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Veröffentlicht am 15.09.2016

Völkerverständigung kann so einfach sein

Sungs Laden
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Auf der Schulbühne steht eine kleine starke Frau, mit einer vietnamesischen Holzpuppe und spricht über vergangene Zeiten, die selbst verwöhnte Berliner Gören träumen läßt. Plötzlich werden die vietnamesischen ...

Auf der Schulbühne steht eine kleine starke Frau, mit einer vietnamesischen Holzpuppe und spricht über vergangene Zeiten, die selbst verwöhnte Berliner Gören träumen läßt. Plötzlich werden die vietnamesischen Ladenverkäufer am Prenzlauer Berg von den Bewohnern wahrgenommen. Kegelhüte sind hipp und Holzpuppen der Rennner. Aber wer weiß schon, das alles mit ehemaligen Vertragsarbeitern der DDR anfing, die sich eine neue Existenz suchen mussten. Ein modernes Märchen, das hoffentlich keines bleibt.

Karin Kalisa hat mit ihrem Debüt eine wundervoll leicht daherkommende Geschichte geschrieben, die so viel Tiefgang bietet, wenn man es zuläßt. Dieses Buch liest sich wie eine kleine Melodie, der man einfach folgen muss. Man wird verzaubert und in eine andere Welt entführt.

Meine DDR-Kenntnisse sind eher mager und vietnamesische Vertragsarbeiter kenne ich nur aus Fernsehberichten. Um so mehr hat mich die Geschichte von Hiền berührt. Als DDR-Arbeiterin ist es ihr verboten gewesen, ein Kind zu haben und so bringt sie eine Tochter in Vietnam zur Welt, um sie gleich wieder verlassen zu müsen. Nach der Wende baut sie sich mit ihrem Mann einen Gemischtwarenladen am Prenzlauer Berg auf, der bald für die Bewohner nicht mehr wegzudenken ist. Doch Gedanken über die Ladenbesitzer macht man sich nicht. Es sind halt die Vietnamesen.

Erst durch den Auftritt von Enkel und Großmuter in der Grundschul-Aula geht eine Veränderung vor. Lehrer und Schüler sind von dem Auftritt begeistert und so beginnt eine leise Veränderung im Stadtteil. Lehrerinnen holen sich Tipps von Hiền, basteln Holzpuppen zusammen mit vietnamesischen Schreinern. Deutsche und Vietnamesen besuchen Sprachkurse, kommen ins Gespräch und plötzlich haben die Vietnamesen Namen und Geschichten. Die Geschichte der Holzpuppe Thủy spielt dabei eine zentrale Rolle. Ist sie anfangs noch versteckt unter einer Decke im Hinterzimmer, bekommt sie am Ende ihren großartigsten Auftritt.

Aber auch längst vergrabene Träume dürfen geträumt werden. Sung wäre lieber Archäologe geworden, betreibt aber den Laden seines Vaters weiter und hat sein Studium dafür aufgegeben. Seine Zerrissenheit während seiner Schulzeit wird lebendig geschildert. Optisch eindeutig nicht deutsch, doch sprachlich auch nicht vietnamesich, versucht er sich selbst zu finden. Doch erst das neue Bild seines Stadtteils läßt ihn seinen Weg gehen.

Durch den japanischen Fotografen Hideo bekommt man eine besondere Sichtweise auf das Viertel. Wunderschön der Moment, als er ein Bild von seiner verzauberten Frau vor dem Puppenspiel festhält.

" 'Versunken' würde er dieses Porträt später nennen, auf dem eine junge
Frau zu sehen war, deren Blick in ein Wasser einsank, das Schemen
beherbergte, nicht von dieser Welt. Die Frau jedoch, ohne die geringsten
Anzeichen von Furcht oder auch nur Unruhe, schaute, als wäre sie dort,
mitten unter diesen Schattenwesen, und nicht hier, wo der Blick des
Fotografen sie festgehalten hatte".


Mich hat dieser Roman auf eine Gedankenreise geschickt. Das Großstadtleben mit all seinen Facetten kenne ich nur am Rande und deshalb bin ich dankbar, wenn auf so leise, aber eindringliche Weise Türen für neue Ideen geöffnet werden.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Veilchen und der böse Wolf

Veilchens Feuer
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Ein Abschiedskonzert des Altrockers Wolf Rock in Innsbruck wird zum neuen Fall für Valerie "Veilchen" Mauser. Der Musiker wird massiv bedroht und fürchtet um seine Sicherheit. Die Kriminalbeamtin ermittelt ...

