Toll für Bücherfreunde: Rendez-vous mit Randbemerkungen
Wir treffen uns im nächsten KapitelHinter dem vielversprechenden Cover steckt ein gelungener Roman für Bücherfreunde, die schon der abgebildete Bücherstapel und die beiden lesenden jungen Menschen dazu bringen werden, nach diesem Buch zu ...
Hinter dem vielversprechenden Cover steckt ein gelungener Roman für Bücherfreunde, die schon der abgebildete Bücherstapel und die beiden lesenden jungen Menschen dazu bringen werden, nach diesem Buch zu greifen.
Erin, knapp über dreißig Jahre alt und in London lebend, ist in einer Firma als PR-Managerin tätig, eine Arbeit, die ihr nicht besonders gefällt. Außerdem behandelt ihre Chefin sie miserabel, daher möchte Erin nur Eines, kündigen und nach Hause zu ihrer Freundin Bonnie. Und Bonnie sitzt tatsächlich in Erins Zimmer, als sie heimkommt. Das Problem ist nur: Bonnie ist tot, vor drei Jahren an Krebs verstorben, ein Schicksalsschlag, den Erin nicht verwunden hat. Denn sie quälen nicht nur Trauer sondern auch Schuldgefühle.
Nun möchte Erin nach Hause fahren nach Frome, wo sie und Bonnie herstammen, um an der jährlichen Gedenkfeier für Bonnie teilzunehmen. Verkleidung ist hier Pflicht, die Bezeichnung des Kostüms muss mit “B” beginnen, daher geht Erin als Buch.
Zu der selben Feier kommt James, auch er ist als Buch verkleidet. Und obwohl beide Bücher lieben und in ihrer Jugend viel füreinander empfanden, begegnet Erin nunmehr James mit Hass. Damals ist etwas zwischen den Beiden vorgefallen, und James quält sich deswegen ebenso mit Schuldgefühlen.
In London mistet Erin ihr Zimmer aus., darunter irrtümlich ein Buch, in dem das einzige Andenken an Bonnie liegt, eine Karte. Darauf steht: “Vergiss nicht, all deine Träume wahr werden zu lassen”. Das Buch steht in einem öffentlichen Bücherschrank, in dem James es findet und die Kommentare, die Erin im Buch hinterlassen hat, seinerseits kommentiert. Als er das Buch zurückstellt, findet es Erin wieder und von nun an beginnt ein wechselseitiger Austausch von Büchern, wobei die beiden durch ihre Kommentare einander näher kommen, aber die Identität des Anderen nicht kennen.
Bis Erin eines Tages James im Bus begegnet…
Tessa Bickers, gelernte Journalistin und Singer-Songwriterin, hat in ihrem Debütroman “Wir treffen uns im nächsten Kapitel“ ein sehr liebevolles Buch verfasst, in dem nicht nur die Romanze zwischen zwei Buchliebhabern, Erin und James, die nichts voneinander wissen, sondern auch tiefgreifende Familienprobleme beleuchtet werden. Man kommt den Figuren sehr nahe, denn abwechselnd schildern Erin und James das Geschehen aus der Perspektive des Ich- Erzählenden, sodass die Lesenden in die Gefühlswelt der Protagonisten eintauchen, ihre Probleme nachempfinden und ihr Handeln verstehen können.
Erin ist eine junge, gebildete Frau, die mit der gegenwärtigen Situation unzufrieden ist und der es an Orientierung mangelt. Und vor allem vermisst sie Bonnie, so sehr, dass sie beschließt, nicht ihr Leben zu leben, sondern sich bei jedem Schritt fragt: “Was würde Bonnie jetzt tun?”. Ihrer Mutter und James gegenüber ist sie unversöhnlich, ohne aber Argumente dieser Beiden angehört zu haben. Sie versucht sich beruflich neu zu orientieren, aber des Wichtigste für sie ist der Austausch mit dem anonymen Schreiber, der genau wie sie dafür Bücher in den öffentlichen Bücherkasten stellt. Erst später wird Erin erkennen, dass vorschnelles Urteil ihr Leben bisher negativ beeinflusst hat und mit ihren Schuldgefühlen abschließen. Aber wird sie auch Bonnie loslassen können?
James konzipiert erfolgreich Schulungen für Unternehmen, ein gut bezahlter Job, der aber nicht seinem Lebenstraum entspricht. Schon in seiner Jugend hat es ein Buch begonnen, aber es jetzt weiterschreiben? Denn James Familie hat ihm das Leben nie leicht gemacht. Wegen seines Vaters wurde er in der Schule gemobbt, wegen der Krankheit seiner Mutter muss er immer wieder zurück in sein Elternhaus., um den Vater zu unterstützen. Und die Mutter behauptet, James sei an ihrer Krankheit schuld. Diese Schuldgefühle seiner Familie und Erin gegenüber quälen James ständig, sein einziger Lichtblick ist die Unbekannte, mit der er sich in Büchern austauscht.
In ihrem Roman, der eine neue und wundervolle Idee des Büchertausches aufgreift, beleuchtet die Autorin die persönliche Zerrissenheit ihrer Protagonisten, wie schwierig toxische Familienkonstellationen sind und wie hilfreich Bücher in verfahrenen Lebenssituationen sein können.
Wer sich hier pure Romance erwartet, wird nur teilweise zufrieden sein, denn das Buch behandelt schwierige Lebenssituationen genau so wie den Einfluss körperlicher und psychischer Leiden auf den Lebensweg seiner Figuren. Feinfühlig beleuchtet Tessa Bickers das Gefangen sein in vorgefassten Meinungen und in Schuldgefühlen, die in der Realität keine Entsprechung finden. Wer Bücher liebt und auch tiefgreifende Probleme nicht scheut, wird beim Lesen dieses Romans, der sehr flüssig und eindringlich geschrieben ist, aber in Kapiteln immer wieder die Sichtweise der Einzelnen Figuren beleuchtet, eine wunderbare Geschichte finden, die zu Herzen geht.