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Veröffentlicht am 13.12.2023

Eine verstörende Anklageschrift

GRM
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Es sei vorweg gesagt: Dieses Buch von Sibylle Berg ist nichts für schwache Nerven! Selten (noch nie!) habe ich ein dermaßen düsteres, hoffnungsloses und deprimierendes Weltbild in einem Roman erlebt.

Der ...

Es sei vorweg gesagt: Dieses Buch von Sibylle Berg ist nichts für schwache Nerven! Selten (noch nie!) habe ich ein dermaßen düsteres, hoffnungsloses und deprimierendes Weltbild in einem Roman erlebt.

Der Roman bietet einen analytischen und damit auch „zersetzenden“ Einblick in ein verrohtes Großbritannien kurz nach dem Brexit. Wobei Berg hier ihren Blick ausschließlich auf das Elend der Welt richtet. Mit pointierten Sätzen nähert sie sich unzähligen Personen an, am meisten jedoch vier (zunächst) Kindern, (später) Jugendlichen, die in Rochdale, einem Vorort Manchesters, aufwachsen. In Rochdale lebt ausschließlich der vergessendste Teil der Gesellschaft; Menschen mit dem untersten sozioökonomischen Status, den man sich vorstellen kann; zwischen schreiender Armut in Sozialbauten und der Obdachlosigkeit. In dieser Welt gibt es keine Zärtlichkeit und erst recht keine Liebe. Das Leben der Kinder ist von Brutalität, sexualisierter Gewalt und emotionaler Kälte geprägt. Und man sollte wissen: Dies ändert sich auch nicht signifikant im Verlaufe der kommenden 630 Seiten des Romans! Hier handelt es sich nicht um ein Sozialmärchen in einer heruntergewirtschafteten Hochhaussiedlung mit Happy End. Hier gibt es keinen Silberstreif am Horizont. Dadurch ist der Roman wirklich nur etwas für hartgesottene Leser:innen.

Mich persönlich hat die Lektüre dieses Romans definitiv in eine depressive Stimmung gestürzt, und wer anfällig für so etwas ist, sollte vielleicht lieber die Finger von dem Roman lassen. Ebenso Menschen, die sexualisierte Gewalt nicht ertragen, seien hiermit gewarnt. Die Hoffnungslosigkeit, die in diesem düsteren Teil unserer Welt, nach Hinwegfegen des Neoliberalismus über selbige und das Zurücklassen von reiner Unbarmherzigkeit und aufkommendem Neofaschismus, gezeigt wird, erscheint wie eine Anklageschrift genau gegen das genannte System. Es scheint, als ob sich Sibylle Berg ein Manifest der Wut von der Seele schreiben musste. Und dieses ist inhaltlich einfach nur schrecklich, furchtbar und furchteinflößend. Alle Männer in diesem Roman sind sadistische Arschlöcher, die ohne die mit der Muttermilch eingesogene Wut auf das weibliche Geschlecht/Minderheiten, ihre pädophilen Deviationen und körperliche Gewalttätigkeit scheinbar nicht existieren können. Die einzige männliche Figur im Roman ohne diese Auswüchse ist eines der vier Kinder, Peter. Dessen angeborener Autismus scheint die einzige Erklärung für die Abwesenheit von Hass auf Frauen und Minderheiten sowie gewaltverherrlichenden Tendenzen.

Warum sollte man sich also dieser Zumutung von Roman stellen? Weil er einfach unglaublich klug konzipiert ist. Literarisch gesehen ist dies eines der besten und prägnantesten Bücher, die ich jemals gelesen habe. Wie es Berg schafft, die Lesenden in diese Düsternis hineinzuziehen, ist meisterhaft. Die Erzählstimme ist dabei ein wichtiger Faktor. Diese ist schwer greifbar, sie scheint allwissend dadurch, dass sie beliebig aus dem Kopf einer Person in den Kopf einer anderen Person springen kann. So scheint die Stimme mit jedem Perspektivwechsel von den Gedanken der entsprechenden Person infiziert zu werden, bleibt aber auch unabhängig und spricht mitunter die direkt Lesenden an. Und gleichzeitig bleibt sie auf fast zynischem Abstand zum Personal. Meist gibt es ein verbindendes Wort oder einen verbindenden Gedankengang, der die Überleitung zur nächsten Person (oder Entität anderer Art) bildet. So wird der Roman literarisch ergreifend und mitreißend. Vermutlich steht auch die Intention von Sibylle Berg des emotionalen Aufrüttelns und die Ermutigung zum Aktivismus hinter diesem literarischen Werk. Das Ziel, was eben ein Manifest verfolgt.

