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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 19.02.2023

Wunderschön, heilsam und tief berührend.

In Richtung Stoppelfelder
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Es gibt immer wieder Romane, bei denen es unmöglich scheint, die Empfindungen während und die Begeisterung nach dem Lesen in Worte zu fassen.
🌾„In Richtung Stoppelfelder“🌾 gehört für mich in diese Kategorie ...

Es gibt immer wieder Romane, bei denen es unmöglich scheint, die Empfindungen während und die Begeisterung nach dem Lesen in Worte zu fassen.
🌾„In Richtung Stoppelfelder“🌾 gehört für mich in diese Kategorie und zudem in jene, der besten Debüts, die ich je in die Hände bekam.

Eine Geschichte, die im ICE spielt? Klingt langweilig, eintönig, festgefahren? Die Gäste des Intercity-Express 512, die sich mit Jule und Hannes ein Abteil teilen, sehen das wahrscheinlich anders und erleben eine Reise, wie sie einmaliger und aufregender nicht sein könnte.

Ein Wiedersehen nach zehn Jahren Funkstille, eine Fahrt nach Hause, der letzte Weg, den Jule zu Ehren ihrer Freundin auf sich nimmt. Als wären die vergangenen Wochen und Monate nicht Strafe genug, trifft sie auf Hannes, den feigen Verräter, ihre erste große Liebe, bis heute die einzige … Die nächsten sechseinhalb Stunden muss sie auf engstem Raum mit ihm verbringen. Eine Konfrontation mit der Vergangenheit, der sie sich in der Gegenwart nicht gewachsen fühlt. Denn hat Jule nicht gerade die platonische Liebe ihres Lebens, ihre Seelenverwandte, ihr Gegenstück verloren, ist erneut, unwiderruflich zerbrochen? Hält sich das Schicksal für so witzig?
Obgleich Jule innerlich tobt, ein Sturm aus den verschiedensten Gefühlen, Erinnerungen, Wünschen wütet, warten, angekommen in der Heimat, nicht nur Tränen und Schreie, sondern auch Trost und Erkenntnis.

Auf wenigen Seiten schafft es Lene Jansen wichtige, bewegende und relevante Themen aufzugreifen, nicht nur an der Oberfläche zu kratzen, sondern tief zu graben. Die bedeutungsvolle Schwere dieses Buchs ist ebenso wenig auszublenden wie die Enge in der Brust, der Knoten im Magen und der Nachklang, die diese Zugfahrt unweigerlich hinterlässt.
Die Autorin erzählt in sepiafarbenen Erinnerungen von der Nostalgie einer unbeschwerten Kindheit, vom Verlust der ersten großen Liebe, einer Freundschaft, die intensiver und ehrlicher nicht sein könnte, von leisen Veränderungen und dem Wandel, den das Erwachsen werden mit sich bringt. In bunten Bildern sehen wir Städte vorbeirauschen, sind bruchstückhaft Teil eines aussichtslosen Kampfs, fühlen Trauer und Verzweiflung, die Facetten von Schmerz — vor allem jenen, der bis ins Mark kriecht und „Zurückgelassenen“ den Boden raubt.

Es war mir eine Freude in diesen Zug zu steigen. Viele Rückblicke, Beschreibungen, die Sehnsucht nach „damals“ berührten mich, weil ich so vieles verstand, nachvollziehen konnte und mich durch die Worte an Haltestellen meines Lebens erinnerte. Ich ging in der Wut und Verzweiflung, den Schuldgefühlen und Tränen auf, musste durchatmen und dennoch, durch humorvolle Dialoge, Kreativität und den authentischen Schreibstil, schmunzeln. Die Umschwünge der Stimmung sind unberechenbar, wie Flashbacks, Trauer und der Tod selbst.

Über einige Themen wird auf frische Art philosophiert, Gedankenspiele ermöglichen einen neuen Blickwinkel auf das hier kreierte Geschehen sowie auf das eigene Leben. Die Szenarien, ob melancholisch oder skurril, sind lebendig und ausdrucksstark, die Emotionen echt.
Lene lässt auf unter 200 Seiten so viel von allen einfließen, wie es namhafte Autoren oft nicht in ausgewachsenen Romanen schaffen.