Ein Abschiedskonzert des Altrockers Wolf Rock in Innsbruck wird zum neuen Fall für Valerie "Veilchen" Mauser. Der Musiker wird massiv bedroht und fürchtet um seine Sicherheit. Die Kriminalbeamtin ermittelt zusammen mit ihrem Exkollegen Manfred Stolwerk, um Licht in die Vergangenheit des Musikers zu bringen. Doch nicht alle sind begeistert alte Erinnerungen wieder aufleben zu lassen. Das Bergiselstadion entwickelt sich zum Höllenschlund, in dem es mächtig zu brodeln beginnt.

Joe Fischler setzt mit "Veilchens Feuer" die Reihe um die Ermittlerin Valerie Mauser erfolgreich fort. Der schnelle temporeiche und humorvolle Schreibstil passt zu der quirligen ungewöhnlichen Erscheinung der Ermittlerin. Im Anhang befindet sich ein Steckbrief, der die Blondine mit der auffälligen Afrofrisur skizziert. Valerie muss man einfach mögen. Unkonventionell, spontan und nicht immer mit dem richtigen Timing ermittelt sie auf ihre eigene spezielle Art.

Der Regionalkrimi lässt den Leser in das Innsbrucker Alpenstadt-Flair eintauchen, enthält aber auch wieder kleine versteckte Seitenhiebe, wie der Hinweis auf das ehemalige Olympische Dorf, politische Einflussnahme und Massensteuerung durch Internetmedien.

Altstar Wolf Rock will am Ende seiner Karriere in seinem Heimatort ein letztes großes Konzert ausgerechnet im Bergiselstadion geben. Doch irgend jemand will Rache für ein Vergehen, dass in den 70er-Jahren begangen wurde. Der Musiker ist bei den Ermittlungen keine Hilfe und sein Manager tut alles, um Valerie Steine in den Weg zu legen. Glaubhaft wird das Musikbusiness mit all seinen Glanz und Schattenseiten dargestellt.

Alle Figuren werden sehr detailliert und mit viel Charme beschrieben. Ob es Valeries Kollege Geyer ist, der durch die Freundschaft zum Musiker plötzlich eine optische Wandlung volllzieht oder Exkollege Stolwerk, der nicht nur den richtigen Riecher für Indizien hat, sondern auch um Valeries Wohlergehen besorgt ist. Alle wirken lebensecht und sympathisch, machen den Krimi zum Lesevergnügen.

Besonders gelungen sind Rückblicke eines jungen Mädchens, die in kurzen Abschnitten eingeschoben werden. Sie erhofft sich durch Wolf Rock ein neues Leben, die Flucht aus dem sozialen Milieu und wird bitter enttäuscht. Gespannt verfolgt man, was mit ihr geschah und versucht die Lösung des Falls zu finden.

Das dramtische Finale gleicht einem Actionfilm und Veilchen riskiert mal wieder Leib und Leben. Ihre "latente Lebensmüdigkeit" ist wieder sehr auffällig. Bis zum Ende rätselt man, wer der geheimnisvolle Bedroher sein soll und wird überrascht.

Die letzten Sätze versprechen eine interessante Fortsetzung, die sich mit Valeries Vergangenheit auseinandersetzt. Ich bin jetzt schon auf den Folgeband mit Valerie und Stolwerk gespannt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Auf Entdeckungsreise im heimischen Wald

Wohllebens Waldführer
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Beim nächsten Waldspaziergang sollte der Waldführer von Peter Wohlleben unbedingt mit. Das Sachbuch vermittelt Grundwissen und zeigt in 14 Kategorien Tiere und Pflanzen des Waldes. Die einführenden Worte ...

Beim nächsten Waldspaziergang sollte der Waldführer von Peter Wohlleben unbedingt mit. Das Sachbuch vermittelt Grundwissen und zeigt in 14 Kategorien Tiere und Pflanzen des Waldes. Die einführenden Worte des Försters machen klar, dass natürlich nicht alle Arten aufgeführt werden können, sonst wäre es eher ein Lexikon geworden.

"Die mitteleuropäischen Wälder sind Heimat für Zehntausende von Tier- und Pflanzenarten. ... Wo soll da ein Waldführer anfangen, wo enden?"

