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Veröffentlicht am 02.10.2016

Vier Jahre

Justins Heimkehr
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Vier Jahre war Justin verschwunden. Vom Erdboden verschluckt. Zum Skaten aus dem Haus gegangen und nie wieder gekommen. Der Verlust und die Ungewissheit haben an seiner Familie genagt, die Eltern haben ...

Vier Jahre war Justin verschwunden. Vom Erdboden verschluckt. Zum Skaten aus dem Haus gegangen und nie wieder gekommen. Der Verlust und die Ungewissheit haben an seiner Familie genagt, die Eltern haben sich entfremdet. Da taucht der Teenie auf einmal wieder auf und nichts ist wie Früher.

Wenn man das eigene Kind verliert, ist das schrecklich. Wenn man aber nicht genau sagen kann wie und warum, ist das noch viel schrecklicher. Johnston hat dieses Szenario meisterhaft erzählt, die unterschiedlichen Reaktionen der Familienmitglieder fand ich sehr realistisch dargestellt. Die Ängste und Sorgen, aber auch die große Freude und Erleichterung. Der Autor zeigt auch, dass mit der Heimkehr nicht etwa wieder alles in Ordnung ist, sondern dass viele Probleme hier erst ihren Ursprung haben. Die Geschichte wird aus verschiedenen Perspektiven der Familienmitglieder erzählt, leider jedoch nie aus Justins; so bleibt der dem Leser etwas fremd, vielleicht genau so fremd wie er der eigenen Familie geworden ist. Der Erzählstil hat mir sehr gut gefallen, nicht zu emotional, jedoch mit dem nötigen Feingefühl. Ein gelungener Roman, der nachdenklich macht.

Veröffentlicht am 21.09.2016

Drehtür

Drehtür
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Die Mittsechzigerin Asta hat den Großteil ihres Lebens als Krankenschwester in Ländern der Dritten Welt gearbeitet. Nun ist sie etwas unfreiwillig wieder in Deutschland gelandet, steht vor der Drehtür ...

Die Mittsechzigerin Asta hat den Großteil ihres Lebens als Krankenschwester in Ländern der Dritten Welt gearbeitet. Nun ist sie etwas unfreiwillig wieder in Deutschland gelandet, steht vor der Drehtür zum Flughafen. Der Blick schweift, die Gedanken auch, so reicht weiß Asta nicht wohin mit sich. Und so beobachtet sie ihre Mitmenschen und meint so manchen wiederzuerkennen.

Lange-Müller erzählt nicht chronologisch, schweift mal in die eine, mal in die andere Richtung ab. Kurze Episoden, z.T. noch nicht einmal große Meilensteine in Astas Leben, bringen diese dem Leser doch nah. Asta ist nicht unbedingt eine Protagonistin zum Mitfühlen. Hinter der rauen Schale verbirgt sich ein rauer Kern, eine zerrissene Seele und eine sehr missmutige Stimmung. Asta ist an diesem Punkt in ihrem Leben gescheitert und so ist auch der Ton, der sich durch die Geschichte zieht eher drückend. Nicht nur über Leben, Land und Leute sinniert Asta, sondern auch immer wieder über die deutsche Sprache, die ihr, nach alle den Jahren im Ausland, immer wieder fremdartig anmutet. Diese Gedankenspiele haben mir sehr gut gefallen, sie schärfen den Blick. Leider hat Lange-Müller es nicht geschafft, den Faden mit dem die Episoden verwoben sind, etwas kräftiger zu gestalten, im Endeffekt reihen sie sich etwas lose aneinander und auch das Ende fand ich etwas enttäuschend.

Veröffentlicht am 19.09.2016

Ehefrau Nummer Sechs erzählt

Die zwölfte Nacht
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Henry VIII ist für vieles bekannt, v.a. aber auch für seinen Verschleiß an Ehefrauen. Charlotte Lyne hat sich Ehefrau Nummer Sechs vorgenommen und erzählt von Catherine Parrs Leben vor, mit und nach Henry. ...

Henry VIII ist für vieles bekannt, v.a. aber auch für seinen Verschleiß an Ehefrauen. Charlotte Lyne hat sich Ehefrau Nummer Sechs vorgenommen und erzählt von Catherine Parrs Leben vor, mit und nach Henry. Immer an ihrer Seite stehen die Seymours, die ebenfalls die englische Geschichte prägten.

