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Veröffentlicht am 13.11.2018

Eine öffentliche Kindheit

Raumpatrouille
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Nach dem Tod seiner Eltern schrieb der jüngste Sohn Matthias von Willy und Rut Brandt kleine Erzählungen aus seiner Kindheit. In Berlin Anfang der 1960er Jahre geboren wuchs Matthias Brandt mit seinen ...

Nach dem Tod seiner Eltern schrieb der jüngste Sohn Matthias von Willy und Rut Brandt kleine Erzählungen aus seiner Kindheit. In Berlin Anfang der 1960er Jahre geboren wuchs Matthias Brandt mit seinen beiden älteren Brüdern Peter und Lars in Berlin und später in der Bundeshauptstadt Bonn auf, als deren Vater Willy Brandt Bundeskanzler wurde. Da Matthias mit einem relativ großen Altersabstand zu seinen beiden älteren Brüdern der Nachzügler in der Familie ist, bekam er viel Aufmerksamkeit von seiner Mutter Rut. Rut Brandt versuchte, ihre Söhne so normal wie es möglich war, zu erziehen, trotz der Sicherheitsvorkehrungen für die ganze Familie. Matthias Brandt erzählt mit einem Augenzwinkern von seiner Kindheit, die teilweise unbeschwert gewesen ist, aber auch den typischen Streichen und Auseinandersetzungen mit Geschwistern und Freunden. Dennoch zeigt er auch die andere Seite der Medaille, nämlich eine Kindheit zwischen dem berühmten Vater, anderen Politkollegen und prominenten Persönlichkeiten.
Matthias Brandt beschreibt in seinen Erzählungen seine Kindheit aus Erlebnissen und Erinnerungen, und welche Träume er als Junge hatte. Nicht ohne Grund trägt der Buchtitel einen Begriff aus der Astronomie. Besonders unterhaltsam ist die Erzählung zu der geplanten Fahrrad-Tour mit seinem Vater Willy und dem seinen Parteikollegen Herbert Wehner, die sich nicht immer grün waren. Man kann nachspüren wie es den beiden Männern in dem Moment erging, als die angebliche Fahrrad-Tour nicht stattfinden konnte. Manche Erzählungen spiegeln die Momente der eigenen Kindheit wider. Somit stellen seine Erzählungen die Normalität eines Politikersohnes wider. Wenn Matthias Brandt seine Erzählungen Revue passieren lässt, kann man seine Sprache und Stimme nachempfinden, was auf sein schauspielerisches Talent zurück zu führen ist.
Matthias Brandt ist einer meiner deutschen Lieblingsschauspieler seiner Generation. Mit zunehmendem Alter sieht er meines Erachtens seinem Vater immer ähnlicher. Umso mehr habe ich mich darüber gefreut, dass er die Deutschen an seine Kindheit teilhaben lässt, die vor allem durch die 1970er Jahre geprägt worden sind. Wenn man selbst einen Teil der 1970er Jahre erlebt hat, kann man einige Momente und Alltagsgegenstände nachvollziehen.

Veröffentlicht am 07.11.2018

Befreit von Unfreiheit

Befreit
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Diese autobiographische Erzählung der Anfang dreißigjährigen Tara Westover öffnet die Türen einer Familienwelt in einer ländlichen Idylle von Idaho in Amerika. Tara ist eines der jüngeren Kinder der Familie. ...