Nur ist mir persönlich das Buch dafür nicht zielgerichtet genug. Es versperrt sich gegen das Aufkommen einer - irgendwie gearteten - Hoffnung auf Veränderung. Eigentlich bleibt für die Menschen im Buch doch letztendlich alles gleich und somit ist die Schlussfolgerung: Wir sind sowieso alle verloren. Mit einer Depression geht stets eine Hoffnungs- und Hilfslosigkeit einher. Leider löst dieses - meines Erachtens 200 bis 300 Seiten zu lange - Buch genau das bei den Lesenden aus, oder kann es zumindest auslösen. Wäre das Buch halb so umfangreich und würde es nicht jegliche Brutalität immer wieder im zweiten Teil noch einmal wiederholen, könnte sich die anfängliche Bestürzung in Aktivismus umwandeln. So wie der Roman jedoch letztendlich geworden ist (ein roter Ziegelstein, inhaltlich wie auch optisch), wurde ich eher von diesem Ziegelstein erschlagen, als dass ich mit ihm die „gläsernen Decken“ zwischen den gesellschaftlichen Schichten einschlagen wollte oder könnte.

Letztendlich hätte der Roman aus meiner Sicht nach ungefähr der Hälfte sein Ziel erreichen können. Und obwohl er literarisch zu den Sternstunden der deutschsprachigen Gegenwartsanalysen zählt, kann er mich nicht dazu motivieren, die in wenigen Tagen erscheinende Fortsetzung („RCE #RemoteCodeExecution“) lesen zu wollen. Ich persönlich kann mich (derzeit) nicht noch einmal – dann 700 Seiten lang – dieser Düsternis öffnen. Die Gefahr bestünde, dass sie dann langfristig eindringt, um nicht mehr zu gehen.

Dazu ein abschließendes Zitat:

„...die Feigheit der Menschen, die leeren Läden, die staubigen Straßen und vor allem die Abwesenheit jeder Hoffnung.“ Darin „All diese Kinder und Jugendlichen, die von ihren Eltern mit in den Abgrund gerissen werden. Vom Leben oder – sagen wir – vom Vegetieren auf den Boden geschleudert, die Eltern. Und da liegen sie dann. Besoffen, depressiv, krank, verbraucht, lallend, unglücklich, jammernd, und die Kinder legen den Alten ein Kissen unter den Kopf und gehen raus und haben das Gefühl, die Welt schulde ihnen etwas, weil sie so traurige Eltern haben, die doch für sie alles sind. Die Welt. Sind. Die zusammenbricht. Es gibt nichts Gefährlicheres auf der Welt als Kinder, die keinen Halt haben.“

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Veröffentlicht am 13.12.2023

Von Töchtern und Freundinnen

Töchter
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Lucy Fricke schickt ihre beiden Protagonistinnen Martha und Betty auf einen heiteren Roadtrip mit traurigem Ausgangspunkt. Marthas Vater Kurt hat Krebs und möchte in die Schweiz gefahren werden, um dort ...

Lucy Fricke schickt ihre beiden Protagonistinnen Martha und Betty auf einen heiteren Roadtrip mit traurigem Ausgangspunkt. Marthas Vater Kurt hat Krebs und möchte in die Schweiz gefahren werden, um dort Sterbehilfe zu erhalten. Doch Martha fährt sei Ewigkeiten kein Auto mehr und erst recht nicht im alten, roten Golf des Vaters. Also muss die beste Freundin ran, Betty. Diese ist die Ich-Erzählerin des Romans und schnell entwickelt sich die Geschichte zu einer, die sich nicht allein um Martha und Kurt sondern auch um Betty und ihre verschwundenen Väter – und einen im Speziellen – dreht. Denn Betty war eigentlich gerade dabei das Grab ihres Ziehvaters in Italien zu besuchen, etwas was sie bereits zehn Jahre vor sich herschiebt.

So entwickelt sich aus dieser Ausgangssituation ein wahnwitziger Roadtrip, in dem es nicht nur um die Beziehungen zwischen Töchtern und ihren Vätern sondern eben auch immer wieder um die Freundschaft der beiden Frauen untereinander. Diese ist nicht ein Paradebeispiel für die Freundschaft unter „besten Freundinnen“, sondern zeichnet sich oft durch Abwesenheit im Alltag aber vor allem Anwesenheit, wenn es darauf ankommt, aus. Fricke schafft es gekonnt durch aufhellenden Sprachwitz in ganz präzisen, kurzen Sätzen die Beziehung der Protagonist:innen untereinander herauszuarbeiten. Es entsteht eine kuriose aber auch letztendlich immer warme Geschichte zu einer Freundschaft durch nicht nur gute aber vor allem schlechte Zeiten.

