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Veröffentlicht am 04.04.2023

Innere Zerrissenheit der Mutter zwischen Pflicht und der Suche nach Identität

Maman
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Sylvie Schenk hat in ihrem Buch „Maman“ eine Romanform entwickelt, mit der sie versucht, sich der Persönlichkeit ihrer längst verstorbenen Mutter Renée zu nähern. Deren Herkunft blieb der Tochter zeitlebens ...

Sylvie Schenk hat in ihrem Buch „Maman“ eine Romanform entwickelt, mit der sie versucht, sich der Persönlichkeit ihrer längst verstorbenen Mutter Renée zu nähern. Deren Herkunft blieb der Tochter zeitlebens ein Rätsel.
Erst durch die Recherche ihrer Schwester erfuhren sie den Namen ihrer Großmutter Cécile, einer Arbeiterin in einer der Fabriken zur Seidenherstellung in Lyon, die unter der Geburt im Jahr 1916 verstarb. Sie wurde nur 45 Jahre alt. Der Vater von Renée ist unbekannt. Einige Jahre lang wuchs die Mutter der Autorin mit wenig Liebe auf dem Land auf, bevor sie von einem gut betuchten Ehepaar in Pflege genommen wurde. Dennoch hat sie aufgrund ihrer unklaren Abstammung nie die gewünschte Anerkennung in ihrer Schwiegerfamilie gefunden.
In ihrer Fantasie blickt die Autorin ihren Vorfahren über die Schulter. Auf diese Weise malt sie sich Situationen aus, die ihre Großmutter Cécile und ihre Mutter erlebt haben und lässt sie für den Lesenden lebendig werden. Sie stellt sich das Sterben ihrer Großmutter vor und ergründet in diesem Zusammenhang das Umfeld, in dem Cécile gelebt hat.
Sylvie Schenk versetzt sich in die Gefühlswelt ihrer Mutter, erkundet ihr Schweigen, ihre Ansprüche bis hin zur Vorstellung ihres Liebeslebens. Die ersten Jahre bleiben im Dunkeln, weil Renée verdrängt, was ihr widerfahren ist. Aber dennoch bleibt das Erlebte tief in ihr, denn es lässt sich nicht ungeschehen machen. Für ihre neue Pflegemutter ist es schwierig, ihr Sicherheit zu vermitteln und ihr Vertrauen zu gewinnen. Die seelischen Wunden heilen langsam.
Untrennbar ist das Leben von Renée mit dem ihrer Kinder verbunden, die sich von ihr wenig geliebt fühlten. Sie hat durch Erfahrung oder Beobachtung gelernt, wie man sich wann verhält, aber nicht, wie man Freude vermittelt. Wenn sie eine Meinung kundtat, auch gegenüber dem Dienstmädchen und dem Vater, empfanden die Geschwister sie oft als ungerecht.
Es gelingt der Autorin nicht, alle Schleier über dem Leben der Mutter zu lüften wie beispielsweise Teile eines von der Familie als Fauxpas bezeichneten Ereignisses. Dabei verbleibt ein Spielraum für eine weitere Facette, die jedes der Kinder nach eigener Vorstellung füllt. Die innere Zerrissenheit der Mutter zwischen Pflicht und der Suche nach Identität begleitet sie ein Leben lang.
In ihrem Roman „Maman“ nähert sich Sylvie Schenk anhand ihrer eigenen und der Erinnerungen ihrer Verwandtschaft einem Bild ihrer Mutter an, das sie mit ihrer Fantasie ausgemalt, aber dennoch nicht vollständig sein kann. Eine Recherche führt sie über einhundert Jahre in der Zeit zurück und verbindet sich mit der Familiengeschichte über Jahrzehnte hinweg. Es war ein aufwühlendes und bewegendes Lesen für mich, während ich mehr über die Autorin und ihrer Angehörigen erfahren durfte. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 27.03.2023

Ansprechende Rezepte, die zu köstlichen Backergebnissen führen

Köstliches aus Hefeteig
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Im Buch „Köstliches aus Hefeteig“ aus der Reihe „Die Schätze aus Omas Backbuch“ gibt es 86 Backrezepte zum Nachbacken. Die MitarbeiterInnen des bayrischen Unternehmens Rosenmehl haben sie aus den Zusendungen ...