Diese autobiographische Erzählung der Anfang dreißigjährigen Tara Westover öffnet die Türen einer Familienwelt in einer ländlichen Idylle von Idaho in Amerika. Tara ist eines der jüngeren Kinder der Familie. Sie hat noch mehrere Brüder und Schwestern. Das Familienoberhaupt - der Vater – verschließt sich der Welt eines typischen Familienmenschen, indem er weder einer Arbeit in einem Unternehmen oder einer Institution nachgeht, der den zivilen Rechten und Pflichten beiwohnt sowie der restlichen Familie den Zugang zu Bildung und Aktivitäten versagt. Der Vater baut sein Leben und das seiner Familie auf einen Grundstein auf, so dass sie Jahrzehnte als Selbstversorger, Selbstheiler und Selfmade Erzeuger leben. Diese Familie gehört der religiösen Religionsgemeinschaft der Mormonen an. Vater und Mutter leben im tiefen Glauben an Gott und seine Offenbarungen, und lehren diese Lebensphilosophie ihren Kindern. Die Kinder genießen nicht das Privileg, eine öffentliche Schule oder Universität zu besuchen; erst später schaffen es neben Tara und zwei ihrer Brüder, sich weiterbilden zu können, und schließen höhere Bildungsabschlüsse ab.
Tara Westover erzählt ihre Lebensgeschichte von ihrem fünften Lebensjahr an. Ihre Kindheit und Jugend ist dadurch geprägt, dass sie zu Hause gemeinsam mit ihren Geschwistern von ihren Eltern unterrichtet wurde. Später half sie mit ihren Brüdern auf dem väterlichen Schrottplatz. Ihre Eltern konnten ihr viel Wissen dadurch beibringen, indem sie das praktische und alltägliche Wissen weitergaben. Bestimmte Bücher durften gelesen, darunter auch die biblische Texte. Bücher und andere soziale Artefakte wie Kleidung, Schminke und Musik galten als das Böse. Diese Dinge sollten nach Ansicht der Eltern den Menschen zu einem bösen Menschen verändern. Tara litt besonders darunter, denn sie war die einzige Tochter, die versuchte, sich neue Bildungsoptionen anzueignen und andere Lebensdinge kennenzulernen. Ihr Leben war zu Hause in Idaho wurde zu einem Spagat zwischen Unterwürfigkeit in der Familie und dem eigenem Durchsetzungsvermögen außerhalb der Familie, später auch bei ihren Eltern. Für Tara waren diese Jahre bis zum Ende ihrer zwanziger Jahre ein Lernprozess. Ein Prozess zur Selbstständigkeit, ihren Selbstwert sowie Selbstbewusstsein zu finden.
Diese (Lebens-)Geschichte in dem Buch zeigt auf, wie wichtig es ist, sich nicht manipulieren zu lassen und unterdrückt zu werden, sondern seinen eigenen Weg findet, wenn auch dieser manchmal kleine, manchmal große Steine im Weg liegen hat. Das Leben von Tara ist nicht insoweit nicht bedauernswert wie sie aufgewachsen ist, umso großartiger ist es, was sie aus ihrem Leben gemacht hat. Eine lesenswerte Lektüre, um sein eigenes Leben wertzuschätzen.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Familien und Freunde finden sich neu

Wo mein Herz dich findet
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In einem kleinen Ort in Irland lebt die Familie Connelly auf ihrem Anwesen Kerryhead Castle. Die Familie von Susan und Ian Connelly hatten einmal drei Kinder – Patrick, Isabel und Cara. Isabel kam bei ...

In einem kleinen Ort in Irland lebt die Familie Connelly auf ihrem Anwesen Kerryhead Castle. Die Familie von Susan und Ian Connelly hatten einmal drei Kinder – Patrick, Isabel und Cara. Isabel kam bei einem tragischen Ereignis ums Leben. Cara lebt mittlerweile in Cork außerhalb von Kerryhead, und reist nach einiger Zeit einmal wieder nach Hause. Bevor sie dort ankommt, muss sie einen Zwangsstopp einlegen aufgrund einer Autopanne. An einem Waldstück steht eine einsame Hütte. Dort lebt seit einigen Tagen Liam O’Bryne. Liam hilft Cara, damit sie mit ihrem Auto weiter fahren kann. Liam wirkt distanziert und kühl auf Cara, was sie wiederum neugierig macht. Als Cara auf Kerryhead ankommt, sind ihr Bruder und ihre zukünftige Schwägerin Jessica mitten in Hochzeitsvorbereitungen. Plötzlich taucht Caras Freundin Amy nach fast sechs Jahren wieder in dem Ort auf. Mit Amy ist Charlie, ihr fünfjähriger Sohn, den sie die ganzen Jahre allein groß gezogen hat. Anfangs hüllt sich Amy in Schweigen, was den Vater des Sohnes angeht. Ebenso weiß Cara nicht, wer Liam wirklich ist, bis Patrick seine Schwester mit Liam in einer eindeutigen Szene an der Hütte am Wald trifft.
Kathryn Taylor gelang es bei dieser Geschichte wieder einmal die Leserin in den Bann zu ziehen, was ihr gut gelingt durch ihren Erzählstil und spannungsgeladen Momenten bei manchen Szenen. Emotionen fehlen genauso wenig wie landschaftliche Szenen, in die die Geschichte eingebettet ist. Cara wurde zum Stadtmensch, womit sie anscheinend sehr glücklich ist. Amy dagegen vermisst mittlerweile das Landleben, und ihr Sohn braucht sogar die Landluft, weil er aufgrund des Stadtlebens erkrankt ist. So kommen die beiden Freundinnen wieder zusammen, als sie in Kerryhead Castle eintreffen. Beide Frauen werden mit Geheimnissen konfrontiert, entweder trägt eine von ihnen ein Geheimnis, oder sie werden mit einem Geheimnis überrascht. Sie erleben eine Achterbahnfahrt der Gefühle. Denn die beiden männlichen Figuren Patrick und Liam tragen zu den Geheimnissen bei, entweder selbst, oder weil sie ebenfalls damit überrascht werden. Verzwickte Momente bringen Gefühlchaos und reißen alte Wunden auf, die bereits geschlossen waren. Diese Abwechslung von Emotionen von wütend und enttäuscht über traurig sowie romantisch und leidenschaftlich bis familiär liebevoll setzt die Autorin ein Potpourri zusammen, das bei der Leserschaft für eine gute Unterhaltung sorgt. Jede Figur überzeugt mit ihren jeweiligen Charakteren, was somit die Geschichte authentisch wirken lässt.
Dieser Liebesroman ist der zweite, den ich von Kathryn Taylor gelesen habe. Bei dieser Autorin ist mir zum ersten Mal in diesem Genre bewusst aufgefallen, dass sie ihrem Erzählstil und der gewissen Spannung beim Lesen treu geblieben ist.

