Profilbild von FroileinWonder

FroileinWonder

Lesejury Star
offline

FroileinWonder ist Mitglied der Lesejury

Melde dich in der Lesejury an, um dich mit FroileinWonder über deine Lieblingsbücher auszutauschen.

Anmelden

Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 10.07.2019

Ein Meisterwerk des subtilen Grusel-Horrors!

Spuk in Hill House
0

Beschreibung

Dr. Montague möchte den mysteriösen Geschichten um die alte Villa Hill House näher untersuchen und die übersinnliche Energie, die dem Haus nachgesagt wird durch eine wissenschaftliche Erkundung ...

Beschreibung

Dr. Montague möchte den mysteriösen Geschichten um die alte Villa Hill House näher untersuchen und die übersinnliche Energie, die dem Haus nachgesagt wird durch eine wissenschaftliche Erkundung belegen. Zu diesem Zweck mietet er Hill House für einige Zeit und lädt ein paar Personen ein, die ihn in seinem Vorhaben unterstützen sollen. Nachdem die beiden Frauen Eleanore Vance, Theodora sowie der spätere Erbe der Villa Hill House, Luke Sanderson, eingetroffen sind, beginnen sich die Eigentümlichkeiten des alten Gebäudes zu offenbaren…

Meine Meinung

Die Erstveröffentlichung 1959 von Shirley Jacksons Roman »Spuk in Hill« House liegt nun bereits einige Jahrzehnte zurück. Anlässlich der gleichnamigen und erfolgreichen Netflix-Serie, die auf den Grundlagen des Schauerromans basiert, wurde das Buch nun vom Festa Verlag in einer Neuausgabe herausgebracht.

Zu Beginn möchte ich allerdings gleich anmerken, dass die Netflix-Serie zwar auf diesem klassischen Schauerroman beruht, aber außer dem Namen des Hauses und ein paar kleinen Gegebenheiten nicht viel mit der Geschichte zwischen den Buchdeckeln gemein hat. Obwohl die Serie mit deutlich schockierenderen Momenten aufwarten kann, steht Shirley Jacksons Romanvorlage dem Grusel, der einem direkt unter die Haut kriecht in nichts nach.

Natürlich merkt man es der Geschichte an, dass es sich hier um einen waschechten Klassiker handelt und genau dieses nostalgische Gefühl, dass sich bei mir beim Lesen solcher Bücher einstellt, liebe ich über alles. Die Worte wirken präzise ausgewählt und erzeugen bereits nach wenigen Sätzen eine unglaublich dichte, umgarnende und furchteinflößende Atmosphäre. Shirley Jackson versteht es, den Leser genau dahin zu bringen, wo sie ihn haben will – in diesem Fall in Hill House und der labilen Psyche von Eleanor.

Einmal mit dem Buch begonnen, konnte ich mich genauso wenig wie Eleanor dem Organismus des Spuk-Hauses entziehen. Dazu sei gesagt, dass Eleanor eine junge, leicht naive Frau mit leicht überschäumender Fantasie ist, die ihr ganzes Leben mit der Pflege ihrer Mutter zubrachte und nun nach deren Tod auf der Suche nach einem erfüllten Leben ganz ohne ihre Schwester ist. Um endlich auf ein selbständiges Leben zu führen, nimmt sie die Chance die ihr Dr. Montague bietet wahr, setzt sich den Wagen ihrer Schwester und stürzt sich in das Abenteuer Hill House.

Wie bereits Theodora zu Eleanor sagte, »Wir können nie wissen, wo wir den Mut hernehmen.« (Seite 68), sinngemäß hält es die vier Wagemutigen auch nach immer mysteriösen Vorfällen in dem eigentümlichen Haus, dass schon alleine durch seine Architektur für einen kalten Schauer sorgt und die Nackenhaare zu Berge stehen lässt.