Poetisch, malerisch, ergreifend, im angenehmen Wechsel zwischen einfühlsam und impulsiv, zurückhaltend und voller Temperament vergeht die Zugfahrt viel zu schnell.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Guter, interessanter Auftakt.

A Magic Steeped in Poison – Was uns verwundbar macht
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Kreativität und Originalität versprach ich mir von „A Magic Steeped in Poison - Was uns verwundbar macht“ – doch konnte mich der Fantasy Roman von Judy I. Lin begeistern?

Die Antwort: »zeitweise«, denn ...

Kreativität und Originalität versprach ich mir von „A Magic Steeped in Poison - Was uns verwundbar macht“ – doch konnte mich der Fantasy Roman von Judy I. Lin begeistern?

Die Antwort: »zeitweise«, denn den Großteil der Erzählung empfand ich als träge und zäh. Ein greifbares Magiesystem war theoretisch nicht vorhanden, maximal vage geschildert und die Übersetzung simple gehalten. Dennoch gab es immer wieder spannende Sequenzen, Momente, die durch Misstrauen und Intrigen am Hof, durch Korruption und Revolutionen im Land das Interesse stetig neu entfachen. Hinzu kommt der Wettkampf, in dem sich die Shénnóng-tú gegeneinander durchsetzen und beweisen müssen, auch hier warten politische Machtspiele, Ungerechtigkeiten und Sabotage. All diese Missstände gepaart mit Giftanschlägen und Unruhen sorgen für Aufregung.

Die Härte drohender Strafen gab der Geschichte und jedem Schritt, jedem Wort von Zhang Ning etwas Gefährliches. Charakterlich war es schwer, jemanden, ausgenommen der ungestümen und schlagfertigen, mutigen Protagonistin, Sympathie entgegenzubringen, denn wer dem Kaiserreich wirklich treu ergeben ist, bleibt ungewiss. Und so wankt das Vertrauen, wie die Launen des Volkes.
Besonders gelungen fand ich, wie in dieser rauen, strengen Welt durch die Feinheiten der Tee-Zeremonien und der damit einhergehenden Magie etwas Sanftes bewahrt wurde.
Atmosphärisch lag auf dem Geschehen durchweg etwas Drückendes, Schweres, wurde von Melancholie und Trauer umspielt. Aber es gab Platz für bedingungslose, starke Liebe — für die Familie, für die Opfer, für die eigenen Überzeugungen und die Kunst der Shénnóng-Magie. Auch romantische Gefühle flammen zart, zwischen dem Elend außerhalb der Palastmauern, den internen Kämpfen ranghoher Tiere und den komplexen Prüfungen, auf, doch ist der Hof von Dàxī, in dem die Pflicht schwerer wiegt, als das Herz, kein Ort für diese.

Ning hat mich nach und nach für sich gewonnen, ihre ruppige, intelligente und bodenständige Art, ihre Wut und der Wunsch, zu helfen, zu verändern machen sie zu einer vorbildlichen Heldin. Judy I. Lin verzichtet weder auf Tod und Dramatik, noch auf Legenden und einen Hauch Fantasy, verliert sich sehr wohl aber in zu vielen Verstrickungen. Manch Offenbarung sorgt für eine geschickte Wendung, Geheimnisse sind überall, bis die Autorin in den letzten Kapiteln das Tempo anzieht, sich Ereignisse überschlagen und dann … Fragen offen bleiben.

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Tolle Fortsetzung.

Seahorse - Die Insel der Wasserpferde
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»Sie wollten ihn töten. Weil sie ihn für ein Monster halten.«

„Seahorse - Die Insel der Wasserpferde“ setzt nach der knappen Flucht des wunderschönen Kaltbluthengsts, auf seinem Rücken die kraftlose Shona, ...

