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Veröffentlicht am 30.12.2022

Feinsinnig geschriebener, herzbewegender Roman

Café Leben
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Zwei unterschiedliche Frauen mit bewegter Vergangenheit sind die Protagonistinnen im Roman „Café Leben“ der englischen Autorin Jo Leevers. Jeder Mensch blickt auf verschiedene Begebenheiten in seinem bisherigen ...

Zwei unterschiedliche Frauen mit bewegter Vergangenheit sind die Protagonistinnen im Roman „Café Leben“ der englischen Autorin Jo Leevers. Jeder Mensch blickt auf verschiedene Begebenheiten in seinem bisherigen Leben zurück. Das (fiktive) „Projekt Lebensbuch“ in London möchte diese Geschichten erfassen. Vor allem bei schwerkranken Menschen eilt manches Mal die Zeit, um die Momente auf Papier oder im aufgenommenen Wort festzuhalten.

Eine dramatische Erinnerung aus ihrer Kindheit begleitet die 32-jährige Henrietta, die sich beim Projekt dafür bewirbt, die Erzählungen der Kunden niederzuschreiben und entsprechend dem Konzept daraus ein Buch zu erstellen. Die Krebspatientin Annie, Mitte 60, ist die erste, die ihr aus ihrem Leben erzählt. Deren ein Jahr jüngere Schwester verschwand als Jugendliche in einer regnerischen Nacht unauffindbar. Für Henrietta ist es unverständlich, dass Annie und ihre Eltern sich damit abgefunden haben. Doch Annie weicht ihren diesbezüglichen Nachfragen aus, so dass sie selbst zu den damaligen Geschehnissen zu recherchieren beginnt.

Jo Leevers hat mit Henrietta und Annie zwei interessante Figuren geschaffen, bei denen von Beginn an zu spüren ist, dass sie mit den erlittenen Schicksalsschlägen zwar verschieden umgehen, aber beide die Gedanken an das Vergangene auf ihre je eigene Weise verdrängt haben. Als Leserin war ich gespannt darauf, was beide zu verbergen wollen, was für eine gewisse Hintergrundspannung und einen Lesesog sorgte. Während Henrietta ihre eigenen Prinzipien hat und diese penibel verfolgt, auch wenn sie von höherer Stelle nicht erwünscht sind, fühlt Annie sich seit dem Tod ihres Ehemanns frei und ungebunden. Bereits durch ihre Kleidung ist sie auffällig, während Henrietta versucht, unscheinbar zu wirken. Für das, was sie liebt, setzt sie sich dennoch tatkräftig ein.

Die Kapitel wechseln zwischen den beiden Protagonistinnen. Obwohl es zunächst danach aussieht, als ob Henrietta und Annie nicht harmonieren, lernen sie, bestimmte Eigenschaften der jeweils anderen zu schätzen. Sie begegnen sich mit Respekt, der dafür sorgt, dass sie immer vertrauter werden und sich füreinander öffnen. Durch die Akzeptanz der weniger geschätzten Eigenschaften der jeweils anderen, gelingt es ihnen, sich auf dieselbe Gesprächsebene zu begeben und dabei Besorgnis auszudrücken und Verständnis und Wärme zu vermitteln.

Die Autorin schreibt einfühlsam über das Sterben, weil es zum Leben dazugehört, aber ohne es in den Vordergrund zu stellen und dem Roman dadurch die Leichtigkeit der Unterhaltung zu nehmen. Sie zeigt, dass bedrückende Ereignisse in jedem Lebensalter emotional verarbeitet werden sollten, denn man kann sie nicht ungeschehen machen.

Figuren, die sich in ihrem Leben weiterentwickeln oder weiterentwickelt haben, verborgene Geschichten in der Vergangenheit, die aufgedeckt werden wollen und ein berührendes gegenwärtiges Setting sind die Zutaten des feinsinnig geschriebenen, herzbewegenden Romans „Café Leben“ von Jo Leevers, den ich sehr gerne weiterempfehle.

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Veröffentlicht am 30.12.2022

Aufregende Wendungen und amüsante Entwicklungen

Zimt – Auf den ersten Sprung verliebt
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Das erste Buch der zweiten Staffel war für mich der perfekte Einstieg in die „Zimt“-Reihe von Dagmar Bach. Das besondere an den Geschichten der Serie ist die Fähigkeit der Protagonistin Vicky, zwischen ...