Ich habe jede Seite dieser fein erzählten Geschichte und vor allen Dingen den subtilen Horror, der sich aus der Dynamik zwischen der erzählenden Eleanor, deren psychische Verfassung durch Hill House immer schlechter wird, und der verschwommenen Wahrnehmung des Lesers ergibt, sehr genossen. Die Grenze zwischen den wahren Vorkommnissen und was sich nur Eleanors Fantasie abspielt, verschwimmt zu einem Kaleidoskop der Eindrücke.

»Spuk in Hill House« ist ein absolutes Lesehighlight das man sich nicht entgehen lassen sollte. Aufgrund der präzisen Komposition von Shirley Jackson eignet sich das Buch auch gut zum mehrmaligen Lesen – ich bin mir sicher, dass man bei erneuter Lektüre des Buches noch einige neue Seiten an der Geschichte entdecken kann.

Fazit

Ein Meisterwerk des subtilen Grusel-Horrors!

Veröffentlicht am 10.07.2019

Ein herrlich düsterer Comic mit offenem Ende, das genügend Spielraum für die eigene Fantasie offen lässt.

Die lebende Tote
0

Meine Meinung

Bereits das düstere Erscheinungsbild von Olivier Vatine und Alberto Varandas Graphic Novel »Die lebende Tote« lässt in mir die Verheißung auf einen klassischen Gothic Novel wach werden. ...

Meine Meinung

Bereits das düstere Erscheinungsbild von Olivier Vatine und Alberto Varandas Graphic Novel »Die lebende Tote« lässt in mir die Verheißung auf einen klassischen Gothic Novel wach werden. Geboten bekommt man eine ansprechende Mischung aus Science-Fiction Endzeitgeschichte und klassischer Schauerliteratur.

Die Geschichte beginnt auf dem verwüsteten Planeten Erde, der bereits von den meisten Menschen verlassen wurde. Nur noch wenige, wie Martha und ihr Team, halten sich noch auf der Erde auf um Güter wie z. B. Bücher zu bergen. Martha verliert bei solch einer Unternehmung ihre kleine Tochter Lise, als diese in einen tiefen Abgrund stürzt, wo übersinnliche Oktopoden-Wesen zu Hause sind.

Danach schwenkt das Setting für einen kurzen Abstecher auf den Planeten Mars, wo der verurteilte Wissenschaftler Joachim rekrutiert wird, zur Erde zu reisen, Lise zu klonen und somit wieder zu neuem Leben zu erwecken. Als Joachim auf der Erde landet und zum Wohnsitz von Martha geleitet wird, taucht man vollkommen in die viktorianische Atmosphäre ein, die nicht nur durch das Schloss Neuschwanstein nachempfundenen Anwesen verströmt wird, sondern auch durch die Mode und die antiquierte Einrichtung verstärkt wird.

Olivier Vatine hat hier eine fesselnde Geschichte zu Papier gebracht, die mich tatsächlich, wie vom Splitter Verlag angepriesen, an die klassische Schauergeschichte »Frankenstein« von Mary Shelley erinnert und dennoch mit einem etwas modernerem Storytelling und speziellen Horrorelementen überzeugt. Der Schauer wird, wie bei Frankenstein, vor allen Dingen durch die Frage aufgeworfen in wieweit der Mensch die Möglichkeiten der Wissenschaft nutzen darf, in die Natur eingreifen darf, oder dies aus moralischen oder ethnischen Gründen verwerfen sollte. In »Die lebende Tote« zeigt der Autor ein gruseliges Szenario auf, wie sich Organismen aus der vom Menschen betriebenen Forschung entwickeln und sich ihre Natur zu nutze machen.

Außerdem lässt der Autor in seiner Geschichte genügend Lücken, die dem Leser Platz für die eigene Fantasie lassen. So werden z. B. nähere Informationen über die Oktopoden und deren Möglichkeit der Vernetzung und Heilung von Menschen nicht näher ausgeführt und auch das Ende ist offen gehalten. Mir persönlich hat dieses mysteriöse Unwissen in mehreren Bereichen nicht sonderlich gestört, da dies die mystische Spannungskurve und den Charme des Comics erst recht ausmacht und die Geschichte noch länger im Kopf nachhallen lässt.