Bei der Beschreibung der einzelnen Arten findet man jeweils ein passendes hochauflösendes Bild, die lateinische Bezeichnung und die Gattungszugehörigkeit. Bei den Bäumen sind auch die Früchte, bzw. Blättern und Nadeln dargestellt. Lediglich bei den Vögeln fehlt die Darstellung beider Geschlechter, die sich bekanntlich deutlich unterscheiden. Die Informationen sind kurz und knackig gehalten, gerade so, wie man es auf einem Spaziergang lesen möchte. So macht es auch schon Kindern Spaß sich mit den Arten auseinanderzusetzen.

Besonders interessant sind die verschiedenen Käfer, mit denen man sich doch eher selten beschäftigt. Zusammen mit meinen Kindern habe ich durch das Buch viele neue Arten kennengelernt. Kleine Tipps und Hinweise, die man sonst nicht findet, machen den Reiz des Buches aus. Wo wird sonst auf einen "Maggi"-Duft hingewiesen, der auf Wildschweine schließen lässt.

Als letztes Kapitel schaut der Autor hinter die Kulissen und gewährt einen kritischen Einblick in das gefährdete Ökosystem des Waldes. Nicht nur das kapitalbringende Anpflanzen von untypischen Baumarten, sondern auch das Ernten der Bäume und deren Folgen werden betrachtet. Auch das Verhalten der Menschen im Wald zeigt, dass man vieles falsch machen kann. Wer hätte gedacht, dass sich leises Verhalten eher negativ auf die Tiere auswirkt.

Dieser Waldführer ist kurz und informativ gehalten. Zeigt Bekanntes und Neues in verständlicher Form und ist durch die tollen Bilder besonders geeignet als Begleiter bei Spaziergängen.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannender Regionalkrimi

Erst wenn du tot bist
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Fernab aller Kriegsschauplätze versucht die ehemalige Kriegsreporterin Fanny Wolff in ihrem Heimatort Stralsund einen Neuanfang. Als stellvertretende Chefredakteure der Ostsee-Nachrichten blickt sie einem ...

Fernab aller Kriegsschauplätze versucht die ehemalige Kriegsreporterin Fanny Wolff in ihrem Heimatort Stralsund einen Neuanfang. Als stellvertretende Chefredakteure der Ostsee-Nachrichten blickt sie einem beschaulichen Berufsleben entgegen, doch schon an ihrem ersten Arbeitstag entdeckt sie im Sund eine Frauenleiche. Ihr Spürsinn ist geweckt, auch wenn ihr Zwillingsbruder, der zuständige Kriminalkommissar, anfangs nicht gerade hilfreich reagiert. Die Geschichte des Opfers Melanie Schmidt lässt sie nicht mehr los, denn offensichtlich wurde die junge zweifache Mutter ermordet.

Der Auftakt zu einer neuen Krimi-Serie ist Katharina Höftmann mit Fanny Wolff gelungen. Ein lockerer, authentischer Schreibstil der den Leser ins schöne, aber mit Schatten gezeichnete Stralsund entführt. Alle Kapitel werden mit Zitaten von Künstlern aus Mecklenburg-Vorpommern begonnen und zeigen die Verbundenheit der Autorin zur Heimat. Ungewöhnlich ist der Auftakt mit einem Kapitel 0

"Wenn der Nebel so über dem Sund aufstieg, ja
geradezu gen Himmel dampfte, war es schwer zu
glauben, dass eigentlich Sommer war."


Kein sprunghafter Prolog, sondern ein Neubeginn steht im Vordergrund und damit Fanny Wolff, die 34-jährige Hauptprotagonistin. Man erfährt ihre Beweggründe, warum sie ihr aufregendes Leben als Kriegsreporterin aufgegeben hat und spürt, dass diese junge Frau schwer am Erlebten zu tragen hat. Im Laufe der Handlung erleidet sie mehrere Panikattacken, die sich nachts in Albträumen ihren Weg nach außen suchen. Die kursiv geschriebenen Erlebnisse sind echte Berichte von Kriegsreportern und veranschaulichen die emotionale Zerrissenheit zwischen Alltagserlebnis und Kriegswahn.

Besonders die aktuellen und brisanten Themen wie Flüchtlingsproblematik, einseitige Berichterstattung der Presse, sozial schwache Familien, Missbrauch und Pflegefamilien machen den Reiz dieses Krimis aus. Nicht der erhobene Zeigefinger, sondern die ganz alltäglichen Dinge des Lebens werden aufgezeigt. Die ermordete Melanie steht für viele junge Menschen, die versuchen aus ihrem Hamsterrad zu entkommen und immer wieder scheitern. Ein gesellschaftliches Problem, das allzu oft unter den Teppich gekehrt wird.