Das erste Buch der zweiten Staffel war für mich der perfekte Einstieg in die „Zimt“-Reihe von Dagmar Bach. Das besondere an den Geschichten der Serie ist die Fähigkeit der Protagonistin Vicky, zwischen Parallelwelten zu springen. Leider hat sie selbst keine Kontrolle darüber, denn wenn ein Zimtduft sie umweht, findet sie sich in der folgenden Minute in einer anderen Welt wieder. Das Buch ist mit einem traumhaften Farbschnitt versehen, auf dem ebenso wie im ganzen Roman Illustrationen von Inka Vigh zu sehen sind.
Inzwischen ist Vicky 15 Jahre alt und auch ihr ein Jahr älterer Freund Konstantin ist seit einiger Zeit ein Springer. Nur die beste Freundin und Konstantins bester Freund sowie Vickys Tante wissen von dem Weltenwandeln. Umso wichtiger ist es, dass die Sache auch weiterhin geheim bleibt, aber in „Auf den ersten Sprung verliebt“ begegnet das junge Paar in einer der anderen Welten einem Widersacher. Die beiden fragen sich, woher er von ihren Sprüngen weiß.
Danach steigt die Spannung kontinuierlich an, denn sie müssen sich gegen sein Vorhaben wehren, was zwischen den Welten nicht so einfach ist. Außerdem fällt das Benehmen von Vickys und Konstantins jeweils anderem Ich, die bei den Sprüngen deren Plätze in unserer Zeit einnehmen, aus dem Rahmen. Die beiden haben nach jeder Rückkunft einiges zu tun, das auffällige Verhalten bei den Eltern, Verwandten und Bekannten zu erklären.
Die Geschichte spart nicht an aufregenden Wendungen und amüsanten Entwicklungen. Die Figuren sind liebevoll, ein wenig kauzig und besonders gestaltet. Dagmar Bach erzählt von den Höhen und Tiefen im Alltag der Teenager. Dazu gehört die kritische Auseinandersetzung mit den Ansichten von Freunden, die Ansprüche der Lehrer und Eltern, aber auch die Freude am Beisammensein mit dem Partner oder der Partnerin. Zunehmend begreift das junge Paar, dass es nicht immer einfach ist, Wahrheit und Betrug zu erkennen.
Der Roman ist nicht nur für Jugendliche geeignet, sondern auch für Erwachsene. Der Handlung konnte ich auch ohne Kenntnis der Bände der ersten Buchstaffel problemlos folgen. Der Reiz der Geschichte liegt in dem Mix von Spannung, Witz, dem Fantasyelement und einer Spur Romantik. Der Cliffhanger am Ende weckt den Wunsch auf den zweiten Teil der zweiten Staffel. Sehr gerne empfehle ich das Buch weiter.

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Veröffentlicht am 20.12.2022

Ein schönes Buch für die Adventszeit mit Geschichten und Rezepten

Ein ganzes Herz voll Weihnachten
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Vierzehn Autorinnen, darunter zwölf deutsche, tragen mit ihren Geschichten im Buch „Ein ganzes Herz voll Weihnachten“ dazu bei, ihre Leser und Leserinnen in eine festliche Stimmung zu bringen. Ausgewählt ...

