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Meinungen aus der Lesejury

Veröffentlicht am 26.05.2019

Naja…eher mittelprächtig-okay, aber leider nicht so "wunderbar" wie erhofft

Das wunderbare Wollparadies
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Was war ich gespannt auf einen Ausflug in die idyllisch anmutende Valerie Lane, ein charmantes Ladengässchen im Herzen Oxfords! – Ich hatte schon viel von Manuela Inusas Buchreihe gehört und dieses Werk ...

Was war ich gespannt auf einen Ausflug in die idyllisch anmutende Valerie Lane, ein charmantes Ladengässchen im Herzen Oxfords! – Ich hatte schon viel von Manuela Inusas Buchreihe gehört und dieses Werk stellt den vierten Teil daraus dar. Vorab kann ich festhalten, dass man dem Inhalt auch ohne Kenntnis der Vorgängerwerke problemlos folgen kann.

Im Fokus steht hier die herzensgute, hilfsbereite, allerdings manchmal recht verschlossene Susan, die Inhaberin des Wollgeschäfts. Niemand ihrer Freunde ahnt von ihrem traurigen Geheimnis, einem tragischen Erlebnis in ihrer Vergangenheit, das ihr Leben für immer verändert hat. Seit damals hat Susan den Männern abgeschworen und lebt nun einzig für ihren kleinen Hund Terry, ihren gemütlichen, von der Stammkundschaft hochgeschätzten Laden 'Susan’s Wool Paradise' und natürlich ihre Freunde aus der Valerie Lane. Sie liebt die Weihnachtszeit – auch wenn sie sich dann stets ein wenig einsamer als sonst fühlt. Noch ahnt Susan nicht, dass in diesem Jahr alles anders werden wird…

Erzählt wird stets aus Susans Perspektive, dies beinhaltet auch ein paar kurze Rückblicke zu den Schlüsselmomenten ihrer Vergangenheit. Die Kapitellänge ist sehr angenehm gewählt worden und der Schreibstil ist locker und flüssig. Weiterhin möchte ich die wunderschöne Covergestaltung hervorheben – auch im wahren Leben hätte ich an dieser einladenden Ladenfront nicht vorbeigehen können und das Geschäft wahrscheinlich vollbepackt mit Wollbündeln verlassen! Ich liebe Bücher, die zur (Vor-)Weihnachtszeit spielen, somit war der gewählte Handlungszeitraum genau nach meinem Geschmack. Die inkludierten Rezepte waren ein zusätzliches Schmankerl.

Nun zu den Dingen, die mir weniger gefallen haben. Susans Vergangenheit, obwohl sie erzähltechnisch nur einen kleinen Rahmen einnimmt, wurde mit deutlich mehr Intensität erzählt als der gegenwärtige – vergleichsmäßig dahinplätschernde – Handlungsstrang. Durch die Einbindung und permanente Erwähnung sämtlicher anderer Figuren (Susans Freundinnen, deren Partner bzw. Familien, Kunden) konnte ich mit Susan selbst kaum warmwerden. Ich verstehe ja, dass es sich um eine Buchreihe handelt und dass das Interesse der Leser auch für die jeweiligen Hauptfiguren der anderen Werke geweckt werden soll, aber hier wäre meines Erachtens weniger mehr gewesen. Es wirkte so, als müssten auf Krampf sämtliche Freundinnen miteinbezogen werden, wodurch nicht nur Susans an sich tiefgründige Geschichte total verblasste und eher oberflächlich rüberkam, sondern auch die Handlung oftmals langatmig schien und man das Gefühl hatte, es passiert nichts, es geht nichts voran. Die Nebenfigur Charlotte, die (- ähnlich wie Susan, wenn auch aus gänzlich anderen Gründen -) versucht, mit ihrer Vergangenheit abzuschließen, hatte zwar kürzere Szenen, kam mir im Vergleich zum anderen Trott allerdings deutlich erfrischender, sympathischer und interessanter vor.

