Nicht mein Reihen-Liebling, aber trotzdem toll!
Die Wallflowers - Evie & SebastianOoooh, was hatte ich auf diesen Band der Wallflowers hingefiebert! Sebastian ist DER Bad Boy der damaligen Zeit (London, 1843) - charmant, aber berechnend, unwiderstehlich attraktiv, aber unberechenbar.
"Sebastian, ...
Ooooh, was hatte ich auf diesen Band der Wallflowers hingefiebert! Sebastian ist DER Bad Boy der damaligen Zeit (London, 1843) - charmant, aber berechnend, unwiderstehlich attraktiv, aber unberechenbar.
"Sebastian, Lord St. Vincent, war das komplette Gegenteil von ihrem Traumliebhaber. Er hatte nichts Liebenswürdiges, Sensibles oder auch nur im Entferntesten Jungenhaftes an sich. Er war ein Raubtier, das zweifelsohne gern mit seiner Beute spielte, bevor es sie tötete."
Und ausgerechnet ER (- nach dessen Liebeskünsten sich zahlreiche, mitunter verheiratete Frauen verzweifelt verzehren, für den sie bereitwillig ihre Ehre aufs Spiel setzen und sich ins Verderben stürzen -) und das unscheinbarste Mauerblümchen der liebenswerten Mädelsgruppe (- die verschüchterte, stotternde, sich stets im Hintergrund haltende Evie -) sollten sich ineinander verlieben? No way! Ich war gespannt wie ein Flitzebogen, ob und wie der Autorin diese Wendung gelingen würde.
Nach dem Teaser im Vorgängerband ahnte ich bereits, dass Evie weitaus tougher ist, als man ihr auf den ersten Blick zutrauen würde. Aufgrund der brutalen emotionalen (und körperlichen) Misshandlung, die sie seitens ihrer Familie erleben musste, blieb ihr kaum eine andere Wahl, als rational und bedacht nach der bestmöglichen Lösung = Fluchtmöglichkeit zu suchen.
"Sebastian begriff, dass sie keineswegs dumm war, auch wenn das Stottern viele Menschen täuschte. Sie war es gewohnt, unterschätzt, ignoriert und übersehen zu werden … und er ahnte, dass sie das wann immer möglich zu ihrem Vorteil nutzte. Das weckte seine Neugier."
Ich weiß nicht, warum - aber irgendwie fiel es mir bei diesem Band schwerer, in die Geschichte bzw. in das bisherige Hach-ist-das-schön-Feeling hineinzufinden. Der Einstieg catchte mich einfach nicht so recht - und das, obwohl ich beide Figuren total mochte UND natürlich wissen wollte, wie ihre Annäherung aussehen würde.
"Sie wirkte kaum älter als zwanzig, ihr Teint war frisch, und ihre Augen strahlten die Art von Unschuld aus, die ihn stets mit Verachtung erfüllte. Sebastian hatte Unschuld noch nie geschätzt oder gar bewundert."
Sebastian, der Evie immer bewusst ignoriert hatte, weil sie das krasse Gegenteil von dem Frauentyp verkörpert, den er normalerweise anziehend findet, wirft einen einzigen genaueren Blick auf sie und: Ta-daaa! Plötzlich erkennt er ihre Attraktivität und will mit ihr schlafen. Ich verstehe, dass es für den weiteren Storyverlauf nötig gewesen sein mag, früh die entsprechenden Voraussetzungen zu schaffen, doch diese Instant Attraction überzeugte mich anfangs nicht bzw. da diese Verbindung mich nicht erreichte, fiel mir das Mitfiebern schwer. Zum Glück legte sich das im Laufe der nächsten paar Kapitel schnell, sodass ich mich endlich vollends auf die Geschichte einlassen und mit dem ungleichen Pärchen per Kutsche zur Spontan-Hochzeit nach Gretna Green tuckern konnte.