»Sie wollten ihn töten. Weil sie ihn für ein Monster halten.«

„Seahorse - Die Insel der Wasserpferde“ setzt nach der knappen Flucht des wunderschönen Kaltbluthengsts, auf seinem Rücken die kraftlose Shona, an und hält allerhand Konflikte, Überraschungen und Enthüllungen bereit, bevor uns das Ende mit neuen Fragen zurücklässt.

Da es sich um eine Fortsetzung handelt, verzichte ich auf eine Zusammenfassung — Karin Müller gibt uns einen vorstellbaren und umfassenden Eindruck des urigen Schottlands, ohne sich in Ausschweifungen zu verlieren, erweckt gekonnt eine mystische, verheißungsvolle Atmosphäre und spickt ihre Erzählung mit viel Gefühl.

Die aktuellen Geschehnisse werden von Shona wiedergegeben, Aufregung und Wut, Unverständnis und Mut prägen diesen Handlungsstrang, während andere Perspektiven für Bedrohungen und Vorahnungen sorgen, Zusammenhänge knüpfen oder neue Rätsel aufgeben.
Dass sich die Autorin mit den Legenden und Gepflogenheiten der Highlands auseinandergesetzt hat, ist auch im zweiten Teil der Urban-Fantasy Trilogie deutlich zu erkennen. Die Protagonistin ist altersgerecht gezeichnet, temperamentvoll und wankelmütig, das Zusammenspiel mit Seahorse strotzt vor Leidenschaft und Zuneigung, während es mit Cuan romantisch und intensiv wird.
Auch die anderen Figuren werden griffiger, überraschen und ihre Ängste, begründet auf den alten Sagen über die Each Uisge, scheinen nachvollziehbar.

„Seahorse - Die Insel der Wasserpferde“ ist interessant, abwechslungsreich, spannend und geheimnisvoll. Am Ende wartet der Nebel ... wird er im letzten Teil alle Antworten preisgeben?

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Veröffentlicht am 19.02.2023

Herzzerreißend, authentisch und lesenswert.

Der Stern vor meinem Fenster
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Zu aller erst möchte ich darauf hinweisen, dass mit dem Kauf von „Der Stern vor meinem Fenster“ die Organisation „Making Herstory“ unterstützt wird — lest es, empfehlt es!
Desweiteren handelt es sich um ...

Zu aller erst möchte ich darauf hinweisen, dass mit dem Kauf von „Der Stern vor meinem Fenster“ die Organisation „Making Herstory“ unterstützt wird — lest es, empfehlt es!
Desweiteren handelt es sich um ein Kinderbuch, in dem diese auf eindringliche, sanfte Weise, sowohl im Vor- wie im Nachwort, angesprochen werden. Neben einer Legende über einzelne Sternbilder findet sich im Anhang auch die Definition „Häusliche Gewalt“, Hilfsstellen für Klein und Groß und ein Eindruck der Intentionen von Onjali Q. Raúf. Meine persönliche Anmerkung: Schaut nicht weg. Bitte.

Das bewegende Abenteuer von Aniyah und ihrem kleinen Bruder Noah beginnt im Haus ihrer Pflegemutter, nach dem eine Tragödie das Leben der Geschwister auf den Kopf stellte. Während Adoptivtochter Sophie ihre Ängste in manipulative Verhaltensweisen packt, sind es Ben und Travis, die die beiden Neuankömmlinge mit ihrer lebhaften und tatkräftigen Art, allen Konsequenzen zum Trotz, unterstützen.

Aniyah hegte schon immer eine Leidenschaft für Sterne und Astronomie, als ihre Mama verschwand wurde die Nacht von einer Explosion erschüttert – das kann doch nur bedeuten, dass sich deren Herz in den Himmel erhob?! Kurz darauf sichten die Behörden einen neuen Stern am Firmament und Aniyah ist sich sicher: Das ist ihre Mum! Schon in wenigen Tagen soll das Phänomen einen Namen bekommen, aber das können die Geschwister nicht zulassen.
Eine tapfere Reise nach London, zu den Sternenjägern beginnt … ein Abenteuer, auf dem Erinnerungen wach werden.

