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Veröffentlicht am 14.06.2022

Oh Danny Boy

City on Fire
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Ende der 60er Jahre liegen in Providence zwei Clans miteinander im Clinch: auf der eine Seite ein Ableger der italienischen Mafia, auf der anderen Seite die Irish Boys mit Danny Ryan in ihrer Mitte. Der ...

Ende der 60er Jahre liegen in Providence zwei Clans miteinander im Clinch: auf der eine Seite ein Ableger der italienischen Mafia, auf der anderen Seite die Irish Boys mit Danny Ryan in ihrer Mitte. Der hat in die Familie eingeheiratet und fühlt sich zudem seinem besten Freund verpflichtet; so ist er im Zentrum des Geschehens als sich die Lage mehr und mehr zuspitzt.
Der Auftakt zu Winslows neuer Trilogie liest sich nicht von alleine, aber Dranbleiben lohnt sich. Der Cast ist gerade zu Beginn noch etwas unüberschaubar, aber mit der Zeit lassen sich „die Iren“ und „die Italiener“ ganz gut auseinanderhalten. Das ein oder andere Klischee wird dabei schon bedient, aber nicht überstrapaziert. Danny ist ein ganz netter Kerl, er ist loyal zur Murphyfamilie, die ihn wie einen eigenen Sohn behandelt hat, fühlt sich sicherlich auch ein Stück weit verpflichtet mitzugehen. Trotzdem ist er kein Mitläufer, sondern hat auch seinen eigenen Kopf, das merkt man gerade an den Entscheidungen in der hinteren Buchhälfte. Als Leser hat man letztendlich aber doch immer wieder das Gefühl, dass seine Entscheidungen, ja eigentlich alle Entscheidungen der Figuren nichts am weiteren Fortgang der Geschichte geändert hätten. Der vorgezeichnete Weg wirkt unausweichlich, was bei mir die Spannung etwas rausgenommen hat. Mich hat die Handlung nicht komplett packen können, obwohl ich schon am weiteren Fortgang interessiert war.
Winslow schreibt etwas kühl, aber die sich zuspitzende Lage, die aufgepeitschte Grundstimmung kann er dennoch gut transportieren. Ich wurde mit seinem Stil trotzdem bis zuletzt nicht ganz warm, das hat bei anderen seiner Bücher deutlich besser harmoniert. Insgesamt habe ich City on fire schon mit Interesse gelesen, aber an einigen Kleinigkeiten habe ich mich dann doch gestört, sodass die große Begeisterung ausblieb.

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Veröffentlicht am 09.06.2022

Düsteres Wien

Das Mädchen und der Totengräber (Die Totengräber-Serie 2)
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Im Kunsthistorischen Museum lässt sich vieles aus dem Alten Ägypten bestaunen, vom Sarkophag über kostbare Grabbeigaben bis hin zur Mumie ist alles dabei. Doch eine der Mumien ist nicht tausende Jahre ...

Im Kunsthistorischen Museum lässt sich vieles aus dem Alten Ägypten bestaunen, vom Sarkophag über kostbare Grabbeigaben bis hin zur Mumie ist alles dabei. Doch eine der Mumien ist nicht tausende Jahre alt, sondern wandelte vor kurzer Zeit noch quicklebendig durch Wien: Professor Strössner. Ein Skandal, über den bei der Wiener Polizei Stillschweigen zu wahren ist. Einer der wenigen Insider ist Leo von Herzfeldt, der den Fall nun ganz diskret aufklären soll.

