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Veröffentlicht am 09.05.2018

Diese Leere diese entsetzliche Leere

Herr Katō spielt Familie
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Herr Katō spielt Familie von Milena Michiko Flašar , erschienen im Wagenbach Verlag am 02.02.2018

Ein neuer Lebensabschnitt. Er will es anders machen als sein Kollege Ito bei dem die Kollegen drüber lachen, ...

Herr Katō spielt Familie von Milena Michiko Flašar , erschienen im Wagenbach Verlag am 02.02.2018

Ein neuer Lebensabschnitt. Er will es anders machen als sein Kollege Ito bei dem die Kollegen drüber lachen, wenn er ins Büro kommt um seinen alten Kollegen von seinem erfüllten Ruhestand und von seinem Motorrad erzählen möchte. So richtig weiß er nicht, was er nun mit all der freien Zeit anfangen soll als er auf Mei trifft die in fragt, ob er nicht für ihre Agentur arbeiten will. Sie vermitteln Stand-Ins an Leute, die für einige Stunden Menschen brauchen die das perfekte Leben als Chef, Opa oder Ehemann spielen. Nach einigem Zögern willigt er ein. Dies wirkt sich auf Dauer auch auf die abgekühlte Beziehung zu seiner Frau aus.

Milena Michiko Flašar neuer Roman kommt recht unspektakulär daher. Ein Mann geht in Rente und weiß nicht wirklich was mit sich an zu fangen. Die Kinder sind längst ausgezogen und er hat sein Arbeitsleben lang wichtigeres zu tun gehabt, als sich um sie zu kümmern. Seine Frau hat als die Kinder kamen und das Haus zu versorgen gewesen ist aufgehört zu arbeiten und nun ist ihr ewig meckernder Mann, der sich langweilt aber nicht auf die Idee kommt ihr bei der Hausarbeit zur Hilfe zu kommen zu Hause und will sein altes Leben minus Arbeit so weiter führen. Seine Frau geht daraufhin, von ihm recht misstrauisch beäugt zum Tanzen. Jetzt soll er sich auch noch das Essen selbst in der Microwelle warm machen. Unerhört. Seine neue Arbeit, von der er seiner Frau nichts erzählt, bringt ihn zum Nachdenken und er erinnert sich an die Zeit, als er und seine Frau noch frisch verliebt gewesen sind.

Diese ungewöhnliche und leise Geschichte ist eigentlich wunderschön, aber mir hat der Schreibstil der Autorin nicht gefallen. Sie presst Sätze heraus, sie bildet Halbsätze und alles kommt irgendwie klebrig wie Reis daher. Das Ende des Buches ist dann auch noch fast eine Friede-Freude-Eierkuchen mit extra Zuckerguss Geschichte.

Veröffentlicht am 07.05.2018

Du hast alle Zeit der Welt, womit nutzt du sie?

Wie man die Zeit anhält
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Wie man die Zeit anhält von Matt Haig, erschienen im dtv Verlag am 20.04.2018.
Tom Hazard versucht sich durch sein Leben zu mogeln. Unauffällig, ohne Freunde und nur nicht verlieben.

Er wurde am 3. März ...

Wie man die Zeit anhält von Matt Haig, erschienen im dtv Verlag am 20.04.2018.
Tom Hazard versucht sich durch sein Leben zu mogeln. Unauffällig, ohne Freunde und nur nicht verlieben.

Er wurde am 3. März 1581 geboren und hat eine besondere Eigenschaft. Er altert sehr sehr langsam und ihm kann praktisch keine Krankheit etwas anhaben. Heute arbeitet er als Geschichtslehrer, wer wäre besser geeignet als einer der die Geschichte gelebt hat sie zu erzählen? Wenn da nicht immer diese Erinnerungen wären, die ihn quälen, die ihm Kopfschmerzen bereiten, die ihn wünschen lassen, er wäre doch nicht ins moderne London gekommen und er hätte diese bezaubernde Französischlehrerin nie gesehen.

Tom hat den Namen Hazard wohl nicht unbegründet gewählt. Jemand der augenscheinlich nicht altert ist in einer Gesellschaft, die an Hexen und Dämonen glaubt nicht gut gelitten gewesen und das Wissen um diese Langlebigkeit ist gefährlich da die heutige Gesellschaft versuchen würde einem diese Gnade zu entreißen. Ein Aspekt dieses Buches ist, dass Tom Mitglied einer Gesellschaft ist, die Langlebige aufspürt und ihnen dann hilft unauffällig zu bleiben. Die erste Direktive ist aber auch gleich eine, die Einsamkeit vorprogrammiert: Du darfst dich niemals verlieben. Niemals.