Vierzehn Autorinnen, darunter zwölf deutsche, tragen mit ihren Geschichten im Buch „Ein ganzes Herz voll Weihnachten“ dazu bei, ihre Leser und Leserinnen in eine festliche Stimmung zu bringen. Ausgewählt und zusammengestellt wurden die Erzählungen von Lea Daume. Für mich ging es in der ersten davon mit Julie Caplin nach London, um dann in der nächsten zweihundert Jahre in die Vergangenheit nach Hamburg zu reisen. Weitere Stationen sind beispielsweise Nebraska, Schottland, Island, Österreich und die Nordseeküste.
Einige Geschichte spielen im Umfeld der Welt, die die jeweilige Autorin für ihre Figuren geschaffen und bereits ein Buch oder mehrere Bücher darin veröffentlicht hat. Dadurch lernte ich nicht nur die verschiedenen Schreibstile kennen, sondern konnte auch in verschiedene Buchuniversen hineinschnuppern wie zum Beispiel in Thielemanns Backhus mit Rebekka Eder, in den Reichstag mit Micaela A. Gabriel und ins Inselkrankenhaus auf Sylt mit Liv Holland. Mit Katharina Herzog freute ich mich, wieder nach Swinton-On-Sea zurückzukehren und den schon bekannten fiktiven Personen zu begegnen. Für das Verständnis der Erzählungen muss man die bereits erschienenen Romane der Autorinnen nicht kennen.
Zum Ende jeder Erzählung gibt es ein Rezept mit einem leckeren Gericht, Gebäck oder Getränk, das zur Advents- und Weihnachtszeit passt. Entsprechend des Fests der Liebe beherbergt jede Geschichte zwar eine gewisse Dramatik, endet aber wohlwollend. Mir haben die Auswahl und die Zusammenstellung der Erzählstücke sehr gut gefallen. Ich habe das Buch in der Adventszeit gelesen und mir haben sie die Freude aufs Weihnachtsfest vermittelt. Gerne empfehle ich es weiter.

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Veröffentlicht am 19.12.2022

Ergreifende und herzerhellende Geschichte - Das Buch zum Film

Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd. Eine bewegte Geschichte
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Eine Antwort auf die Frage „Zuhause ist nicht immer ein Ort, oder?“ ist der Antrieb des kleinen Jungen im Buch „Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd“ sich auf die Suche danach zu begeben, was ...

Eine Antwort auf die Frage „Zuhause ist nicht immer ein Ort, oder?“ ist der Antrieb des kleinen Jungen im Buch „Der Junge, der Maulwurf, der Fuchs und das Pferd“ sich auf die Suche danach zu begeben, was ein Zuhause wirklich ausmacht. Die Geschichte wurde von dem Briten Charlie Mackesy erdacht und illustriert. Weil das Buch bei den Lesenden und Betrachtenden so gut ankam, hat der Autor und ein Produktionsteam dazu einen Film erstellt. Das nun vorliegende Buch trägt den Untertitel „Eine bewegte Geschichte“ wodurch es Bezug auf den Film nimmt. Die Formen in den Zeichnungen sind gegenüber der ersten Fassung noch weicher, runder und detaillierter, was ich als noch bewegender empfunden habe.
Es ist kalt und es schneit. Ein Junge hat sich verlaufen und findet den Weg nach Hause nicht mehr. Er trifft auf einen Maulwurf, der sich ein Loch an die Oberfläche gegraben hat. Jetzt ist der Junge nicht mehr einsam, denn gemeinsam begeben sie sich auf die Suche nach einer Möglichkeit, sein Zuhause zu finden. Doch zuerst befreien sie einen Fuchs und begegnen einem Pferd. Durch gemeinsame Erlebnisse kommen sie sich näher und entwickeln Verständnis füreinander.
Die zwischen den Freunden gesprochenen Sätze sind einfühlsam, manchmal poetisch und zum Nachdenken auffordernd. Dunklere Bilder und Gedanken wechseln zu hellen Illustrationen, die Hoffnung widerspiegeln. Die Farbgestaltung ist überwiegend in Blau- und Beigetönen sowie Weiß. Es macht Freude, die Zeichnungen zu betrachten. Beispielsweise gibt es beeindruckende Schneelandschaften, einen Sonnenuntergang oder den nächtlichen Himmel, die man auf sich wirken lassen sollte.
Die Freunde machen einander Mut und geben sich gegenseitig Kraft. Sie erleben Angst und teilen Freude miteinander. Dabei verschwinden alle Unterschiede zwischen ihnen und es kommt nur darauf an, dass sie füreinander Zuneigung empfinden. Das Verlangen des Maulwurfs nach Kuchen bringt Humor in die Erzählung. Die Suche führt den Jungen zu der Erkenntnis, dass ein Zuhause nicht an einen Ort gebunden sein muss, sondern auch durch Gefühle gebildet werden kann.
Am Beginn und am Ende des Buchs finden sich Noten einer „Hymn to the Robin“, die von Charlie Mackesy und Isobel Waller-Bridge komponiert wurde. Sie drückt die Stimmungslage des Jungen in den verschiedenen Situationen musikalisch aus.
Diese ergreifende und herzerhellende Geschichte der vier Freunde empfehle ich gerne weiter sowohl an ältere Leser und Leserinnen wie auch an jüngere, die das Buch gemeinsam mit Erwachsenen erkunden sollten.