„Töchter“ ist der Inbegriff des rasanten Roadtrips durch halb Europa, der immer wieder an Fahrt gewinnt und sich fluffig, flott lesen lässt, und genauso, wenn es notwendig wird, in einer Szenerie anhält, um den Befindlichkeiten seiner Figuren nachzuspüren. Das Tempo beherrscht die Autorin meisterhaft und macht dadurch und durch die Liebe zu den einzelnen Figuren als auch dem niemals zu abwegig werdenden Plot dieses Buch zu einer hellen Freude am Lesen und Leben.

Der Roman bekommt glatte 5 Sterne von mir, da er mich über seine perfekte Konstruktion und seinen witzigen Schreibstil definitiv auch emotional bewegen konnte. Eine große Leseempfehlung meinerseits für diese perfekt inszenierte Reise zweier Frauen zu ihren Vätern, zueinander und letztendlich auch zu sich selbst.

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Veröffentlicht am 13.12.2023

Ungewöhnliche Form, ungewöhnliche Geschichte

Singe ich, tanzen die Berge
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„Singe ich, tanzen die Berge“ ist ein Buch, in welches ich nicht ganz so einfach reinkam, was mich zwischendurch bei manch einem Kapitel nicht ganz abholen konnte, aber dann doch häufiger glänzte als enttäuschte.

Die ...

„Singe ich, tanzen die Berge“ ist ein Buch, in welches ich nicht ganz so einfach reinkam, was mich zwischendurch bei manch einem Kapitel nicht ganz abholen konnte, aber dann doch häufiger glänzte als enttäuschte.

Die katalanische Autorin Irene Solà packt in ihren zweiten Roman die Geschichte einer Familie und eigentlich eines ganzen katalanischen Bergdorfes über mehrere Generationen hinweg, im 20. Jahrhundert zeitlich verortet. Der Vater einer jungen Familie stirbt durch den Einschlag eines Blitzes. Das Interessante daran: Wir Leser:innen bekommen dies aus Sicht des Gewitters erzählt, erfahren aber später auch mehr aus Sicht des Vaters, später aus der seiner Frau, Kinder aber auch anderer Dorfbewohner über das weitere Leben der Familie nach Verlust des Vaters bis hinein in das Erwachsenenleben der Kindes- und Kindeskindergeneration. Immer wieder werden von Kapitel zu Kapitel dieses Buches die Erzählperspektiven gewechselt. Und zwar nicht nur, wie schon angedeutet, zwischen den menschlichen Protagonisten, sondern es kommt auch mal ein Rehbock, eine Hündin, Pilze oder ganz andere Entitäten und Naturphänomene zu Wort. Das ist nicht nur interessant gemacht, sondern sorgt auch für ein bisschen Rätselraten, wohin wohl die Reise in diesem oder dem nächsten Kapitel gehen wird. Auch die Rahmenhandlung um die Menschen des katalanischen Bergdorfes ist teilweise rätselhaft, nicht sofort weiß man beim Lesen gleich Bescheid, wer das jetzt eigentlich ist und in welcher (familiären oder anderweitigen auch mal ferneren) Beziehung diese oder jene Person zu schon bekannten Protagonisten steht. Manchmal eröffnet sich ein Zusammenhang erst einige Kapitel später. Das macht die Lektüre aber auch nie langweilig, sondern durchaus anspruchsvoll.

Zugegeben einige Kapitel konnten mich mehr begeistern, andere weniger. Im Mittelteil wird das Buch recht experimentell und auch sehr poetisch, ohne jetzt zu viel verraten zu wollen. Dort konnte es mich das Buch am wenigsten erreichen. Aber gerade das "Hunde"- und "Rehbock"-Kapitel gefielen mir sehr gut und konnten mich ob ihrer Beschreibungen wirklich erwärmen. Auch die Hauptgeschichte um die Menschen hat mich bis zum Schluss noch so richtig eingewickelt und ich fieberte im letzten Kapitel mit den Protagonisten stark mit.

Insgesamt handelt es sich hier um eine wirklich lesenswerte Lektüre. Man sollte jedoch grundsätzlich offen für die nicht lineare Erzählweise und auch sowieso für die verschiedenartigen Erzählinstanzen, sowie eine gute Portion „Sagenhaftes“ (katalanische, mystisch angehauchte Legenden spielen eine größere Rolle) sein. Dann wird die Lektüre auch zu einem sehr schönen, naturnahen Leseerlebnis.

