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Veröffentlicht am 20.11.2017

Ein Roman, der einen an die Grenzen bringt

Und es schmilzt
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Ein Dorf mitten in Belgien – bäuerlich, klein und idyllisch. Dennoch trügt die Idylle, wenn man hinter die Fassaden der Familien schaut. Auf der einen Seite sind die Geschwister Jolan, Eva und Tesje, und ...

Ein Dorf mitten in Belgien – bäuerlich, klein und idyllisch. Dennoch trügt die Idylle, wenn man hinter die Fassaden der Familien schaut. Auf der einen Seite sind die Geschwister Jolan, Eva und Tesje, und auf der anderen Seite sind Evas‘ Schulfreunde Pim und Laurens. In Pims‘ Familie lebt noch der ältere Bruder Jan. Die Geschichte erzählt von den Dorfkindern in der Vergangenheit und in der Gegenwart. Dazwischen liegen einige Jahre. Zum Teil leben die Eltern noch in dem Dorf, der sie verstarben an den üblichen Krankheiten oder an Altersschwächen. Eva verbringt in ihrer Kindheit häufig die freie Zeit mit Pim und Laurens. Pims Vater besitzt einen Bauernhof; bei der Arbeit hilft häufig der ältere Sohn Jan mit. Laurens Eltern vermarkten in ihrem Geschäft die einheimischen Schlachtprodukte der Tiere. Zum Glück wächst Eva an der Seite eines starken Bruders auf, der immer ein Auge auf seine jüngeren Schwestern hat. Tesje dagegen scheint eher ein Sorgenkind zu sein. Außerdem vernachlässigen Evas Eltern die Geschwister, besonders die Mutter, die dem Alkohol kaum aus dem Weg gehen kann. Aber auch in Pims Familie existieren Probleme. Eines Tages verschwindet Jan.
Die in Flandern geborene Autorin Lize Spit bringt die Leserschaft mit ihrer direkten – zum Teil vulgären Sprache – an ihre Grenzen. Wenn man daneben stehen würde, könnte man als Erwachsener den Kopf schütteln und sich schämen. Aber gerade das will die Autorin erreichen. Schaut man auf den Fokus des Geschehens, oder schaut man lieber weg und will von dem Übel des Teenagerlebens nichts wissen. Ungeschminkt erzählt Lize Spit die pubertären Auseinandersetzungen der Teenager mit sich selbst und zwischen den Geschlechtern. Besonders Pim und Laurens leben ein Stück ihre sexuellen Fantasien aus, bei denen sie nicht ihre eigenen Grenzen und die der anderen erkennen. Eva – dargestellt als Figur im Mittelpunkt der eigenen Familie und der Freunde - möchte in der Gegenwart einen Schlussstrich ziehen unter diesen Teenagererfahrungen von damals. Sie muss erst erwachsen werden, um den Mut aufzubringen und dementsprechend zu handeln. Pim und Laurens leben mittlerweile in ihren eigenen Familien. Dennoch lastet ein Schatten der Vergangenheit auf die Gegenwart. Ein Eisblock, den Eva ins Dorf bringt, steht symbolisch für die Zeit, die von damals verronnen ist, um Verletzungen zu heilen. In der Vergangenheit wie in der Gegenwart scheint es gerade Pim und Laurens nicht bewusst gewesen zu sein, was sie vor allem bei Eva, aber eventuell auch bei den anderen Mädchen im Dorf ausgelöst haben. In der Gegenwart erfährt man kaum etwas über die Mädchen von damals, deshalb kann man nur vermuten, wie es den Mädchen in den Situationen erging.
Eine Geschichte zu schaffen, die nicht blühende und idyllische Landschaften erzählt, verschafft womöglich Unbehagen bei der Leserschaft, und bringt kein einfaches Lesevergnügen hervor. Es bleibt letztendlich einem überlassen, ob man das Buch weglegt oder sich dem Fokus des Geschehens, der in die jeweilige Wunde bohrt, stellt. Auf jeden Fall stellt dieser Roman eine Herausforderung für die Autorin selbst und der Leserschaft.

Veröffentlicht am 13.11.2017

Der zweite Fall mit Jenny Aaron

Niemals
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Jenny Aaron, eine Polizistin bei einer Spezialeinheit beim BKA. Bei einem älteren Fall in Barcelona verlor sie ihr Augenlicht. Bisher kann sich Aaron sich noch nicht entschließen, ob sie zu ihrer Einheit ...