Matt Haig wirft einen mit seinen Romanen immer wieder in neue Welten. Hier führt er uns in Zeitsprüngen durch Jahrhunderte Geschichte, die wir quasi miterleben, die vor unseren Augen lebendig wird, die man quasi fühlen kann. Tom Hazard ist kein wirklicher Zeitreisender, trotzdem nimmt er den Leser mit auf seine Zeitreisen in die Vergangenheit, die er selbst erlebt hat. Wir erleben die Hexenverfolgungen, lernen Rose, die große Liebe von Tom kennen, gehen an Bord mit Captain Cook und treffen ihn als Klavierspieler in der Zeit des Jazz.

Tom ist unglücklich, depressiv, hat die Nase davon voll die normalen Menschen, Eintagsfliegen, immer wieder die gleichen Fehler wiederholen zu sehen und er versucht sich unauffällig durch ein Leben zu mogeln, welchem er überdrüssig ist. Ohne Liebe, ohne Freunde, einsam und ohne Hoffnung, dass da noch etwas kommen wird da seine wahre Liebe vor 400 Jahren gestorben ist und er schon aus Vernunftgründen nicht wieder lieben darf.

Matt Haig lässt mit seiner modernen Sprache auch zu, dass junge Leser diesen Roman mögen werden und philosophische Sätze sind spärlich gesät. Es geht in diesem Buch darum, wie man die Lebenszeit nutzen will und ob man sich darin fremdbestimmen lassen möchte. Zwei sehr wichtige Themen, gerade auch für junge Leute. Mir ist Tom nicht so nahegekommen, da er sich etwas stark in seiner verflossenen Liebe verkrampfte und mehr vom Philosophiestudenten der Veganer ist hatte als von einem Mann des 16. Jahrhunderts der sich bis in unsere Zeit durchs Leben kämpft.

Veröffentlicht am 04.05.2018

Wenig Krimi, viel Geschichte

Bretonische Flut. Kommissar Dupins fünfter Fall
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Bretonische Flut (Kommissar Dupins fünfter Fall) von Jean-Luc Bannalec, gelesen von Gerd Wameling. Erschienen im Der Audio Verlag am 26.08.2016 als ungekürzte Lesung.

In einem Behälter mit Fischabfällen ...

Bretonische Flut (Kommissar Dupins fünfter Fall) von Jean-Luc Bannalec, gelesen von Gerd Wameling. Erschienen im Der Audio Verlag am 26.08.2016 als ungekürzte Lesung.

In einem Behälter mit Fischabfällen liegt die Leiche einer Fischerin die auf der Île de Sein lebte. Sie kämpfte gegen die Zerstörung der Meere und mächtige Hochseepiraten die das Gesetz für sich auslegen. Nachdem auf der Insel eine zweite Leiche auftaucht muss Dupin trotz seiner Schwierigkeit mit Booten nun von Insel zu Insel ermitteln.

Diesmal tritt der Fall schon ziemlich in den Hintergrund und auch die Charaktere bekommen keine Möglichkeit der Weiterentwicklung. Dafür darf der Hörer sich auf lange Beschreibungen der Inseln, des Wetters und natürlich auch der örtlichen Küche freuen. Dupin schlemmt sich durch den Fall und wir bekommen von Riwal keltische Geschichte in der XXL-Version serviert. Dupin sieht sich bombardiert von Sirenen, überzähligen Gräbern und der Legende von Ys. Ein schwerer Fall für Dupin der sich auch noch ständig von seiner Mutter gedrängt fühlt da sein pünktliches Erscheinen auf dem 75. Geburtstag seiner Mutter vorausgesetzt wird.

Ich höre die Bücher um Kommissar Dupin wegen der Geschichte in der Geschichte aber ich habe auch länger überlegen müssen, ob ich wirklich alle Sterne vergeben möchte obwohl man den Fall zwischenzeitlich ziemlich aus den Augen verliert. Ja, volle Punkte für mein Empfinden, aber wenn man das Buch hauptsächlich wegen des Krimis lesen möchte, rate ich doch davon ab.

Veröffentlicht am 04.05.2018

Müsste überarbeitet werden

Idaho
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Idaho von Emily Ruskovich, erschienen im Hanser Berlin Verlag am 19.02.2018

Wade leidet unter der vererbbaren Form der Alzheimer Krankheit. Mit knapp über Fünfzig verschwindet sein gelebtes Leben in der ...

Idaho von Emily Ruskovich, erschienen im Hanser Berlin Verlag am 19.02.2018

Wade leidet unter der vererbbaren Form der Alzheimer Krankheit. Mit knapp über Fünfzig verschwindet sein gelebtes Leben in der Unendlichkeit des Vergessens. Seine zweite Frau Ann, eine Musiklehrerin, die er kennenlernte als seine Welt noch in Ordnung gewesen ist, versucht nach zu vollziehen, was an einem sonnigen Tag auf einem Berg geschehen ist als Wades jüngere Tochter starb und die Ältere für immer verschwand. Was geschehen ist könnte Jenny, die erste Frau und Mutter der Töchter erzählen. Sie sitzt lebenslang im Gefängnis für den Mord an ihrer Tochter. Sie hat darauf bestanden dafür verurteilt zu werden. Aber wofür eigentlich genau?

