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Veröffentlicht am 29.01.2024

Amüsante Sammlung

Gesichter
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In diesem dünnen Büchlein versammelt Vita Sackville-West auf 190 Seiten ganze 44 Rassehunde-Vorstellungen mit Wissens- und Schmunzelnswertem. Das Ganze ist nicht nur amüsant geschrieben, sondern enthält ...

In diesem dünnen Büchlein versammelt Vita Sackville-West auf 190 Seiten ganze 44 Rassehunde-Vorstellungen mit Wissens- und Schmunzelnswertem. Das Ganze ist nicht nur amüsant geschrieben, sondern enthält durchaus auch sachbuchartige Sequenzen, die jedoch stets von Sackville-Wests persönlichen Präferenzen und Erfahrungen durchzogen sind. Meist gibt es noch einen Bezug zu Großbritannien bzw. den Briten.

Die maximal vier Seiten kurzen Texte werden ergänzt durch Schwarz/Weiß-Porträtfotografien jeweils eines/r Vertreters/in der entsprechenden Hunderasse, die nicht immer "rassetypisch" aber immer "charakteristisch" geraten sind.

Dieses Buch ist nichts Weltbewegendes und schnell weggelesen, aber es eignet sich meines Erachtens gut als Geschenk oder für die eigene leichte Lektüre am Abend. Vielleicht ja nach der Hunderunde... ;)

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Misogynie durch Staatsfeminismus?

Macht
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Karen Duve entwirft in diesem Roman eine nahe Zukunft im Jahre 2031, die eigentlich scheinbar recht positive politische Entwicklungen andeutet: Es gibt mindestens 50% Frauen in den Ministerien und Unternehmen, ...

Karen Duve entwirft in diesem Roman eine nahe Zukunft im Jahre 2031, die eigentlich scheinbar recht positive politische Entwicklungen andeutet: Es gibt mindestens 50% Frauen in den Ministerien und Unternehmen, durch ein CO²-Punktesystem werden die Bürger Deutschlands dazu angehalten sich einzuteilen, ob sie nun eine Flugreise unternehmen oder Fleisch essen (können), in Russland wurden Mammuts ausgewildert, um den Permafrostboden festzutrampeln und damit das Methan zu binden. (Auf den letzten Punkt komme ich später noch zu sprechen.) Trotz der Bemühungen scheint jedoch die Erde als Lebensraum für die Menschen am Ende. Umweltkatastrophen ziehen über den Planeten und, wer hätte es gedacht, religiöse Sekten schießen aus dem Boden.

Die gesellschaftlichen Umwandlungen erfahren wir aus den Erzählungen des Ich-Erzählers dieser Geschichte. Sebastian ist eigentlich um die 70 Jahre alt, aufgrund eines populären Medikaments sieht er aber aus wie Ende 30. Was die Autorin meines Erachtens großartig macht, ist diesen verachtenswerten Menschen psychologisch vollkommen schlüssig darzustellen. Denn obwohl er früher Umweltaktivist und Befürworter des Feminismus war, kann er an anderer Stelle auch ganz anders. Er ist nämlich ein psychopathischer Sadist. Er verachtet die Frauen für ihr hart erkämpftes Oberwasser und lässt diesen Hass an seiner Ex-Frau aus, die er seit zwei Jahren im Kellerverlies gefangen hält. Jede seiner verdrehten Einstellungen ist dabei (im Rahmen seiner Persönlichkeit) hochrealstisch und zeigt, wie perverse Gewalt gegen Frauen innerlich gerechtfertigt wird von bestimmten Tätergruppen. Dabei wird Karen Duve in ihren Schilderungen der (sexuellen) Gewaltszenen sehr konkret und drastisch. Das kann und will sicherlich nicht jeder Leserin aushalten. Meines Erachtens sind diese Szenen auch irgendwie nur aushaltbar, weil man im Hinterkopf hat, dass dieses Buch von einer Frau geschrieben wurde und sie etwas deutlich machen will damit. Die Beschreibung hätte es jedoch auch bei der ersten auftauchenden Szene getan und hätte nicht zwingend immer wieder so ausführlich geschildert werden müssen. Trotzdem finde ich dies im Rahmen des Gesamtwerks hinnehmbar. Sprachlich glänzt Duve in diesem Roman ohne Zweifel. Ich war von der ersten Seite an gefesselt und blieb es bis zum Schluss aufgrund des Könnens der Autorin.