Die detailreichen Zeichnungen von Alberto Varanda sind eine wahre Augenweide und stechen besonders durch die starken Schraffierungen hervor. Mit dieser Technik erzeugt der Künstler die passende Stimmung zur düsteren Schauergeschichte. Passend zum viktorianisch-spacigen Horrorszenario halten sich Olivier Vatine und seine Assistentin Isabelle Rabarot bei der Farbpalette an gedeckte Töne von hellen Erdfarben bis hin zu mystisch-wissenschafltichen Blau- und Grüntönen und düsteren Farbmischungen mit hohem Antrahzitanteil.

Fazit

Ein herrlich düsterer Comic mit offenem Ende, das genügend Spielraum für die eigene Fantasie offen lässt.

Veröffentlicht am 10.07.2019

Ein mitreißender Krimi gepaart mit einem Hauch Steampunk-Flair.

Stadt der Asche (Der Hüter: Steampunk-Krimi Band 2)
0

Beschreibung

Nach ihrer Flucht aus Biota stranden Alexander, Nic und der verletzte Oliver in Narau. Direkt bei ihrer Ankunft werden die drei festgenommen und sollen als Sklaven verkauft werden. Doch auf ...

Beschreibung

Nach ihrer Flucht aus Biota stranden Alexander, Nic und der verletzte Oliver in Narau. Direkt bei ihrer Ankunft werden die drei festgenommen und sollen als Sklaven verkauft werden. Doch auf dem Markt werden Sie von Apolonaria, der Frau des Stadthalters, als Gäste in ihr Haus aufgenommen. Sie verspricht ihnen, in Freiheit Narau verlassen zu können, sollten sie innerhalb der nächsten zwei Wochen ihre verschwundene Tochter ausfindig machen. Die Ermittlungen von Alexander und Nic beginnen schleppend, nur eines ist gewiss, es werden sechs weitere Menschen in Narau vermisst.

Meine Meinung

Der erste Band aus Jasmin Jülichers Reihe, »Der Hüter – Stadt der Tiefe«, hatte mich mit seinem besonderen Setting und der ansprechenden Mischung aus Fantasy, Steampunk-Elementen und Krimi für sich gewinnen können. Im Folgeband »Der Hüter – Stadt der Asche« tauchen wir nun aus der faszinierenden Unterwasserwelt, die durch viele technischen und wissenschaftlichen Einflüssen geprägt war, auf und betreten eine trockene und unwirtliche Vulkanlandschaft.

Der neue Handlungsort ist die im Vulkan angesiedelte Stadt Narau, die sich in erster Linie durch ihre gewaltbereite Gesellschaftsstruktur auszeichnet. Denn in Narau wird alles mit Kämpfen in der Arena geregelt, womit sich nur der Stärkste als Stadtoberhaupt beweisen kann und zudem ist auch noch die Sklavenhaltung Gang und Gäbe.

Im Gegensatz zum Vorgängerband hält sich die Autorin dieses Mal nicht sonderlich lange mit dem Setting auf. Da sich die oberirdische Stadt Narau auch in wenigen Pinselstrichengut umreißen lässt, ist es Jasmin Jülicher aber dennoch gelungen dem Leser ein gutes Bild von den örtlichen Gegebenheiten zu projizieren, so dass man förmlich den Staub einatmen und die Hitze auf der Haut prickeln spürt. Das Augenmerk wird in dieser Fortsetzung vielmehr auf die Strukturen und Hierachie gelenkt, die sich in Narau aus den sieben Caeles und dem Stadtoberhaupt Patrick Garret zusammensetzen.