Im Buch „Köstliches aus Hefeteig“ aus der Reihe „Die Schätze aus Omas Backbuch“ gibt es 86 Backrezepte zum Nachbacken. Die MitarbeiterInnen des bayrischen Unternehmens Rosenmehl haben sie aus den Zusendungen der Lesenden ausgewählt, die sie nach einem Aufruf erhalten haben. Die Rezepte wurden in ihrer Backstube nachgebacken und in Hinsicht auf Zutaten, Zubereitung, Herdeinstellung und der damit verbundenen Backzeit auf einen aktuellen Stand gebracht. Dabei haben sie Mehl aus der eigenen Produktion genutzt, aber selbstverständlich kann Mehl gleichen Typs jeden anderen Unternehmens verwendet werden.

Das Inhaltsverzeichnis listet acht Kategorien auf. Dabei kann unter Lieblingskuchen, womit Klassiker der Kaffeetafel gemeint sind, Zöpfe, Stollen, süße Brote, außerdem Kleines und Feines, Mehlspeisen, Schmalzgebackenes sowie Herzhaftes gewählt werden.

Im Kapitel „Tipps rund um den Hefeteig“ finden sich sechs Ratschläge, wie der Teig am besten zu behandeln ist, um optimale Backergebnisse zu erhalten. Des Weiteren habe ich beim Backen die Tipps aus der Rosenmehl-Backstube genutzt, bei denen man unter anderem einen Hinweis liest, wie man die Zutaten, die für ein Backblech gedacht sind für eine Springform umrechnet. Am Buchende sind die Rezepte zum schnellen Nachschlagen in einem alphabetischen Register aufgeführt.

Wie in den beiden anderen Büchern der Reihe „Die Schätze aus Omas Backbuch“ und „Weihnachtsbäckerei“ ist jedes Rezept ansprechend in Szene gesetzt. Die Fotos von Oliver Brachat unter Assistenz von Steffi Neff und gestylt von Jutta Deutscher haben Aufforderungscharakter, selbst zu rühren und zu kneten. Bei jedem Gebäck, ob klein oder groß, ist eine Ablichtung des aufgeschriebenen und eingesandten Originalrezepts zu sehen mit der Angabe des Einreichenden, oft ergänzt um eine Erinnerung an die Erstellerin der Backanleitung und einem Foto von ihr.

Weil es gerade in den Speisenplan passte, habe ich „Oma Renates Nuss-Hefekuchen“ ausprobiert sowie Omas süße Hefepfannkuchen, weil sie mich an meine Kindheit erinnerten. Bei beiden Rezepten stimmte jede Angabe und das Ergebnis hat vorzüglich geschmeckt. Weitere Angebote im Buch sprechen mich an und werden in der nächsten Zeit in meiner Küche nachgebacken.

Das Buch „Köstliches aus Hefeteig“ aus der Reihe „Die Schätze aus Omas Backbuch enthält gut durchdachte Rezepte. Die Anweisungen sind leicht zu befolgen und die Ergebnisse köstlich, darum empfehle ich es gerne jedem Backliebenden weiter.

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Veröffentlicht am 23.03.2023

Vier unterhaltsame Kurzgeschichten für eine Auszeit vom Alltag

Zwischen den Wellen glitzert das Glück
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Das Buch „Zwischen den Wellen glitzert das Glück“ von Gabriella Engelmann beinhaltet vier Kurzgeschichten, die Urlaubsflair verbreiten. Bereits das Cover und der Titel wirken einladend dazu. Der Verlag ...