Die Leseprobe hatte mich sofort in Bann geschlagen. Ich wollte wissen was passiert ist. Der Leser bekommt immer wieder Andeutungen, aber irgendwie scheint die Autorin zu erwarten, dass wir uns die Geschichte selbst ausdenken sollen. Erzählt wird von Ann und von Elizabeth, der Zellengenossin von Jenny. Wir springen zwischen 1973 und dem Jahr 2025 hin und her. Ann scheint besessen davon zu sein fest zu stellen was wirklich auf jenem Berg geschehen ist. Man hat das Gefühl, dass Ann nie ein Leben gelebt hat und nun versucht das Leben welches Wade hatte zu rekonstruieren als wäre es ihr Leben. Dabei springen wir nicht nur zwischen den Ereignissen hin und her, wir wechseln auch die Location indem wir der Geschichte der Zellengenossin von Jenny zuhören was sie über Jenny zu sagen hat.

Drei Sterne habe ich trotzdem vergeben, weil die Autorin so einfühlsam und behutsam den langsamen Verfall von Wade beschrieben hat und ich die ganze Zeit neugierig geblieben bin und wissen wollte was passiert ist. Auch das einsame Leben am Rand der Zivilisation wird eindrucksvoll beschrieben. Eine einsame Welt wo man sich selbst helfen muss um zu überleben.

Das Buch hat mich zwar unterhalten, aber ließ mich leider ratlos und unbefriedigt zurück.

Veröffentlicht am 02.05.2018

3 Welten, 3 Frauen, 3 Schicksale

Der Zopf
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Der Zopf von Laetitia Colombani, erschienen im Fischer Verlagam 21.03.2018.

Badlapur, Uttar Pradesh Indien

Smita gehört mit ihrem Mann und ihrer Tochter zu den Unberührbaren. Den Dalit. Damit dürfen ...

Der Zopf von Laetitia Colombani, erschienen im Fischer Verlagam 21.03.2018.

Badlapur, Uttar Pradesh Indien

Smita gehört mit ihrem Mann und ihrer Tochter zu den Unberührbaren. Den Dalit. Damit dürfen sie nur die niedrigsten Arbeiten ausführen und sind dann auch noch davon abhängig, was die Arbeitgeber bereit sind zu zahlen. Smita möchte, dass ihre Tochter es einmal besser haben soll und so geben sie dem Brahmanen alle Ersparnisse damit die Tochter die Schule besuchen darf. Der erste Schultag endet aber anders als Smita das erwartet hat.

Palerma, Sizilien

Giulia wollte nie etwas Anderes machen als in der Fabrik die ihr Vater leitet zu arbeiten und dort die Arbeiten zu erlernen um aus losen Haaren eine Perücke zu fertigen. Auf dem Fest der heiligen Rosalia sieht sie einen Mann mit einem Turban. Er hat Probleme mit der Polizei da sie Angst vor einem Anschlag haben und fordern den gläubigen Sikh dazu auf seinen Turban ab zu legen. Die Polizei nimmt ihn dann mit und Giulia trifft ihn einige Tage später in einer Bibliothek wo sie Bücher ausleihen will, da ihr Vater nach einem Unfall im Koma liegt und sie ihm nun Geschichten vorliest.

Montreal, Kanada

Sarah ist eine gut organisierte Anwältin die bei einer bekannten Anwaltskanzlei Teilhaberin ist. Dafür muss sie hart arbeiten und viele Termin mit ihren 3 Kindern finden ohne sie statt. Auch mit der Liebe funktioniert es nicht wirklich. 2 gescheiterte Ehe gehen auf den starken Konkurrenzdruck den man als Frau in einer chauvinistisch geprägten Umgebung zahlen muss. Als sie eines Tages im Gerichtssaal zusammenbricht gleitet ihr ihr wohlorganisiertes Leben aus den Händen.
Die Autorin lässt den drei Frauen den Raum ihr Leben in die Hand zu nehmen und selbst zu bestimmen. Die männlichen Protagonisten sind hier eher Nebenrolle. Dabei hat jede der Protagonistin andere Schwächen und Stärken, ihre Umgebung ist zwar relativ sparsam erzählt, aber irgendwie erscheinen die verschiedenen Bühnenbilder auch ohne große Erläuterungen und bilden einen schönen Rahmen um die sehr lesenswerte Geschichte.

Ich bin sofort in die Geschichten hineingezogen worden und gerade diese völlig unterschiedlichen Lebensentwürfe fand ich spannend und fesselnd. Die Geschichte „der Zopf“ sprengt mit seinen Anklagen was den Protagonistinnen wiederfährt das Buch und lässt den Leser nachdenklich zurück.

Mich hat dieses Buch gleichermaßen verzaubert und beeindruckt. Colombani prangert an ohne den Zeigefinger zu erheben und erweckt spielerisch wirkend drei Kontinente in einer Geschichte zum Leben. Klare Leseempfehlung.