Für mich wird es bei diesem Kurzausflug in die Valerie Lane bleiben. Bei den teilweise überschwänglich begeisterten Bewertungen zu diesem Roman habe ich mich ernsthaft gefragt, wie der angebliche Zauber derart an mir vorbeigehen konnte – trotzdem kann ich guten Gewissens sagen, dass die Geschichte nicht schlecht ist und sich als kurzweilige Unterhaltung für zwischendurch eignet.

Fazit: Ganz okay, aber leider kann das Werk in keiner Weise mit Inusas wundervoller Novelle 'Das Weihnachtswunder von Chicago' mithalten, welches deutlich mehr Weihnachtsesprit und Gefühl versprüht.

Veröffentlicht am 22.05.2019

Ein Muss für Island-Fans – und solche, die es werden wollen

Das Versprechen der Islandschwestern
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Karin Baldvinsson beleuchtet in ihrem wundervollen Roman ein Kapitel der Nachkriegszeit, das mir bisher gänzlich unbekannt gewesen war: nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten viele junge Frauen aus dem zerbombten ...

Karin Baldvinsson beleuchtet in ihrem wundervollen Roman ein Kapitel der Nachkriegszeit, das mir bisher gänzlich unbekannt gewesen war: nach dem Zweiten Weltkrieg wanderten viele junge Frauen aus dem zerbombten Deutschland als Landarbeiterinnen nach Island aus. Sie sehnten sich nach einem Neubeginn, viele von ihnen hatten im Krieg alles verloren. Das Leben dort war zwar voller Entbehrungen und geprägt von harter körperlicher Arbeit, aber sie wurden von der isländischen Bevölkerung mit offenen Armen empfangen. Von solch einer Übersiedlung zweier deutscher Schwestern handelt dieser Roman – nur eine von ihnen wird nach Ablauf ihres Arbeitsvertrages nach Deutschland zurückkehren...und es werden über sechzig Jahre vergehen, bis Margarete und Helga sich wiedersehen.

Man merkt sofort, dass die Autorin einen ganz besonderen persönlichen Bezug zum nordischen Inselstaat hat, dessen wilde Schönheit sie mit bildgewaltigen, atmosphärischen Beschreibungen gekonnt einzufangen wusste. Die atemberaubende Landschaft mit ihren Fjorden, Gletschern, Vulkanen und Wasserfällen bildet eine hervorragende Kulisse für die Entwicklung einer Handlung, in deren Fokus anfangs die Entzweiung der beiden jungen Schwestern steht und in der zweiten Zeitebene (im Jahr 2017) die Hintergründe des Familienzerwürfnisses erforscht werden, als Margarete mit ihrer Enkelin Pia und deren pubertierenden Tochter nach Island reist.

Die Charaktere sind sehr authentisch gestaltet; dies wird auch in den Dialogen spürbar. Oftmals fließt die isländische Sprache mit ein, vor allem in der ersten Zeitebene, die in den Jahren 1949 und 1950 spielt.

Beide Zeitebenen sind so spannend mit einander verknüpft, dass man einfach nicht aufhören möchte zu lesen. Der äußerst angenehme Schreibstil trug ebenfalls dazu bei, dass ich das Werk tatsächlich kaum aus der Hand legen konnte vor lauter Spannung, denn als wäre ein Familiengeheimnis nicht schon genug, wartet die Handlung auch mit einer zarten Liebesgeschichte auf. Der Auslöser des ursprünglichen Streits sowie die weitere Entwicklung sind zwar vorhersehbar, jedoch tut dies dem Lesevergnügen keinerlei Abbruch.

