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Veröffentlicht am 22.04.2017

Remis?

Der Turm der Könige
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Mitte des 13ten Jahrhunderts sollte eine Schachpartie über Wohl und Wehe der Giralda in Sevilla entscheiden. Ein muslimischer Turm auf christlichem Boden? Ein Unding. Wer die Schachpartie zwischen Muslimen ...

Mitte des 13ten Jahrhunderts sollte eine Schachpartie über Wohl und Wehe der Giralda in Sevilla entscheiden. Ein muslimischer Turm auf christlichem Boden? Ein Unding. Wer die Schachpartie zwischen Muslimen und Christen gewinnt, entscheidet über das Los des Minaretts. Doch die Partie wird unterbrochen und ist auch 500 Jahre später noch nicht entschieden. Nicht zuletzt deswegen, weil die ursprünglichen Regeln verloren gingen…

Ein geheimnisvolles Schachspiel. Versteckte Regeln, Ritterorden und geheime Absprachen. Nerea Riesco kombiniert die mysteriöse Suche um die letzte Schachpartie gekonnt mit einer (unkitschigen) Liebesstory und Sevillas Geschichte im 18ten Jahrhundert. Mir hat diese Mischung über weite Strecken gut gefallen, die Autorin hat einen sehr angenehmen Schreibstil und kann auch die (für mich) eher langweiligen Schachsequenzen und –regeln entsprechend locker an den Leser bringen. Das ganze Buch ist einer Schachpartie ähnlich aufgebaut, das Spiel zieht sich als roter Faden durch die Geschichte, auch wenn die sich gerade mit etwas ganz anderem befasst. Die Figuren sind ganz gut gelungen, ab und an etwas stereotyp, aber durchaus interessant gestaltet. Die Familiengeschichte der Druckerfamilie de Haro ist abwechslungsreich, manchmal etwas abenteuerlich, ab und an leider auch etwas langweilig. Insgesamt bin ich den Figuren aber gerne über die Seiten gefolgt. Der Spannungsbogen ist mäßig aufgebaut, der vermeintliche Höhepunkt meiner Meinung nach etwas misslungen, sodass ich mit dem Ende nicht so richtig glücklich war. Insgesamt ist der Turm der Könige aber durchaus ein lesbarer historischer Roman, kein Highlight, aber doch unterhaltsam.

Veröffentlicht am 16.04.2017

The walking dead

Der Freund der Toten
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Mitte der 70er Jahre wird das verschlafene irische Dörfchen Mulderrig plötzlich gehörig wachgerüttelt: Mahony, ein junger Hippie, ist auf der Suche nach seinen Wurzeln. Diese Wurzeln sind dem Dorf nicht ...

Mitte der 70er Jahre wird das verschlafene irische Dörfchen Mulderrig plötzlich gehörig wachgerüttelt: Mahony, ein junger Hippie, ist auf der Suche nach seinen Wurzeln. Diese Wurzeln sind dem Dorf nicht nur sehr peinlich, sondern sollten eigentlich auch die ganze Zeit hübsch in der Erde versteckt bleiben. Genau wie die Toten, die Mahony sehen kann.

Man könnte meinen, ähnliche Familiendramen mit etwas Gruselfaktor gäbe es zuhauf. Könnte man. Man darf aber nicht den außergewöhnlichen Erzählstil der Autorin vergessen, der macht dieses Buch nämlich zu etwas ganz Besonderem. Jess Kidd belebt jeden Stein und jeden Baum; allerdings nicht auf die Herr-der-Ringe-Ent-Art, sondern eher wie es vielleicht ein Dichter der Romantik getan hätte. Äste beugen sich über Kinder, Holzwürmer singen, Flussinseln schlafen, Sonnenlicht folgt den Leuten auf Schritt und Tritt. Dieser Erzählstil schafft eine unglaublich dichte und lebendige Atmosphäre, die mich begeistert hat. Die Autorin kann jedoch nicht nur mitreißend erzählen, sondern auch ihr irisches Dörfchen mit allerlei Marken beleben. Egal ob der ungeliebte Pfarrer oder die alte, aber mit allen Wassern gewaschene Mrs Cauley, ich fand sie großartig gezeichnet und an den richtigen Stellen etwas überspitzt dargestellt. Denn Kidd beweist Humor und eine spitze Feder. Auch die Toten, die mit Mahony kommunizieren können, fügen sich hervorragend in die Geschichte ein, ohne dass diese zu sehr ins Gruselgenre abdriftet. Es handelt sich eigentlich um völlig normale Menschen, die halt den kleinen Schönheitsfehler haben, tot zu sein. Einziger (kleiner) Kritikpunkt meinerseits ist die Tatsache, dass Mahony sich sofort zum Schwarm sämtlicher (!) Dorffrauen entwickelt. Das war mir zu übertrieben, aber vielleicht wollte die Autorin ein bisschen Freie-Liebe-Feeling der Hippies in die Geschichte bringen. Doch das tat dem Lesegenuss keinen Abbruch und so hat sich „Der Freund der Toten“ schon jetzt zu einem meiner Jahreshighlights gemausert.