Die Kriminalhandlung nimmt eine merklich größere Rolle ein. Ohne große Umschweife beginnt Jasmin Jülicher einen dichten Spannungsbogen zu weben, in denen sich die Hauptprotagonisten nicht nur in ihrer neuen Umgebung zurechtfinden müssen, sondern auch noch in kürzester Zeit eine (mehrfache) Entführung aufzuklären haben. Die Ermittlungsarbeit von Alexander und Nic erinnert an klassische Kriminalromane à la Agatha Christie oder Sir Arthur Conan Doyles »Sherlock Holmes«. Und so habe ich es sehr genossen durch die Seiten zu wandern und selbst mitzurätseln wer sich hinter all dem verbirgt. Teilweise hatte ich ein gutes Gespür für die Entwicklung des Geschehens und dennoch gab es überraschende Wendungen, mit denen mich die Autorin eiskalt erwischte.

Jasmin Jülicher ist mit »Der Hüter – Stadt der Asche« ein gut fundierter Krimi geglückt, der nur etwas von der fantastischen Note des ersten Bandes vermissen lässt. Als kleines Trostpflaster gibt es jedoch mechanisch angetriebenen Golems, die dem Buch zumindest einen Hauch Steampunk verleihen. Außerdem bin ich schon sehr gespannt in welche Gegend es Alex und Nic als nächstes verschlägt.

Fazit

Ein mitreißender Krimi gepaart mit einem Hauch Steampunk-Flair.

Veröffentlicht am 03.07.2019

Dieser Comic ist ein gutes Beispiel für lebendig erzählte Historie

Kaiserin Charlotte 1: Die Prinzessin und der Erzherzog
0

Ich kann es gar nicht oft genug erwähnen, wie sehr ich Geschichten liebe, in denen Geschichte und Fiktion zu einer ansprechenden Mixtur vermischt werden und dadurch historisches wieder zu neuem Leben erweckt ...

Ich kann es gar nicht oft genug erwähnen, wie sehr ich Geschichten liebe, in denen Geschichte und Fiktion zu einer ansprechenden Mixtur vermischt werden und dadurch historisches wieder zu neuem Leben erweckt wird. Das Gleiche lässt sich von dem wundervollen Comic »Kaiserin Charlotte – Die Prinzessin und der Erzherzog« von Fabien Nury und Matthieu Bonhomme behaupten.

»Sie sind wunderschön, wenn sie träumen. Von nun an kann ich sie nicht mehr ansehen, ohne zu hoffen… Vergeblich.«
Seite 13

Der französische Autor Fabien Nury hat einen geschickten Handlungsablauf erschaffen, bei dem sich die Spannung Stück für Stück aufbaut. Begonnen wird mit der Kindheit von Charlotte als einzige Tochter des König Leopold I. von Belgien. In einem behüteten Zuhause mit einem liebevollen Vater und Brüdern wächst Charlotte zu einem klugen Mädchen heran, dass ursprünglich den zukünftigen König Spaniens heiraten soll. Doch als die 16-jährige Charlotte den Erzherzog Maximilian von Österreich kennenlernt, verliebt sie sich in den romantischen Bruder des österreichischen Kaiser Franz Joseph.

Vollkommen unüblich für die damalige Zeit wird der Liebeshochzeit zwischen Charlotte und Maximilian zugestimmt und nach harten Verhandlungen um die Mitgift der reichen europäischen Prinzessin findet die Hochzeit statt.

Nury greift die historischen Ereignisse der Hochzeit, den Einzug in das Schloss Miramare und die Verbindung zu Napoleon Bonarparte sowie die Annahme der mexikanischen Krone auf. Dabei nimmt sich der Autor genügend Freiheiten heraus, sodass man sich als Leser nicht immer ganz sicher sein kann, was nun der Wahrheit und was der Fantasie entspricht. Von Maximilian wird ein eher unschönes Bild gezeichnet, denn nach der Hochzeit mit Charlotte erhält man nach und nach den Blick auf sein wahres Wesen, dass nicht viel mit dem romantischen Träumer zu Beginn der Geschichte gemein hat.