Ein winziges Sternchen Abzug gibt es von mir lediglich aufgrund der Tatsache, dass ich mir für Margarete und Helga auch im gegenwärtigen Handlungsstrang etwas mehr Präsenz gewünscht hätte, da sie für mich die eigentlichen Hauptfiguren waren (und Buchtitel sowie Klappentext eher das Schicksal der beiden Schwestern hervorgehoben hatten). Zwar war mir auch Pia äußerst sympathisch, aber vor allem die liebenswerte Helga hatte ich so sehr ins Herz geschlossen, dass ich gerne mehr von ihr gelesen hätte.

Fazit: Die Geschichte lebt von den wunderschönen, eindrucksstarken Landschaftsbeschreibungen Islands und hat mir auch im Hinblick auf Figuren und deren Ausarbeitung ausgesprochen gut gefallen.

Veröffentlicht am 12.05.2019

Urlaubsfeeling pur mit vielen feinen Zwischentönen

Die Bücherinsel
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Bereits das traumhaft schöne Cover lässt erahnen, dass es sich bei diesem Werk um einen Wohlfühlroman der ersten Klasse handelt - Janne Mommsen entführt uns auf eine idyllische kleine Insel und ich kann ...

Bereits das traumhaft schöne Cover lässt erahnen, dass es sich bei diesem Werk um einen Wohlfühlroman der ersten Klasse handelt - Janne Mommsen entführt uns auf eine idyllische kleine Insel und ich kann das Leseerlebnis nur als "Kurzurlaub zwischen zwei Buchdeckeln" beschreiben!

Die Hauptfigur Sandra ist eine sympathische junge Frau, die ihr beschauliches Leben genießt und sich scheinbar gut arrangiert hat mit der Tatsache, dass sie nie richtig lesen und schreiben gelernt hat. Zum Glück gibt es ja Hörbücher! Aber nach dem Motto 'unverhofft kommt oft' stolpert sie eines Tages in einen Lesekreis der gemütlichen kleinen Inselbuchhandlung und trifft dort auf den charismatischen Björn, der ihr fortan nicht mehr aus dem Kopf geht. Zu gerne würde sie ihn wiedersehen, doch gleichzeitig hat sie riesige Angst davor, dass er hinter ihr wohlgehütetes Geheimnis kommen könnte…denn im Laufe der Zeit hat Sandra gelernt, ihren Analphabetismus gekonnt zu überspielen…

Sandras Gedanken sowie die Dialoge mit den Nebenfiguren wirkten auf mich stets äußerst authentisch und daher total glaubwürdig. Überhaupt finde ich es bewundernswert, dass der Autor ein solch wichtiges Thema wie Analphabetismus, das leider immer noch ein viel zu großes Tabu in der heutigen Gesellschaft darstellt, zu einem zentralen Element der Handlung gemacht hat. Sandras Selbstzweifel und Ängste, aber auch ihre Hoffnungen und Wünsche werden einfühlsam behandelt und so lebensnah widergegeben, dass man das Gefühl hat, Sandra schon lange zu kennen.

Ich kann gar nicht genug hervorheben, wie wundervoll es war, mal ein Werk zu lesen, das gänzlich ohne Hinterhältigkeit oder Trauerfälle auskommt, ohne dabei an Spannung oder Intensität zu verlieren! Richtig klasse!!

Der Roman ist eine in sich geschlossene Geschichte; obwohl ich den Vorgängerband, "Die kleine Inselbuchhandlung", noch nicht kannte (was ich zügig nachholen werde!) , habe ich mich gleich in der Handlung zurechtfinden können – alle Personen werden ausführlich vorgestellt und nie entsteht das Gefühl, etwas verpasst zu haben oder aufgrund fehlender Hintergrundkenntnisse eine Entwicklung nicht nachvollziehen zu können. Der Schreibstil des Autors ist durchwegs optimistisch und angenehm, immer verständlich und nie künstlich überladen; man möchte gar nicht aufhören zu lesen! Janne Mommsen findet genau den richtigen Ton, um ernste Themen einfließen zu lassen, ohne dass sie erdrückend wirken, um eine zarte Anbahnung von Gefühlen entstehen zu lassen, die – im Gegensatz zu der in vielen anderen Liebesgeschichten – völlig ungezwungen wirkt.