Veröffentlicht am 15.04.2017

Kleine Gefälligkeiten

Nur ein kleiner Gefallen - A Simple Favor
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Stephanie lebt nach dem Tod ihres Mannes alleine mit ihrem Sohn in einem New Yorker Vorort. Der Alltag ist ausgefüllt mit Muttersein und Kindererziehung, in ihrer Freizeit bloggt sie über… das Muttersein ...

Stephanie lebt nach dem Tod ihres Mannes alleine mit ihrem Sohn in einem New Yorker Vorort. Der Alltag ist ausgefüllt mit Muttersein und Kindererziehung, in ihrer Freizeit bloggt sie über… das Muttersein und Kindererziehung. Etwas Halt und Abwechslung gibt ihr ihre beste Freundin Emily. Doch eines Tages verschwindet Emily spurlos. Stephanie tritt auf ihrem Blog eine Suche los, kümmert sich liebevoll um Emilys Sohn und kommt auch deren Mann näher…

Darcey Bell hat in ihrem Debutroman ein spannendes Szenario geschaffen: erfolgreiche Karrierefrau und Mutter verschwindet, inklusive überraschender Wendungen. Ihre Grundidee hat mir sehr gut gefallen, die Geschichte lässt sich gerade auch am Anfang sehr gut an. Leider hat Bell sich wohl ein bisschen an jüngste Bestseller wie Gone Girl oder Girl on the train ranhängen wollen, ich sah da schon einige Parallelen, was mir so ein bisschen den Lesespaß verdorben hat. Die Autorin schreibt flüssig und spannend, zieht allerdings im Laufe der Handlung so manches Kaninchen aus dem Schreiberlingshut, worunter die Glaubwürdigkeit der Geschichte relativ schnell leidet. Das Ende konnte mich dementsprechend auch nicht mehr überzeugen, wobei es durchaus stimmig mit der Entwicklung der Story war; nur halt nicht nach meinem Geschmack.
Mir ging die Figur Stephanie unendlich auf die Nerven: Sohn hier, Alltag mit Kindern da… sie ist das pure und reine Klischee der Übermutter, einer Frau, die nach der Geburt ihres Kindes NUR noch für ihre Mutterrolle lebt und sich selbst dafür komplett aufgibt. Ihre Blogeinträge, die sich übrigens sehr schön in den Lesefluss einfügen, strotzen vor Selbstbeweihräucherung und sind Ausdruck dieses Mutterseins und ihrer Heimchen-am-Herd-Einstellung. Ihre Vergangenheit umgibt ein düsteres Geheimnis, welches man erstens relativ früh in der Handlung errät und welches meiner Meinung nach so gar keine Funktion erfüllt und mir somit nur unnötig die Seiten gefüllt hat. Leider sind auch die anderen Hauptfiguren nur wenig sympathischer, sodass ich eigentlich so wirklich mit keinem mitfühlen wollte. Ein eher durchwachsenes Lesegefühl also, wobei mich der Erzählstil der Autorin schon angesprochen hat und ich ihr durchaus noch mal eine Chance geben würde. In einem Buch ohne Kinder ; )

Veröffentlicht am 07.04.2017

To bee or not to bee

Die Geschichte der Bienen
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Drei Familien, drei Orte, drei verschiedene Zeiten. William bläst im Jahre 1852 Trübsal, weil die aufsteigende Forscherkarriere ins Stocken geraten ist. Forschungen am hauseigenen Bienenstock könnten der ...

Drei Familien, drei Orte, drei verschiedene Zeiten. William bläst im Jahre 1852 Trübsal, weil die aufsteigende Forscherkarriere ins Stocken geraten ist. Forschungen am hauseigenen Bienenstock könnten der Karriere wieder Flügel verleihen. George ist im Jahre 2007 damit beschäftigt, den Junior ins brummende (und summende) Familiengeschäft einzuweisen, die Imkerei. Doch der will seine Flügel selbst erproben und steckt seine Nase lieber in der Unibibliothek in Bücher. Für Bücher hat Tao im Jahre 2098 keine Zeit, als professionelle Bestäuberin liegt das Wohl und Wehe der jährlichen Ernte in ihren Händen. Denn 2098 gibt es keine Bienen mehr, und ohne sie bleibt die mühselige Arbeit an den Menschen hängen. Die sind zwar bienenfleißig, kommen jedoch schnell an ihre Grenzen.