Evie macht sich keinerlei Illusionen hinsichtlich des Mannes, "[…] der mit seiner goldenen Schönheit, den kalten eisblauen Augen und einem Mund, der für Küsse und Lügen gemacht zu sein schien, mehr als nur ein wenig einschüchternd wirkte. Er sah aus wie ein gefallener Engel, ausgestattet mit all der gefährlichen, männlichen Schönheit, die Luzifer sich ausdenken konnte. […] Natürlich würde St. Vincent ein schrecklicher Ehemann sein." Eine Liebesheirat wird es folglich nicht werden - eigentlich Grund genug für ein wenig Frust und Verdrossenheit. Allerdings gibt es gleich vier (!) Dinge, die Evie noch schwerer auf der Seele lasten. Ich betone: Vier Dinge, die für sie SCHLIMMER sind als die Aussicht auf ein Leben in einer lieblosen Ehe. Whaaat?!
1.) Ihr Vater liegt im Sterben. Okay, das ist wirklich ein gewaltiger Schicksalsschlag. Sie hatte ihn seit Ewigkeiten nicht besuchen dürfen und nun rennt ihr die Zeit davon.
2.) Ihre Sippschaft will sie zu einer Ehe mit ihrem widerlichen Cousin zwingen (Igitt! - Wenn schon unglücklich verheiratet, dann wenigstens mit einem Mann, den sie sich selbst ausgesucht hat, thank you very much.), um
3.) ihr Vermögen zu ergaunern (Frechheit! Geht’s noch?!),
… und last, but not least:
4.) Ihre Scheinehe mit Sebastian wird zwar all ihre Sorgen bezüglich der Punkte 2-3 lösen und ihr zudem ermöglichen, ihren Vater noch einmal sehen zu können, doch höchstwahrscheinlich wird dieser sonderbare Deal auch das einzig Wertvolle in Evangelines Leben zerstören: ihre Freundschaft mit den anderen Mauerblümchen. "Es gab keine Möglichkeit, dass Annabelle, Daisy oder Lillian – insbesondere Lillian – mit Evie befreundet bleiben würden, wenn sie erst einmal St. Vincent geheiratet hatte." Und niemand könnte es den Mädels verübeln; seriously, sie hätten tatsächlich jedes Recht der Welt, sich von Evangeline abzuwenden. Sebastian bringt es auf den Punkt: »[…] Muss ich Sie daran erinnern, dass ich letzte Woche versucht habe, eine Ihrer Freundinnen zu entführen und zu vergewaltigen?« Tja … da müssten die Mauerblümchen schon sehr, seeeehr verständnisvoll sein, um diese Verbindung zu tolerieren.
Keine rosigen Aussichten also für Evie. Hinzu kommt die Problematik um den schlecht laufenden Spielclub ihres Vaters. (Ganz recht, ihrem Vater gehört ein berüchtigtes Casino: "Das Jenner’s war ein Ort, an dem Londoner Gentlemen Glücksspiele, gutes Essen, starke Getränke und billige Huren genossen. Es herrschte eine extravagante Atmosphäre mit einem angenehmen Hauch von Schäbigkeit.")
Und dann wäre da noch ihre gewaltbereite Verwandtschaft, die gerade Gift und Galle spuckt.
Ganz schön viel Drama, oder? Find ich auch. Mir war das Drumherum dieses Mal einen Hauch zu viel, lenkte mich von der eigentlichen Love Story ab. ABER: Dennoch hatte ich unheimlich viel Freude mit der Lektüre!
Der Schreibstil war - bis auf die kleinen Startschwierigkeiten in den ersten Kapiteln - top: bildreich, detailliert, an den richtigen Stellen humorvoll und voller herrlicher Wortgefechte. Spicy Scenes gibt es auch wieder einige, inklusive etwas … joah, derberer Wortwahl. Hat mich persönlich nicht gestört, denn ich wusste ja im Vorfeld, dass mich hier heiße Szenen erwarten würden. Weiterhin gefiel mir, dass die Freundschaft der Mauerblümchen nicht zu kurz kam.
Nun bin ich super neugierig auf Daisys Geschichte, die in wenigen Tagen erscheinen wird, der Klappentext klingt sooo verheißungsvoll!
𝗙𝗮𝘇𝗶𝘁: 4 ✰ ✰ ✰ ✰
Eine spannende Regency-Romance und ein absolutes Muss für alle Fans der Wallflowers (und des Genres). Wichtig: Es handelt sich um den dritten Band einer Reihe. Auch wenn ich selbst ständig quer in Buchreihen einsteige: Hier empfiehlt es sich wirklich, zunächst die vorherigen Werke zu lesen. (Do it! Es lohnt sich!)