Leider lässt der Autor zu viele Fragen offen
Die rechtschaffenen MörderAls "Die rechtschaffenen Mörder" in der monatlichen Druckfrisch-Folge von Denis Scheck am 26.04. vorgestellt wurde, hatte es mein Interesse geweckt. Die Vorstellung, dass ein Antiquar, ein belesener und ...
Als "Die rechtschaffenen Mörder" in der monatlichen Druckfrisch-Folge von Denis Scheck am 26.04. vorgestellt wurde, hatte es mein Interesse geweckt. Die Vorstellung, dass ein Antiquar, ein belesener und dementsprechend intellektueller Mann plötzlich anfängt Bücher zu verschmähen, nur noch Bücher von deutschen Autoren zu lesen, weil er den Übersetzungen aus anderen Sprachen misstraut und zum Schluss gar ein Nazi ist, diese Entwicklung, ja Spagat hat mich brennend interessiert. Mich interessieren Hintergründe, Beweggründe, das Warum. Ich finde mich nicht mit dem Gegebenen ab, mit dem "Das ist halt so", ich will wissen, wie es dazu kam, was einen Menschen zu seinen Handlungen antreibt. Leider hat mich Ingo Schulze mit seiner Geschichte aber genau dessen beraubt.
Die Geschichte ist in drei Abschnitte geteilt, wobei nur der erste Abschnitt und der Anfang des zweiten wirklich Sinn ergeben, dann wird die Story unzusammenhängend und verworren.
Da haben wir also einen Norbert Paulini, der, seit er das erste Buch seines Lebens las, Leser werden will. Zum Leidwesen aller Leser ist das aber kein Beruf, es sei denn, man ist ein Lektor. Aber auch zu diesem Berufsbild gehört ein wenig mehr, als das bloße Lesen, für das Paulini Leben will. Also wird er über einige Umwege Antiquar und verkauft seinen Kunden, wie er selbst sagt, nur Qualität. Zu DDR-Zeiten sammeln sich deshalb in seinem Antiquariat auch nur das "Who is who" Der Dresdener Intellektuellen und die, die es noch werden wollen. Mit der Politik will er nichts am Hut haben, seine Gattin (Paulini hat kein Glück mit seinen Damen) umso mehr. Dann kommt die Wende und wie bei so vielen ostdeutschen Existenzen, säuft Paulinis Unternehmen einfach ab. Die Intelligenzia bleibt plötzlich aus und lange Zeit versteht Paulinis nicht warum, bis ihm ein lang vermisster Kunde mit der Wahrheit konfrontiert. Ab da geht es mit Paulini bergab, er wird von diversen Schicksalsschlägen gebeutelt, aber das Schlüsselerlebnis, weshalb Paulini letzten Endes zum Ausländerfeind wird, das bleibt dem Leser verwehrt. Das ist dann auch der Grund, weshalb ich spätestens ab dem dritten Teil des Buches mit einem riesigen Fragezeichen über den Kopf da sitze und mich über die teilweise verstörenden Handlungssprünge wundere. Das lässt sich fast so lesen, als ob Paulini mit seinem Umzug ins Elbsteingebirge, nach "Dunkeldeutschland" quasi plötzlich ein Nazi wäre und dessen Sohn auch. Kein zufriedenstellender Plot aus meiner Sicht.
Die Geschichte fing gut an und ließ ab der Mitte leider stark nach, eben weil Fragen offen bleiben, die nicht hätten offen bleiben sollen. Da stellt sich mir die Frage, was der Autor von mir als Leser möchte. Das fühlt sich bald so an, als ob mir jemand dumm tut und jegliche Kommunikation verweigert, weshalb ich dann nicht reflektieren kann, wo denn nun der Fehler lag, wie es zu diesem plötzlichen Bruch kam. Das ist überaus bedauerlich und ich mag es nicht leiden. Die Geschichte hatte Potential und ich mochte den schrulligen Antiquar Paulini, bis der Autor ihn auf unerklärliche Weise abdrehen ließ.