Die Aufklärung des Mordes gestaltet sich schwierig, da weder ein eindeutiges Motiv noch ein Täter erkennbar sind. Geschickt werden falsche Spuren in die Vergangenheit gelegt und erst am Ende werden Vermutungen bestätigt.

Ein Krimi der eine bunte Mischung aus wunderschönen Landschaftsbeschreibungen, aktueller Brisanz und einer ganz und gar nicht perfekten Ermittlerin bietet. Auf den nächsten Fall für Fanny Wolff bin ich schon jetzt gespannt.

Veröffentlicht am 15.09.2016

Spannende Story rund um den Nobelpreis

Die Akademiemorde
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Ein angesehenes Mitglied der Schwedischen Akademie wird mit einem altertümlichen Schwarzpulverrevolver in einem Stockholmer Park ermordet. Bereits am nächsten Tag werden auf die gleiche Weise weitere Akademiemitglieder, ...

Ein angesehenes Mitglied der Schwedischen Akademie wird mit einem altertümlichen Schwarzpulverrevolver in einem Stockholmer Park ermordet. Bereits am nächsten Tag werden auf die gleiche Weise weitere Akademiemitglieder, die für die Vergabe des Literaturnobelpreises verantwortlich sind, getötet. Die Polizei steht vor einem Rätsel und muss sich vor der Weltpresse verantworten. Doch interne Querelen um Zuständigkeiten erschweren die Ermittlungen. Claudia Rodriguez von der Zentralen Mordkommission ermittelt zusammen mit Buchantiquar Leo Dorfmann auf eigene Faust.


Martin Olczak kann mit seinem rasanten und spannenden Schreibstil begeistern. Kaum zu glauben, dass dies sein erster Roman für Erwachsene ist. Sehr genau wird auf das kleinste Detail geachtet. Man kommt dem Mörder sehr nah ohne eine Ahnung zu haben, wer dieser skrupellose Mensch sein könnte und was ihn antreibt. Alles dreht sich um den alljährlich ausgelobten Literaturnobelpreis. Auf die Preisträger wird mit Vergabejahr und Akademiebegründung zwischen den Kapiteln hingewiesen. Besonders die Beschreibung der Arbeit der Akademiemitglieder ist sehr interessant und wird mit in die Handlung eingeflochten. Man erfährt viele Details rund um die Vergabe des Literaturnobelpreises über Jahrzehnte hinweg.

Durch die hohe Anzahl der Morde und die Brisanz, die durch den elitären Kreis der Mordopfer entsteht, hat die Polizei alle Hände voll zu tun. Doch anstatt sich mit voller Energie in die Ermittlungen zu werfen, streiten sich die Vorgesetzten um Zuständigkeiten. Denn hier wird über Sieg oder Niederlage auf hohem Posten entschieden. Zwischen die bereits verhärteten Fronten gerät die eigensinnige Ermittlerin Claudia. Anstatt ihr für wichtige Hinweise zu danken, wird sie von den Ermittlungen ausgeschlossen. Was sie nicht davon abhält, weiter nach der Spur des Mörders zu suchen.

Die charakterstarken Figuren wirken glaubhaft und lebendig. Besonders der etwas weltfremde bücherliebende Antiquar Leo hat mich angesprochen. Seine Leidenschaft für Literatur und sein großes Wissen sind besonders wichtig für die Spurensuche.


"Er nahme eine Leselampe aus der Vitrine. Dann setzte er sich in einen Sessel und blätterte vorsichtig, las die Notizen, die seit mehr als einem Jahrhundert in dem Marokkineinband geheim gehalten worden waren."


Lange vergessene Gefühle zwischen den Protagonisten blitzen immer wieder auf, zeigen wie wichtig sie füreinander waren. Doch im Vordergrund steht die Jagd nach dem Mörder, der scheinbar alle Akademiemitglieder auszulöschen droht.

Auch wenn am Ende das Motiv nur schwer nachvollziehbar ist, hat dieser Krimi mich sehr gut unterhalten. Das Tempo ist rasant und der Spannungsbogen sehr hoch. Für Bücherliebhaber ein tolles Krimithema, das fesselnd umgesetzt wurde.