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Veröffentlicht am 15.12.2022

Lesenswerte Geschichte, die bewegend und spannend ist

Totenwinter
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Zwischen November 1946 und März 1947 erlebte Deutschland einen der kältesten Winter des letzten Jahrhunderts. Mitten in dieser Zeit spielt die Handlung des Romans „Totenwinter“ von Sabine Hofmann. Wie ...

Zwischen November 1946 und März 1947 erlebte Deutschland einen der kältesten Winter des letzten Jahrhunderts. Mitten in dieser Zeit spielt die Handlung des Romans „Totenwinter“ von Sabine Hofmann. Wie im ersten Band der Reihe „Edith – Eine Frau geht ihren Weg“ ist die aus Ostpreussen stammende, jetzt in Bochum lebende Edith Marheinecke die Protagonistin der Geschichte. Das Buch kann jedoch ohne Vorkenntnisse des Vorgängers gelesen werden.
Nach einem trockenen Sommer sind die Ernteerträge gering und die früh beginnende Kälte, scheint nicht mehr aufzuhören. Ein wirtschaftlicher Aufschwung ist kaum zu bemerken. Edith ist beim Tausch auf dem Schwarzmarkt von Rechtsanwalt Pollmann angesprochen worden, dem ihre Englischkenntnisse aufgefallen sind. Er hat ihr ein Arbeitsangebot gemacht, das sie angenommen hat. Als die Leiche eines Arbeitsführers der Stahlwerke in Bochum in einem Eisenbahnwaggon erschossen aufgefunden wird, sieht Edith einen Zusammenhang mit den Aktivitäten des Chauffeurs von Pollmann. Doch die Kripo hat ganz andere Verdächtige für den Mord. Sie vermuten Missgunst unter den Kollegen und prüfen, ob die Vorgesetzten des Ermordeten die Tat veranlasst haben. Außerdem bekommen sie einen Tipp, dass das Opfer in Schwarzmarktgeschäfte verwickelt war.
Die Kriminalpolizei kämpft auch eineinhalb Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg in der Britischen Zone immer noch mit der politischen Gesinnung und der Loyalität einiger Mitarbeiter. Hunger und Kälte lassen manchen von ihnen danach streben, sich Vorteile zu verschaffen. Hella, die Tochter von Ediths Quartiergeberin, begibt sich erneut in Gefahr, um Heizmaterial zu stehlen, sehr zum Missmut ihrer Mutter. Zu Recht macht sie sich große Sorgen. Obwohl die Entlohnung auf ihrer neuen Stelle gut ist, missfällt Edith manches Mal das Vorgehen ihres Chefs, um neue Mandate zu erhalten. In der Kanzlei lernt sie jemanden kennen, dem sie sich bald zugeneigt fühlt. Für sie wird die Frage immer wichtiger, wem sie überhaupt noch Vertrauen schenken kann.
Sabine Hofmann beschreibt verständlich die politischen Zusammenhänge zwischen der Befehlsgewalt der britischen Besatzung, den Fabrikherren und den Arbeitern der damaligen Zeit. Sie stellt die Kälte, den Hunger und die Ängste der Bochumer einfühlsam dar. Die Spannung stieg mit der steigenden Anzahl der Verdächtigten allmählich an. Die Autorin begründet die Handlungen ihrer Figuren vorstellbar und lässt sie in einem wirklichkeitsnahen Umfeld agieren. Zum Schluss hin zieht sie das Tempo nochmals an und bringt Edith in eine schwierige Situation.
Im zweiten Band der Reihe „Edith – Eine Frau geht ihren Weg“ mit dem Titel „Totenwinter“ von Sabine Hofmann, der in Bochum des bitterkalten Jahres 1946/47 spielt, führt ein Mord mit einer zunehmenden Zahl Tatverdächtiger, eine Protagonistin, die an der Integrität ihres Chefs zweifelt sowie dem lebensnah geschilderten täglichen Kampf um Lebensmittel und Brennstoff zu einer lesenswerten Geschichte, die nicht nur bewegend sondern auch spannungsvoll ist. Gerne empfehle ich das Buch an Lesende von historischen Romanen weiter.

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