Die Autorin macht im Rahmen des Plots viele Themen auf, die durchaus realistisch bzw. bezogen auf die Zukunftsszenarien wissenschaftlich fundiert sind. Das oben genannte Vorhaben mit den Mammuts wird z.B. tatsächlich derzeit angestrebt, so abwegig die (im Buch verwobene) Nachrichtenmeldung während des Lesens auch wirken mag. Über die ersten zwei Drittel des Buchs hinweg, hätte dieses für mich Potential für ein Jahreshighlight gehabt. Leider baut sich der Plot zum Ende hin zu einem deplatzierten Showdown auf, thematisch so angesiedelt, dass insgesamt der Roman nicht mehr rund wird. So bleiben leider zu viele (interessante und wichtige!) Themen angeschnitten. Eine Reduktion hätte dem Roman gut getan.

Trotzdem ist mir die Lektüre im Nachhinein eine eindeutige Leseempfehlung wert. Es muss jedoch klar und eindeutig vor den frauenverachtenden Szenen sexualisierter Gewalt gewarnt werden!

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Eine Fahrt in die Bedeutungslosigkeit

Der Chauffeur
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Was die Sprache angeht sitzt Heinrich Steinfest "fest im Sattel", hätte ich fast gesagt. Aber nein, er "chauffiert" uns sprachlich sicher durch dieses Buch mit inhaltlich äußerst schlechter Fahrbahn. Okay, ...

Was die Sprache angeht sitzt Heinrich Steinfest "fest im Sattel", hätte ich fast gesagt. Aber nein, er "chauffiert" uns sprachlich sicher durch dieses Buch mit inhaltlich äußerst schlechter Fahrbahn. Okay, das waren jetzt vielleicht zu viele mittelmäßige Metaphern. Kommen wir zum Inhalt:

Paul Klee trifft zunächst in seinem Beruf als Chauffeur eine folgenschwere Fehlentscheidung, rettet den konservativen Politiker aus der in einem Unfall demolierten Limousine statt den kleinen Jungen im anderen Fahrzeug, bevor dieses Feuer fängt und alle Insassen sterben. Klee wagt einen Neuanfang mit einem Hotel und einer Frau. Das eine läuft sehr gut, das andere durch ein Ereignis nicht. Das Ereignis ist der Absturz eines Flugobjekts in der Nähe des Hotels, welches die Welt verändern wird. Und dann passieren noch viele andere Sachen, die nicht gerade zur Stimmigkeit und Realitätsnähe des Plots beitragen. Erzählt wird das Ganze durch Rück- und Vorschauen. Der plapperhafte Erzähler schert immer wieder in alle Himmelsrichtungen aus. Scheinbar zusammengehalten soll das durch die Stringtheorie werden. Alle "Fäden" (so heißen die Abschnitte des Buches) sind miteinander verbunden. Nur, auf welch wahnwitzige Art und Weise diese verbunden sind, kann ich nicht mehr folgen. Wobei "folgen" schon, es wird mir als Leserin ja nun auch wieder alles - aber auch wirklich alles - vom Erzähler erklärt. Nur "will" ich dem Erzählten, so abstrus es ist, nicht folgen. Die Charaktere sind alle (vielleicht bis auf Klee selbst) hochspeziell angelegt. Jeder hat eine ganz, ganz besondere Hintergrundgeschichte, besondere Fähigkeit, eine abgründige Persönlichkeit usw. Das ist einfach zu viel des Guten. Die Entscheidungen der Figuren nehme ich dem Autor einfach nicht ab, die Weltgeschichte wird für mich nicht rund.

So enttäuscht dieses sprachlich durchaus zu würdigende Buch in seiner Gesamtheit leider sehr. Es bleibt für mich keinerlei Take-Home-Message nach der Lektüre zurück.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Eine literarische Zombie-(Post-)Apokalypse - geht das?

Zone One
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Ja, das geht durchaus. Und das bei Colson Whitehead auch gar nicht mal schlecht. Aber leider eben auch nicht so richtig gut, wie von ihm gewohnt.

Dieser 2011 erstveröffentlichte Roman begleitet den Zivilisten ...

Ja, das geht durchaus. Und das bei Colson Whitehead auch gar nicht mal schlecht. Aber leider eben auch nicht so richtig gut, wie von ihm gewohnt.

Dieser 2011 erstveröffentlichte Roman begleitet den Zivilisten "Mark Spitz" über drei Tage hinweg auf seinem vom Militär organisierten Feldzug einer sogenannten Sweeper-Gruppe, die versucht die restlichen Zombies, welche nach einer klassischen Infektionswelle noch übrig sind, aus New York zu tilgen. Die drei Tage machen die drei Teile des Romans aus und erschöpfen sich jedoch nicht in einer platten Splatter-Geschichte, sondern nähren sich von vielen ausführlichen Rückblicken in die Welt vor, während und kurz nach dem Ausbruch.