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Veröffentlicht am 13.12.2023

Authentisch, zeitlos, meisterhaft!

Eine Laune Gottes
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Die im deutschen Sprachraum recht unbekannte kanadische Autorin Margaret Laurence hat es mehr als verdient, nun vom Eisele Verlag wiederentdeckt und neu übersetzt veröffentlicht zu werden. 1926 geboren ...

Die im deutschen Sprachraum recht unbekannte kanadische Autorin Margaret Laurence hat es mehr als verdient, nun vom Eisele Verlag wiederentdeckt und neu übersetzt veröffentlicht zu werden. 1926 geboren und 1987 gestorben, veröffentlichte sie den vorliegenden Roman schon in 1966.

Nun kann man sich fragen, ob ein Roman, der sich mit dem Kleinstadtleben einer 34jährigen Grundschullehrerin, „alten Jungfer“ und auch noch scheinbar von ihrer Mutter abhängigen Frau beschäftigt und aus dem Jahre 1966 stammt, noch zeitgemäß sein kann. Ob eine Lektüre hier wirklich lohnt oder doch unseren modernen Ansprüchen an Literatur gar nicht mehr genügen kann. Aber mit dieser Annahme kann man hier falscher nicht liegen! Laurence beschreibt das Leben von Rachel Cameron in ihren kleinen Gefängnissen des Alltags mithilfe eines inneren Monologs, den uns Rachel gedanklich vorträgt, vollkommen zeitlos in seiner Art und Umsetzung. Rachels Gedanken zu ihrer Arbeit, den Kolleg:innen, dem Verhältnis zur eigenen Mutter sowie zu einem Bekannten aus ihrer Kindheit, der in die Stadt Manawaka für einen Sommer zurückkehrt und mit welchem sie eine Affäre – ihre ersten sexuellen Erfahrungen überhaupt! - anfängt, repliziert Laurence so unglaublich gekonnt, nah am Menschen und stilistisch modern, dass man glauben könnte, es liege ein zeitgenössisches Werk vor.

Mithilfe dieses inneren Monologs werden wir Leser:innen Teil des Gedankenkonstrukts Rachels, ihre Sorgen und Nöte werden unsere Sorgen und Nöte. Selten habe ich mich beim Lesen so tief im Kopf einer Romanfigur angekommen gefühlt. So entsteht ein hoher, wenn nicht gar der höchste, Grad an Authentizität und glaubhafter Atmosphäre, den ein Roman überhaupt erreichen kann. Jede Handlung und Entscheidung Rachels wird dadurch Schritt für Schritt nachvollziehbar, wodurch wir unweigerlich mit dieser vielschichtigen Person bis zum unerwarteten Finale mitfiebern. Wir begleiten Rachel auf ihrem Weg von einer – bezogen auf ihre Durchsetzungsfähigkeit und Abhängigkeit von anderen – kindlichen Person, zu einer Frau, die erstmals wie eine Jugendliche sexuelle Erfahrungen macht und ihre Fühler Richtung persönlicher Freiräume ausstreckt, hin zu einer scheinbar erwachsenen Rachel. Sprachlich hat man das Gefühl, jeder Satz in diesem Roman ist punktgenau gesetzt und gibt Hinweise auf das weitere Schicksal Rachels. Die Autorin verwendet Sprachbilder, die über den Lektürezeitraum hinaus hängen bleiben, sich festsetzen und später in den eigenen Gedanken Wurzeln schlagen. Ein Werk, was auf diese Art einen tiefen Eindruck bei den Leser:innen hinterlässt und eigene Denk- sowie Verhaltensweisen zu hinterfragen hilft.

Margaret Laurence bespricht in diesem Roman nicht nur den Drang zur Selbstbestimmtheit und Loslösung von der Familie einer Frau in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts sondern streift auch das Thema Homosexualität, Umgang mit dem eigenen Körper und das Liebesleben einer Unverheirateten.

Sprachlich wie auch inhaltlich setzt dieser Roman eindeutig hohe Maßstäbe und ist ein – zumindest im deutschsprachigen Raum – bisher übersehenes Meisterwerk. Leser:innen sollten ob des frühen Entstehungszeitraumes keinesfalls zurückschrecken sondern fraglos sofort zu diesem Buch greifen und es lesen! Diese Frau schreibt nie eingestaubt, auch wenn das Setting verständlicherweise nicht ganz dem heutigen entsprechen kann. Die behandelten Themen bleiben hochaktuell und so lohnt sich wirklich für alle Interessierten diese umwerfende Lektüre. Ich bin hundertprozentig überzeugt von der Autorin und stehe ebenso vollständig hinter der Entscheidung des Eisele Verlags diese Autorin erneut aufzulegen. Abgerundet wird die Ausgabe von einem lesenswerten und unerwartet persönlichen Nachwort Margaret Atwoods aus dem Jahre 1988.

