ganz spannend ist. Den historischen Kontext der Bedrohung durch Napoleon fand ich sehr ansprechend, Lehnberg hat da eine hübsche fiktive Story drumrum gebastelt. Erzählt ist das Ganze aus Schillers Sicht, er schreibt standesgemäß etwas altertümlich, was aber beim Lesen keinesfalls stört, sondern den Leser eher in die richtige Stimmung versetzt. Insgesamt liest sich die Geschichte sehr flüssig.
Mir hat „Die Affäre Carambol“ ganz gut gefallen und ich bin gespannt welche Fälle die beiden in Zukunft noch lösen werden.

Veröffentlicht am 22.02.2018

Und wenn sie tanzt, ist sie woanders

Wenn Martha tanzt
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Im Jahre 1900 wird Martha in Pommern geboren. Schnell entwächst sie der ländlichen Idylle Türnows und landet als junge Erwachsene im Dunstkreis des Bauhausgenies Gropius. Aus einer musikalischen Familie ...

Im Jahre 1900 wird Martha in Pommern geboren. Schnell entwächst sie der ländlichen Idylle Türnows und landet als junge Erwachsene im Dunstkreis des Bauhausgenies Gropius. Aus einer musikalischen Familie stammend, kann sie ihrer synästhetischen Veranlagung entsprechend dort Musik mit der bildenden Kunst und dem Tanz verbinden.
Am Anfang des nächsten Jahrhunderts stehen ihre Erinnerungen in Form eines Tagebuchs bei Sotheby‘s zum Verkauf. Enthalten: einige wertvolle Werke bekannter Künstler wie Paul Klee oder Kandinsky.
Tom Saller hat sich in seinem Debutroman ein interessantes Setting ausgesucht, die Welt der Bauhauskünstler fand ich sehr spannend. Marthas Blick auf diese Welt erscheint trotzdem irgendwie immer etwas eingeschränkt, ich hatte immer den Eindruck, dass sie mit ihrem „Talent“ nicht so richtig ernst genommen wurde. Nichtsdestotrotz erfährt man viel Neues und mir hat dieser Ausflug nach Weimar gut gefallen. Zwar bemüht sich Saller um einen historischen Kontext, nicht immer schafft er eine authentische Einbindung ins soziale und politische Geschehen seinerzeit. Ich mochte leider auch den Erzählstil nicht so gerne; die Aufteilung in eine „Vergangenheit“ und eine Rahmenhandlung im „Jetzt“ hat mir gut gefallen, doch sprachlich konnte ich Sallers Roman nicht viel abgewinnen. Auch die Figuren haben mich nicht richtig überzeugt, ich muss nicht immer in alle tiefsten Tiefen der Gefühlswelt eines Protagonisten vordringen, aber gerade Martha als Dreh- und Angelpunkt der Handlung hätte ich dann doch gerne etwas besser kennengelernt.
Insgesamt wirkte der Roman auf mich noch etwas unausgegoren, auch wenn durchaus ansprechende Passagen enthalten waren, die ich sehr gerne gelesen habe.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Inselparadies?

Insel der blauen Delfine
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Seit die weißen Männer ihren gesamten Stamm mitgenommen haben, lebt das Mädchen Karana alleine auf der Insel der blauen Delfine. Ihre Tage verbringt sie mit der Jagd, legt Vorräte für harte Zeiten an; ...

Seit die weißen Männer ihren gesamten Stamm mitgenommen haben, lebt das Mädchen Karana alleine auf der Insel der blauen Delfine. Ihre Tage verbringt sie mit der Jagd, legt Vorräte für harte Zeiten an; zudem muss sie sich noch vor einem wilden Hunderudel hüten. Und immer wieder schweift der Blick zum Horizont, aus Angst die weißen Männer könnten wiederkommen.

Scott O’Dell hat sich die wahre Geschichte einer jungen Frau vorgenommen und daraus ein sehr lebendiges Buch für Kinder und Jugendliche gemacht. Er schildert das einsame Leben sehr bunt, beschönigt aber gleichzeitig nichts. Seine Beschreibungen von Flora und Fauna, dem Wechsel der Jahreszeiten und der See haben mir sehr gut gefallen. Die Einblicke in das Leben der Pazifikbewohner waren interessant und lehrreich, jedoch ohne belehrend zu sein. Die Sprache ist dem Zielpublikum angepasst, das Buch liest sich schnell und flüssig. Zwar an jüngeres Publikum gerichtet, konnte mich die Handlung doch auch gut unterhalten. Karana ist eine starke Persönlichkeit, richtig kennenlernen kann man sie jedoch nicht. Ihre Gedanken und Emotionen werden immer nur gefiltert beschrieben, vielleicht auch weil ihre Einsamkeit ungefiltert für das junge Publikum zu hart gewesen wäre.
Unterm Strich habe ich „Die Insel der blauen Delfine“ ganz gerne gelesen, auch als Erwachsener kann man schöne Seiten darin finden.

Veröffentlicht am 21.02.2018

Idee gut, Ausführung solala

Die Rache der Polly McClusky
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Polly ist ein schüchternes Mädchen, das in der Schule getriezt wird und das nicht nur, weil sie mit ihren 11 Jahren immer noch ihren Teddy ständig bei sich trägt. Sie wohnt eigentlich bei ihrer Mutter, ...