Veröffentlicht am 03.11.2018

Eine Mutter, die durch ein Tagebuch spricht

Für alle Tage, die noch kommen
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Max und Eleanor waren einst ein glückliches Ehepaar, deren Glück sich vergrößerte, als sie beide Eltern einer Tochter werden. Sie nennen ihr Kind Melissa. Dieses Glück währt nicht lange, denn Eleanor erkrankt ...

Max und Eleanor waren einst ein glückliches Ehepaar, deren Glück sich vergrößerte, als sie beide Eltern einer Tochter werden. Sie nennen ihr Kind Melissa. Dieses Glück währt nicht lange, denn Eleanor erkrankt an eine aggressive Krebsart. Sie beginnt an Tagebuch zu schreiben, das eines Tages ihre Tochter Melissa bekommen soll. Max unterstützt seine Frau, soweit es geht, trotz seines Berufs als Professor an einer Hochschule, die für ihn schon eine Art Berufung bedeutet. Als Eleanor stirbt, ist Melissa gerad einmal acht Jahre alt. In der Gegenwart liest Melissa das Tagebuch, dass sie mit ihrem fünfundzwanzigsten Lebensjahr von einem Rechtsanwalt ihrer Mutter bekommt, der dieses Buch jahrelang für sie aufbewahrt hat. Des Weiteren enthält dieses Tagebuch eine geheime Botschaft.
Teresa Driscoll erzählt eine Geschichte, bei der die Eltern Max und Eleanor und ihre Tochter Melissa im Mittelpunkt stehen. Allerdrings wird dieser Teil der Geschichte aus der Vergangenheit erzählt. In der Gegenwart handelt die Geschichte aus der Perspektive der Tochter, die mittlerweile erwachsen ist. Sie bekam nun das Tagebuch ihrer Mutter, die es im Zeitraum ihrer Krebserkrankung bis zu ihrem Tod schrieb. Die beiden Frauen verbindet ein Gentest, den ihre Mutter damals unternahm. Ihre Mutter empfiehlt ebenfalls zu diesem Gentest indirekt durch das Tagebuch, damit Melissa sich keine Sorgen machen muss, ob sie ebenfalls das Gen des Krebses in sich trägt. Melissa steht mitten im Leben. Ihr Vater Max stand vom Tag des Todes von Eleanor an ihrer Seite, wobei er teilweise eine Randfigur in der Geschichte darstellt. Er erzählt von seiner Arbeit und den Bezug zu Frauen – seiner Ehefrau und den Kolleginnen an der Hochschule. Das Verhältnis zwischen dem Ehepaar und Melissa war immer herzlich und liebevoll. Und später als Melissa erwachsen ist, haben Vater und Tochter immer noch ein gutes Verhältnis. In der Geschichte stört mich der Schreibstil, weil dieser auf mich allgemein ohne Spannung und Lebendigkeit wirkt, so als ob man auf einem Lautstärke-Level erzählen würde. Mir ist bewusst, dass das Thema Krebs im allgemeinen, und in der Geschichte im Besonderen eine ernste Angelegenheit ist. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass entweder die Geschichte zwischendurch mit lustigen oder dramatischen Elementen dargestellt worden wären. Mein Eindruck war, dass das Tagebuch im Mittelpunkt zwischen Mutter und Tochter stand, und der Vater eine zweitrangige Rolle spielte. Obwohl das Leben von Melissa in der Gegenwart ebenfalls erzählt wird.
Aufgrund meiner Kritikpunkte kann ich dem Roman leider nur dreieinhalb Punkte geben, weil ich mit dem Erzählstil nicht in den Bann gezogen wurde, und somit die Unterhaltung durchschnittlich beim Lesen gewesen ist.