Es wäre fatal bei Colson Whitehead von einen wenig tiefgründigen Zombie-Roman auszugehen. Er verwebt (natürlich!) das Thema race auch in diesen Roman, wenn auch nicht so präsent wie in seinen aktuelleren Werken. Wichtig sind hierbei die Selbstbeschreibungen und Zuschreibungen, die den Hauptcharakter betreffen. "Mark Spitz" ist nämlich nur der Spitzname des Protagonisten. Seinen wahren Namen erfahren wir nie. Wie er zu dem Spitznamen gekommen ist, verrät jedoch viel über eingebrannte Vorurteile, die in den USA immer noch gegenüber Schwarzen Menschen existieren. Auch beschreibt sich der Protagonist selbst als durchweg mittelmäßig, in allem was er je getan und erreicht hat in der Gesellschaft. Dies lässt Schlüsse auf das Zurechtfinden eines Schwarzen in der Welt der Weißen durchscheinen.

Leider hat das Buch durch die vielen - mitunter essayistisch wirkenden - Rückblicke seine Längen. Sprachlich brilliert Whitehead nicht so stark, wie man dies aus seinen späteren Werken gewöhnt ist. Merkwürdig erscheint, dass die Übersetzung an manchen Stellen wirklich schwach ist. Merkwürdig deswegen, da Nikolaus Stingl auch für spätere Übersetzungen verantwortlich zeichnet. Meine Vermutung: Spätere Werke spielen größtenteils in der Vergangenheit und hantieren daher eher mit älterem Vokabular. Dieses Werk spielt in der nahen Zukunft und verwendet moderne Formulierungen, die sehr holprig übersetzt wurden.

Somit kann ich dem "mittelmäßigen" Protagonisten in und mit diesem Roman leider auch nur eine mittelmäßige Bewertung geben. Es handelt sich um einen grundsätzlich sehr guten - vor allem unter der Prämisse einer Zombie-Apokalypse - Roman, der jedoch durch die Übersetzung an Schwung verliert und holprig wird. Solide, mehr aber leider nicht.

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Veröffentlicht am 29.01.2024

Gefangen im eigenen Körper

Der Riss
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In diesem beklemmenden Werk zieht uns die südkoreanische Autorin Hye-Young Pyun ins Innere ihres Protagonisten Ogi. Durch einen schweren Verkehrsunfall, bei welchem seine Ehefrau stirbt, wird der Geografie-Professor ...

In diesem beklemmenden Werk zieht uns die südkoreanische Autorin Hye-Young Pyun ins Innere ihres Protagonisten Ogi. Durch einen schweren Verkehrsunfall, bei welchem seine Ehefrau stirbt, wird der Geografie-Professor Ogi zum Gefangenen seines eigenen Körpers. Er kann sich nicht mehr bewegen und aufgrund schwerer Verletzungen des Kieferbereichs in keiner Weise mehr artikulieren. Allein durch den Lidschlag kann er Fragen mit Ja oder Nein beantworten. Nach Monaten des Krankenhausaufenthaltes holt ihn seine Schwiegermutter und einzige Verwandte nach Hause, welche selbst noch mit der Trauer um ihre verstorbene Tochter zu kämpfen hat. Auf sich selbst zurückgeworfen beginnt Ogi sein Leben und vor allem seine Ehe Revue passieren zu lassen und eigene Schuldgefühle zu durchleben. Gleichzeitig registriert er das immer merkwürdiger werdende Verhalten seiner Schwiegermutter und ist ihr letztlich vollständig ohnmächtig ausgeliefert.

Nach einer anfänglichen Anlaufphase entwickelt sich dieses dünne Büchlein von 224 Seiten schnell in einen echten Psychothriller. Gekonnt schafft es Hye-Young Pyun die unglaubliche Hilflosigkeit des Protagonisten zu schildern, von welcher die Lesenden angesteckt werden, und eine fast erdrückende Beklemmung beim Lesen aufkommen zu lassen. Einen meines Erachtens nennenswerten Anteil hat hieran sicherlich auch die hervorragende Übersetzung von Ki-Hyang Lee, welche schon Han Kang oder auch das in 2021 erschienene "Kim Jiyoung, geboren 1982" von Nam-Joo Cho übersetzte.

Dass sich aus einem so dezent aber wunderschön gestaltetem Buch eine solche Alptraumgeschichte herausbilden könnte, habe ich nicht erwartet. Allein das Ende des Buches ist dann wenig nachvollziehbar geraten. Obwohl mich Hye-Young Pyun mit in diesen "Riss" hinunter ziehen konnte, hat sie mich ganz zum Schluss noch auf dem Weg nach unten etwas verloren. So verpuffte der mit tatsächlichem Herzrasen begleitete psychologische Effekt des Romans bei mir mit den letzten Sätzen.

Trotzdem handelt es sich hierbei um ein definitiv lesenswertes Buch und damit einen Grund, die Autorin weiterhin bezüglich zukünftiger Veröffentlichungen im Blick zu behalten.

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