Polly ist ein schüchternes Mädchen, das in der Schule getriezt wird und das nicht nur, weil sie mit ihren 11 Jahren immer noch ihren Teddy ständig bei sich trägt. Sie wohnt eigentlich bei ihrer Mutter, umso erstaunlicher ist es, dass eines Tages ihr Vater vor den Schultoren auf sie wartet. Der ist nach Jahren frisch aus dem Gefängnis entlassen, leider nachdem er dort den falschen Leuten kräftig ans Bein gepinkelt hat. Die Aryan Steel haben ihm Rache geschworen, und so befindet sich nicht nur Nate, sondern auch Polly in höchster Gefahr. Eine irre Flucht beginnt…

Mich hat der Klappentext angesprochen, diese Mischung aus verqueren Figuren, dramatischer Flucht und die Verbindung zur Aryan Steel hatte ich mir sehr interessant vorgestellt. Leider hat die Geschichte nicht alles halten können, was ich mir erhofft hatte. Man erfährt einen Großteil der Handlung aus Pollys Perspektive, die ich eigentlich ganz sympathisch fand. Irgendwie konnte ich dem Autor ihr kindliches Alter nicht komplett abnehmen, sie handelt an einigen Stellen nicht so richtig nachvollziehbar. Natürlich ist ihre Situation eine sehr ungewöhnliche, trotzdem war ich oft nicht wirklich überzeugt. Ihren Vater Nate dagegen fand ich recht glaubwürdig, auch wenn er an vielen Stellen gängigen Klischees entspricht und nichts wirklich Neues darstellt. Der Autor arbeitet bereits an einem Drehbuch zu Polly, und das schien ihm beim Schreiben des Romans immer schon im Hinterkopf gewesen zu sein. Viele Szenen kann ich mir im TV sehr viel besser vorstellen, als sie im Buch rüberkommen. Harpers Stil ist zunächst etwas gewöhnungsbedürftig, hat mir dann aber doch gut gefallen. Er weiß Spannung zu erzeugen, sodass ich schon immer wissen wollte wie es weitergeht, auch wenn ich insgesamt nicht komplett gefesselt war.
Unterm Strich kann man Polly durchaus mal zur Hand nehmen, man verpasst aber auch nichts, wenn man lieber auf die Verfilmung wartet.

Veröffentlicht am 19.02.2018

Der Trompeter

Die Herzen der Männer
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In den 60er Jahren werden Nelsons Ferien von seinem Besuch im Pfadfinderlager dominiert. In der Schule hat er quasi keine Freunde, daheim wird er vom Vater unterdrückt und nicht für voll genommen. Im Lager ...

In den 60er Jahren werden Nelsons Ferien von seinem Besuch im Pfadfinderlager dominiert. In der Schule hat er quasi keine Freunde, daheim wird er vom Vater unterdrückt und nicht für voll genommen. Im Lager soll das alles anders werden, er arbeitet hart an seinen Abzeichen, darf morgens zur Ansprache sogar die Trompete spielen, hält sich vorbildlichst an alle Regeln. Trotzdem kann er sich weder bei Gleichaltrigen noch bei dem mitgereisten Vater ins rechte Licht rücken und bleibt in seiner Außenseiterrolle. Auch noch Jahre später.

Nickolas Butler hat es mir mit seinem Roman nicht leicht gemacht. Ich tat mich mit dem ganzen Mikrokosmos des Pfadfinderlagers etwas schwer, konnte mich nicht richtig hineinversetzen. Dort gelten eigenen Regeln, die jedoch am laufenden Band unterlaufen werden, auch wenn Einzelne dagegen arbeiten. In Ansätzen kann ich mir das soziale Gefüge dort schon vorstellen, so richtig überzeugt haben mich die Ausführungen nicht. Regelrecht anstrengend fand ich das ständige Gerede von Werten, Heldentum und „echten“ Männerfreundschaften, die als Ideal dahingestellt werden, obwohl kaum ein Protagonist wirklich danach zu streben scheint. Nelson ist da die Ausnahme, leider fand ich ihn als Figur nicht wirklich nahbar. Auch im weiteren Verlauf der Handlung konnte ich seine Handlungsintentionen oft nicht nachvollziehen. Mir hat die Handlung gerade in der zweiten Hälfte etwas besser gefallen. Die erste Hälfte habe ich zwar durchaus mit Interesse gelesen, hätte das Buch aber auch jederzeit zur Seite legen können, in der zweiten Hälfte (und somit in der nächsten Generation) waren mir die Figuren dann doch etwas näher.
Butlers Stil ist zunächst nüchtern, mit der Zeit liest man sich aber ein. Er erzählt immer etwas distanziert, mit der Zeit gelingt es ihm aber trotzdem ein intensives Lesegefühl aufzubauen. Der Ton ist immer etwas melancholisch, oft auch unnötig altbacken, hat mir unterm Strich nur mittelmäßig gefallen.
„Die Herzen der Männer“ ist ein mehrschichtiger Roman, der aber in seiner ganzen Ausführung irgendwie an meinem Geschmack vorbeigedriftet ist. Potential war da, konnte aber meiner Meinung nach nicht ausgeschöpft werden.