Dieser bezaubernde, luftig-leichte Roman lebt nicht nur von seiner feinfühligen Erzählweise und vielen kleinen romantischen Momenten, sondern vor allem von seinen bildgewaltigen Landschaftsbeschreibungen, die zum Träumen einladen und die Sehnsucht nach einem Urlaub am Meer wecken.
Fazit: Die perfekte Lektüre zum Zurücklehnen und Entspannen!

Veröffentlicht am 06.05.2019

Ein wunderschöner, berührender, wichtiger Roman!

Mehr als tausend Worte
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Dieses war mein erster Roman der Autorin Lilli Beck, von der ich bereits viel Positives hinsichtlich ihres vorherigen Werkes "Glück und Glas" gehört hatte. Meine Erwartungen sind nicht enttäuscht worden ...

Dieses war mein erster Roman der Autorin Lilli Beck, von der ich bereits viel Positives hinsichtlich ihres vorherigen Werkes "Glück und Glas" gehört hatte. Meine Erwartungen sind nicht enttäuscht worden – "Mehr als tausend Worte" ist ein literarisches Meisterwerk, das mich tief bewegt und völlig in den Bann gezogen hat. Auch lange nach dem Lesen des Romans wirkt das Schicksal der fiktiven Familie Landau, stellvertretend für das vieler Juden zur Zeit des Nationalsozialismus, nach – nicht zuletzt aufgrund einer überraschenden Wendung, die der Geschichte eine ganz neue Dimension verleiht.

Berlin, 1938. Die sympathische Hauptfigur Aliza ist siebzehn Jahre jung und erlebt gerade das Hochgefühl der ersten Liebe mit Fabian, einem Deutschen, der sich nicht an ihrer jüdischen Herkunft stört. Zwar nimmt der Hass auf die Juden im Land immer bedrohlichere Außmaße an, aber als Alizas Familie sie für einen Kindertransport nach England anmeldet, wehrt sie sich zunächst mit Händen und Füßen. Ihre Familie – und Fabian – verlassen? Unmöglich! Doch Alizas Eltern sind überzeugt, dass sie ihre Tochter nur auf diesem Weg in Sicherheit bringen können. Und während Aliza sich fortan in einem fremden Land zurechtfinden muss, bricht in ihrer Heimat die Hölle los…

Erzählt wird aus mehreren Perspektiven, sogar aus der eines Antagonisten. Wir erleben, wie Aliza in die englische Kultur eintaucht, während ihre Familie in Deutschland gegen immer härtere Auflagen kämpfen muss. Fabian wird als Soldat in den Krieg eingezogen und bis zum Schluss saß ich auf glühenden Kohlen, ob das junge Paar sich jemals wiedersehen wird. Die Persepktivenwechsel erfolgen stets sehr stimmig; ich hatte beim Lesen nie das Gefühl, abrupt aus dem jeweiligen Handlungsstrang herausgerissen zu werden. Weiterhin hat mir sehr gefallen, dass der Fokus hauptsächlich auf Alizas Sichtweise lag.

Dieser Roman strotzt vor Charakteren, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Manche habe ich bewundert, andere hätte ich am liebsten zum Teufel geschickt – auch das ist eine Kunst: Figuren zu erschaffen, die solch starke Emotionen in den Lesern erzeugen. Bei der Ausarbeitung der Charaktere hat die Autorin viel Wert darauf gelegt, auch die Bösewichte so facettenreich und vielschichtig zu gestalten, dass hin und wieder deren gute Eigenschaften hindurchschimmern und aufzeigen, dass es sich auch bei den Widersachern immer noch um Menschen handelt. Aufgrund dieser realitätsnahen Darstellung obliegt es letztlich den Lesern, sich ein eigenes Urteil zu bilden.