Jenny Aaron, eine Polizistin bei einer Spezialeinheit beim BKA. Bei einem älteren Fall in Barcelona verlor sie ihr Augenlicht. Bisher kann sich Aaron sich noch nicht entschließen, ob sie zu ihrer Einheit zurückkehren will. Eines Tages kommt der Anruf, der sie dazu motiviert, wieder mit ihrem Kollegen Pavlik zusammen zu arbeiten. Wobei Pavlik ebenso körperlich eingeschränkt ist aufgrund eines Schusswechsels, bei dem er ein Bein verlor. Jenny Aaron erhält die Information, dass sie zwei Milliarden von ihrem Feind Holm vererbt bekommt. Aaron und Pavlik versuchen herauszufinden, warum Holm so viel Geld an Aaron vererben will. Es stellt sich heraus, dass der Tod von Aarons Vater mit dieser Angelegenheit zu tun hat. Ebenso muss sie feststellen, dass sie bisher nur die halbe Wahrheit wusste, was ihren Vater bei der GSG9 und ihre Erblindung vor fünf Jahren angeht. Aaron und Pavlik müssen eine lange Reise aufnehmen, die sie bis nach Marrakesch führt. Neben Holm gibt es noch einen Feind, hinter den die beiden Polizisten und ihr Team kommen müssen.
Der zweite Fall – man kann auch meinen, es ist eine Verknüpfung an den ersten Fall mit Jenny Aaron in dem Buch Endgültig – weil man erfährt, warum und wieso Jenny Aaron erblindete. Es findet sozusagen im Erzählstrang eine Rückblende statt, die verdeutlicht, wie es dazu kam, dass Aaron erblindete, und wer für diesen Unfall damals verantwortlich war. Jenny Aaron stellt eine leicht verwundbare Polizistin dar, aber dennoch geht sie mit Elan und überlegen an die Verfolgung ihres Feindes heran. Ihre Verwundbarkeit wird anhand ihrer Gedanken an ihren verstorbenen Vater, ihre Kindheit und den polizeilichen Werdegang dargestellt. Jenny Aaron kommt auch diesmal wieder an ihre Grenzen, wobei sie kollegial von ihrem Kollegen Pavlik unterstützt wird. Immer wiederzeigt sich, dass die beiden ein eingespieltes Team sind. Anhand von Erzählszenen stellt man fest, dass dieser Beruf eines verdeckten Ermittlers das Leben aufs Spiel setzen kann. Die Figuren in dieser Geschichte – egal ob Polizist oder Krimineller – haben in ihren Rollen überzeugt. Vor allem Jenny Aaron als eine strategisch handelnde Polizistin, die ihr Ziel nicht aus den Augen lässt, überzeugt besonders. Durch die Rückblenden, Auslandsaufenthalte und Hintergründen zu den einzelnen Figuren wirkt die Geschichte komplex und niveauvoll. Somit wird dieser Thriller anspruchsvoller als andere Thriller.
Der zweite Fall mit Jenny Aaron überzeugte mich ebenso wie die Anfänge in dem ersten Thriller Endgültig von Andreas Pflüger. Man kann auch wieder gut feststellen, dass Andreas Pflüger zu Recherchezwecken sich mit Experten ausgetauscht hat. Man genießt detaillierte Szenen, die an James-Bond-Filme erinnern. Ein rundum gelungener Thriller mit Spannung, Emotionen und Informationen bis zur letzten Seite.

Veröffentlicht am 31.10.2017

Ein Vergnügungspark wird zum Albtraum

Murder Park
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Zwölf Männer und Frauen, von denen jede und jeder das jeweilige Tierkreiszeichen der Astrologie bilden. Verantwortlich für die Zusammenstellung dieser Personengruppe ist Rupert Levin, der den mittlerweile ...

