Erfrischend anders.
Kitty Carter – DämonenkussStellt euch vor, ihr würdet eine zweite Chance bekommen, nachdem ihr, Gottes Plänen zu verdanken, äußerst undamenhaft, den Tod fandet – eure sterblichen Überreste bereits aufgebahrt wurden und nun schnell ...
Stellt euch vor, ihr würdet eine zweite Chance bekommen, nachdem ihr, Gottes Plänen zu verdanken, äußerst undamenhaft, den Tod fandet – eure sterblichen Überreste bereits aufgebahrt wurden und nun schnell eine plausible Erklärung her muss, um nicht durch die Hand der streng gläubigen Gesellschaft erneut im Jenseits zu landen. Immerhin müsst ihr einen Job, von „Ruff“ persönlich in Auftrag gegeben, erfüllen.
Ha! Sie, Kitty Carter, soll Gott bei etwas helfen, an dem er und seine Schergen bereits gescheitert sind?!
Zurück im Diesseits gibt es zu allem Überfluss Regeln, die ihr verschwiegen wurden — denn sowohl die Hülle, die sie als Dämonin bewohnt, wie ihre zusätzlichen Fähigkeiten müssen gespeist werden — und, bitte, das auf wirklich ekelhafte, skurrile Weise.
„Kitty Carter - Dämonenkuss“ von Jana Paradigi ist ein Urban-Fantasy Roman, der durch und durch überrascht. Nicht nur mit dem authentisch eingefangenen viktorianischen, von Männern dominierten, armen London, seinen strengen Konventionen und Etiketten, sondern auch mit vielen frischen Ideen und Darstellungen – bspw. die des „Jenseits“ oder der „Übermacht“. Diese Ansätze sind es, die den Genremix füllen und greifbar erscheinen lassen, die die daraus resultierenden Denkanstöße manifestieren.
Als leidenschaftliche Atheistin hat mich die religiöse Thematik, die auf groteske Weise ernst eingebracht wurde, durchweg gefesselt.
Mit 49 Jahren, adrett, reflektiert und intelligent empfand ich die Protagonistin als außergewöhnlich und einprägsam. Durch ihren Lebensstil entspricht sie weder dem Anspruch ihres Vaters noch der Gesellschaft – egal ob lebendig oder tot. Als dämonischer Sherlock beginnt Kitty, Zusammenhänge zu verstehen, verliert sich in fiebriger Ekstase und unangenehmen, gefährlichen Situationen.
Jana schrieb atmosphärisch, dem Setting angemessen, verzichtete weder auf Humor noch Ironie.
Interessant ging der Verlauf vonstatten, Nebenfiguren kamen ausreichend zur Geltung und Kittys beide „Helferlein“ – Eliza und Rose – wurden von mir mit Vorsicht betrachtet, denn trotz Charme blieben sie in vielerlei Hinsicht undurchschaubar – genau wie Ruff.
Wer war Gott und was wollte er wirklich?
Die Romantik steckt im abwechslungsreichen Geschehen, doch anders, als zunächst erwartet, entpuppt sie sich quer und unabhängig der Körper. Durch Lebendigkeit und Details lief das mystische Schauspiel rasant vor meinen Augen ab, ließ mich, trotz eines melancholischen Beigeschmackes, einem Hauch Reue und schwerer Sehnsucht, nicht los.
Zwischen zahlreichen auftragsdienlichen Hinweisen, Selbsterkenntnis, okkulten Praktiken, einer rasanten Jagd verstecken sich philosophische Ansätze, Input zum Nachdenken und alte Wahrheiten.
Ethische und moralische Grenzen werden überschritten, das Glaubenssystem und die Gesellschaft infrage gestellt und Corsagen, gemacht aus Scham und Etikette, gesprengt.