Das Buch „Zwischen den Wellen glitzert das Glück“ von Gabriella Engelmann beinhaltet vier Kurzgeschichten, die Urlaubsflair verbreiten. Bereits das Cover und der Titel wirken einladend dazu. Der Verlag weist darauf hin, dass jede der Erzählungen als ebook erschienen ist sowie einige in einer Anthologie. Ich kannte keine von ihnen und habe mich gerne an der Seite der Protagonistinnen ans Meer mitnehmen lassen.
Die Protagonistinnen der Erzählungen sind unterschiedlich, aber sie vereint der Wunsch auf eine Veränderung in ihrem Leben. Caro ist Bestsellerautorin, gerade wieder Single, aber ohne Ideen für ihren neuen Roman. Im Süden Frankreichs will sie sich den Kopf frei pusten lassen und begegnet dort unerwartet einem hilfsbereiten Mann. Die Redakteurin Olivia benötigt professionelle Hilfe, um eine Lebenskrise zu überwinden. Sie findet bei einem Lebenscoach mehr als nur einen Zuhörer. Die Programmleiterin Lina hilft dem Liebesglück ihrer Freundin Anna ein wenig nach. In der letzten Erzählung des Buchs steht sie selbst im Mittelpunkt, als sie sich während einer spontanen Auszeit auf einer Nordseeinsel verliebt.
Gabriella Engelmann versteht es auch in kurzer Form eine erholsame Atmosphäre zu schaffen, egal ob am Meer oder in der Stadt. Nicht nur als Leserin war das wohltuend, sondern auch den Hauptfiguren gibt die Autorin einen entspannenden Raum, um zu sich selbst zu finden, ihre Gedanken zu ordnen, neue Ideen zu entwickeln und gelassener in die Zukunft zu schauen. Ganz nebenbei ließ sie mich durch die gewählten Berufe ihrer Protagonistinnen Einblicke nehmen in die Verlagsbranche. Bestimmt sind dabei eigene Erfahrungen aus dem Metier eingeflossen.
Die Hauptfiguren sind trotz Ecken und Kanten sympathisch gestaltet. Gabriella Engelmann beschreibt einfühlsam deren Gedanken und Gefühle. Als Lesende hofft man, dass sie Lösungen für die Sorgen in ihrem Leben finden und die Herausforderungen meistern. Die Lektüre ist passend für den Urlaub am Strand, bringt aber auch Behaglichkeit an trüben Tagen.
Mit dem Buch „Zwischen den Wellen glitzert das Glück“ verschaffte Gabriella Engelmann mir eine kleine Auszeit vom Alltag. An der Seite ihrer Protagonistinnen der vier enthaltenen Kurzgeschichten durfte ich träumen, verreisen und auf ein Happy End hoffen. Die Erzählungen sind leichte Unterhaltung, ohne kitschig zu sein. Gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 20.03.2023

Offenes Ende regt dazu an, die Geschichten weiterzudenken

Sommerhaus, später
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Das Buch „Sommerhaus, später“ ist der erste Erzählband von Judith Hermann, den sie vor etwa 25 Jahren geschrieben hat und der jetzt neu aufgelegt wird. Die Geschichten fanden damals große Beachtung und ...

Das Buch „Sommerhaus, später“ ist der erste Erzählband von Judith Hermann, den sie vor etwa 25 Jahren geschrieben hat und der jetzt neu aufgelegt wird. Die Geschichten fanden damals große Beachtung und Lob. Insgesamt sind neun Erzählungen beinhalten. Der Titel wurde einer von ihnen entlehnt. Einige der Kurzgeschichten wurden inzwischen verfilmt und beziehungsweise oder vielfach als Schullektüre analysiert. Sie sind sehr unterschiedlich, jedoch konnte ich auch einige Gemeinsamkeiten erkennen. Allem voran fiel mir auf, dass häufig geraucht wird, sehr viel. Oft wird Alkohol konsumiert, manchmal gekifft und weil es noch nicht erfunden war, schaut niemand auf sein Handy oder tippt darauf herum. Dennoch stellt sich das Ambiente als nicht so entspannt dar, wie es vielleicht zunächst klingt. Jede der Geschichten überraschte mich mit unterschiedlichem Inhalt und interessanten Figuren.

In allen Erzählungen ist eine der ProtagonistInnen eine junge Frau, die das Leben zu genießen sucht, was ihr aber nicht immer nach ihrer Vorstellung gelingt. Dabei erscheint es so, als ob sie ihren Wunsch manchmal nicht genauer spezifizieren können. Ihr Verhalten findet zuweilen wenig Verständnis bei Bekannten und Unbekannten, Freunden und Verwandten. Sie sind Suchende nach einer haltbaren Tragfähigkeit ihres Lebens. Auch die übrigen Figuren sind abwechslungsreich gestaltet wie beispielsweise ein Künstler, der sich nicht zwischen zwei Frauen entscheiden will, ein alternder Hausbewohner mit Herz für die Jugend und ein Autor, der die Abgeschiedenheit sucht.

Der einfühlsame Sprachstil der Autorin hat über die Jahre hinweg nichts an Reiz verloren. Es gelingt ihr, die die Gefühle ihrer Figuren zum Lesenden hinzutransportieren. Rund um die von ihr geschilderten Handlungen schafft sie eine besondere Atmosphäre, die aus den Zeilen zu spüren ist. Ihre Fähigkeit, das Handeln der Personen begreiflich zu beschreiben, warf bei mir die Frage auf, ob Judith Hermann die Situationen, zumindest einige, aus eigener Erfahrung her aufgeschrieben hat.

Auch viele Jahre nach Erscheinen der Erstausgabe zeigen die Erzählungen im Buch „Sommerhaus, später“ ein Lebensgefühl in verschiedenen Szenarien, die Ende der 1990er spielen, bei dem für die ProtagonistInnen gilt, dass vieles Kann und nichts Muss. Das offene Ende regt dazu an, sich die folgenden Handlungen der Figuren vorzustellen. Meiner Meinung nach haben die Geschichten einen Platz in jedem Bücherregal verdient und daher vergebe ich gerne eine Leseempfehlung.