Zwölf Männer und Frauen, von denen jede und jeder das jeweilige Tierkreiszeichen der Astrologie bilden. Verantwortlich für die Zusammenstellung dieser Personengruppe ist Rupert Levin, der den mittlerweile stillgelegten sogenannten Zodiac Park auf den Zodiac Island an der Ostküste von Amerika wiederbeleben möchte. Vor zwanzig Jahren wurde dieser Park geschlossen, weil der Mörder Jeffrey Bohner für Angst und Schrecken auf der Insel sorgte. Auf bestialische Art und Weise ermordete Bohner alleinerziehende Mütter. Jetzt nach zwanzig Jahren lädt Rupert Levin Experten wie Journalisten, eine ehemalige Ermittlerin und einen Psychiater auf die Inseln ein. Sheldon Lazarus, der Psychiater führt Interviews mit den anderen elf Personen, um herauszufinden, ob eine dieser Personen imstande wäre, Rupert Levin bei dem Wiederaufbau und Wiederbelebung des Parks geeignet wäre. Für die Zusammenkunft und die Durchführung der Interviews wird ein verlängertes Wochenende benötigt. Allerdings fallen auf besondere Art jede der zwölf Personen – bis auf Paul Greenblatt – zum Opfer am selben Wochenende. Welche Vergangenheit verbirgt sich hinter Paul Greenblatt?
Jonas Winner Natalie Tielcke beschreibt in seinem Thriller eine Kulisse, die mich anfangs ein wenig an den Roman „Joyland“ von Stephen King erinnerte. Man bekommt Gefallen an der Geschichte, weil Herr Winner einen nicht-deutschen Handlungsort wählte, nämlich einen amerikanischen Vergnügungspark, der somit eine andere Atmosphäre vermittelt als ein Freizeitpark wie Phantasialand oder Heidepark, den mindestens jeder zweite deutsche Bürger kennen wird. Der Thriller bildet einerseits die Erzählung, und auf der anderen Seite die Interviews von allen zwölf Personen. Ein Wochenende, zwölf Männer und Frauen. Man könnte nun an ein Seminar- oder Vergnügungswochenende denken. Aber als der Psychiater Sheldon Lazarus Interviews führt, stellt man fest, dass mehr dahinter stecken muss. Sheldon soll die anderen Personen auf den Zahn fühlen, ob sie in der Lage sind, den Zodiac Park wie in alten Zeiten gestalten und führen zu können. Der Park erlangte Berühmtheit aufgrund der Frauenmorde. Diese Berühmtheit will Rupert Levin nutzen, um hinter Jeffrey Bohners Absichten zu kommen. Nur wissen das die anderen Frauen und Männer nicht. Paul Greenblatt wird zur Schlüsselfigur der ganzen Geschichte, zumal er Erfahrungen als Reporter nachweisen kann. Jonas Winner gestaltete einen Thriller, der Vergangenheit und Gegenwart verknüpft, so dass immer ein Bezug jeweils hergestellt werden kann. Ebenso baut er Ereignisse in die Geschichte ein, die einen beim Lesen spekulieren lassen, wer nun dafür verantwortlich ist, dass nach und nach die zwölf Personen zu Opfern werden. Und im Hintergrund immer die Mordstrategie des Jeffrey Bohner.
Mein Gesamteindruck bei diesem Thriller ist, dass er spannend erzählt wird, aber die Spannung bleibt häufig auf einem Level. Erst zum Ende hin steigern sich die Spannung und der Nervenkitzel. Die Idee, die Rückblenden, die Figuren sowie die Interviews passen gut zusammen, so dass der Thriller nicht langweilig wurde.

Veröffentlicht am 22.10.2017

Eine Wahrheit im Verborgenen

Alice, wie Daniel sie sah
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Alice und ihre beiden Schwestern Cee und Tilly leben in London. Ihre Mutter starb, als Alice vier Jahre alt gewesen. Ihre beiden älteren Schwestern leben in bürgerlichen Verhältnissen, dagegen reist Alice ...

Alice und ihre beiden Schwestern Cee und Tilly leben in London. Ihre Mutter starb, als Alice vier Jahre alt gewesen. Ihre beiden älteren Schwestern leben in bürgerlichen Verhältnissen, dagegen reist Alice sehr gerne in fernen Ländern für einige Wochen und Monate. Als deren Vater schwer erkrankt, bitten Cee und Tilly Alice, dass sie nach Hause kommt. Die drei Schwestern kümmern sich um den Vater, bis dieser stirbt. In dieser Zeit legt eine fremde Person Blüten, Papierschnipsel und andere alltägliche Dinge vor das Haus. Alice wundert sich, warum jemand selbstgebastelte Ketten ihr vor die Tür legen. Als Alice diese fremde Person auf der Beerdigung ihres Vaters sieht, grübelt sie darüber, wer diese Person sein könnte. Eines Tages begegnet Alice dieser Person. Er heißt Daniel, lebt als Obdachdachloser in einem Park zwischen Büschen und kannte Alice Mutter vor langer Zeit. Alice versucht herauszufinden, in welcher Verbindung Daniel zu ihrer Mutter stand.
Sarah Butler schuf eine Geschichte, die teilweise dramatische Elemente beinhaltet. Häufig bleibt die Wahrheit unausgesprochen. Man könnte meinen, dass vor allem die Protagonisten Alice und Daniel Angst vor der Wahrheit haben. Die Geschichte berührt stellenweise, wenn man das Schicksal des Vaters, der drei Schwestern und Daniels genauer betrachtet. Rückblickend wird von der Mutter erzählt in der Geschichte, an die sich Alice am wenigsten erinnern kann, weil sie das Nesthäkchen der Familie ist. Cee stellt die älteste Tochter dar, die mehr über die Wahrheiten Bescheid wissen müsste, aber auch bei und ihrer Schwester Tilly kommt nur Schweigen. Man könnte meinen, dass Cee und Tilly mehr über Daniel wissen könnten, aber es bleibt nebulös.
Diese Geschichte gefiel mir soweit, dass es wichtig ist, dass Menschen über ihre Wurzeln Bescheid wissen sollten. Der Ansatz der Geschichte ist gut, allerdings hätte die Autorin mehr Potenzial in der Geschichte herausholen können, indem Alice und Daniel eine Chance bekommen hätten, ihre Wurzeln offen zu legen. Demnach war ich mit dem Ende der Geschichte eher unzufrieden. Sicherlich wollte die Autorin mit dieser Geschichte eher zum Nachdenken anregen, und nicht eine oberflächliche Familiengeschichte mit einem positiv erhofften Ende publizieren.