Das Wiedersehen mit Leo, Julia und Augustin hat fast keine Leserwünsche offen gelassen. Ein sehr lebendiges Wien (bis hin zum Dialekt), Lokalkolorit und Kurioses aus der Stadt machen die Handlung sehr authentisch. Pötzsch erzählt sehr ansprechend und man ist sofort im Geschehen. Wie schon im ersten Band war mir Leo nicht durch und durch sympathisch, seine etwas snobistische Art kommt schon immer mal zum Tragen. Auch seine Art Julia gegenüber lässt ab und an zu wünschen übrig. Aber die kann sich ja wehren, und macht auch sonst eine sehr gute und vor allem kluge Figur. Zusammen haben sie das Zeug dazu, den Mumienfall genauestens unter die Lupe zu nehmen, ebenso wie den Mord an einem vermeintlichen Stricherjungen. Langweilig wird es auf keinen Fall, man wird immer wieder von neuen Entwicklungen überrascht, vom Autor in düstere Wiener Ecken und menschliche Abgründe entführt. Soweit alles richtig gemacht.

Einen kleinen Wermutstropfen gab es dann aber doch: Augustin hätte definitiv mehr Raum gebrauchen können. Der schrullige und dabei sehr kluge Totengräber kommt zwar mit Auszügen aus seinem neuesten literarischen Werk zu Wort, live hätte er aber definitiv ein paar mehr Seiten für sich beanspruchen dürfen. Wenn eine Person schon titelgebend ist, sollte sie doch auch eine gewisse Rolle spielen. Ich hoffe, im nächsten Band wieder mehr von ihm zu lesen und freue mich schon jetzt auf ein kriminalistisches Wiedersehen mit den dreien.

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Veröffentlicht am 26.05.2022

Der feine Herr Papen

Der Markisenmann
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Kurz vor ihrem 16ten Geburtstag ändert sich Kims Leben komplett: sie lernt ihren leiblichen Vater kennen. Nicht nur das, sie soll direkt die Sommerferien bei ihm verbringen; in einer alten Fabrikhalle, ...

Kurz vor ihrem 16ten Geburtstag ändert sich Kims Leben komplett: sie lernt ihren leiblichen Vater kennen. Nicht nur das, sie soll direkt die Sommerferien bei ihm verbringen; in einer alten Fabrikhalle, irgendwo in der Nähe vor Duisburg. Dort bestreitet er eher schlecht als recht seinen Unterhalt mit dem Vertrieb alter (potthässlicher) DDR-Markisen. Klar, dass die Teenagerin auch da die ein oder andere zündende Idee zu hat.
Jan Weilers Roman hat mir unerwartet gut gefallen, bisherige Romane vom Autor konnten mich nicht so recht abholen. Seine Geschichte um die taufrische Vater-Tochter-Beziehung jedoch hat mich zumeist überzeugt. Ein melancholischer Unterton zieht sich zwar durch das ganze Buch, doch trotzdem wirkt es nicht bedrückend. Im Gegenteil, denn viele Situationen sind urkomisch, ohne, dass es je gekünstelt wirken würde. Kim hat ihren eigenen Kopf, eine etwas aufbrausende Art, da ist ihr ruhiger, manchmal fast passiver Vater ein guter Gegenpol. Der hat zwar keine Ahnung von Kindererziehung, macht aber instinktiv für Kim (fast) alles richtig. Für sie ist der Übergang zwischen einem Leben im Überfluss und Papas Bleibe in einer Fabrikhalle, die Tatsache, dass vielleicht nicht jeder Cent, aber doch jeder Euro zweimal umgedreht wird, eine völlig neue Erfahrung. Es hat Spaß gemacht zu sehen, wie sie lernt was im Leben wirklich zählt und ein gutes Stück erwachsen wird. „Der Markisenmann“ ist nicht nur eine etwas untypische Coming-of-Age-Geschichte, sondern auch ein unterhaltsamer Roman, der fast mühelos ganz unterschiedliche Themen in sich vereint. Mir hat er wirklich gut gefallen.

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Veröffentlicht am 18.05.2022

Der Liebespaarmöder

Stürmisches Lavandou (Ein-Leon-Ritter-Krimi 8)
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Le Lavandou erlebt turbulente Tage, sind doch viele Touristen zu den Surfmeisterschaften angereist. Doch schnell kippt die Stimmung, als einer der Surfer und seine Freundin ermordet aufgefunden werden. ...