Das ist ein absolutes Lesehighlight! In einem Wort: Wow!

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Veröffentlicht am 13.12.2023

Weder zielführend noch aussagekräftig

An der Grasnarbe
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Was Mirjam Wittig mit ihrem Debütroman „An der Grasnarbe“ bezwecken will, bleibt mir leider bis zum Erstellen dieser Rezension verschlossen. So begleiten wir die junge Noa zu ihrer Arbeitsauszeit auf einen ...

Was Mirjam Wittig mit ihrem Debütroman „An der Grasnarbe“ bezwecken will, bleibt mir leider bis zum Erstellen dieser Rezension verschlossen. So begleiten wir die junge Noa zu ihrer Arbeitsauszeit auf einen Bauernhof nach Frankreich, um die Erlebnisse dort geschildert zu bekommen und zum Schluss leider mit zu vielen Fragezeichen gefühlt fallen gelassen zu werden. Aber noch einmal zurück. Noa ist scheinbar eine junge Person, die mit den Unsicherheiten der Welt, mit welcher sie Zeit ihres Lebens konfrontiert wird, nicht klarkommt. Ohne selbst jemals einen Terroranschlag erlebt zu haben, hat sie panische Angst vor einem solchen und erleidet Panikattacken, wenn sie Menschen des „Phänotyps“ Terrorist (dunkle Hautfarbe, langer Bart), ein stehengelassenes Gepäckstück oder generell Menschenmengen sieht. Dass dies übertrieben ist und ungleich stärker rassistisch ist ihr bewusst, aber das ändert nichts an der Sache, macht ihr nur Schuldgefühle. Somit nimmt sie sich eine Auszeit aus der deutschen Großstadt und verfrachtet ihr neurotisches Wesen aufs französische Land zu einer deutschen Selbstversorgerfamilie als Hilfskraft.

Der Klappentext – ja ich weiß, darauf sollte man nur bedingt hören - betont neben der „Flucht aufs Land, inneren Widersprüchen“ die „Auswirkungen der Klimakrise“ sichtbar im Roman. Nun ja, Ersteres wird beschrieben, Check. Zweiteres schon weniger gut, aber trotzdem Check. Das Letztere zeigt sich jedoch lediglich in einem trockenen Boden und einem Unwetter mit Sturzregen. Besondere Tiefe sollte man bei diesem Text nicht erwarten. Es werden unglaublich viele Themenstränge für so ein 190 Seiten dünnes Büchlein angedeutet, dann aber nicht wieder aufgenommen, geschweige denn zu Ende geführt. Versprochen wird außerdem im Klappentext: „mit großem Einfühlungsvermögen und starker atmosphärischer Kraft“, beides Komponenten, die dieser Roman meines Erachtens eher vermissen lässt. So wabert die Geschichte irgendwie vor sich hin, ohne Ziel und auch ohne Aussage. Die Figuren bleiben blass und hinterlassen keinen bleibenden Eindruck. Die Beziehungen der Figuren untereinander bleiben unklar. Sprachlich will die Autorin zu viel, auch wenn sie eine Panikattacke aus Sicht der Ich-Erzählerin Noa ganz gut rüberbringen kann. Für mich hat sich der Roman zwar zum Ende hin etwas flüssiger lesen lassen, was mit der zunehmenden Ausgeglichenheit der Erzählerin zu tun haben könnte, trotzdem präsentierte sich mir der Roman nicht als ein Lesevergnügen. Er stellt sich mitunter genauso planlos wie die Ich-Erzählerin dar und wird inhaltlich belanglos.

Abschließend fragt man sich nach der Lektüre von „An der Grasnarbe“, was die Autorin mit diesem Roman aussagen wollte oder ob sie lediglich einen selbst erlebten Selbstfindungstrip in die Natur in Romanform gepackt hat. Eine emotionale Tiefe jedweder Art bleibt dabei den Außenstehenden jedoch verschlossen. Somit kann ich diesen Roman leider nicht weiterempfehlen. Die Lektüre tut nicht weh, aber sie bringt auch nicht viel. Ist scheinbar nicht zielführend. An einer Stelle sagt ein Protagonist: „Kann schon sein, ich klinge wie ein Achtsamkeitsbuch. Tut mir leid, dass ich dir nichts Interessanteres dazu sagen kann.“ Dies scheint das Motto des vorliegenden Romans zu sein...

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