Im damaligen England gab es den Brauch, die zwölfte Nacht nach Heiligabend groß zu feiern. Lyne nimmt immer wieder Bezug auf diese Nacht, lässt Catherine Aufregendes und Aufwühlendes erleben, erzählt ihre Geschichte in zwölf Kapiteln. Dieser Kniff hat mir sehr gut gefallen, denn der Geschichte wird so ein sehr schöner Rhythmus gegeben. An den Schreibstil musste ich mich erst ein wenig gewöhnen, Lyne schreibt hier etwas altmodisch. Trotzdem habe ich mich bald eingefunden und bin Catherine gerne durch die Seiten gefolgt. So ganz nah kam man ihrem Charakter nicht, trotzdem fand ich sie sehr sympathisch und bin jetzt etwas schlauer, was die letzte von Henrys Frauen an begeht. Man merkt die gründliche Recherche, denn das gezeichnete Bild dieser Epoche ist sehr lebendig und authentisch gelungen. Von kleinen Längen mal abgesehen, hat mich Die zwölfte Nacht sehr gut unterhalten.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Sein Kampf

Deutscher Meister
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1933 ist für Deutschland ein Jahr der Veränderungen. Die Nazis säubern peu à peu die deutschen Lande und machen dabei auch nicht vor den deutschen Sportverbänden halt, sind sie doch Aushängeschild der ...

1933 ist für Deutschland ein Jahr der Veränderungen. Die Nazis säubern peu à peu die deutschen Lande und machen dabei auch nicht vor den deutschen Sportverbänden halt, sind sie doch Aushängeschild der gesunden, arischen Überrasse. Blöd nur, dass damit ganze Verbandsstrukturen zusammenfallen und mittelmäßige Sportler plötzlich mangels Gegner ganz oben auf dem Siegertreppchen stehen. Auf den Boxsport hat man besonders ein Auge geworfen, wird dieser doch vom Führer besonders favorisiert. Doch ausgerechnet hier greifen die neuen Regelungen noch nicht richtig, steht doch plötzlich ein Sinti im Kampf um den Titel des deutschen Meisters. Johann Rukelie Trollmann muss nicht nur gegen seinen unmittelbaren Gegner kämpfen, sondern auch gegen die sich zuziehenden Schlingen der braunen Suppe.

An Stephanie Barts Geschichte fand ich die Thematik eigentlich ganz ansprechend, jedoch hat mich ihr Erzählstil leider so überhaupt nicht überzeugt. Viel zu distanziert und emotionslos (manchmal auch recht zäh) erzählt sie Trollmanns Geschichte und die Geschichte des Boxsportes. Trotz allerlei historischer Hintergründe konnte sie mir nicht wirklich nahebringen was es mit Trollmann auf sich hatte. Der agiert leider sehr pappkameradenlastig, kommt dem Leser nicht wirklich nahe und ist zudem auch noch recht unsympathisch dargestellt. Seine Rolle in diesem Buch ist eine sehr tragische, trotzdem werden nur sehr wenige Gefühle transportiert. Die nationalsozialistische Idiotie wird recht gut dargestellt, so manche Handlungsweise der Verbandsmitglieder zeigen wie absurd doch viele der Regeln waren. Trotz des ernsten Hintergrundes konnte mich Barts Buch nicht recht mitnehmen, sodass der Vorsatz diesem Sportler ein würdiges Denkmal zu setzen meiner Meinung nach doch an der Umsetzung gescheitert ist.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Toller Krimi!

Der Angstmann
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Dresden, 1944: Max Heller lebt sehr gefährlich. Nicht nur weil er Kriminalinspektor in diesen unruhigen Kriegszeiten ist. Sondern auch, weil er sich der Naziideologie verschließt, was natürlich seinen ...

Dresden, 1944: Max Heller lebt sehr gefährlich. Nicht nur weil er Kriminalinspektor in diesen unruhigen Kriegszeiten ist. Sondern auch, weil er sich der Naziideologie verschließt, was natürlich seinen Vorgesetzten so überhaupt nicht passt. Trotzdem steht er weiterhin seinen Mann und versucht einem perfiden Mörder auf die Spur zu kommen. Der Angstmann geht um und mordet auf grausame Art und Weise, eine Krankenschwester wird regelrecht zerstückelt. Und das Morden geht weiter.

Frank Goldammer hat einen wirklich tollen Krimi geschrieben, der sich hervorragend in den historischen Kontext bettet. Die Zustände in diesem letzten Kriegswinter sind verheerend, Elend und Hunger greifen um sich. Gerade die Schilderung der entsetzlichen Bombennacht im Februar ´45, in der Dresden quasi dem Erdboden gleich gemacht wurde, ist dem Autor erschreckend realistisch gelungen. Aber auch Hellers Arbeit wird authentisch dargestellt, nicht zuletzt sein stiller Kampf zwischen dem eigenen Gewissen und dem Überlebenswillen bzw. der Not sich anzupassen. Heller ist trotzdem ein sympathischer Kerl und man folgt ihm gerne durch die Seiten. Der Mordfall ist recht spannend geraten, verschwindet an manchen Stellen aber auch zwischen den historischen Fakten. Mir hat das gut gefallen, wer allerdings auf jeder Seite eine mitreißende Ermittlung erwartet, könnte etwas enttäuscht werden. Goldammer schreibt sehr fließend und erzählt immer im genau richtigen Ton, gerade Hellers Gedanken, die so überhaupt nicht systemkonform sind, sind ein gelungener Schachzug.
Fazit: Mir hat der Angstmann sehr gut gefallen und ich freue mich schon auf neuen Lesestoff vom Autor.