Marlon James zeichnet ein berauschendes Kaleidoskop einer afrikanisch-exotischen Fantasywelt
Schwarzer Leopard, roter WolfBeschreibung
Man sagt ihm nach er habe eine Nase und so wird der Sucher beauftragt einen Jungen aufzuspüren, der vor drei Jahren entführt wurde. Auf seiner Mission wird er von einem Gestaltwandler – mal ...
Beschreibung
Man sagt ihm nach er habe eine Nase und so wird der Sucher beauftragt einen Jungen aufzuspüren, der vor drei Jahren entführt wurde. Auf seiner Mission wird er von einem Gestaltwandler – mal Leopard, mal Mensch- und einigen Söldnern durch die Steppe und die Wälder Afrikas begleitet. Zusammen müssen sie einige Abenteuer bestehen, die stark durch die mystische Seite der magieumrankten Kultur beeinflusst sind. Doch wird es dem Sucher gelingen zwischen einem drohenden Krieg der Könige den verschwundenen Jungen zu finden?
Meine Meinung
Man Booker Prize Träger Marlon James legt mit »Schwarzer Leopard, roter Wolf« den Auftaktband zu seiner Fantasy Trilogie »Dark Star« vor, die die Meinungen der Leserinnen spalten wird. Hochgelobt von literarischen Größen wie Neil Gaiman oder Salman Rushdie wird der Roman mit dem Urklassiker der High Fantasy, »Der Herr der Ringe«, und der Mega-Bestseller-Reihe »Das Lied von Eis und Feuer« in einem Atemzug genannt. Aus diesem Grund ließ ich mich mit einer hohen Erwartung auf dieses Leseabenteuer ein und wollte mich vom farbenprächtigen Afrika bezirzen lassen, doch diese Geschichte nahm einen ganz anderen Lauf…
Für einen recht holprigen Einstieg, der für mich fast dreihundert Seiten in Anspruch nahm, trifft es das Motto des Suchers auf den Punkt, und so dachte ich mir im Stillen »Fick die Götter«, wo hat Marlon James nur den roten Faden gelassen, der die Leserinnen durch seinen undurchdringlichen Dschungel aus Gestaltenwandlern, Dämonen, Vampiren, Hexen usw. leitet? Doch damit noch nicht genug, denn auch von Marlon James sprachlichem Stil hätte ich mir eher einen Erste-Klasse-Flug erwartet anstatt auf einer altersschwachen Kutsche ordentlich durchgerüttelt zu werden.
Der Weg des homosexuellen Hauptakteuers, der im ganzen Roman einfach nur mit den Namen Sucher angesprochen wird, ist von sexualisiertem Verhalten sowie einer odinären Fäkalsprache gepflastert und liefert mit Vergewaltigungen und der Auslebung gewalttätiger Triebe jede Menge harten Tobak, der zurecht das Label »Heyne Hardcore« trägt.
Die ganze Geschichte wird in sprunghaften Erzählungen aus der Perspektive des Suchers, der sich in der Gegenwart einer dritten Person, dem Inquisitor, befindet geschildert. Dies mag zwar die Wahl der einfachen und hakenden Sprache als Stilmittel erklären, aber sollte dies zutreffend sein, dann ist fraglich warum Marlon James dennoch immer wieder zwischendurch und auf den letzten zweihundert Seiten ein durchaus flüssigeren und angenehmeren Erzählstil durchblicken lässt.
Es gelang mir trotz der Erzählperspektive nicht, mich in den Hauptprotagonisten »Sucher« hineinzuversetzten und ich scheiterte daran, seine Beweggründe und sein Handeln nachzuvollziehen zu können.
Je weiter ich mich jedoch in den psychedelischen Erzählungen verstrickte, desto mehr nahmen mich die traditionellen Sagenwesen des afrikanischen Kontinents gefangen, auch wenn ich hier jede Menge extra nachschlagen musste, da Marlon James zahlreiche Bezeichnungen ohne nähere Erklärungen in den Raum wirft und mich dieses Nachschlagen immer wieder aus dem sich entfaltenden Zauberbann seiner Fantasiewelt herausgerissen hat.
Die ätherische Mixtur von Sagumas über Mingi Kinder, die aufgrund ihrer Fehlbildungen ihr Leben mit dem Tod bezahlen müssen oder als Verstoßene leben, und eine Vielzahl an obskuren Fabelwesen wie z. B. der Blut saugenden Asanbonsam mit seinem Bruder Sasabonsam, dem Blitzvogel Ipundulo sowie Aesi der Götterschlächter liefern einen wunderbaren Ansatz zu einem epischen Fantasiewerk, für mich fehlte es jedoch auch hier an einer erkennbaren Struktur.
»Niemand liebt niemanden.«
Diese drei Worte liefern einen Blick auf den Hauptprotagonisten der Geschichte, der nicht nur im Hinblick auf den entführten Jungen auf der Suche ist, sondern gleich auf mehreren Ebenen auf der Suche ist. Der Glaube seines Stammes macht ihn durch das nicht vollzogene Ritual der Beschneidung zu einem Mann, in dem auch noch eine Frau wohnt, und so wird er folglich nicht als kompletter Mann angesehen, wodurch er auch nicht nur auf der Suche nach seinem Platz in der Gesellschaft ist, sondern auch auf der Suche nach dem Weg zu sich selbst.
Dem Sucher werden diverse Weggefährten an die Seite gestellt, sodass sich das daraus resultierende kuriose Bildnis einer Superhelden-Action-Story mit den Urklängen des Romans vermischt. Mochte zu Beginn des Abenteuers noch die ein oder andere Länge für eine regelrechte Hassliebe gesorgt haben, so hat mich die aufkommende düstere Spannung auf den letzten zweihundert Seiten und die Gruppendynamik der skurillen Gefährten mit dem schweren Einstieg versöhnt.
Fazit
Marlon James zeichnet ein berauschendes Kaleidoskop seiner afrikanisch-exotischen Fantasywelt, die jedoch recht unausgegoren und mit einigen Längen daherkommt.