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Veröffentlicht am 20.03.2023

Einfühlsame Geschichte über zwei sensible junge Männer

Leonard und Paul
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In seinem Roman „Leonard und Paul“ hat der irische Autor Rónán Hession über mehrere Monate im fiktiven Leben der titelgebenden jungen Männer geschrieben. Beide sind knapp über 30 Jahre alt, wohnen in der ...

In seinem Roman „Leonard und Paul“ hat der irische Autor Rónán Hession über mehrere Monate im fiktiven Leben der titelgebenden jungen Männer geschrieben. Beide sind knapp über 30 Jahre alt, wohnen in der gleichen Stadt und sind miteinander befreundet. Sie teilen eine Vorliebe für Brettspiele, doch was sie ebenfalls verbindet ist ihre Eigenschaft zu respektieren, dass Personen verschiedene Auffassungen haben. Sie halten sich an das weitverbreitete Sprichwort „Was du nicht willst, das man dir tu, das füg auch keinem anderen zu“, denn ihren alltägliche Umgang mit den sie umgebenden Verwandten, Arbeitskollegen, bekannten und unbekannten Menschen gestalten sie nach eigenem Selbstverständnis fair und gerecht.

Im Leben der beiden Freunde treten gerade unerwartete Wendungen ein. Leonard hat bisher gemeinsam mit seiner verwitweten Mutter im elterlichen Haus gelebt, doch nun ist sie verstorben. Seine Arbeit bei einem Verlag für Kinderbücher lenkt ihn nur wenig ab. Er ist sich bewusst, dass der Verlust zu Änderungen in seinem Leben führt. Bald darauf scheint sich zum ersten Mal eine Frau für ihn ernsthaft zu interessieren.

Paul lebt bei seinen Eltern und ist vielfältig interessiert. Bisher hat er sich noch nicht entschieden, welche Arbeit ihm beruflich so ansprechend erscheinen könnte, dass er sie zukünftig ausüben möchte. Stattdessen geht er auf Empfehlung seines Vaters einer Aushilfstätigkeit als Postbote an etwa drei Tagen im Monat nach. Während die Hochzeit seiner Schwester kurz bevor steht und die Familienmitglieder in die Vorbereitungen einbezogen werden, nimmt Paul nach einer plötzlichen Idee an einem Wettbewerb teil.

Ich konnte mich gut in die Gefühlswelt beiden Protagonisten einfinden. Viel zu oft ist man im Alltag mit Menschen konfrontiert, die mit harschen Worten um sich werfen oder sich stets versuchen, einen Vorteil zu verschaffen. Leonard und Paul sind anders. In ihnen scheint die Ruhe verwurzelt zu sein, sehr schön auch symbolisiert durch den Fisch auf dem Cover. Hin und wieder geraten sie aber auch selbst in Bedrängnis. Manchmal reagieren sie so, dass es ihnen leidtut. Das Wichtigste dabei ist, dass sie selbst erkennen, dass ihre Worte oder Handlungen fehl am Platz waren. Dadurch wird eine Korrektur möglich, sei es durch eine Entschuldigung oder der Darstellung der eigenen Sicht, eventuell mit Diskussion darüber.

Manchmal stoßen die beiden Freunde aufgrund ihrer Unerfahrenheit im Umgang mit anderen an ihre Grenzen und fragen sich, wie sie anständig handeln können. Auch ihre eigene Freundschaft gerät dabei auf den Prüfstand. Es ist schön darüber zu lesen, wie die sensiblen Hauptfiguren es über einige Klippen hinweg schaffen, unbeirrt ihren Weg zu gehen. Der Autor stattet seine Figuren nebenbei mit Eigenheiten aus, die sie zusätzlich liebenswert machen und einige Male musste ich schmunzeln, wenn ich mich selbst oder andere darin erkannte. Es war sicher nicht einfach, den Text zu übersetzen und dabei den Sinn zu erhalten. Mein Kompliment dafür geht an Andrea O`Brien.

Ich würde mir wünschen, dass noch mehr Menschen so einfühlsam wie Leonard und Paul agieren würden. Sicher kann der vorliegende Roman von Rónán Hession dazu beitragen, denn er enthält Situationen, an denen manch ein Rüpel sich ein Beispiel nehmen könnte. Daher empfehle ich das Buch sehr gerne weiter.

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