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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 05.04.2023

Erbärmliche Männer

Mindset
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Ja, Sebastian Hotz alias El Hotzo kann auch mehr als 280 Zeichen am Stück schreiben, und obwohl da noch Luft nach oben ist, ist Mindset doch ein recht passables Debüt geworden. Die Geschichte fasst Aspekte ...

Ja, Sebastian Hotz alias El Hotzo kann auch mehr als 280 Zeichen am Stück schreiben, und obwohl da noch Luft nach oben ist, ist Mindset doch ein recht passables Debüt geworden. Die Geschichte fasst Aspekte auf, die auch in El Hotzos Tweets immer wieder vorkommen: Kritik an unserer Gesellschaft, der Arbeitswelt und nicht zuletzt an Social Media. In Romanform ist das weniger pointiert als in seinen Tweets, aber dennoch stark vorhanden. Vordergründig ist es die Geschichte zweier junger Männer, die in ihrer Selbstüberschätzung und gleichzeitigen Erbärmlichkeit auch einem Heinz-Strunk-Roman entsprungen sein könnten, inkl. Kalendersprüche – vielleicht aber dann doch etwas sympathischer oder zumindest menschlicher als bei Heinz Strunk. Wollte ich jetzt mehr über Maximilian und Mirko schreiben, müsste ich spoilern. Ein bisschen konstruiert sind die beiden weiblichen Nebenfiguren – es wirkte auf mich, als hätte das Buch noch unbedingt eine weibliche Note haben sollen. Dann lieber gar nicht als so.

Das Buch erfindet das Rad nicht neu, aber man kann es bis auf wenige Längen gut lesen. Vielleicht etwas zu fern meiner Realität um einen bleibenden Eindruck zu hinterlassen.

Veröffentlicht am 30.03.2023

Gut - aber anders als erwartet

PUNKED
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Cover und Titel von "Punked" lassen vermuten, dass man mit dem Buch in die Punk- und/oder Musikszene abtaucht, aber das stimmt nur bedingt. Einen Großteil des Buches nimmt nämlich die Geschichte rund um ...

Cover und Titel von "Punked" lassen vermuten, dass man mit dem Buch in die Punk- und/oder Musikszene abtaucht, aber das stimmt nur bedingt. Einen Großteil des Buches nimmt nämlich die Geschichte rund um einen Kurierdienst ein, der [[[sowohl Spoiler- und Triggerwarnung, da der Verlag dazu in der Kurzbeschreibung nichts sagt]]] kinderpornografisches Material vertreibt. Der Ring, der dahinter steht, kam mir übertrieben absurd vor, genauso wie die privaten Ermittlungen der Protagonistin Bey, aber beides lasse ich mal als dichterische Freiheit gelten. Der Autorin gelingt meiner Meinung nach aber der haarscharfe Spagat, dieses Thema in einem eher unterhaltenden Roman angemessen zu behandeln.
Die Schilderungen der Punkszene holen die Lesenden gut ab, wenn man überhaupt keine Ahnung von Punk hat. Anfangs war mir das ein bisschen zu oberflächlich und die Selbstverständlichkeit von harten Drogen in der Szene konnte ich nicht ganz nachvollziehen. Andererseits hat mir der für die Punkszene immer noch ungewohnte Fokus auf zwei starke (dabei aber sehr unterschiedliche) Frauen - Bey und Karina - gefallen. Auch die später im Buch folgenden Charakterisierungen einzelner Punks sind dann komplexer als anfangs gedacht. Interessant auch, später Hacker auftreten zu lassen, die man in gewisser Weise als Nachfolger der Punks sehen kann. Dieses Zusammenspiel fand ich sehr gelungen.
Trotz kleiner Kritikpunkte vor allem zu Beginn hat mich das Buch spätestens dann gefesselt, als die Szenebeschreibungen tiefer gingen und aber auch als die Ermittlungen in Sachen Kinderporno-Ring an Fahrt aufnahmen. Die beiden Themen fügen sich auch besser ineinander als ich zwischenzeitlich befürchtet hatte.
Sprachlich intelligent und gleichzeitig sehr gut lesbar.

Veröffentlicht am 30.03.2023

Potential nicht ausgeschöpft

Polnischer Abgang
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Episodenhaft erzählt der Autor aus dem Leben des jungen Jareks, der mit seinen Eltern 1990 aus Polen nach (West-)Deutschland übersiedelt. Man erfährt einiges über den Prozess der Migration mit all seinen ...