Maja Lunde hat einen wunderbaren Roman geschaffen, der dem Leser einen tiefen Blick in den Bienenstock erlaubt. Braun-gelb und geflügelt sind ihre wichtigsten Protagonisten, die Tiere, die sich als Konstante durch die drei Handlungsstränge ziehen. Man lernt vieles über die Insekten, Lunde verpackt die Informationen aber in kleine Häppchen, die sich hervorragend in die Handlung einfügen. Die Bedeutung der Bienen für die Landwirtschaft und damit ihre Bedeutung für den Menschen spielt eine große Rolle. Nachdenkliche Töne lässt die Autorin anklingen, aber auch warnende. Der Handlungsstrang um Tao malt ein düsteres Bild einer bienenlosen Welt und die Warnung senkt sich dem Bienenstachel ähnlich ins Fleisch des Lesers. Doch das Buch wartet nicht nur mit beklemmender Endzeitthematik auf, sondern weiß auch zu unterhalten. Alle drei Geschichten sind liebevoll ausgearbeitet, die Charaktere echt und glaubwürdig. Die Eltern-Kind-Beziehung steht immer im Fokus (ein interessanter Gegenpol übrigens: im Bienenstock ist der Einzelne nichts, für die eigene Familie jedoch alles), man sieht diese im Wandel der Zeit gegenüber gestellt. Die Figuren wirken in ihren jeweiligen Epochen authentisch, und ich habe eigentlich alle drei sehr gemocht. Die verschiedenen Handlungsstränge wirken nicht mühsam zusammen zwischen die Buchdeckel gequetscht, sondern weisen genug Gemeinsamkeiten auf um ein großes Ganzes zu bilden. Sprachlich hat mich die Autorin ebenfalls überzeugt, sie trifft immer den richtigen Ton, von anklagend bis (honig-)süß. Ihr Erzählstil, zusammen mit ihrer hervorragend konzipierten Geschichte, haben mich dann auch an den Seiten kleben lassen, sodass ich dieses Buch sehr genossen habe und jetzt nicht nur Lust auf ein Honigbrot habe, sondern sehr gespannt auf die kommenden Romane der Autorin bin.

Veröffentlicht am 04.04.2017

Sweetbitter

Sweetbitter
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„Essen wird zu einer Wissenschaft, definiert durch Sprache. Nie wieder wirst du einfach Nahrung zu dir nehmen.“
Die 22jährige Tess zieht mit Sack und Pack nach New York, zum Erwachsenwerden und zum Erleben. ...

„Essen wird zu einer Wissenschaft, definiert durch Sprache. Nie wieder wirst du einfach Nahrung zu dir nehmen.“
Die 22jährige Tess zieht mit Sack und Pack nach New York, zum Erwachsenwerden und zum Erleben. Einen rechten Plan hat sie nicht, bekommt jedoch unverhofft eine Stelle als Hilfskellnerin im edlen Restaurant am Union Square. Zwischen exquisiten Speisen und ausgesuchten Weinen lernt Tess nicht nur einiges über die Welt der Gourmets, sondern auch den anziehenden Barkeeper Jake kennen.

Sweetbitter ist der Debutroman von Stephanie Danler, die hier ihre eigenen Erfahrungen verarbeitet. Man merkt ihr die Liebe zum Beruf an, zu den Genüssen der gehobenen Küche, der Welt der Weinkenner. Ihre Beschreibungen des Geschmacks und Geruchs der Speisen, ihrer Anrichtung und auch ihrer Bedeutung in der High Society sind der Autorin hervorragend gelungen, man bekommt Hunger beim Lesen; selbst auf Austern ; ) Auch ihre Figuren, die Mitarbeiter des Restaurants wirken sehr echt, z.T. sind sie an Kollegen Danlers angelehnt, größtenteils jedoch Fiktion. Als Leser konnte ich nicht unterscheiden, wer „echt“ war und wer nicht. Die Hauptfigur Tess selbst war mir leider sehr unsympathisch, trotz ihrer jungen Jahre wirkt sie oft wie ein völlig gedankenloser Genussmensch, der nur für sich lebt. Natürlich gibt es auch solche Menschen, mir ging sie jedoch mit ihrer Art oft auf die Nerven. So hab ich ihr dann auch manche Niederlage gegönnt, ebenso ihre Probleme mit anderen Menschen. Danler hat keinen ganz einfachen Erzählstil, mir war er oft zu reduziert, andere Passagen hingegeben haben mich wiederum begeistert. Der Aufbau der Geschichte hat mir gut gefallen, Danler orientiert sich an den vier Jahreszeiten und gibt so der Story eine ansprechende Struktur.
Insgesamt habe ich dieses Buch mit gemischten Gefühlen gelesen, der Ausflug in die Welt des Genusses hat mir gut gefallen, die Hauptfigur und ihre Handlungen eher weniger. Kein ganz großer Knüller für mich, aber eine Autorin, die ich im Auge behalten werde.