Le Lavandou erlebt turbulente Tage, sind doch viele Touristen zu den Surfmeisterschaften angereist. Doch schnell kippt die Stimmung, als einer der Surfer und seine Freundin ermordet aufgefunden werden. Leon hat die beiden obduziert, und kommt zu dem Schluss, dass die Lösung des Falls nicht so einfach ist, wie es Polizeichef Zerna gerne hätte.
Provence im Sommer, blühender Lavendel, warme Sonnentage am Strand… jede Seite dieses Krimis verströmt Urlaubsfeeling. Ich mag Eyssens Stil und wie er den französischen Landstrich zum Leser nach Hause bringt. Auch die Hauptfiguren, allen voran Leon, haben mich wieder überzeugt. Der muss dieses Mal nicht nur seine ganze Kraft in den Fall stecken, sondern auch eine wichtige persönliche Entscheidung treffen. Spannung gibt es also genug, auch wenn das Tempo nicht immer atemberaubend schnell ist. Der Fall ist gut angelegt und überzeugt über weite Strecken; für das beschauliche Lavandou vielleicht eine Spur zu grausam geraten, wenn man ihn mit den Vorgängern vergleicht. Ich war trotzdem davon angetan und wirklich gefesselt von den Entwicklungen. Mir kam das Ende dann allerdings doch sehr abrupt; auch mit der Aufklärung des Motivs war ich nicht ganz glücklich, da hätte es mehr als ein paar Sätze zu geben dürfen. Der Fall in sich war stimmig, aber es bleibt der Eindruck zurück, dass nach dem Höhepunkt schnell ein Abschluss her musste. So habe ich den Krimi zwar sehr gerne gelesen, aber mit einem kleinen Dämpfer wieder zugeklappt. Trotzdem werde ich gerne wieder mit Leon nach Le Lavandou reisen und bin auf den nächsten Fall gespannt.

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Veröffentlicht am 24.04.2022

Auf den Wolf gekommen

Wo die Wölfe sind
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Schottland soll wieder auf den Wolf kommen. Eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern und Naturschützern, allen voran Inti Flynn, versucht sich an diesem Projekt. Dabei müssen nicht nur rechtliche Hürden ...

Schottland soll wieder auf den Wolf kommen. Eine kleine Gruppe von Wissenschaftlern und Naturschützern, allen voran Inti Flynn, versucht sich an diesem Projekt. Dabei müssen nicht nur rechtliche Hürden aus dem Weg geräumt, die Tiere behutsam ausgewildert und überwacht werden, sondern auch die Ressentiments der Anwohner im Auge behalten werden. Inti kümmert sich nicht nur um die scheuen Tiere, sondern auch um ihre Zwillingsschwester, die nach den Ereignissen der letzten Jahre nicht mehr sie selbst ist.
Die Ansiedlung von einer Handvoll Wölfe kann weitreichende Auswirkung auf Flora und Fauna haben, darüber lernt man in diesem Buch viel Interessantes. Intis tiefe Verbundenheit zur Natur und den Wölfen im Besonderen lassen den Leser tief in die Thematik eintauchen, es wird mit Vorurteilen genauso aufgeräumt wie etwas unbequeme Wahrheiten ausgesprochen werden. Ich fand diese Einblicke sehr faszinierend. Die Autorin beschreibt auf eine ruhige, aber doch sehr eindringliche Art nicht nur die Tiere, sondern ebenso die schottische Natur sowie deren Bewohner. Diese sind nicht immer ganz unbelastet von Klischees, unterm Strich aber gut besetzt. Klarer Fokus liegt auf Inti, ihrer Schwester und Polizist Duncan. McConaghy erzählt auf sehr gefühlvolle Weise, ich war von ihrem Stil sehr angetan. „Wo die Wölfe sind“ ist ein ruhiger, empfindsamer Roman, der mir noch eine Weile im Kopf bleiben wird. Ich mochte schon McConaghys Zugvögel sehr gerne, aber mit diesem Roman hat die Autorin noch mal ein Schippchen obenauf gelegt. Klare Leseempfehlung!

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