Obgleich es um ernste Themen geht, gibt die Betrachtungs- und Denkweise der Kinder diesen einen leichteren, wenn auch emotionalen, durchweg authentischen Ton. Die Geschichten und Gefühle der Pflegekinder waren genau wie Aniyahs Mut, ihr Wille bewegend. Charakterlich konnte ich die verschiedenen Situationen und Verhaltensweisen nachvollziehen, malerisch, temporeich, mit einer Portion Spannung geht die Reise voran, während Onjali Q. Raúfs Ausdruck klar und intensiv bleibt.
Überrascht blickte ich dem Ausmaß, das dem Verschwinden von Isabella zugrunde liegt, entgegen —
„Der Stern vor meinem Fenster“ war herzzerreißend und echt, eine Geschichte über kindlichen Glauben, Freundschaft und immer währende Liebe.

»Und Menschen mit den größten, am hellsten strahlenden Herzen endeten nie in der Erde. Sie leuchteten am Himmel.«

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Veröffentlicht am 16.02.2023

Lügen, Korruption und eine Vergangenheit, die nicht schweigt.

Das Sanatorium
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Ein abgelegenes Hotel in den Schweizer Bergen, erbaut auf einer Vielzahl Geheimnisse … Heimgesucht von einem Mörder und Lügen, Lügen, Lügen …

„Das Sanatorium“

Elin Warner, eine labile Ermittlerin in ...

Ein abgelegenes Hotel in den Schweizer Bergen, erbaut auf einer Vielzahl Geheimnisse … Heimgesucht von einem Mörder und Lügen, Lügen, Lügen …

„Das Sanatorium“

Elin Warner, eine labile Ermittlerin in Auszeit, reist mit ihrem Lebensgefährten an, um der Verlobungsfeier ihres Bruders beizuwohnen. Nicht nur die distanzierte Beziehung zu Isaac, sondern auch Traumata und Panikattacken trüben von Anfang an den Aufenthalt im neuen Designerhotel. Als ein Schneesturm Personal und Gäste von der Zivilisation und jeglicher Hilfe abschneidet, aus plötzlich Vermissten Tote werden, die auf morbide Art drapiert wurden, sieht sich die Kommissarin, trotz ihrer psychischen Verfassung, verpflichtet, Spuren zu suchen und Antworten zu finden. Doch das Lügenkonstrukt, auf dem „Le Sommet“ neu begründet wurde, ist dichter, als das Schneegestöber vor den Türen.

In ihrem Debüt gelang der Autorin eine beklemmende Atmosphäre, die sich im Angesicht von Elins Ängsten, Flashbacks und eigenen Befindlichkeiten über dem Geschehen manifestierte. Sarah Pearse schuf nicht nur ein unheimliches Setting, welches oftmals ein Gefühl von Unwohlsein mit sich brachte, sondern auch zahlreiche unberechenbare Charaktere, die als Verdächtige infrage kommen.
Durch einen vorstellbaren und detailreichen Stil war es leicht, der Storyline, die sowohl zähe, nichtige Momente, wie Überraschungen bereithält, mit all den Verstrickungen zu folgen. Das scheinbar perfide, skrupellose Vorgehen des Täters, Elins teilweise überstürze Handlungen sorgen für Spannung, auffällige Verhaltensweisen etlicher Figuren verschieben das Misstrauen immer wieder neu. Vorhersehbar scheint hier nichts und niemand: Jeder könnte der Mörder sein.

Interessante, schockierende Entdeckungen halten sich mit unglaubwürdigen, zu konstruierten Ereignissen die Waage. Am Ende sinnen eine schaurige Vergangenheit und das Unrecht der Gegenwart nach Rache, nach dem gehört werden. Ob alles vollkommen logisch und nachvollziehbar ist, bleibt fraglich, dennoch spricht die Autorin eine Vielzahl wichtiger Themen an, Gedanken aus.

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