Diese Vielseitigkeit trifft im Grunde auf das gesamte Werk zu; für mich ist es ein historischer (Familien- und) Gesellschaftsroman über das dunkelste Kapitel Europas Geschichte, gespickt mit wundervollen Lichtblicken – Freundschaft, Liebe und Hoffnung.

Der angenehme, sehr bildreiche Schreibstil sowie realistische, glaubwürdige Dialoge machen diesen Roman zu einem absoluten Leseerlebnis. Bemerkenswert ist die intensive Recherche, welche die Autorin zum historischen Hintergrund der Story betrieben hat; zahlreiche Details zum Alltagsleben, die mir (- obwohl ich regelmäßig Bücher zur deutschen Vergangenheit lese -) noch nicht bekannt waren, sind in die Geschichte eingeflochten worden und machen das Schicksal der Figuren umso realer, greifbarer. Auch meine Liebe zur englischen Kultur ist völlig neu entfacht worden.

Fazit: Ein wichtiges Buch zur Vergangenheitsbewältigung, fesselnd und einfühlsam geschrieben und eindrucksvoll intensiv recherchiert. Trotz ernstem Hintergrund überwiegt nicht die Negativität. Bravo!

Veröffentlicht am 15.04.2019

Spannende Story, die aber besser umgesetzt hätte werden können

Das Verschwinden der Stephanie Mailer
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20 Jahre sind vergangen, seitdem ein grausiger Mehrfachmord das kleine Städtchen Orphea an der amerikanischen Ostküste in seinen Grundfesten erschüttert hatte – der damalige Bürgermeister und seine Familie ...