Der Geschichte wird von den hübschen Zeichnungen von Matthieu Bonhomme das Gewisse Etwas verliehen, die detaillierten Panels sind sozusagen das Salz in der Suppe. Passend zur damaligen Zeit wird die Kommunikation zwischen Charlotte und ihrem Elternhause in Belgien per Briefpost besonders hervorgehoben. Allerdings muss ich sagen, dass die Schriftart nicht ganz so angenehm zum Lesen war und ich meine Augen etwas mehr anstrengen musste. Besonders gut gefallen hat mir die Farbschemen im Verlauf der Geschichte, so konnte man alleine anhand der Farbgebung erkennen, ob es sich um eine ruhige, dramatische oder gar gefährliche Situation handelt. Verantwortlich für diese eindrückliche Farbkomposition ist Isabelle Merlet.

Die Hauptdarsteller des Comics sind wirklich sehr gut dargestellt, jedoch bin ich sehr gespannt, ob die Stärke von Charlotte im Folgeband etwas mehr hervorstechen wird. Zu Nebendarstellern werden berühmte Persönlichkeiten wie Kaiser Franz Joseph und seine Elisabeth (“Sissi”), sowie Napoleon Bonarparte und seine Frau Eugénie, was sicherlich einen ganz besonderen Reiz des Comis ausmacht. Zum Ende gibt es einen Cliffhanger, der mich sehnlichst den Folgeband erwarten lässt.

Fazit

Dieser Comic ist ein gutes Beispiel für lebendig erzählte Historie, die sofort Lust auf die wahre Geschichte von Kaiserin Charlotte macht!

Veröffentlicht am 03.07.2019

Mitreißende Krimiunterhaltung vor historischem Setting und einer guten Prise britischem Charme.

Erased
0

Beschreibung

1947. Nach der Kriegszeit sehnt sich Superintendent Charles Norcott nichts sehnlicher herbei als eine ruhige Zeit als Dozent an der Universität Oxford. Dort soll der Inspektor lediglich die ...

Beschreibung

1947. Nach der Kriegszeit sehnt sich Superintendent Charles Norcott nichts sehnlicher herbei als eine ruhige Zeit als Dozent an der Universität Oxford. Dort soll der Inspektor lediglich die Fachkräfte für ihren Einsatz ausbilden, doch die Universität wird schon bald von einer Serie an Zwischenfällen heimgesucht, die die Aufmerksamkeit des Superintendenten beanspruchen.

Im Physikalischen Institut der Universität scheint jemand die geheime Forschungsarbeit der Regierung auszuspionieren oder zu sabotieren. Doch was steckt tatsächlich hinter den Zwischenfällen und dem Bombenanschlag auf den Leiter dieser Einrichtung?

Meine Meinung

»Erased« ist der zweite Band aus Jürgen Albers Kriminal-Reihe um den New Scotland Yard Inspektor Charles Norcott. Die Handlung des ersten Buches »Crossroads« trägt sich während der Kriegszeit auf der britischen Kanalinsel Guernsey zu. Doch nun nach dem Krieg ist Charles Norcott wieder zurück nach London gekehrt und nimmt in der Hoffnung auf eine entspannte “Zeit” den Job als Dozent an der Oxford University an.