Veröffentlicht am 22.10.2018

Fulminanter Abschlussband einer Trilogie

Der Kratzer
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Christine Lenève und Tobias Dom jagen eine Person, die sich der „Kratzer“ nennt, weil diese Person weiblichen Opfern Wörter in deren Oberschenkel ritzt. Tobias Dom – mittlerweile von seiner ehemaligen ...

Christine Lenève und Tobias Dom jagen eine Person, die sich der „Kratzer“ nennt, weil diese Person weiblichen Opfern Wörter in deren Oberschenkel ritzt. Tobias Dom – mittlerweile von seiner ehemaligen Frau Jasmin geschieden – trägt das Sorgerecht für die gemeinsame Tochter Emma. Als Jasmin zum Opfer des Täters wird und Tochter Emma in Gefahr gerät, muss Tobias Dom handeln. Eigentlich haben sich Tobias, der als Kommissar in Berlin arbeitet, und die Journalistin Christine Lenève beim letzten Fall ziemlich gestritten, so dass sie sich lieber aus den Weg gehen wollen in Zukunft. Tobias als betroffener Angehöriger ist einerseits befangen, und Christine möchte andererseits Tobias helfen, um Emma zu retten. So müssen Christine und Tobias den alten Fall des Kratzers aufrollen. Denn vor gut sieben Jahren konnte der Kratzer Tobias entwischen. Jasmin ist seither das siebte Opfer. Es soll kein achtes Opfer geben. Deshalb müssen Christine und Tobias schnell handeln, um die Absichten des Kratzers zu entschlüsseln.
Oliver Ménard erzählt im letzten dritten Band seiner Trilogie mit den beiden Hauptfiguren Christine Lenève und Tobias Dom einen spannenden und psychologischen Abschluss. Zunächst ist zu erwähnen, dass der Täter mehr im Mittelpunkt steht als die Opfer. Jasmin und Emma spielen Randfiguren. Dafür tragen die Bezugspersonen des Täters umso mehr Bedeutung. Denn der Täter war vor gut sieben Jahren psychologisch vorbelastet. Tobias und Christine stellen sich immer wieder die Frage, warum der Täter die Frauen geritzt und ausbluten lassen hat. Was bedeuten die Botschaften, die er hinterlässt. Das Leben des Täters müssen Christine und Tobias von hinten aufrollen, und finden dabei erstaunliche Hinweise. Christine spiegelt eine toughe und emotionale Frau wider. Als Journalistin geht sie professionell vor, als zukünftige Ehefrau wirkt sie eher sensibel und nachdenklich. Tobias stellt eher den besorgten Vater dar, der um das Leben seiner Tochter kämpft. Seine Rolle als Kommissar und Vater verwischt sich diesmal. Oliver Ménard ist es gelungen, das Duo konstant authentisch darzustellen, indem die Charaktere stabil und nachvollziehbar blieben. Ebenso konnte man sich gut in die Umgebungen der Handlungsorte hineinversetzen, wobei man als Leserin nicht unbedingt an jedem dieser Handlungsorte sein möchte wie zum Beispiel ein ehemaliger russischer unterirdischer Bunker mitten im Wald mitten im Winter.
Der Abschluss der Trilogie gefiel mir ebenso gut wir die beiden Vorgängerbände „Federspiel“ und „Das Hospital“. Im letzten Band laufen die Fäden der beiden vorherigen Bücher zusammen. Psychologische Spielchen des Autors und seine Figuren überzeugen, sodass man durchweg spannend unterhalten wird.