Episodenhaft erzählt der Autor aus dem Leben des jungen Jareks, der mit seinen Eltern 1990 aus Polen nach (West-)Deutschland übersiedelt. Man erfährt einiges über den Prozess der Migration mit all seinen Unsicherheiten, Absurditäten und häufig unerfüllten Erwartungen. Das war zwar interessant, aber oft hatte es für mich einen lehrerhaften Ton, was ich schade fand. Vielleicht auch deshalb bin ich nicht richtig warm geworden mit der Geschichte und den zudem blass bleibenden Charakteren. Es ist bestimmt eine authentische Beschreibung, aber leider hat mich sie mich nicht berührt bzw. abgeholt.

Veröffentlicht am 21.03.2023

Rastloser Aufstieg

Anleitung ein anderer zu werden
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Nach "Abschied von Eddy" blieb bei mir die Frage, wie Édouard Louis den Ausbruch aus den dort beschriebenen hoffnungslosen Verhältnissen eigentlich genau geschafft hat. Diese Frage wird nun in "Anleitung ...

Nach "Abschied von Eddy" blieb bei mir die Frage, wie Édouard Louis den Ausbruch aus den dort beschriebenen hoffnungslosen Verhältnissen eigentlich genau geschafft hat. Diese Frage wird nun in "Anleitung ein anderer zu werden" beantwortet. Zeitlich schließt es an "Eddy" an und beschreibt, durch welche Begegnungen und Zufälle er, nachdem er als Teenager das Dorf und seine Familie verlässt, seinen Weg bishin in teils absurd elitäre Verhältnisse gefunden hat. Damit hat das Buch eine andere Stimmung als "Eddy". Gegenüber seinen Eltern schlägt er versöhnlichere, verständnisvollere Töne an, das Dorf kommt nur am Rande vor – nicht mehr als Mittelpunkt des Lebens, sondern als Gegenpol zum neuen bzw. zukünftigen Leben, als Anreiz, aufzusteigen und dort nie wieder leben zu müssen. Insgesamt ist "Anleitung ein anderer zu werden" weniger düster als der Vorgänger, die Aussicht auf eine positive Zukunft ist immer spürbar. Aber auch ein rastloses Streben nach weiterem sozialen Aufstieg und materieller Sicherheit ist immer da – so zieht es ihn dann, nachdem er auf dem Gymnasium und an der Uni in Amiens schon mehr erreicht hat, als die meisten erwartet hätten, nach Paris auf eine Elite-Universität. Nur so scheint es ihm sicher, das Dorf endgültig hinter sich lassen zu können. Der Weg, den Édouard Louis durchläuft, ist eindrucksvoll, auch wenn ich mich bei allem Respekt vor so viel Mut, Kraft und Ehrgeiz manchmal frage, ob er sich dabei nicht etwas zu sehr von anderen beeinflussen lässt – ein Dilemma, das ihm aber auch selbst bewusst zu sein scheint. Bleibt zu hoffen, dass er irgendwann ankommt.

Veröffentlicht am 21.03.2023

Ausbruch aus einer düsteren Kindheit

Das Ende von Eddy
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Édouard Louis arbeitet sich in "Abschied von Eddy" an seiner eigenen Kindheitsgeschichte ab. Er ist in prekären Verhältnissen aufgewachsen und auch wenn es zwischendurch immer wieder kleine Lichtblicke ...

Édouard Louis arbeitet sich in "Abschied von Eddy" an seiner eigenen Kindheitsgeschichte ab. Er ist in prekären Verhältnissen aufgewachsen und auch wenn es zwischendurch immer wieder kleine Lichtblicke gibt, geht der Autor hart mit seiner Familie ins Gericht. In der Familie erlebt er keine Unterstützung, wenig Liebe und dafür Gewalt, Unverständnis und das zwanghafte Festhalten an Rollenbildern. Das ist auch beim Lesen teilweise schwer zu ertragen und es ist kaum zu glauben, dass die Handlung nach der Jahrtausendwende, also quasi heute, spielt. Der Nebenschauplatz, das Dorf, in dem die Familie wohnt, ist da in seiner abgehängten Trostlosigkeit nicht besser und natürlich auch der Nährboden für die Verhältnisse in Eddys/Édouards Familie.
Insgesamt ein sehr düsteres Buch, auch wenn am Horizont immer wieder die positive Zukunft erkennbar ist. Die extremen Unterschiede zwischen den sozialen Klassen – nicht nur ein französisches Problem – werden hier offengelegt und kritisiert. Ich fand es krass und berührend.

Am Ende blieb bei mir die Frage, wie Édouard Louis als Teenager den Ausbruch aus den von ihm beschriebenen hoffnungslosen Verhältnissen eigentlich genau geschafft hat. Diese Frage wird im weniger düsteren "Anleitung ein anderer zu werden" beantwortet!