Der ruhige Einstieg in die Geschichte versucht den Leser, genau wie seinen Hauptprotagonisten Charles Norcott in Sicherheit zu wiegen, bevor sich das Kartenblatt ändert und es eine mitreißende Kriminalgeschichte aufzuklären gilt. Während sich also zu Beginn noch recht wenig ereignet, wird das Setting mit viel Liebe zum Detail gezeichnet, bei dem die auftretenden Charaktere nicht zu kurz kommen. Mir persönlich gefällt es immer besonders gut, wenn nicht nur die Hauptprotagonisten gut ausgearbeitet sind, sondern auch den Nebenrollen genügend Leben eingehaucht wird. Genau das ist Jürgen Albers besonders gut gelungen, als Leser bekommt man eine ganze Palette der unterschiedlichsten Figuren präsentiert. Desmond O’Neill wird zum Beispiel mit viel Augenzwinkern von Albers als »Das kleine, fast kugelrunde Männchen […]« beschrieben und projiziert somit gleich ein herrlich erheiterndes Bild in meinem Kopfkino hinzu.

»Sagen Sie mal, Desmond, Sie waren ja schon in London ein verrückter Hund und Ihre Truppe ein bunter Haufen, aber«, er wies mit dem Daumen in Richtung Labor, »die junge Dame heißt nicht wirklich Beetroot mit Vornamen? Und wer sind Smith & Wesson?«
Erased, Seite 159

Der Schreibstil von Jürgen Albers passt hervorragend zur Geschichte, der Atmosphäre, die so very British daherkommt und dem wundervollen Setting, dass einen direkt nach Oxford versetzt. Außerdem hat sich das Buchaufschlagen jedes Mal wie das Öffnen einer Zeitkapsel angefühlt, denn nach wenigen Seiten fühlt man sich entschleunigt und in der Zeit zurückversetzt.

Das Zusammenspiel der einzelnen Komponenten ist wie bei einem guten Rezept schön aufeinander abgestimmt, die Protagonisten bewegen sich spürbar in der noch jungen Nachkriegszeit, es geht um geheime Forschungsprojekte, Atomforschung, Spionage, polizeiliche Zusammenarbeit und natürlich die diversen Geheimdienste wie z. B. MI5 und MI6. Das alles wurde wunderbar vom Autor recherchiert und in einem Nachwort dargelegt, darin geht er auch darauf ein, wobei es sich um historische Fakten und wobei um Fiktion handelt. Das fand ich unheimlich hilfreich, denn zwischendurch verschwimmen die Linien zwischen Realität und Fiktion.

Tatsache ist, dass mir der zweite Kriminalroman aus Jürgen Albers Feder wieder unheimlich gut gefallen hat. Die authentische Geschichte über den britischen Inspektor und seine Freunde hat mir einige vergnügliche Lesestunden bereitet, wobei man auch im Folgeband keine blutrünstige Spannung erwarten darf. Vielmehr baut sich die Spannungskurve erst ziemlich spät auf, da das Augenmerk auf die vielzähligen Verwicklungen gerichtet wird. Schließlich wird man aber mit einem mitreißenden Rätselraten um die Identität des Täters belohnt, wobei mir die unterschiedlichsten Personen verdächtig erschienen, die naheliegenden Optionen wieder verwirft und am Ende von der eigenen Blindheit überrascht wird. Einen kleinen Kritikpunkt möchte ich allerdings noch einbringen: der Autor verknüpft den Kriminalfall mit geheimer Forschungsarbeit an Atombomben und zu Beginn der Geschichte verschwinden wichtige Protokolle. Der Ansatz war super spannend und ich finde hier hätte man noch etwas tiefer in das Spionage-Thema eintauchen können.

»Na, wenigstens dafür war der Scheißkrieg gut. Schusswunden kann hier jeder noch mit drei Promille im Blut versorgen.«
Erased, Seite 295

Ich freue mich bereits jetzt auf den dritten Norcott Roman, »Black Skin«, welcher bereits für Herbst 2019 geplant ist, denn dann werde ich zusammen mit Charles Norcott eines meiner Lieblingsreiseziele, Kuba, literarisch bereisen dürfen. Außerdem hat der Autor noch eine Anthologie in der Pipeline, zu der ich selbst auch ein kleines Bisschen beitragen durfte ;)

Fazit:

Mitreißende Krimiunterhaltung vor historischem Setting und einer guten Prise britischem Charme.