20 Jahre sind vergangen, seitdem ein grausiger Mehrfachmord das kleine Städtchen Orphea an der amerikanischen Ostküste in seinen Grundfesten erschüttert hatte – der damalige Bürgermeister und seine Familie sowie eine jungen Joggerin, die scheinbar nur zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen war, waren auf gewaltsame Weise aus dem Leben gerissen worden. Die Erleichterung der Gemeinde war groß, als die damaligen leitenden Polizisten Jesse Rosenberg und Derek Scott letztlich den Täter dingfest machen konnten. Zwei Jahrzehnte später verkündet die junge und bis in die Haarspitzen motivierte Journalistin Stephanie Mailer dem verdutzten Jesse, dass ihres Erachtens der Polizei damals ein folgenschwerer Fehler unterlaufen sei…der wahre Täter sei ungestraft davongekommen. Doch dank einer geheimen Quelle, von der sie sich aussagekräftige Beweise erhofft, werde sie nun den Fall wieder ins Licht der Öffentlichkeit rücken – was für die Cops durchaus peinlich werden könnte, die laut Stephanie damals den Wald vor lauter Bäumen nicht gesehen hätten. Jesse Rosenberg ist zunächst einmal alles andere als begeistert – sein Ruhestand steht kurz bevor und das Letzte was er gebrauchen kann ist eine wichtigtuerische Journalistin, die meint ihm sagen zu müssen, wie er seine Arbeit hätte verrichten sollen. Aber dennoch lässt ihn der Gedanke nicht ganz los… Könnte seine Einheit vor 20 Jahren tatsächlich solch einen schwerwiegenden Fehler begangen haben? Nein, unmöglich! Doch plötzlich verschwindet Stephanie Mailer, scheint wie vom Erdboden verschluckt. Kann dies nur Zufall sein? Oder ist sie der gefährlichen Wahrheit zu nahegekommen und soll nun daran gehindert werden, die Identität des tatsächlichen Täters zu enthüllen…? Jesse bleibt keine Wahl – er nimmt die Ermittlungen wieder auf.
Als Szenerie ist die Nobel-Region der malerischen Hamptons, Zuhause und Wahlheimat der elitären finanziellen Oberschicht Amerikas, gewählt worden. Zwischen Strandvillen und exklusiven Shopping-Boulevards führen die Anwohner dort ein beschauliches Leben, das wenig mit dem Alltag der Normalverdiener oder gar verarmten Bevölkerung der USA gemein hat – und ausgerechnet hier in diesem friedvollen, mit sich selbst beschäftigten Örtchen finden nun solche Verbrechen statt, die ansonsten immer nur woanders passieren… Ein Skandal! Der Autor zeigt damit auf, dass Verbrechen tatsächlich überall geschehen können, unabhängig vom sozialen Milieu.
Die Kapitel sind abwechselnd aus der Perspektive unterschiedlicher Charaktere geschrieben; der Autor beleuchtet die gegenwärtigen Ereignisse sowie die Geschehnisse der Vergangenheit aus allerlei verschiedenen Perspektiven, was einerseits dem Leser einen größeren Einblick in das Ganze verschafft und gleichzeitig dazu verleitet, eigene Theorien zum potentiellen Täter und wahren Tathergang herzustellen – nur um diese dann mit der nächsten unvorhergesehenen Wendung wieder völlig in Frage zu stellen und von Neuem zu rätseln. So wird man des Öfteren auf die falsche Fährte gelockt und kann sich hinsichtlich der Charaktere nie vollständig sicher sein, ob sie nicht doch etwas verbergen. Dadurch, dass stets aus der Ich-Perspektive erzählt wird, muss man sich als Leser schon genau konzentrieren, was mich in meinem regulären Lesetempo ein wenig gebremst hat.
Nach einem rasanten Start, der die Leser direkt in die Geschehnisse hineinkatapultiert (- hierbei möchte ich besonders hervorheben, wie authentisch der anfängliche innere (Gewissens-)Konflikt des angehenden Ruheständlers Jesse geschildert worden ist -), kam mir das Entwicklungstempo im Mittelteil eher ein wenig gedrosselt vor, da hier mehr Fokus auf die Hintergründe/Lebensumstände und Schicksale der einzelnen Figuren gelegt worden ist, was sich zum Ende dahingehend auszahlt, dass sich alles schlüssig zusammenfügt. Mit den vielen thematischen Nebenschauplätzen (Eheprobleme, Drogen, etc.) geht das Werk für mich über einen normalen Krimi weit hinaus. Meine Lieblingsfigur war übrigens die neu zugezogene Polizeibeamtin Anna, die sich zunächst einmal auf dem Revier behaupten muss.
Der Schreibstil ist stets sehr klar und flüssig und besticht durch die Intensität, mit der der Autor sich der Ausarbeitung der einzelnen Figuren widmet. Jedoch tritt die eigentliche Ermittlung dabei ab und zu in den Hintergrund. Hinsichtlich der Dialoge war ich nicht vollständig überzeugt – gerne hätte es ein wenig emotionaler sein dürfen; ich könnte mir allerdings vorstellen, dass der - meines Erachtens - zu unkonventionelle Tonfall (angesichts der ernsten Themen) eventuell bewusst als Auflockerungselement gewählt worden war.
Für meinen Geschmack hätte es auch ein bisschen weniger (dafür mehr chronologisches) Hin-und-Her-Switchen zwischen den Zeitebenen sein können, aber das ist nur meine persönliche Empfindung; es hielt sich insgesamt schon noch im Rahmen. Schlimmer fand ich die Erkenntnis, wie offensichtlich schlampig bzw. unlogisch bei den damaligen Ermittlungen des Vierfachmordes vorgegangen worden war – das so etwas tatsächlich auch im echten Leben passieren kann ist schon sehr beängstigend.
Fazit: Ein wenig zu komplex für meinen Geschmack mit zu viel Nebeninformationen (– ich bevorzuge eher Geschichten mit mehr Fokus auf die Hauptfiguren -), die zwar für entsprechende Verwirrung (und somit zum großen Rätselraten) beitrugen, den Roman für mich aber insgesamt etwas zu langatmig wirken ließen. Dennoch: volle 3 Sterne für den spannenden Plot!