Veröffentlicht am 03.10.2017

Ein spanisches Geschichtsabenteuer

Der Gefangene des Himmels
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Es ist das Jahr 1957 mitten im Winter. Ein bisher unbekannter Mann betritt eine Buchhandlung von Fermín und Daniel Sempere mitten in Barcelona. Daniel ist alleine in dem Augenblick als der Unbekannte sich ...

Es ist das Jahr 1957 mitten im Winter. Ein bisher unbekannter Mann betritt eine Buchhandlung von Fermín und Daniel Sempere mitten in Barcelona. Daniel ist alleine in dem Augenblick als der Unbekannte sich in der Buchhandlung umsieht, und dabei auf eine Vitrine stößt, in der der Roman "Der Graf von Monte Christo". Es ist nicht irgendein ein Buch, sondern ein Sammlerstück. Kurz darauf kauft der Kunde das Buch, allerdings möchte er das Buch geliefert bekommen. Als Daniel ihn daraufhin fragt, wohin das Buch geliefert werden soll, meint dieser nur, dass ein Hinweis im Buch steht. Fraglos lässt der Unbekannte Daniel zurück. Später versucht Daniel herauszufinden, wer dieser Unbekannte ist. Das Buch wird zum Mittelpunkt in die Vergangenheit. Ein Krieg, Kriegsgefangenschaft und das Überleben bringen Menschen an ihre Grenzen. Fermín bleibt am Ende nichts anderes übrig, als Daniel die wahre Geschichte hinter dem Buch und den Friedhof der vergessenen Bücher zu erzählen.
In die Geschichte der Protagonisten abzutauchen braucht der Autor Carlos Ruiz Zafón einen Rahmen aus historischen Elementen, eine düstere und liebevolle Atmosphäre sowie Figuren, die zwar Brutalität erleben, aber eine solche Art von Brutalität, die nicht abschrecken. Man erlebt beim Lesen eine Balance von Nähe und Distanz zu den Figuren und Schauplätzen. In der Zeit der 1940er Jahre in der Geschichte möchte man nicht gelebt haben, dennoch gehen die Protagonisten bestärkt aus den Ereignissen heraus, was man ebenso beim Lesen mitnimmt. Eine Achterbahnfahrt von Höhen und Tiefen sowie guten und bösen Menschen. Das Motto des Romans kann man benennen als Leben und Überleben, manchmal mit einem hohen Preis, bei dem auch Opfer fallen. So schlimm manche Szenen erzählt werden, erwartet einen ein positiver Effekt in naher Zukunft; sozusagen eine Belohnung für das Opfern gegen das Böse beim Lesen.
Dem Autor gelingt es anhand des Erzählstils zum Teil eine melancholische und traurig-düstere Stimmung zu schaffen, sondern im Gegenteil, man liest gefesselt und erwartungsvoll von Seite zu Seite weiter. Es stellt keine erdrückende Geschichte dar, sondern eine Balance von den Gegensätzen. Eine Komplexität von historischer Vergangenheit, Gegenwart, wahren Begebenheit, ausgeklügelte Figuren und ein Gegenstand – das Buch – bilden eine rundum unterhaltsame und erlebnisreiche Geschichte.
Dieser Roman ist zwar Teil eines Zyklus, aber dennoch kann man diesen Roman unabhängig der anderen Bücher in diesem Zyklus lesen. Da meine Erkenntnisse über die spanische Geschichte gering sind, konnte ich mich trotzdem in der Romangeschichte gut zurechtfinden. Ein lesenswerter Roman, der anfangs ein wenig verwirrend erscheint, aber dennoch in eine fantastische Welt von Überlebenskampf und Stärke taucht. Dieser Roman wird nicht der letzte von dem Autor sein, den ich gelesen habe.